Pushpak Vayu PuranaZurück WeiterNews

2.41. Die Neuschöpfung des Welten-Eies

Die Weisen sprachen:
Oh Suta, du hast uns wirklich Großartiges erzählt. Oh Heiliger, du hast uns die wundervollen Taten der Wesen verkündet, von den Manus, Geistern, Gespenstern, Schlangen, Rakshasas, Daityas, Danavas, Yakshas und Vögeln. Du hast uns die grundlegenden Gebote ihres Dharmas aufgrund ihrer vorzüglichen Geburt mit wundervollen Geschichten erklärt. Deine angenehme Rede, oh Suta Sohn, ist unseren Ohren und dem Geist eine ewigwährende Freude solange die Schöpfung der Lebewesen währt.

Und nachdem sie den Suta solcherart geehrt hatten, befragten ihn die Weisen, die das große Opfer durchführten, über den Prozeß der Neuschöpfung:
Oh höchst intelligenter Suta, wie entsteht nun die Schöpfung wieder neu? Wir bitten dich, erkläre uns, wie die Schöpfung wieder beginnt, nachdem alle Bindungen aufgelöst, die drei natürlichen Qualitäten völlig ausgeglichen waren, alles in Dunkelheit gehüllt war, alle Arten der Geschöpfe verschwunden und im ungestalteten Selbst aufgelöst waren und kein Unterschied mehr zwischen Bewußtsein und Brahman existierte.

So befragt, erklärte der Suta Lomaharshana den Prozeß der erneuten Schöpfung:
Man sollte wissen, daß sich die Schöpfung immer wieder wie zuvor entfaltet. Ich werde erklären, was offensichtlich ist und was man mit überzeugenden Argumenten schlußfolgern kann. Das Ungestaltete ist nicht greifbar. Von ihm prallen alle Worte und Gedanken ab. Und wie das Ungestaltete unbegreiflich ist, so sind es auch die Geschöpfe darin. Wenn sich ihre Gestaltung auflöst, kann man sie nirgendwo mehr sehen. Die natürlichen Qualitäten (die drei Gunas von Sattwa, Rajas und Tamas) erreichen völlige Ausgeglichenheit, und die Geschöpfe sind im Meer der Ursachen (dem Pradhana) versunken, das auf dem Höchsten Geist (Purusha) beruht. Alle Verdienste und Sünden (das ganze Karma) der Lebewesen sind in diesem Ungestalteten verschmolzen. Ihre Verdienste vom Wesen der Güte gehen in das Sattwa-Guna ein, während ihre Sünden vom Wesen der Dunkelheit bzw. Unwissenheit in das Tamas-Guna eingehen. Doch solange die Gunas in völliger Ausgeglichenheit sind, gibt es keinen Unterschied (bzw. Gegensatz) zwischen ihnen. Alle Wirkungen aus dem Meer der Ursachen geschehen durch das natürliche Prinzip der universalen Intelligenz mit der Vernunft (Mahat und Buddhi). Wenn das Bewußtsein diese hohe Vernunft (bzw. wahre Erkenntnis) verläßt, wird es von den natürlichen Eigenschaften der Gunas beherrscht (und wird zum Ichbewußtsein). So entsteht die Körperlichkeit durch Identifikation mit den natürlichen Eigenschaften.

Damit sind die Bedingungen gegeben, daß Bewußtsein und gestaltete Natur (Kshetrajna und Kshetra) gegenseitig interagieren und sich in der Beziehung zwischen Genießer und Genußobjekt verbinden. Sie beide schöpfen allein aus dem Ungestalteten. Als die natürlichen Qualitäten in einem stabilen Zustand der harmonischen Ausgeglichenheit waren, herrschte das Bewußtsein über die Natur. Doch nun, zu Beginn der Schöpfung, wird die Ausgeglichenheit gestört (und die natürlichen Eigenschaften beginnen, das Bewußtsein zu herrschen). Auf diese Weise verkörpern sich die gestalte Natur und das Ichbewußtsein aus dem Ungestalteten. Sobald die natürliche Qualität der Güte (Sattwa) vom Bewußtsein ergriffen wird, beginnt die Entwicklung. So entstehen durch das Bewußtsein die 24 natürlichen Prinzipien von der universalen Intelligenz bis zu den grobstofflichen Elementen aus dem Meer der Ursachen und dem Höchsten Geist (Pradhana und Purusha).

