Pushpak Bhagavata Purana Buch 4Zurück WeiterNews

4.25. Naradas Geschichte von König Puranjana

Maitreya sprach:
So belehrte der Höchster Herr in Gestalt von Rudra die zehn Prachetas, wurden von ihnen verehrt und verschwand wieder vor deren Augen. Danach übten die Prachetas viele tausend Jahre harte Askese im Wasser und rezitierten dieses Gebet, das sie von Shiva empfangen hatten. In der Zwischenzeit erschien Narada, der die geistige Sicht besaß, voller Mitgefühl vor Prachinavarhis, dem Vater der zehn Prachetas, dessen Geist an den Früchten seiner Taten anhaftete, und sprach zu ihm:
Oh König, welches Wohlergehen erwartest du von deinen Taten? Auf diese Weise wirst du weder dein Leiden vermindern noch wahre Glückseligkeit finden.

Darauf antwortete der König:
Was soll ich tun, oh Hochbeseelter? Mein Geist ist vom Verlangen nach den Früchten besessen. Bitte erkläre mir, wie ich mich von dieser karmischen Anhaftung befreien kann. Ich gehe als Hausvater auf weltlichen Wegen und bin meiner Ehefrau, den Kindern und dem Besitz verpflichtet. In dieser Illusionswelt kann man keine wahre Erkenntnis erreichen.

Und Narada sprach:
Oh Stammvater und König der Menschen, erinnere dich an die tausenden Tiere, die du gewaltsam in deinen Opfern getötet hast! Erinnere dich an die Qualen, die du ihnen zufügtest! Sie warten nur auf deinen Tod und werden dich mit eisernen Hörnern treffen. Höre mich an, ich werde dir eine uralte Geschichte über das Verhalten von König Puranjana erzählen:

Es gab einmal einen berühmten König namens Puranjana („verkörperte Seele“), der hatte einen Freund namens Avijnata („der Unerkannte“), von dem niemand wußte, wer er war und was er tat. Der König reiste über die ganze Erde auf der Suche nach einem Ort, wo er glücklich wohnen konnte, aber er fand keinen und wurde traurig. Kein Wohnort entsprach seinen Wünschen und war gut genug. Doch eines Tages entdeckte er im Hochland auf der Südseite des Himalaya eine Stadt mit neun Toren, die alle Vorzüglichkeiten bot (eine Anspielung auf den menschlichen Körper mit den Toren der Augen, Ohren, Nasenlöcher, Mund, Anus und Genital). Sie hatte schöne Mauern, Wohnhäuser, Fenster, Türme, Tore, Gärten, Kanäle und Kuppeln aus Gold, Silber und Eisen. Die Paläste waren mit Saphiren, Kristallen, Diamanten, Perlen, Smaragden und Rubinen geschmückt, die der Stadt ihren Glanz verliehen, so strahlend wie die herrliche Stadt Bhogavati (die Stadt der Nagas in der Unterwelt). Es gab Versammlungshallen, Plätze, Straßen, Spielhäuser, Geschäfte, Märkte und Ruheplätze, die mit Fahnen, Girlanden und Blumen geschmückt waren. Am Rande der Stadt sah man schöne Bäume und Büsche mit summenden Bienen, wie auch einen idyllischen See voller Lotusblüten, in dem sich die Wasservögel tummelten. Am Ufer wuchsen blühende Bäume, auf deren Blättern sich die Nebel eines Wasserfalls niederlegten, der sich aus einem reinen Gebirgsbach in den See ergoß. Die Gruppen der Wildtiere waren so zahm wie die weisesten Weisen, und der Gesang der Kuckucke gab jedem Besucher das Gefühl, willkommen zu sein.

