Pushpak Vayu PuranaZurück WeiterNews

2.40. Die natürliche und vollkommene Auflösung

Die Auflösung der Natur am Lebensende von Brahma

Der Suta sprach:
Ich werde jetzt den Prozeß der natürlichen Auflösung (Pratyahara bzw. Pratisarga) am Ende des Para (des 100 jährigen Lebens) des selbstgeborenen Gottes Brahma erklären, wenn die Lebenszeit dieses Herrn abläuft. Während des Prozesses der natürlichen Auflösung verschlingt das Ungestaltete alles Gestaltete auf dem gleichen Weg, wie der höchste Herr zuvor das Gestaltete aus dem Ungestalteten geschaffen hatte. Diese Zurückziehung der Schöpfung beginnt, bevor das letzte Kalpa von Brahma endet, während der schrecklichen Zeit, wenn das letzte Manwantara des letzten Manus mit dem letzten Kali-Yuga untergeht. Dann verschmilzt die ganze natürliche Schöpfung im Ungestalteten, und das nennt man die natürliche Auflösung. Wenn diese Periode des „großen Abwaschens“ beginnt und das Zurückziehen der Schöpfung bevorsteht, werden alle fein- und grobstofflichen Elemente (die Tanmatras und Bhutas) mit dem Ichbewußtsein (Ahankara) und dem Mahat (der großen bzw. universalen Intelligenz) aufgelöst. Und das geschieht automatisch auf ganz natürliche Weise.

Zu Beginn verschlingt das weite Wassermeer (das alles überschwemmt) die Eigenschaft des Geruchs der Erde. Und ohne diese Eigenschaft löst sich das Erdelement auf, nimmt die Form von Wasser an und geht in das Wasserelement ein. So breitet sich das Wasser mit großer Geschwindigkeit und lautem Rauschen über die ganze Welt aus und erwartet die eigene Vernichtung. Denn der Geschmack als die besondere Eigenschaft des Wassers geht nun in das Feuerelement ein. Und wenn das Wasser seine Eigenschaft verliert, löst es sich auf, nimmt die Form von Feuer an und geht in das Feuer ein. Wenn das Wasser auf diese Weise verschwunden ist, sieht man ringsherum nur noch Feuer, das alles durchdringt, weil es das ganze Wasserelement verschlungen hat. So füllt sich die ganze Welt mit den hellen Flammen des Feuerelements, die sich in alle Richtungen ausbreiten. Wenn alles davon erfüllt ist, verschlingt der Wind die Sichtbarkeit als Eigenschaft des Feuerelements. Und wenn das Feuer seine Eigenschaft verliert, löst es sich auf, nimmt die Form des Windes an und geht in das Windelement ein, wie die Flamme einer Lampe im Wind erlöscht. Wenn die Sichtbarkeit verschwunden ist, und das Feuer seine Eigenschaft verloren hat, wird das große Feuer sprichwörtlich vom Wind ausgeblasen. Das ganze Universum wird vollkommen dunkel, denn das Feuerelement ist in das Windelement eingegangen, aus dem es ursprünglich entstanden war. Nun stürmt der Wind durch den ganzen Raum und erfüllt alle zehn Richtungen, bis der Raum die Eigenschaft des Windes, das Gefühl, verschlingt. Damit löst sich auch das Windelement auf, bis nur noch der leere Raum ohne Gefühl, Gesicht, Geschmack und Geruch existiert. So verschwindet jede materielle Körperlichkeit, und der große kugelförmige Raum (im Welten-Ei), dessen Eigenschaft der Klang ist, erfüllt nun alles mit seinen Klängen (bzw. Wellen oder Schwingungen). Diese Eigenschaft des Raumelements umhüllt alles und besteht, bis der Klang vom Ichbewußtsein (Bhutadi, dem Ersten der Wesen) verschlungen wird. Damit gehen alle fünf Elemente mit ihren Eigenschaften vereint in das Ichbewußtsein ein. Man sagt, die Eigenschaft des Ichbewußtseins ist die Unwissenheit (das gewöhnliche Denken), und diese Eigenschaft wird von der universalen Intelligenz (Mahat) verschlungen. Dieses Prinzip der großen und universalen Intelligenz kennt man in Form des freien Willens (Sankalpa), der über die Gedanken entscheidet (und in uns König sein sollte). Die Philosophen, die über die Wahrheit nachdenken, nennen es auch Buddhi (Vernunft), Manas (Geist), Linga (Symbolik), Mahat (Großes) und Akshara (Beständiges und Grund der Seele).