(Die 24 Tattwas bzw. Prinzipien der Natur und das Prinzip des Geistes:
1-5) 5 Bhutas, grobstoffliche Elemente
6-10) 5 Tanmatras, feinstoffliche Elemente mit den Eigenschaften
11-15) 5 Jnana-Indriyas, Sinnesorgane
16-20) 5 Karma-Indriyas, Handlungsorgane
21) Manas, Denken
22) Ahankara, Ichbewußtsein
23) Mahat mit Buddhi, universale Intelligenz mit Vernunft
24) Pradhana, das Ungestaltete, Meer der Ursachen,
 = Purusha, Höchster Geist, Seele, Selbst)

Auf diese Weise wird im Welten-Ei (Brahma-Ei oder Brahmanda) der Höchste Herr geboren. Er wird der Herr aller Geschöpfe und des gesamten erkennbaren Universums sein. Er ist der führende Herr für alle Wesen auf dem Weg zur Befreiung. Er ist der große Brahma vom Wesen des Brahman. Er ist der ursprüngliche Herr, und man sagt, er verkörpert sich, um das Meer der Ursachen zu segnen (bzw. zu reinigen). So werden Gestaltung und Bewußtsein (Kshetra und Kshetrajna) aus dem Selbst geboren, das ungeborener und reiner Geist ist. Beide sind von Anfang an miteinander verbunden, und daraus entsteht die Wahrnehmung der gestalteten Natur. Bis die höhere Vernunft herrscht, sind sie voneinander abhängig wie der Fisch vom Wasser oder die Made vom Apfel. Diese Bindung ist wesenhaft und schwer zu durchschauen.

Nun funktioniert die Schöpfung wieder so, wie sie zuvor funktioniert hat. Die Natur gestaltet sich durch Unwissenheit zum Universum und funktioniert durch die natürlichen Qualitäten von Güte, Leidenschaft und Trägheit. Während dieser Funktion wird das Bewußtsein der Menschen von der Leidenschaft überwältigt und ergreift die natürlichen Prinzipien von der universalen Intelligenz über das Ichbewußtsein bis zu den grobstofflichen Elementen mit den Sinnesorganen. Auf diese Weise erreichen die drei natürlichen Qualitäten (die Gunas) ihr Ziel.

Der Schöpfergott Brahma hat wahrhafte Sicht. Während er über die Schöpfung meditierte, manifestierten sich aus seiner Güte die drei natürlichen Qualitäten von Sattwa, Rajas und Tamas in Form von gegensätzlichen Kräften. Damit verkörperte sich das Bewußtsein in vielfältigen Körpern, die einen Anfang und ein Ende haben, und die individuellen Lebewesen (die sich mit ihrem Körper identifizieren) wurden mit entsprechenden Werkzeugen zum Handeln geboren. Alle Geschöpfe entstehen ursprünglich aus dem Ungestalteten und besitzen mehr oder weniger die Fähigkeit zum Lernen. So gehen sie alle mit ihren Körpern und Konditionierungen durch den Prozeß der weltlichen Existenz, erfahren die Wirkungen (des angesammelten Karmas) und werden wieder und wieder geboren. Verdienst und Sünde (ihr Karma) ist allein von natürlicher Qualität. Mit dem Segen ihres Verdienstes können sie sich untereinander erheben. Doch bezüglich des Ziels der Schöpfung sind sie alle gleich. Es ist das Ziel der Schöpfung, daß sie sich verändern (im Lernprozeß). Und so werden sie von den natürlichen Qualitäten bedrängt, wie es gut für sie ist.

