Pushpak Bhagavata Purana Buch 4Zurück WeiterNews

4.24. Das Gebet von Shiva

Maitreya sprach:
Antardhana, der Sohn von König Prithu, der durch seine Heldentaten auch Vijitashva genannt wurde (der das Pferd gewann), wurde zum neuen König der Könige und übergab seinen geliebten jüngeren Brüdern die Herrschaft in den vier Himmelsrichtungen. Haryaksha gab er den östlichen Teil, Dhumrakesha den südlichen, Vrika den westlichen und Dravina den nördlichen. Von Indra wurde er mit der übernatürlichen Fähigkeit gesegnet, sich unsichtbar zu machen, und erhielt dafür auch den Namen Antardhana („unsichtbar anwesend“). Er heiratete Shikhandini und zeugte mit ihr die drei mächtigen Söhne Pavaka, Pavamana und Suchi. Sie waren zuvor die Götter des Feuers gewesen und wurden nun durch einen Fluch des Weisen Vasishta als Menschen wiedergeboren, um sich auf dem Yoga-Weg wieder zu den Göttern zu erheben. Daraufhin zeugte Antardhana - der damals Indra verschonte, obwohl dieser das Opferpferd seines Vaters entführt hatte - mit seiner (zweiten) Ehefrau Nabhasvati einen Sohn namens Havirdhana („das bewahrte Opfer“). Er betrachtete die Tribute, Strafen und Steuern als zu hart und unwürdig und erließ sie im Sinne einer großen Opfergabe. In diesem Opfer war er sich beständig der Höchsten Seele bewußt, verehrte den Höchsten Geist, der die Sorgen seiner Verehrer vernichtet, und schnell erreichte er durch Selbstverwirklichung die geistige Welt. Havirdhana zeugte mit seiner Ehefrau Havirdhani sechs Söhne namens Varhishat, Gaya, Sukla, Krishna, Satya und Jitavrata. Oh Bester der Kurus, unter ihnen war Varhishat in Opferdarbringung und Yoga-Verwirklichung so überaus gesegnet, daß er als Stammvater (Prajapati) angesehen und Prachinavarhis genannt wurde. Er vollbrachte so viele Opfer auf der Erde, daß die Spitzen der Kusha-Grashalme schon von selbst in Richtung Osten wuchsen. Auf Wunsch von Brahma heiratete er Satadruti, die Tochter des Ozeans. Sie war so schön, daß sich sogar der Feuergott Agni von ihr angezogen fühlte, als er sie zur Hochzeitszeremonie während der Umrundung des Feuers erblickte. Und der wunderbare Klang der Glöckchen an den Knöcheln der Braut faszinierte nicht nur die Menschen sondern auch die himmlischen Wesen mit all den Göttern, Dämonen, Gandharvas, Siddhas, Rishis und Nagas. Prachinavarhis zeugte mit Satadruti zehn mächtige Söhne, die man Prachetas nannte, die alle gleich asketisch und tugendhaft waren (symbolisch für das zehnfache Bewußtsein bezüglich der fünf Sinnes- und fünf Handlungsorgane, die eine gemeinsame Frau heiraten, die Natur). Als ihr Vater sich Enkelkinder wünschte, begaben sie sich in ein großes Gewässer, verehrten den Herrn der Opfer und übten dort für zehntausend Jahre harte Askese. Mit großer Selbstbeherrschung meditierten, rezitierten und verehrten sie das, was sie Shiva lehrte, der ihnen auf dem Weg begegnete und sehr zufrieden mit ihnen war.

Da fragte Vidura:
Oh Brahmane, bitte erzähle mir ausführlich, was geschah, als sie Lord Shiva auf ihrem Weg trafen, und was er die Prachetas lehrte, als er mit ihnen zufrieden war. Oh Bester der Weisen, in dieser Welt der körperlichen Wesen ist es schwer, Shiva auf dem Weg zu begegnen, sogar für Asketen, die meditieren und den weltlichen Begierden entsagen. Warum verkörpert sich Lord Shiva mit seiner schrecklichen Kraft (Shakti) in dieser Welt, um den Geschöpfen zu helfen, obwohl er doch vollkommen selbstzufrieden ist?