Wenn alle Elemente aufgelöst sind, verweilen die drei natürlichen Qualitäten (von Güte, Leidenschaft und Trägheit bzw. die drei Gunas von Sattwa, Rajas und Tamas) in völliger Ausgeglichenheit, und das ganze Universum versinkt in dichte Dunkelheit. Alle Ursachen der Welten ruhen vereint in der Höchsten Seele (dem Atman). Die Schöpfung zieht sich in die ungestaltete und unentfaltete Natur (Prakriti) zurück. Weder der Anfang noch das Ende von irgendwas kann noch wahrgenommen werden. Nichts ist mehr zu sehen, und weder Namen noch Formen existieren. Selbst die Wesen mit vollkommener Erkenntnis können keinerlei Objekte mehr wahrnehmen. Weder ein Kommen noch ein Gehen ist zu beobachten. So kann man sich diese Situation vorstellen, die wie folgt erklärt wird:

Alle Geschöpfe gehen in das Sein-Nichtsein-Wesen des ewigen und großen Meeres der Ursachen (oder auch „Wahr-Schein-Lichkeit“) ein. Für diesen automatischen Vorgang kann man keinen besonderen Grund aufzeigen. Auf diese Weise geschieht die Auflösung der sieben Prinzipien der Natur (der Prakriti in das Unentfaltete bzw. Meer der Ursachen). Zur Zeit der Zurückziehung geht nacheinander immer ein Prinzip in das andere ein. So wird alles, was das kugelförmige Welten-Ei (Brahmanda) beinhaltet und umgibt, aufgelöst. Die sieben Kontinente mit ihren Ozeanen, die sieben Welten und die sieben Berge lösen sich im Wasser auf, das Wasser löst sich im Feuer auf, das Feuer im Wind, der Wind im Raum, der Raum im Ichbewußtsein, das Ichbewußtsein in der universalen Intelligenz und das Prinzip der universale Intelligenz im Unentfalteten. Dann sind die drei natürlichen Qualitäten vollkommen ausgeglichen. Diese Auflösung und Entfaltung der Schöpfung geschieht durch die ungestaltete Natur, die sich im Brahman befindet. Sie entfaltet oder verschlingt die Geschöpfe während der Schöpfung oder Auflösung.

Die heiligen Siddhas mit der vollkommenen Erkenntnis beherrschen alle Werkzeuge dieses Vorgangs der Auflösung (die Siddhis, die übernatürlichen Fähigkeiten). Durch ihre Selbstbeherrschung erreichen sie grenzenlose Beweglichkeit und können das reine Bewußtsein von den Sinnes- und Handlungsorganen lösen. Sie bezeichnen das Ungestaltete als das Kshetra (das fruchtbare Feld, in dem die Samen zur Gestaltung liegen), und Brahma als Kshetrajna (Feldkenner, Beobachter bzw. Bewußtsein). Die Einheit dieser beiden ist anfangslos, aber verursacht die Ähnlichkeit und Unähnlichkeit (der Eigenschaften). Oh ihr Brahmanen, das sollte man bezüglich der Geschöpfe und dem Bewußtsein, dem Erkennbaren und dem Erkennenden, wissen. Auf diese Weise betrachtet ein Kenner des Brahman, das Feld der vielfältigen Geschöpfe. Objekt und Subjekt werden Kshetra und Kshetrajna genannt. Brahma sollte man als Kshetrajna kennen, der selbst nicht als Objekt erkennbar ist, und all seine Geschöpfe sind das Kshetra, das Feld der erkennbaren Objekte. Das Kshetra wird vom Kshetrajna beherrscht, und deshalb sagt man, daß die Geschöpfe für das Bewußtsein existieren.

