Pushpak Bhagavata Purana Buch 1Zurück WeiterNews

1.5. Belehrung von Narada

Als der himmlische Heilige mit der Vina (einem Saiteninstrument) in der Hand bequem saß, sprach er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen zum heiligen Brahmanen:
Oh höchst gesegneter Sohn von Parasara, ist deine Seele mit Körper und Geist wirklich völlig zufrieden? Wahrlich vollendet ist deine Erkenntnis über das, was man erkennen sollte, weil du das wunderbare Mahabharata verfaßt hast, das so reich an Wahrheit ist. Du hast das wahre Wesen der ewigen Gottheit studiert und erklärt. Doch jetzt, oh Mächtiger, beklagst du dich selbst wie einer, der das Ziel verfehlt hat.

Und Vyasa antwortete:
Ich besitze wahrlich das, was du beschrieben hast, und doch findet meine Seele keinen Frieden. So frage ich dich, den geistigen Sohn des selbstgeborenen Gottes (Brahma) voll tiefgründiger Weisheit: Was ist der Grund dafür? Du kennst alles, was von Geheimnissen verhüllt wird, denn du hast den Höchsten Geist verehrt, der über Ursache und Wirkung herrscht und die Welt mit Gedankenkraft schöpft, erhält und zerstört, obwohl er keine bestimmten Eigenschaften besitzt. Du wanderst wie die Sonne durch die drei Welten, durchdringst wie der Wind die Herzen der Menschen und bezeugst ihre Gedanken. Bitte erkläre mir meine Unvollkommenheit, obwohl ich mit Yogakraft tief in den Höchsten Geist eingedrungen bin, die Veden gemeistert und heilige Gelübde beachtet habe.

Darauf sprach Narada:
Du hast die makellose Herrlichkeit des Herrn noch nicht berührt. Solange dies nicht gelingt, wird Er nicht zufrieden sein. Ich glaube, darin bist du noch unvollkommen. Oh Bester der Heiligen, du hast zwar die vier großen Lebensziele von Dharma, Artha, Kama und Moksha (Tugend, Verdienst, Liebe und Befreiung im Mahabharata) beschrieben, aber nicht gleichermaßen die makellose Herrlichkeit von Vasudeva. Wo dieser wunderbare und heiligende Ruhm von Hari fehlt, versammeln sich gern die Krähen, um im weltlichen Sumpf zu schwelgen, aber die Schwäne, die in geistige Tiefen tauchen und nach dem Göttlichen suchen, werden davon nicht erfreut. Nur jene Verse, auch wenn sie unvollkommen formuliert wurden, die vom Namen und Ruhm des Ewig-Einen durchdrungen sind und von Heiligen gehört, rezitiert und gesungen werden, können die menschliche Sünde vernichten. Selbst Freiheit vom Handeln und fehlerfreie Erkenntnis erstrahlen nicht vollkommen, wenn es an Hingabe zur unvergänglichen Gottheit fehlt. Was nützen uns die wohltätigsten und selbstlosesten Taten, die in ihrem Wesen immer unvollkommen sind, solange sie nicht der höchsten Gottheit gewidmet werden? Deshalb, oh gesegneter Weiser mit untrüglicher Sicht, unerschütterlichem Ruhm, beständiger Wahrhaftigkeit und asketischen Gelübden, rufe mit Hilfe deine Yogakraft die Taten des Allmächtigen in dein Bewußtsein, um dich von allen Arten der Bindungen zu befreien!

Der Geist einer Person, die ihren Lebensatem für Weltliches verschwendet und den Blick von der Gottheit abwendet, konzentriert sich nur auf Äußerlichkeiten und kann keinen Ort der Zufriedenheit finden, sondern wandert unruhig zwischen den Namen und Formen seiner eigenen Schöpfungen hin und her, wie ein kleines Boot im Wind auf dem Ozean treibt. Wenn du im Namen des Dharmas andere Personen beschuldigst, die von Natur aus dem Weltlichen geneigt sind, lädst du eine gravierende Schuld auf dich. Durch solche Worte werden die Menschen auf ein begriffliches Dharma fixiert und verschließen sich dem Göttlichen. Die wahrhaft Weisen können durch Entsagung von weltlichen Taten die Glückseligkeit des Höchsten Herrn jenseits aller Bedingungen von Raum und Zeit verwirklichen. Darum, oh Weiser, zeige die Taten des Herrn all jenen, die Körper und Seele verwechseln und ihren persönlichen Neigungen folgen. Welches Übel könnte jemanden treffen, der mitten in einem Leben der Hingabe zu den Lotusfüßen des Herrn stirbt, auch wenn er die üblichen Aufgaben seiner Kaste noch nicht erfüllt hat? Und was nützt die Erfüllung dieser Aufgaben, wenn es an Hingabe mangelt?

Der Weise sollte nach dem streben, das mit dem weltlichen Wandern der Seele durch die niederen und höheren Existenzen nicht erreicht werden kann. Die Freuden der Sinne muß man nicht mühevoll suchen, denn sie kommen, wie auch die Sorgen, im mächtigen Strom der Zeit von selbst zu uns. Ein hingebungsvoller Verehrer des Herrn, der die wahre Erlösung gewährt, muß keine Wiedergeburt fürchten, in welche Notlage er auch immer fällt. Mit der glückseligen Freude vereint, kann er sich niemals von seinen Lotusfüßen* trennen. Diese ganze phänomenale Welt ist sozusagen eine Spiegelung des Herrn, aus dem Schöpfung, Erhaltung und Auflösung hervorgehen. Du kennst es, und ich zeige es dir als ein Teil der Höchsten Natur. Erkenne dich selbst, oh Weiser mit untrüglicher Einsicht, als eine Verkörperung des Höchsten Wesens, das ungeboren ist, aber zum Wohle der Welt geboren wurde. Deshalb studiere mehr als bisher die Macht dieses allmächtigen Herrn. Die Weisen erklären die Verherrlichung des Herrn, dessen Lobpreis die geistige Dunkelheit zerstreut, als unvergängliche Frucht von Askese, Vedenstudium, Riten, Hymnen, Wohltätigkeit und Erkenntnis.