Und Maitreya erzählte:
Die tugendhaften Prachetas trugen den Wunsch ihres Vaters (nach Nachkommenschaft) in ihren Köpfen und gingen entschlossen in westliche Richtung, um dafür hingebungsvolle Askese zu üben. Nach einer Weile erreichten sie ein großes Gewässer, das so tief wie der Ozean war, klar wie das Bewußtsein einer reinen Seele und für seine Bewohner höchst angenehm. Das Wasser erstrahlte von roten und blauen Lotusblüten und ertönte vom Gesang der Schwäne, Kraniche, Chakravakas und anderer Wasservögel. Die Bäume und Büsche summten von berauschten Bienen, und es war ein Fest der Blüten, deren Duft vom Wind in alle Richtungen getragen wurde. Dazu erklangen die himmlischen Pauken und Trommeln zum Gesang der Gandharvas, und die Königssöhne waren höchst erfreut. In diesem Moment sahen sie, wie Shiva, der Beste der Götter, unter der Verehrung seines Gefolges aus dem Wasser kam. Er erschien wie strahlendrotes Gold, mit blauer Kehle, drei Augen und freundlichem Gesicht, so daß sich alle vor ihm verneigten. Daraufhin wandte sich der Gott, der das Dharma bewahrt und alle Gefahren vernichten kann, an die zehn Prachetas, mit deren tugendhaften Verhalten er zufrieden war.

Und Rudra sprach:
Oh ihr Söhne von König Prachinavarhis, ich kenne eure tugendhafte Absicht. Möge euch Gutes geschehen! Um euch zu helfen, bin ich hier vor euch erschienen. Jedes Wesen, das seine Zuflucht beim himmlischen Vasudeva sucht, ist mir besonders lieb, denn er ist der Höchste Herr jenseits der individuellen Seele und den drei natürlichen Qualitäten (der Güte, Leidenschaft und Trägheit). Wer über hundert Leben seine Aufgabe erfüllt und dem Dharma der Tugend und Gerechtigkeit folgt, erreicht durch mich die Region von Brahma, und wer darüber hinaus dem Höchsten Herrn mit Hingabe dient, erreicht durch mich die geistige Region von Vishnu und nach der vollkommenen Auflösung der Welt mich selbst. So sind mir die Verehrer des Höchsten Herrn so lieb wie der Herr selbst. Und wer ihn verehrt, der verehrt auch mich, und ich bin ihm lieb. Deshalb hört mich an, was ich euch zu sagen habe. Es ist höchst heilig, heilsam und segensreich und damit wert, stets beachtet und verinnerlicht zu werden.

Daraufhin verkündete Lord Shiva von großem Mitgefühl zu den Verehrern des Höchsten Herrn bewegt, folgendes Gebet für Vasudeva. Die Königssöhne standen mit gefalteten Händen vor ihm und hörten aufmerksam zu, wie Shri Rudra sprach:
Verehrung sei dir, der höchsten Selbstverwirklichung der Seele, die allen Wesen Wohlergehen bringt. Verehrung sei dir, der verehrungswürdigen und vollkommenen Seele aller Wesen und der Höchsten Seele selbst. Jegliche Verehrung sei dir als Vasudeva, aus dessen Nabel der Weltenlotus entspringt. Du bist die Quelle aller Sinne und Sinnesobjekte, das unveränderliche Selbst, das reine Bewußtsein der Erleuchtung und der ewige Frieden. Verehrung sei dir als Pradyumna (dem Herrn der Vernunft), der die ganzheitliche Erkenntnis des Universums und der Höchsten Seele in allen Wesen gewährt. Verehrung sei dir als Sankarshana (dem Herrn des Ichbewußtseins), der als Ursprung aller feinstofflichen Elemente die schwer überwindbaren Trennungen (bzw. weltlichen Gegensätze) hervorbringt. Verehrung sei dir als Aniruddha (dem Herrn der Gedanken), der die Sinne beherrscht und beurteilt (bzgl. der vier Vasudevas siehe auch Kapitel 3.26).

Verehrung sei dir, der wie eine Sonne diese Welt mit dem Licht des Bewußtseins erleuchtet und gleichzeitig ungebunden von jeder Erscheinung ist. Verehrung sei dir als himmlischer Wohnort, dem Weg zur Befreiung, dem Tor zum Ewigen und der vollkommenen Reinheit. Verehrung sei dir als Element des Feuers, das den vier Opferpriestern (Hota, Advaryu, Udgata und Brahma) zur Durchführung der Opfer dient. Verehrung sei dir als Mondgott Soma, der die Ahnen und Götter ernährt, dem Herrn der drei Veden und dem Wesen des Opfers. Verehrung sei dir als Element des Wassers, das allen Wesen Leben spendet. Verehrung sei dir als Element der Erde, die den Wesen ihre Körper gibt und alle drei Welten verkörpert. Verehrung sei dir als Element des Windes, der den drei Welten Kraft und Energie verleiht und alles bewegt. Verehrung sei dir als Element des Raumes, der die bedeutungsvollen Worte erklingen läßt und das Äußerliche vom Innerlichen trennt (die stoffliche Welt von der geistigen Welt). Und Verehrung sei dir als höchst strahlender Himmel jenseits der Welt der Sterblichen, um die verdienstvollen Taten zu genießen.