Nur weil man viele Körper sieht, sieht man auch das Bewußtsein in viele Körper aufgeteilt. So erscheinen die bewußten Wesen getrennt wie die Sterne und Planeten am Himmel. Doch der Weise sollte erkennen, daß diese Vielfalt der bewußten Wesen nur durch die Wahrnehmung von Glück und Leid in unterschiedlichen Körpern entsteht. Wenn das Zurückziehen dieser unterschiedlichen Wesen auf natürliche Weise nach einer langen Zeit geschieht, vergeht die Leidenschaft von Brahma, dem selbstgeborenen Gott, zusammen mit allen anderen Bewohnern seines Reiches zur Erhaltung der Welten. Und damit schwindet auch die Anhaftung zur Selbsterhaltung aller Lebewesen, die in der Höchsten Seele wohnen, und sie beginnen, die Unvollkommenheit aller Geschöpfe zu erkennen. Sobald sich diese Nichtanhaftung erhebt, verschwindet ihr persönlicher Egoismus. Sie kreisen nur solange im Rad der weltlichen Existenzen (dem Samsara), solange ein Anhaftender und die Objekte der Anhaftung existieren. Sobald sie den Grund ihres Getrenntseins erkannten, wurden sie zum Kshetrajna, dem reinen Bewußtsein. Nun bewohnen sie den Brahmaloka und sind jenseits der natürlichen Wirklichkeit. So wohnen sie mit wahrer Sicht in der Höchsten Seele allein. Sie sind still, rein, vollkommen und unbewußt bewußt. Man sagt, daß sie dort die vollkommene Erlösung erreichen und nicht in das Rad der weltlichen Existenzen zurückkehren müssen, weil sie von den natürlichen Eigenschaften und der Identifikation mit einem Körper frei sind.

Damit wurde der Prozeß der natürlichen Auflösung des selbstgeborenen Brahma durch die Natur erklärt. In dieser natürlichen Auflösung vergehen alle Sinnes- und Handlungsorgane der Lebewesen zusammen mit den feinstofflichen Prinzipen der Natur (inklusive Ichbewußtsein und Intelligenz im Unentfalteten, dem Meer der Ursachen). Doch auch diese feinstoffliche Auflösung kann sich wiederholen (wie auch die grobstoffliche Auflösung am Ende jedes Schöpfungstages).

Die vollkommene Auflösung durch Erkenntnis

Und der Suta fuhr fort:
Verdienst und Sünde, Askese und Wissen, Gut und Schlecht, Wahr und Falsch, Hoch und Niedrig, Glück und Leid, Angenehm und Unangenehm sind alles nur Eigenschaften für die Wesen im Rad der weltlichen Existenz. Der Weise, der ohne Anhaftung an die Sinnesorgane ist, betrachtet alles Sündhafte und Verdienstvolle sowie das Gute und Böse als Ausdruck der natürlichen Eigenschaften, die von der Natur gestützt werden. Sie entstehen aus der Natur und bestimmen die Natur der verkörperten Wesen. Man sagt, alle Verdienste und Sünden der Lebewesen, die sich auf die Natur stützen, liegen im Ungestalteten (dem Meer der Ursachen als Potential). Und genau diese Verdienste und Sünden bilden diesen Körper wie auch den nächsten. Verdienst und Sünde sind nur zwei Eigenschaften der Geschöpfe, die in Form des Körpers zusammen mit den Sinnes- und Handlungsorganen wachsen. Die wahrnehmbaren Eigenschaften der Natur, über die das Bewußtsein (Kshetrajna) herrscht, entstehen während der primären und sekundären Schöpfungen (siehe Kapitel 1.6). Mit diesen Eigenschaften treten die Lebewesen über ihre Sinnes- und Handlungsorgane in Kontakt, erfahren sich als getrennte Individuen und wandern durch die Welt. Ihre Neigungen sind dreifach entsprechend den drei natürlichen Qualitäten von Güte, Leidenschaft und Trägheit (Sattwa, Rajas und Tamas), deren Funktion vom Geist (dem Purusha) beherrscht wird. Die Güte ist von himmlischer Natur und führt nach oben (zu den höheren Welten des Himmels). Die Trägheit ist von irdischer Natur und führt nach unten (zu den niederen Welten der Erde). Der Antrieb zwischen diesen beiden ist die Leidenschaft, die zur kreisenden Bewegung in der Welt führt. In allen Welten und allen Lebewesen sind diese drei natürlichen Qualitäten die Ursachen für das Wirken der Natur. Wer dies erkannt hat, muß sich darüber keine Sorgen mehr machen. Nur durch Unwissenheit wird der Mensch zum Handeln getrieben, haftet daran an und erntet durch die drei Qualitäten der Natur sein Karma aus Verdienst und Sünde.