Die Lebewesen bekommen immer wieder nur jene Eigenschaften, die sie in der vorhergehenden Schöpfung bereits hatten. Auch wenn sie neu geschaffen werden, sind sie mehr oder weniger gewalttätig oder friedlich, tugendhaft oder sündhaft, wahrhaftig oder verblendet. Sie empfangen das, was ihnen angehört. Ihre Vielfalt und Unterschiedlichkeit bezüglich der Elemente, Sinnesobjekte und Körperformen sowie ihre Trennung als Lebewesen geschieht durch die Wirkung der natürlichen Qualitäten. Damit habe ich kurzgefaßt die Neuschöpfung erklärt.

Nun hört auch kurzgefaßt über die Wiedergeburt von Brahma. Der Große Vater wird vom Geist (Purusha) gezeugt und aus dem ungestalteten Meer der Ursachen (Pradhana) geboren, das ewig ist und das Wesen von Sein und Nichtsein hat (bzgl. wahr und unwahr, auch das Meer der Wahrscheinlichkeiten oder Meer der Möglichkeiten). Durch den Namen „Brahma“ wird er zum Schöpfer und Gestalter. Und so erschafft er die Welten erneut durch das Ichbewußtsein und die Kraft der natürlichen Qualitäten. Aus der universalen Intelligenz (Mahat) wird das Ichbewußtsein (Ahankara) geboren, und aus dem Ichbewußtsein die fünf Elemente zusammen mit den entsprechenden Sinnesorganen, mit denen die verschiedenen Lebewesen geboren werden. Das alles entsteht aus der Höchsten Seele (dem Atman bzw. Selbst). So beginnt die Schöpfung, mit ihren weitreichenden Auswirkungen zu funktionieren. Das alles habe ich euch entsprechend meines Wissens erklärt, wie ich es von Brahma gehört habe. So versteht es bitte recht.

Und der Suta fuhr fort:
Die Weisen im Naimisha-Wald hörten diese Geschichte von Vayu über die Schöpfung, Erhaltung und Auflösung der Welten und vollendeten ihre Reinigung im großen Opfer. Sie wurden rein und erhoben sich in das Reich der Heiligen. In gleicher Weise solltet auch ihr die Götter usw. aufrichtig verehren, das Reinigungsbad nach dem Opfer nehmen und die Reinheit erlangen. Dann könnt ihr am Ende des Lebens zufrieden sein, der Körperlichkeit entsagen und euch befreit in das Reich der Heiligen erheben. Wie damals die Einsiedler im Naimisha-Wald ihr Opfer vollbrachten, das Reinigungsbad nahmen und am Ende des Opfers zum Himmel aufstiegen, so werdet auch ihr, die Besten der Brahmanen, am Ende des Lebens den Himmel erreichen, wenn alle Opfer und Reinigungen vollendet sind. Der Windgott selbst, der zum Wohlergehen der Welten existiert, hat dieses berühmte Purana aus vier großen Abschnitten Prakriya, Upodghata, Anushanga und Upasamhara (Schöpfung, Entwicklung, Anhaftung, Auflösung) verkündet. Er erzählte es damals den Weisen, die zum großen Opfer in den Naimisha-Wald gingen. Und durch seine Gnade lernten sie aus dieser Geschichte über die Entstehung und Auflösung aller Lebewesen und konnte alle ihre Zweifel lösen. Denn der Weise, der diese Schöpfung aus dem Meer der Ursachen durch den Höchsten Herrn klar erkennt, wird nicht mehr getäuscht.