(*Bei dem Begriff „Lotusfüße“, der sich durch das ganze Bhagavatam zieht, kann man auch an den Lotus der Schöpfung denken. Dann werden es „Schöpfungsfüße“ als Grundlage der Schöpfung, die alles tragen, aber für unser gewöhnliches Bewußtseins nicht begreifbar sind. Ähnliches sagt auch unsere moderne Wissenschaft bezüglich der Erkenntnisse in der Quantenphysik: „Was wir sehen ist nur ein Fußabdruck, der sich hinterher ergibt, aber der Fußabdruck ist nicht der Mensch, der ihn gemacht hat… Wie sollen wir von etwas sprechen, was wir nicht begreifen können?“ (Quelle: Hans Peter Dürr, Die neue Physik und einige Folgen für das Denken und Handeln, 10:10) Nun, dafür gibt es solche wunderbaren Geschichten mit bedeutungsvoller Symbolik über den Höchsten Herrn mit den Lotusfüßen.)

Oh Heiliger, in meinem vergangenen Leben (am vorhergehenden Schöpfungstag) wurde ich als Sohn einer Dienstmagd im Hause eines Veden-Lehrers geboren. Noch als Junge wurde ich zum Dienst einiger Asketen berufen, welche die Regenzeit hier gemeinsam verbringen wollten. Obwohl die Heiligen alles mit gleichem Auge betrachteten, zeigten sie mir besondere Gunst, denn schon als Kind hegte ich keinen Übermut, hing nicht an Spielzeugen, zügelte meine Rede und diente ihnen mit großer Achtsamkeit. Mit Erlaubnis der Brahmanen pflegte ich nur einmal am Tag zu essen, und zwar die Rester, die auf ihren Tellern übriggeblieben waren, nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatten. Auf diese Weise wurden meine Sünden bereinigt, und mit gereinigtem Herzen wuchs in mir der Geschmack für ihre Wege. Damals hörte ich Tag für Tag, wie sie voller Entzücken das Lob Krishnas sangen. Oh Vyasa, ich hörte jedes Wort mit ganzer Achtsamkeit, und so erwachte in mir die große Hingabe zum Herrn des liebenswürdigen Ruhms. Und je mehr sich dieser Geschmack entwickelte, oh Mächtiger, wurde auch die Hingabe zur allgeliebten Gottheit immer beständiger, durch die ich jetzt in mir die Höchste Seele erkenne und weiß, daß die Unterscheidung zwischen Sein und Nichtsein nur durch die Illusion Seiner Natur entsteht. So hörte ich während des Frühlings und der Regenzeit über alle drei Abschnitte des Tages das makellose Lob Haris aus dem Mund der hochbeseelten Heiligen, und in mir erhob sich ein Geist der Hingabe, so daß der natürliche Einfluß von Leidenschaft und Trägheit verschwand. Wahrlich, als hingebungsvolles, demütiges, sündloses und ehrfürchtiges Kind, das seine Leidenschaften gezähmt und ihnen fleißig in jeder Weise gedient hatte, teilten mir diese Heiligen zum Abschied voller Gnade und Mitgefühl das geheime Wissen mit, das vom Herrn selbst offenbart worden war, jenes Wissen, wodurch ich die Macht der Illusion (Maya) erkennen konnte, die in Vasudeva wohnt, und das zur großen Einheit mit dem Herrn führt. Und damit haben sie mir auch das Mittel gegen die drei weltlichen Leiden (durch sich selbst, die Elemente und das Schicksal bzw. Geburt, Alter und Tod) erklärt, indem man alle Werke der Gottheit widmet.

Oh Heiliger mit den reinen Gelübden, eine Krankheit, die durch ein bestimmtes System entsteht, kann nicht durch das gleiche System geheilt werden, ohne daß man es ändert. Ebenso verursachen alle persönlichen Taten die Bindungen im Kreislauf der Existenzen, während die gleichen Taten die Seele von ihren Bindungen befreien, sobald sie der Gottheit gewidmet werden. Erkenntnis und Hingabe hängen immer vom Handeln zur Zufriedenheit aus Sicht der Gottheit ab. Wenn Menschen nach den Geboten des Herrn handeln, dann erinnern sie sich immer wieder an seine Namen und Tugenden und rezitieren: „Wir verneigen uns im Geiste vor dem Herrn, oh Vasudeva, Pradyumna, Aniruddha und Sankarshana. (Die Bedeutung wird später im Kapitel 3.26. erklärt.)“ Wer auf diese Weise die Gottheit verehrt, die der Verehrung würdig ist, verehrt das Formlose, das durch die göttlichen Verkörperungen wahrnehmbar geworden ist. Oh Brahmane, zufrieden damit, daß ich nach den Geboten seiner Offenbarungen gehandelt habe, gab mir Kesava die göttliche Erkenntnis, Kraft und Hingabe. Oh Heiliger mit dem großen Wissen der Veden, preise umfassend das Lob und die Herrlichkeit des Herrn, damit das begriffliche Verlangen der Weisen zum Guten gestillt wird. Es gibt kein anderes Mittel, um die Leiden der Sterblichen, die von vielfältigen Sorgen gequält werden, zu heilen und wahre Zufriedenheit zu erreichen.


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