Von Unwissenheit überwältigt können die Lebewesen die Wahrheit nicht sehen. Und wer die Wahrheit nicht sieht, wird durch drei Fesseln gebunden, nämlich durch die Natur, seine Entwicklung und seinen Besitz. Durch diese Bindungen dreht sich jedes Geschöpf im Rad der weltlichen Existenzen. Und diese drei Bindungen entstehen durch Unwissenheit und erzeugen die folgenden gewöhnlichen Fehler: Man sieht Beständigkeit, wo Vergänglichkeit herrscht. Man sieht Glück in dem, was zur Ursache des Leidens wird. Man glaubt persönlich zu besitzen, was einem nicht gehört. Und man erkennt deutlich Reinheit, wo Unreinheit besteht. Wer diese Fehler im Geist hegt, unterliegt der fehlerhaften Erkenntnis durch Fehlinterpretation. Das Beenden von Anhaftung und Abscheu wird wahre Erkenntnis genannt. Unwissenheit ist die Wurzelursache für irdische Trägheit (Tamas). Und die Leidenschaft (Rajas) erzeugt die Früchte von zweifachem Karma (von Verdienst und Sünde), das zum Ergreifen immer neuer Verkörperungen führt. So beginnt das große Leiden zu funktionieren. Denn die verschiedenen Sünden, die durch die Sinnes- und Handlungsorgane angesammelt werden, werden zur Ursache für Wiedergeburt und Leid.

Man sagt, ein Mensch mit Begierde ist eine unreife und unwissende Person, die durch ihre persönlichen Taten als individuelle Seele im Rad der Existenzen kreist, wie sich ein Ochse im Joch einer Ölmühle unablässig im Kreis dreht. Deshalb wird gelehrt, daß die große Unwissenheit der Grund von allem Leiden ist. Diese sollte man als einzigen Feind erkennen und sich um wahre Erkenntnis bemühen. Durch wahre Erkenntnis kann man allem entsagen. Durch Entsagung verliert das Ichbewußtsein seine Anhaftung. Durch Nichtanhaftung erreicht man reines Bewußtsein, und der Reine wird durch die Wahrheit befreit.

So werde ich nun die leidenschaftliche Anhaftung erklären, welche die Lebewesen überwältigt. Denn durch persönliche Anhaftung werden alle Wesen in den weltlichen Freuden zügellos. Diese leidenschaftliche Anhaftung sollte man vermeiden, weil die Freude, die sie vorerst bringt, zu Depression und Leiden führt. Das Leiden entsteht durch die Vergänglichkeit der Freude und die Erinnerung an diese Freude. Es ist die Anhaftung an die weltlichen Freuden, die als Grund für die Wiedergeburt erklärt wird. In allen körperlichen Welten von Brahma bis zum kleinsten Grashalm sorgt diese Anhaftung für das Kreisen im Rad der Geburten, und die Ursache dafür liegt in der Unwissenheit. Deshalb sollte man die Unwissenheit überwinden. Wer den Worten der Heiligen nicht vertraut, die Tugendhaften nicht achtet, die Disziplin der Kasten und Lebensweisen verwirft oder die Weisen und heiligen Schriften verleumdet, schafft damit die Ursachen für die Wiedergeburt in immer niederen Wesen. Unter den sechs Arten der niederen Tiere und Pflanzen gibt es unzählige Arten des Leidens. Durch die Fesseln der Natur ist ihnen die wahre Erkenntnis von Ursache und Wirkung wie auch das Erreichen der Allmacht verwehrt. Damit habe ich dir vier Arten der Anhaftung durch Unwissenheit erklärt.

Der Geist kann als zunehmend wahrhaftig betrachtet werden, wenn die Merkmale der Wahrhaftigkeit erscheinen, wie man auch die Prinzipien der Natur nur durch ihre Wirkungen (ihre Wirklichkeit) erkennt. Die Erkenntnis (der Einheit in) der Vielfalt im Licht des reinen Bewußtseins ist wahre Erkenntnis. Und man sagt, aus dieser wahren Erkenntnis entsteht das Yoga. Gebunden ist, wer sich als gebunden sieht. Befreit ist, wer sich als frei erkennt. Soweit die weltliche Existenz schwindet, soweit wird die reine Seele sogar von den feinstofflichen Körpern befreit. Frei von äußerem Kontakt verweilt man mit innerer Stille im Höchsten Selbst und wird von der Vielfalt der Welt nicht mehr bedrängt.