Der gelehrte Brahmane, der diese altehrwürdige Geschichte hört, erzählt oder lehrt, wird sich endlose Jahre in den Welten von Indra erfreuen. Und nachdem er zusammen mit Brahma die Einheit im Brahman erreicht hat, wird er befreit. Durch die Verehrung des ruhmreichen und hochbeseelten Großen Vaters erreicht er das Brahman. Dieses Purana, das von Krishna Dwaipayana Vyasa, dem Verkünder der Veden, erzählt wurde, führt zu Reichtum, Ehre, Langlebigkeit und großem Verdienst. Es ist so gut, wie die Veden selbst. Wer den Ruhm der Manus, Götter und Heiligen lobt, die voller Reichtum und Herrlichkeit erstrahlen, wird von allen Sünden befreit und gewinnt große Verdienste. Ein Gelehrter, der es auf allen Festlichkeiten erzählt, schüttelt seine Sünde ab, erobert den Himmel und wird fähig, ins Brahman einzugehen. Wer im Ahnenopfer einen Teil dieses Puranas vor den Brahmanen rezitiert, der ruft sicher die Ahnen herbei, die ihm alle Wünsche und unvergänglichen Verdienst gewähren.

Das Wort „Purana“ bedeutet das, was einst geschah und immer noch lebendig ist. Wer diese Bedeutung kennt, wird von allen Sünden befreit. Die Zweifachgeborenen, die dieses Purana hören und ihren Geist auf tugendhafte Taten richten, werden sich für so viele Millionen Jahre im Himmel erfreuen, wie ihre Haut Poren hat. Und nachdem sie im Brahman verschmolzen sind, erfreuen sie sich mit den Göttern vereint.

Dieser heilige Text des altehrwürdigen Puranas, der Sünde vernichtet, Ehre gewährt und heilig und verdienstvoll ist, wurde ursprünglich von Brahma an den Windgott Vayu übergegeben. Von ihm gelangte er zu Shukra, und von ihm zu Vrihaspati. Vrihaspati erzählte diesen Text dem Sonnengott Savitar, und vom Sonnengott wurde er in langer Kette immer weiter erzählt, über Mrityu, Indra, Vasishta, Sarasvata, Tridhaman, Sharadvan, Trivishta, Antariksha, Varshin, Trayyaruna, Dhananjaya, Kritanjaya, Trinanjaya, Bharadvaja, Gautama, Niryantara, Vajashravas, Somashusma, Trinabindu, Daksha bis zu Shakti. Und von Shakti lernte ihn Parasara, obwohl er noch im Mutterleib war. Oh ihr vorzüglichen Brahmanen, Jatukarna lernte ihn von Parasara, von Jatukarna kam er zu Krishna Dwaipayana Vyasa, und von Vyasa empfing ich diesen Text. Und so habe ich diese Worte, die ursprünglich von Brahma, dem ersten Lehrer, gesprochen und in einer langen Kette weitererzählt wurden, auch meinem Sohn Amitabuddhi („mit großer Vernunft“) übergeben.

Diese Reihe der Lehrer sollte von den Klugen immer verehrt werden. Ihre Geschichte führt zu wahrem Reichtum, Ruhm und Unsterblichkeit. Sie vernichtet die Sünde, ist verdienstvoll und kann alle Wünsche erfüllen. Deshalb sollte sie vor allem von Brahmanen regelmäßig gehört werden. Doch diese heilige Geschichte sollte man niemals an unreine und sündhafte Menschen weitergeben. Auch sollte sie kein Schüler hören, der das erste Jahr seiner Schülerzeit nicht beendet hat, der seinen Lehrer mißachtet oder feindlich gesinnt ist.

Mit reinem Geist verneige ich mich vor dem ursprünglichen Brahma, dem Großen Vater. Man sagt, sein Ursprung liegt im Ungestalteten, sein Körper manifestiert sich in der vergänglichen Zeit, sein Mund ist das Feuer, seine Augen sind Sonne und Mond, seine Ohren die Richtungen des Raumes, seine Nase der Wind, seine Worte die Veden, sein Bauch das Firmament, seine Haarporen die Sterne, seine Füße die Erde, sein Kopf der Himmel und die heiligen Gesetze seine Hände. Er ist der Herr der Götter, der Schöpfer der Lebewesen, der Erhalter aller Welten, der Erste von Allem, der Höchste Herr und Gewährer von jedem Segen.


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