In dieser harmonischen Umgebung sah der König plötzlich eine schöne Frau auf sich zukommen, die von zehn Dienern umgeben war, die jeweils über hundert weitere Diener herrschten (die Frau erinnert an die Natur bzw. Prakriti in Form des gedanklichen Ichbewußtseins mit den fünf Sinnes- und Handlungsorganen, die jeweils über hunderte Eigenschaften verfügen). Sie war jung und schön mit bezauberndem Körper, wurde allseits von einer fünfköpfigen Schlange beschützt (die fünf Lebenswinde Prana, Apana, Samana, Udana und Vyana bzw. Aushauch, Einhauch, Allhauch, Aufhauch und Zwischenhauch) und war auf der Suche nach einem Ehemann. Sie hatte ein wohlgeformtes und schönes Gesicht, trug glitzernde Ohrringe und ein gelbes Kleid mit einem goldenen Gürtel um die schlanke Taille. Ihre Haut war dunkel, und an ihren Knöcheln klingelten kleine Glöckchen, als wäre sie eine himmlische Apsara. Sie ging anmutig wie eine Elefantendame und bedeckte mit ihrem Kleid schamvoll ihre vollen jugendlichen Brüste. Beim Anblick ihres schönen Körpers und dem schüchternen Lächeln in ihrem Gesicht wurde der König sogleich von den Pfeilen des Liebesgottes durchbohrt und sprach mit zärtlicher Stimme:
Wer bist du mit den schönen Lotusaugen? Wer sind deine Eltern? Und was machst du hier in diesem Garten nahe der Stadt, oh liebliche Dame? Wer ist dein elffaches Gefolge, und was für eine Schlange beschützt dich, oh Schönäugige? Bist du Uma, die Frau von Shiva, oder Sarasvati, die Frau von Brahma, oder vielleicht sogar Lakshmi, die Frau von Vishnu und Göttin des Wohlergehens, oh Schüchterne? Doch ich sehe keine Lotusblüte in deiner Hand. Hast du sie auf der Suche nach deinem Ehemann verloren? Darüber hinaus berühren deine Füße die Erde. So bist du keine dieser Göttinnen, oh Gesegnete. Weil du aber Lakshmi, der Göttin des Herrn der Opfer, so ähnlich bist, bitte ich dich, mit mir diese schöne Stadt zu bewohnen, die ich als ruhmreicher Held betreten möchte. Oh Schöne, dein schüchterner Blick, dein liebevolles Lächeln und das Spiel deiner Augen haben mich verzaubert. Sei mir gnädig, denn die Pfeile des Liebesgottes haben mich getroffen. Oh Dame mit dem schönen Lächeln, erhebe deinen Kopf mit den schwarzen Locken und schönen Augen und wende dein Gesicht nicht schamvoll von mir ab.

Und Narada fuhr fort:
So sprach Puranjana von Liebe ergriffen, und die schöne Dame lächelte und antwortete dem Helden:
Oh Bester der Männer, ich weiß nicht genau, woher ich und die anderen, die mich umgeben, in dieser Welt stammen, und kenne auch nicht alle ihre Namen. Ich weiß auch nicht, wer diese Stadt geschaffen hat, in der wir alle leben. Ich weiß nur, daß wir heute alle hier anwesend sind. Oh Verehrter, die Männer und Frauen um mich herum sind meine Freunde und Helfer, und wenn ich schlafe, bleibt die Schlange wach und beschützt die Stadt. Zum Glück bist du hierher gekommen. Sei gesegnet! Ich und meine Freunde werden nach Wunsch für deinen Sinnesgenuß sorgen, oh Feindevernichter. Lebe in dieser Stadt mit den neun Toren für hundert Jahre, oh Herr, und erfreu dich an allem, was wir dir geben können. Mit wem, außer dir, könnte ich mich erfreuen? Ich kenne weder Weisheit noch Wissenschaft, weiß nichts über die Zukunft, wie unwissende Tiere, und kann nicht allein diese Freuden hier genießen. Damit meine ich Tugend, Reichtum, Liebe, Ruhm und Kinderfreuden, die man in den Welten der befreiten Asketen nicht kennt, wo weder Glück noch Leid existieren. Die Weisen sagen, daß so ein Leben als Hausvater zum Wohlergehen der Ahnen, Götter, Heiligen, Menschen und aller anderen Wesen führt und natürlich auch zu deinem eigenen. Und welche Frau würde nicht einen so liebenswerten, großmütigen, schönen und berühmten Helden wie dich als ihren Ehemann akzeptieren? Welche Frau würde nicht von deiner Stärke angezogen und gern in deinen mächtigen Armen ruhen, der du stets voller Mitgefühl umherwanderst, um das Leid der Gequälten zu vernichten?