Damit wurden die charakteristischen Merkmale der vollkommenen Erkenntnis und höchsten Befreiung kurzgefaßt erklärt. So erklären es zumindest jene, die die Wahrheit schauen. Die erste Stufe ist die Befreiung von weltlichen Eindrücken durch wahre Erkenntnis. Die zweite Stufe ist die Auflösung der egoistischen Leidenschaft, wodurch die befreite Seele die Einheit und Alleinheit erlangt und ihren persönlichen Körper losläßt. Durch die Einheit wird man unbefleckt (von persönlicher Sünde frei), und durch Unbeflecktheit wird man rein. In dieser Stufe der Befreiung gibt es keinen egoistischen Willen mehr, der den Körper beherrscht. Die dritte Stufe zur Befreiung ist die Auflösung des innerlichen Durstes bzw. Verlangens. Dann erfährt die befreite Seele kein Leiden mehr, das aus den Hindernissen für die gewünschten Sinneserfahrungen wie Wohlklänge, Wohlgefühle usw. entsteht. Denn die acht Prinzipien der Natur lassen das Bewußtsein an das anhaften, was man natürliche Qualitäten und Eigenschaften nennt.

1) Befreiung von äußerer Anhaftung und Besitz
2) Befreiung von persönlicher Körperlichkeit
3) Befreiung von innerem Durst und geistiger Unerfülltheit

1) Im Folgenden werde ich die äußere Nichtanhaftung erklären, die aus dem Erkennen der Fehler entsteht. Wer die Fehler in den fünf Arten der Sinnesobjekte sowohl in menschlicher als auch göttlicher Natur erkennt, sollte sowohl Abneigung als auch Anhaftung diesbezüglich überwinden. Damit vermeidet man das Feuer der Leidenschaft im Herzen sowie Euphorie und Depression. Durch Nichtanhaftung wird die verkörperte Seele von Ichhaftigkeit und Eigenbesitz befreit. Man erkennt durch die Vernunft, daß alle weltlichen Dinge vergänglich sind, der Anhaftung nicht wert und zum Leiden führen. Nur mit wahrhafter Sicht kann man wahrhaft Handeln. Wenn die Anhaftung an die weltlichen Dinge der Freude immer fester wird, kann man überall Fehler und Unreinheit entdecken.

2) Wenn der Körper vergeht, werden die Körpersäfte (Doshas) und andere Konditionierungen zur Ursache für ein fieberhaft vernichtendes Feuer. Daraufhin erhebt sich der Wind aus den Körperzentren (Chakras), verläßt die lebenswichtigen Organe, und der Körper erkaltet. Dies ist der Lebensatem, der in den Körpern der Lebewesen wohnt. Wenn er sich zurückzieht, schwindet das Bewußtsein, und der Körper hört auf zu funktionieren. Die individuelle Seele (Jiva), die nun ihre körperliche Basis verliert, wird vom Karma der angesammelten Handlungen davongetragen, und der Lebensatem verläßt alle Organe des Körpers. Am Ende erlischt der Atem, und vom Atem verlassen, wird die Person „verstorben“ genannt. Das ist so ähnlich, als trägt jemand im Dunklen ein Glühwürmchen in der Hand, geht hin und her und wird durch das Licht sichtbar. Wenn nun das Glühwürmchen getötet wird, dann verschwindet auch der Träger.

3) Die dritte Stufe ist die Auflösung des inneren Durstes und gilt als Merkmal der Befreiung. Sie ist das Ergebnis der Betrachtung der Fehler in den fünf Arten der sinnlichen Freuden durch Gehör, Gefühl, Gesicht, Geschmack und Geruch. Wenn Abneigung und Anhaftung verschwinden, vermeidet man Lust und Leid, und dies ist die Auflösung der acht Prinzipien der Natur. All die zuvor genannten acht Prinzipien sollte man in ihrer Reihenfolge erkennen, von den groben Elementen bis zum Ungestalteten. Das nennt man die Auflösung der Bindung an die natürlichen Prinzipien.