Jegliche Verehrung sei dir als die Kraft des Nichthandelns (ohne weltliche Anhaftung), die zu den Göttern führt, und die Kraft des Handelns (mit weltlicher Anhaftung), die durch den Tod zu den Ahnen führt und zur Ursache des karmischen Leidens wird. Verehrung sei dir als Shri Krishna mit der universalen Intelligenz, dem ursprünglichen Höchsten Geist (Purusha) und Meister von Sankhya und Yoga (Theorie und Praxis). Verehrung sei dir als Brahma, dem Wesen des Ichbewußtseins mit dem gedanklichen Wissen, das von den drei karmischen Kräften eingehüllt ist (Handelnder, Wahrnehmung und Handlung), womit das göttliche Wort ausgesprochen wird.

Wir wünschen deine Gegenwart und bitten dich, uns deine Gestalt zu zeigen, die deinen Verehrern so lieb ist und die Sinne befriedigt. Zeige uns deine vorzügliche Gestalt, so mächtig wie die Wolken zur Regenzeit, voller Herrlichkeit, mit vier Armen, eleganten Gliedern und freundlichem Gesicht, mit schönen Lotusaugen, geschwungenen Augenbrauen und wohlgeformter Nase, mit strahlendweißen Zähnen, hoher Stirn, schönen Ohren und harmonischem Angesicht. Zeige uns dein barmherziges Lächeln, dein lockiges Haar, deine safranfarbige Kleidung wie das Innere einer Lotusblüte, deine funkelnden Ohrringe, deine strahlende Krone, deine goldenen Armreifen, deine herrliche Halskette, die Glöckchen an deinen Knöcheln, dein Muschelhorn, deinen Diskus, deine Keule, deine Lotusgirlande und alle deine Perlen und Juwelen. Die Schultern, auf die dein lockiges Haar fällt, gleichen einem Löwen, dein Hals ist mit dem Kaustubha-Juwel gesegnet und deine Brust mit dem goldenen Srivatsa für unvergängliche Schönheit (der Göttin des Wohlergehens). Dein Bauch, der mit seinen Linien dem Blatt (eines Feigenbaumes) gleicht, bewegt sich im kosmischen Ein- und Ausatmen, und dein Nabel gleicht einem Wirbel, aus dessen Tiefe die ganze Schöpfung erscheint. Über deinem dunklen Körper trägst du ein strahlendgelbes Kleid mit einem goldenen Gürtel, unter dem deine wohlgeformten Schenkel, Waden und Lotosfüße erscheinen.

Oh Herr, du bist der Lehrer aller, die von der natürlichen Qualität der Trägheit (bzw. dunklen Unwissenheit) ergriffen wurden. Deshalb zeige uns deine lichtvolle Gestalt mit den Lotusfüßen, die mit hellen Fußnägeln wie herbstliche Lotusblüten erstrahlen und den Weg weisen, um die geistige Dunkelheit und damit jegliche Angst deiner Verehrer zu vernichten. Wer also dem Dharma der Tugend und Gerechtigkeit folgen will, sollte über diese Gestalt mit liebender Yoga-Hingabe (Bhakti-Yoga) meditieren, um sich zu reinigen und von Angst zu befreien. Wer dich verehrt, kann dich leicht erreichen. Alle anderen verkörperten Wesen (mit eigensinniger Sicht) haben es schwer, auch wenn sie zum König des Himmels werden. Denn du bist das große Ziel aller, die Selbstverwirklichung und Einheit suchen. Wer würde nicht wünschen, deine Lotusfüße durch liebevolle Hingabe zu sehen, wenn alle anderen Wege sogar für tugendhafte Menschen so schwer sind? Selbst wenn Brahma seine Augen schließt und unwiderstehlich alle Geschöpfe der drei Welten vergehen, wird eine Seele mit vollkommener Hingabe nicht vom Tod bedroht.

Schon kurze Zeit der Gemeinschaft mit Verehrern des Höchsten Herrn, kann für die Einung mehr Segen bringen als der ganze Himmel, ganz zu schweigen von den weltlichen Freuden. Mögen wir mit der Gemeinschaft all jener gesegnet sein, die ihre Unreinheit innerlich durch liebevolle Hingabe zum Höchsten Herrn und äußerlich mit dem heiligen Wasser der Ganga abgewaschen haben. Wer seinen Geist durch den Segen reinigt, der durch die liebevolle Hingabe (Bhakti-Yoga) entsteht, folgt deinem Licht der Erkenntnis und wird sich nicht mehr in der dunklen Höhle der Unwissenheit verlaufen. Denn du bist das vollkommene Brahman, das dieses ganze Universum verkörpert, und alles erscheint in dir, wie die Geschöpfe im Raum. Durch deine Illusions- und Schöpferkraft (Maya) wird die Vielfalt der Welt erschaffen, erhalten und wieder vernichtet. Du bist die unveränderliche Höchste Seele, aus der die universale Intelligenz mit der Vernunft entsteht und daraus das Ichbewußtsein mit den unterscheidenden Gedanken, die uns so viele Sorgen bereiten. Die weisen Yogis verehren dich voller Vertrauen mit dem Opfer der Hingabe und erkennen deine Gestaltung durch die natürlichen Prinzipien der Elemente, der Sinne und des Geistes, die durch dich, oh Herr, von den Weisen in den Tantras und Veden deutlich erklärt wurden. Du bist der eine ursprüngliche Höchste Geist (Purusha), aus dessen schlummernder (potentieller) Energie durch die drei natürlichen Qualitäten von Güte, Leidenschaft und Trägheit (Sattwa, Rajas und Tamas) die Vielfalt der natürlichen Prinzipien erscheinen, nämlich die universale Intelligenz (Mahat), das Ichbewußtsein (Ahankara), die fünf Elemente von Raum, Wind, Feuer, Wasser und Erde sowie die Götter, Heiligen und alle anderen Geschöpfe und Lebewesen, die alle aus Ihm (dem Purusha) entstehen.

So erkennt man den Höchsten Geist, der durch eigene Kraft die vier Arten der körperlichen Lebewesen (lebendgeboren, eigeboren, feuchtigkeitsgeboren und sproßgeboren) hervorbringt, die ein Teil deines Körpers sind und aus Unwissenheit nach den Sinnesgenüssen greifen, wie die Bienen nach dem Nektar der Blüten. So erkennt man in dir auch die Zeit mit der schrecklichen Vergänglichkeit, die alle geschaffenen Welten mit allen Geschöpfen auflösen kann, wie der Wind die Wolken zerstreut. Doch dein wahres Wesen ist überaus schwer zu erkennen. Für die Unwissenden, die gierig nach den weltlichen Genüssen und den Früchten ihrer Taten greifen und niemals zufrieden sind, erscheinst du wie eine hungrige Giftschlange, die züngelnd auf die unachtsame Maus wartet. Aber die Weisen erkennen, daß ihr Leben vergeudet wäre, ohne deine Lotusfüße mit liebevoller Hingabe zu verehren, die sogar von Brahma und allen vierzehn Manus voller Vertrauen verehrt werden. Oh Höchste Seele, die das vollkommene Brahman ist, du bist die alleinige Zuflucht für die Wesen, die überall im Universum von der großen Angst vor Rudra, dem Zerstörer, überwältigt werden.

Und Rudra fuhr fort:
Oh ihr Königssöhne, erfüllt mit reinen Herzen eure Aufgabe im Leben und neigt euren Geist zur Verehrung des Höchsten Herrn. Rezitiert dieses Gebet und seid gesegnet! Meditiert, erkennt und verehrt die Höchste Seele in euch selbst und in allen Wesen. Empfangt von mir diese Yoga-Lehre, übt mit Weisheit und gezügeltem Geist die heilsame Entsagung und verinnerlicht meine Gebote mit größtem Respekt. Dieses Gebet wurde zuerst von Brahma, dem Schöpfer der Welten, seinen geistgeborenen Söhnen mit Bhrigu an der Spitze gelehrt, die durch Nachkommenschaft die Schöpfung entfalten sollten. Damit wurden wir (Rudra gilt ebenfalls als ein geistgeborener Sohn von Brahma) von jeder Unwissenheit befreit und waren fähig, die verschiedenen Arten der Geschöpfe hervorzubringen. Wer Vasudeva verehrt, sollte dieses Gebet achtsam und mit ganzem Herzen rezitieren, denn es gewährt allseitiges Wohlergehen. Von allen guten Dingen ist die wahrhafte Erkenntnis das Beste und führt zum höchsten Wohlergehen, weil man mit diesem Boot den Ozean der weltlichen Sorgen überqueren kann. Wer auch immer dieses Gebet hingebungsvoll studiert, das ich euch mitgeteilt habe, erreicht mit seiner Verehrung den Höchsten Herrn, der so schwer zu erreichen ist. Und wer den Höchsten Herrn erreicht und erfreut, der die Quelle von allem Wohlergehen ist, der kann wahrlich alles erreichen. Wer sich am frühen Morgen erhebt und mit gefalteten Händen dieses Gebet zum Wohle aller Wesen rezitiert, kann von allen karmischen Bindungen befreit werden. Oh ihr Söhne des Königs, verinnerlicht dieses Gebet, das ich euch über den Höchsten Geist offenbart habe, der die Seele aller Wesen ist, und übt hingebungsvolle Entsagung, damit ihr schließlich alle eure Wünsche verwirklichen könnt.


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