Oh König Prachinavarhis, auf diese Weise verbündeten sich Mann und Frau und betraten als Paar die Stadt, wo sie hundert Jahre die irdischen Freuden des Lebens genossen. Am Tage vergnügte er sich mit den Damen, und am Abend kühlte er sich im Lotusteich ab. Die Musiker sangen fröhliche Lieder und die Barden sein Lob. Die Stadt hatte sieben Tore oben und zwei unten, die für den Herrscher gebaut waren, um verschiedene Ziele zu erreichen. Fünf Tore zeigten nach Osten (nach vorn), eins nach Süden, eins nach Norden und zwei nach Westen. Oh König, ich werde dir auch ihre Namen nennen: Die zwei Tore nach Osten (die beiden Augen) wurden unter den Namen Khadyota (Glühwürmchen) und Avirmukha (Sichtbarkeit) errichtet. Der König benutzte sie, um mit seinem Freund Dyuman (dem Sonnenlicht) nach Vibhrajita (dem Sehen äußerer Formen) zu gehen. Ebenfalls nach Osten zeigen die beiden Tore Nalini und Nahlini (die beiden Nasenlöcher), durch die er mit seinem Freund Avadhuta (der Losgelassene) nach Saurabha (dem Geruch) ging. Das fünfte Tor in Richtung Osten wird Mukhya (Mund) genannt und wird vom König in Begleitung von Rasajna (dem Schmecker) und Vipana (dem Sprecher) benutzt, um nach Apana (zum Markt bzw. zum Essen) und Bahudana (zur reichen Gabe) zu gehen. Durch das südliche Tor namens Pitrihu (Anrufung der Ahnen bzw. rechtes Ohr) besuchte er mit seinem Freund Shrutadhara (die Erinnerung von Gehörtem) das südliche Reich namens Dakshina-Panchala (das Reich der Vorväter im Süden mit ihrer Weisheit auf dem Väterweg). Das nördliche Tor der Stadt (linkes Ohr) wird vom König benutzt, um mit Shrutadhara nach Uttara-Panchala (das Reich der Weisen im Norden auf dem Götterweg) zu gehen. Zu den beiden westlichen (bzw. unteren) Toren zählt das Tor von Asuri (irdische Leidenschaft), durch das Puranjana mit Durmada (sinnlicher Rausch) ins Reich der sexuellen Befriedigung namens Gramaka ging (kleines Dorf bzw. kurze Freude). Das andere westliche (bzw. untere) Tor heißt Nirriti (Auflösung) und wurde vom König zusammen mit seinem Freund Lubdhaka (Begierde bzw. Jäger) benutzt, um nach Vaishasa (Vergänglichkeit) zu gehen.

Darüber hinaus hatte der König auch zwei Diener, die nicht sprechen aber fühlen konnten, ihm als Füße und Hände dienten, um zu laufen und zu handeln. Wenn Puranjana (die Vernunft der universalen Intelligenz) die inneren Gemächer betrat, konnte er mit den zergliedernden Gedanken in einem Zustand der Illusion das Glück der Liebe seiner Frau (des Ichbewußtseins) und ihrer Kinder (den Sinneserfahrungen) genießen. So begann er, an seine Taten (dem Karma) anzuhaften, wurde von Begierde ergriffen, wie ein Dummkopf betrogen, und folgte bald jedem Wunsch seiner Königin. Wenn sie berauschenden Wein trank, trank auch er, wenn sie schmackhafte Speisen aß, aß auch er, wenn sie fröhlich sang, sang auch er, wenn sie weinte, weinte auch er, wenn sie lachte, mußte er auch lachen, und wenn sie plauderte, dann plauderte er mit. Wohin immer sie spazierenging, er folgte ihr nach, wenn sie stehenblieb, blieb er stehen, wenn sie schlafen ging, ging er schlafen, und wenn sie sich niedersetzte, setzte er sich ebenfalls nieder. So hatte er bald die Angewohnheit, daß er genau das hörte, was sie hörte, genau das sah, was sie sah, genau das roch, was sie roch und genau das fühlte, was sie fühlte. Wenn sie etwas erleiden mußte, litt auch er, wenn sie glücklich war, war auch er glücklich, und nur wenn sie zufrieden war, war auch er zufrieden. So wurde er von der Königin gebunden, von der Natur (Prakriti) getäuscht und als betörter Hausvater bald so unfrei und abhängig, wie ein Haustier.


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