Wer den Geboten der vier Kasten und Lebensweisen sowie der heiligen Schriften strikt folgt, gilt als vorzüglicher Mensch. Und dieses Verhalten ist förderlich für das Erlangen der Göttereiche im Himmel bezüglich der acht Göttergruppen von Brahma bis zu den Pisachas. So sind auch die acht Siddhis förderlich für übernatürliche Kräfte, wie die Fähigkeiten winzigklein, riesengroß, ganz schwer oder ganz leicht zu werden, alle Wünsche zu verwirklichen sowie unwiderstehlicher Wille, Herrlichkeit und Allmacht. Wer diese Bereiche erlangt, muß kein Leid mehr in Form von Hindernissen im Erreichen der gewünschten Sinnesfreuden erfahren, wie Wohlklänge, Wohlgefühle usw. Doch das sind die acht natürlichen Prinzipien, die das Bewußtsein binden. So werden diese Menschen in ihrem Wesen von den drei natürlichen Qualitäten und den fünf feinstofflichen Elementen beherrscht. Sie sehen die Wolken, aber nicht den Regen darin (die Verkörperung, aber nicht die Seele). Doch die heiligen Siddhas sehen durch ihre himmlische Sicht alles und erkennen, daß die reine Seele alle Arten von Körpern annehmen kann, seien es Götter, heilige Brahmanen oder ausgestoßene Chandalas.

Wer oder was sich da auf bestimmte Weise (durch sein Karma) hin und her bewegt, wird mit verschiedenen Namen bezeichnet, die alle das Gleiche bedeuten, wie Jiva (individuelle Seele), Prana (Lebensatem), Linga (Symbol) oder Karana (Ursache). Dieses Wesen (die Seele, die Essenz) existiert im Ungestalteten sowie im Gestalteten. Nachdem es erkannt hat, daß die natürlichen Prinzipien bis zum Ungestalteten allein vom Bewußtsein beherrscht werden, wird es rein und durch wahre Erkenntnis befreit. Wenn die Wahrheit erkannt wird, wird das bisher unsichtbare Prinzip sichtbar. Die Vielfalt der Körper vergeht völlig zusammen mit den Unterschieden zwischen individueller Seele, dem Ungestalteten und dem Bewußtsein. Wer vollkommen vom Körper mit den natürlichen Qualitäten, dem Lebensatem usw. befreit ist, ergreift keinen weiteren Körper, wie ein Samen nicht mehr sprießt, der verbrannt wurde. Durch Erkenntnis wurde er erleuchtet, rein und befreit von allen Bindungen der Natur.

Sie sagen, daß die ungestaltete Natur Wahrheit ist und die Gestaltung Täuschung. Nichtsein sollte man als Illusion erkennen und das Sein als Wahrheit. Die Wahrheit (Satya, das Brahman) ist ohne Name und Form. Nur durch das erkennende Bewußtsein (Kshetrajna, Feldkenner bzw. Beobachter) entstehen Namen und Formen. Weil es sich der gestalteten Natur (dem Kshetra, Feld) bewußt wird, wird es Bewußtsein genannt. Und weil das Bewußtsein die gestaltete Natur erkennt, ist es höher als die gestaltete Natur. Und weil sich das Bewußtsein erinnern kann, wird es von den Weisen auch Gestalter der Natur genannt. Man sagt, die gestaltete Natur ist ohne Bewußtsein, und nur das Bewußtsein ist das beständig Erkennende (und Gestaltende). Wer die gestaltete Natur kennt, nennt sie so, weil sie geschaffen wurde, vergänglich ist, beschützt werden muß, als Quelle von Nahrung oder Freude dient und als erkennbare Objekte erscheint. Alle natürlichen Prinzipien von der universalen Intelligenz (Mahat) bis zu den groben Elementen besitzen verschiedene Formen und werden als vergängliche Gestaltung charakterisiert. Deshalb spricht man von Vielfalt und daß das wahrhaft Unvergängliche zum Vergänglichen wird. Die Gestaltung wird Vergänglichkeit genannt, weil sie schwindet und vergeht. Glück, Leid und Illusion werden Wirklichkeit genannt, die man durch ihre Wirkung erfahren kann. Man spricht hier von vergänglichen Objekten der Begierde, die voller Gegensätze sind.

Darüber hinaus spricht man vom unvergänglichen Geist aus folgenden Gründen: Er vergeht nicht, verschwindet nicht und ist die unzerstörbare Grundlage jeder Gestaltung (aus dem Ungestalteten). Weil er den Körper (Pura) bewohnt und das Gestaltete erkennt, wird er auch Purusha, Höchster Geist, genannt. Er ist über alle Begriffe, wie Existenz oder Nichtexistenz, Bindung oder Befreiung, Leben oder Tod erhaben. Weil er selbst ohne Ursache ist, kann er nicht spezifiziert werden. Weil er vollkommen und rein ist, kann er keine Eigenschaften besitzen. Weil er voller Seligkeit ist, erscheint er überall gleich. Weil er die Ursache des Erkennens ist, kann er kein verursachtes Erkenntnisobjekt sein. So kann man nur indirekt auf ihn schließen. Wer ihn so erkennt, wird nicht getäuscht. Wer diesen Geist als Erkennenden erkennt, der bezüglich aller Objekte gelassen bleibt, der das Wesen der Sicht ist und der Einzige, der unter all den sichtbaren und unsichtbaren Objekten nicht bezweifelt werden kann, der geht den Weg zur Befreiung.

Wer dieses größte Wesen verwirklicht, erreicht vollkommene Erkenntnis und die stille Gelassenheit. Diese vollkommene Erkenntnis erkennt keine Trennung mehr zwischen Ursache und Wirkung, zwischen den körperlichen Objekten des Intellekts usw., zwischen Vielfalt und Einheit oder zwischen Leben und Tod. Dann herrscht die Höchste Seele über die individuelle Seele durch sich selbst (was man „Selbstbeherrschung“ nennt). Dann wohnt er in der Natur, in ihrem Meer der Ursachen, und ist eins mit der Höchsten Seele (dem Atman). Er ist Existenz und Nichtexistenz. Er ist Ich und Du. Er ist Hier und Dort. Er ist Einheit und Vielfalt. Er ist reines Bewußtsein und Höchster Geist. Er ist mit und ohne Seele. Er ist Leben und Tod. Er ist Handelnder und Nichthandelnder. Er ist die Liebe und das in allem Geliebte. Mit der Verwirklichung des reinen Bewußtseins gibt es keine Rückkehr mehr in das Rad der weltlichen Existenzen. Er wird das Unbegreifbare genannt, weil er mit gegensätzlichen Gedanken nicht ergriffen werden kann. Er wird das Unbestreitbare genannt, weil er kein erkennbares Objekt ist, über das man streiten kann.

Wer diesen Höchsten Geist erreicht, überwindet jegliche Anhaftung. Wenn das Bewußtsein von den natürlichen Eigenschaften frei wird, rein, still, sündlos, erlöst von Glück und Leid, selbstbeherrscht, zufrieden und uneigennützig, dann ist es weder gestaltet noch ungestaltet. Denn Gestaltet und Ungestaltet ist Schöpfung und Auflösung. Schöpfung und Auflösung geschehen durch den Höchsten Geist (den Purusha). Und das alles funktioniert wiederum nur unter der Herrschaft des Bewußtseins. Das Bewußtsein ist am Ende die Grundlage jeglicher Gestaltung, und der gegenseitige Kontakt bringt Gleichheit und Ungleichheit hervor. Dieser Verbindung mit dem Höchsten Geist ist anfangslos. Solange die Schöpfung und Gestaltung andauert, wird die Natur vom Geist beherrscht und erhalten. Von Anfang an wirkt der Geist in der Natur, und die Natur funktioniert für den Geist. So wird die Schöpfung und Auflösung von der unentfalteten Natur (dem Pradhana, Meer der Ursachen) und dem Höchsten Herrn (dem Ishvara) verursacht. Und das ist anfangs- und endlos. Die Natur entfaltet dieses ganze Universum immer wieder durch das Ichbewußtsein und getrieben von einem Gefühl der Identifikation.

Damit habe ich auch die dritte Art der universalen Auflösung erklärt, die vollkommene Auflösung aller Ursachen durch wahre Erkenntnis. Die Weisen sagen, wer diesen Weg konsequent geht, erreicht die Befreiung. Und damit habe ich euch die drei Arten der universalen Auflösung ausführlich und ordnungsgemäß beschrieben. Was wollt ihr darüber hinaus noch hören?


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter