Pushpak Vayu PuranaZurück WeiterNews

1.60. Die Aufteilung der Veden

Als die Heiligen diese Worte hörten, fragten sie den wohlgelehrten Suta:
Oh kluger Herr, wie wurden die Veden früher unterteilt? Das erkläre uns bitte.

Und der Suta sprach:
Oh ihr Heiligen mit höchster Intelligenz, als damals im Swayambhuva Manwantara das Dwapara-Zeitalter begann, sprach Brahma wie folgt zu Manu:
Oh Lieber, wenn ein Yuga vergeht, verlieren die Brahmanen an Energie und Lebenskraft. Sie alle werden von den Schwächen des neuen Yugas ergriffen. Nur sehr wenig wird noch übrigbleiben, vielleicht ein zehntausendstel von dem, was ursprünglich zu Beginn des goldenen Krita-Yugas existierte. Macht, Herrlichkeit, Kraft und Redegewandtheit - alles wird schwinden. Deshalb sollten die Veden aufgeteilt werden, um ihre völlige Vernichtung zu verhindern. Denn wenn die Veden vergehen, dann vergehen die Opfer. Wenn die Opfer vergehen, dann vergehen die Götter. Und wenn die Götter vergehen, geht alles zugrunde. Der ursprüngliche Veda bestand aus vier Padas und hunderttausend Mantras und wurde noch zehnmal vergrößert. Das gesamte Opfer konnte alle Wünsche erfüllen.

So angesprochen antwortete Lord Manu zum Wohle der Welten „So sei es!“ und unterteilte die Veden in vier Bücher. Das geschah auf Wunsch von Brahma, um den Welten Gutes zu tun. Und auch heute seht ihr die Veden entsprechend unterteilt. Ich werde nun über die Unterteilung im gegenwärtigen Manwantara sprechen. Versteht es so, daß ihr durch Schlußfolgerung auch das erkennen könnt, was jenseits der Wahrnehmung ist.

In diesem Yuga wurde der Sohn von Parasara zum Vyasa, der als ein Teil von Vishnu verherrlicht wird und unter dem Namen Dwaipayana („Inselgeborener“) berühmt wurde. Auf Geheiß von Brahma unternahm er das Werk der Aufteilung der Veden. Dazu nahm er die vier Schüler Jaimini, Sumantu, Vaisampayana und Paila an, um die Veden zu verbreiten. Später kam ich noch als fünfter dazu. Formell machte er den Brahmanen Paila zum Verkünder des Rig-Veda, Vaisampayana zum Verkünder des Yajur-Veda, Jaimini zum Verkünder des Saman-Veda und den vorzüglichen Heiligen Sumantu zum Verkünder des Atharva-Veda. Und ich, Lomaharshana, wurde zum Erzähler der Epen und Puranas erwählt. Für die vierfach aufgeteilten Veden bestimmte er vier Opferpriester, um das Opfer zu organisieren. Den Adhvaryu-Priester bestimmte er für die Yajur-Mantras, den Hotri-Priester für die Rig-Mantras, den Udgatri-Priester für die Saman-Mantras und den Brahma-Priester für die Atharvan-Mantras. Für den Hotri wählte er die Rig-Mantras aus, und bestimmte seine Pflichten als Ausführender des Opfers zum Wohlergehen der Welt. Im Saman-Veda sammelte er die Gesänge für den Udgatri, und im Atharva-Veda bestimmte er die Riten für die Könige. Als Meister in der Bedeutung der Puranas verfaßte er die Sammlung der Puranas aus Geschichten, Erzählungen, Lehrreden und Hymnen aus dem traditionellen Leben der alten Stämme. Und was alles noch übrig war, das fügte er im Yajur-Veda ein, um die Opferriten zu gestalten. Es ist die klare Meinung der alten Schriften, daß der Yajur-Veda die Ausführung der Opferriten ermöglicht. Er sammelte die verstreuten Yajur-Mantras mithilfe der priesterlichen Vedenkenner gebührend zusammen, womit man sogar ein Pferdeopfer durchführen konnte.

Paila verkündet die Rig-Mantras und teilte sie wiederum in zwei Gruppen, um sie zwei Schülern zu übergeben. Der eine Abschnitt wurde an Indrapramati übergeben und der andere an Baskala. Der vorzügliche Baskala verfaßte vier Samhitas (Sammlungen) und lehrte sie seinen Schülern, die geeignet waren und ihm achtsam dienten. Den ersten Zweig lehrte er Bodha, den zweiten Agnimathara, den dritten Parasara und den vierten Yajnavalkya. Einen dieser Samhitas gab der ausgezeichnete Brahmane Indrapramati dem berühmten Markandeya weiter. Und Markandeya lehrte ihn seinem ältesten Sohn Satyasravas. Satyasravas gab ihn an Satyahita weiter, und dieser an seinen Sohn Satyashri, dem wahrhaft Hochbeseelten, der eifrig der Wahrhaftigkeit und Frömmigkeit gewidmet war. Satyashri hatte drei höchst brillante Schüler, die sehr gelehrsam waren und stets bestrebt, die heiligen Schriften zu lernen. Der erste von ihnen war Shakalya, der zweite Rathantara und der dritte Bharadvaja, Sohn von Baskala. Diese drei wurden zu Verkündern dieser Zweige der Veden. Doch im Pferdeopfer von König Janaka wurde der Brahmane Shakalya, der auch Devamitra genannt wurde, getötet, weil er allzu stolz auf sein Wissen war.

Da fragte Shamshapayana:
Wie wurde dieser Heilige getötet, der auf sein Wissen zu stolz war? Wie kam es zum Streit im Pferdeopfer von Janaka? Und mit wem? Bitte erzähle alles, wie es geschehen war, soweit du es weißt.

Darauf antwortete der Suta:
Zum Pferdeopfer von Janaka versammelten sich viele Heilige. Tausende Weise kamen aus verschiedensten Orten, um dieses Opfer des königlichen Heiligen zu beobachten. Als Janaka die vielen Brahmanen versammelt sah, erwachte in ihm der Wunsch, mehr über sie zu erfahren, und fragte sich: „Wer ist der beste Brahmane unter ihnen? Wie könnte man das entscheiden?“ So überlegte er und erfand eine kluge Methode. Er sammelte tausend Kühe und tausende Goldmünzen sowie Edelsteine und gab noch Diener und Dörfer dazu. Dann sprach er zu den Weisen: „Oh ihr Besten und Gesegneten, ich verneige mich tief vor euch allen. Oh vorzügliche Brahmanen, der hier angesammelte Reichtum sei dem Besten unter euch dargebracht. Er sei der Preis für eure Gelehrtheit.“

Als die weisen Meister der Veden diese Worte von Janaka hörten, blickten sie mit ehrgeizigen Augen auf diesen überaus reichen Preis. Und mit vollstem Vertrauen auf ihr Wissen begannen sie, sich gegenseitig herauszufordern. Mit Gedanken, die um den Reichtum kreisten, sprach der eine: „Dieser Reichtum ist schon mein.“ Doch ein anderer meinte: „Sicherlich gehört er mir. Warum hast du daran Zweifel?“ So begannen sie, um den reichen Preis miteinander zu streiten. Unter ihnen gab es einen großen Lehrer namens Yajnavalkya, der Sohn von Brahmavaha. Er war höchst brillant, ein großer Weiser und war aus dem Körper von Brahma geboren worden. Und dieser Beste unter den Kennern des Brahman sprach laut zu seinem Schüler:
Oh Guter, nimm diesen Reichtum mit und trage ihn nach Hause. Er gehört zweifellos mir. Ich bin der Verkünder aller Veden, und keiner ist mir darin gleich. Wenn irgendein Brahmane mich herauszufordern wünscht, dann möge er es unverzüglich tun.

Daraufhin wurde die große Versammlung der Brahmanen so aufgewühlt wie der Ozean zum Weltuntergang. Doch der gelassene Yajnavalkya sprach lächelnd zu ihnen:
Oh Gelehrte und Sprecher der Wahrheit, seid nicht zornig. Wir werden versuchen, uns im Disput auf rechte Weise kennenzulernen.

So begann ein Turnier der Argumente. Sie diskutierten tausende wichtige Themen über die subtilen Dinge der Philosophie. Es wurden weltliche, vedische und geistige Themen aufgeworfen, die alle Zweige des Lernens berührten. Im Laufe der Dispute wurde mancher beschämt und andere zeigten ihre ausgezeichneten Qualitäten. Und die Könige schauten zu, wie die Brahmanen diesen Redestreit immer weiter führten, um den großen Preis zu gewinnen. Bald sammelten sich alle Heiligen auf der einen Seite und Yajnavalkya auf der anderen. Schließlich stellte der weise Yajnavalkya allen Brahmanen einzeln schwere Fragen, die keiner beantworten konnte. Und nachdem alle anderen Weisen im Disput besiegt waren, befragte der höchst strahlende Yajnavalkya, dieses Schatzhaus an brahmanischem Wissen, auch Shakalya und sprach:
Oh Shakalya, sprich, was du als Antwort zu sagen hast! Warum sitzt du so nachdenklich und schweigst? Voller Trägheit und falschem Stolz gleichst du einem vom Wind aufgeblasenen Balg.

So angegriffen, rief Shakalya mit zornig kupferrotem Gesicht und glühenden Augen in harschen Worten vor allen Weisen:
Du mißachtest uns und diese hervorragenden Brahmanen wie vertrocknete Grashalme und wünschst, diesen großen Preis der Gelehrtheit ganz allein zu besitzen.

Doch darauf antwortete Yajnavalkya:
Du solltest wissen, daß die Stärke der Heiligen, die im Brahman geeint sind, ihre Weisheit und Einsicht in die Wahrheit ist. Wünsche sind immer mit Gewinn verbunden. Deshalb wünschen wir, zu gewinnen. Wir Brahmanen betrachten das Stellen von besonders schweren Fragen als unseren höchsten Gewinn. Deshalb fragen wir, wie wir es wünschen. Das waren die Bedingungen, die der königliche Heilige Janaka gestellt hat. Und deshalb werde ich den Preis gewinnen.

Als der in Zorn geratene Shakalya diese Worte von Yajnavalkya hörte, stellte er auch ihm eine Frage und rief:
Nun beantworte mir diese Frage klar und deutlich!

Darauf erhob sich eine große Debatte zwischen diesen beiden Meistern des Brahman. Shakalya stellte ihm mehr als tausend Fragen, doch Yajnavalkya konnte sie ihm alle beantworten und all die Weisen hörten zu. Und als Shakalya nicht weiter wußte, sprach Yajnavalkya:
Oh Shakalya, nun beantworte du mir eine Frage, die ich dir stellen werde. Der Einsatz dafür sei der Fluch, daß du sterben sollst, wenn du sie nicht beantworten kannst.

So bedrängt fragte Yajnavalkya, und Shakalya fand keine Antwort und starb sogleich. Er starb von der Unfähigkeit gequält, diese Frage zu beantworten. So erhob sich damals der große Disput zwischen den Weisen und Yajnavalkya um den reichen Preis des Königs. Yajnavalkya konnte hunderte und tausende Fragen von den Weisen beantworten, indem er tief in das Wesen dieser Fragen eindrang, und trug den ganzen Gewinn davon, so daß sich sein Ruhm weit verbreitete. So ging der Heilige mit seinen Schülern nach Hause und war höchst zufrieden. (Eine ähnliche Geschichte findet man in der Brihadaranyaka Upanishad III.)

Shakalya Devamitra war ein edler und vorzüglicher Brahmane. Er war klug und der Beste unter den Kennern der Grammatik, so daß er die fünf Samhitas für seine fünf Schüler verfassen konnte. Sie hießen Mudgala, Golaka, Khaliya, Matsya und als fünfter Shaishireya. Dieser große Brahmane verfaßte die drei Samhitas Shaka, Purna und Rathitara und später noch den Nirukta für seine vier Schüler Ketava, Dalaki, Dharmasharman und Devasharman, die als Brahmanen die heiligen Riten bewahrten.

Als Shakalya starb, spürten die Anwesenden die Sünde eines Brahmanen-Mordes. Bekümmert begaben sie sich zu Brahma, der ihre geistige Situation erkannte und sie mit folgenden Worten nach Pavanapura (zum Tempel des Sonnengottes) schickte:
Geht alle dorthin und eure Sünde wird augenblicklich abgewaschen! Verneigt euch dort vor den zwölf Sonnen (den Monaten des Sonnenjahres), dem Gott Vayu, den elf Rudras und Hanuman, dem Sohn des Windes. Und nachdem ihr in den zwölf heiligen Gewässern gebadet habt, verläßt euch die Sünde des Brahmanen-Mordes.

Nachdem sie diese Worte gehört hatten, eilten sie zu jener Stätte, verehrten die Götter und führten ihre Waschungen nach den Geboten durch. Sie verneigten sich vor dem Gott Vayu, und durch die Gnade des Sonnengottes wurden sie von ihrer Sünde befreit und erreichten die Region der Sonne. Seit dieser Zeit ist dieser heilige Ort sündenvernichtend. Die Stadt wurde einst von Vayu gegründet, dem Sohn von Brahma und Gott des Windes. Sie wurde errichtet, als Hanuman, der heldenhafte Sohn des Windgottes, aus dem Mutterleib von Anjana geboren wurde. Hier werden die Shudras, die in der Welt geboren werden und den Brahmanen dienen, wie in einem Brahma-Opfer beschenkt. Hier wurzelt die große Kraft der Brahmanen-Herrschaft. Selbst der Mörder einer Kuh, eine undankbare Person, ein Alkoholsüchtiger oder ein Schüler, der das Bett seines Lehrers entweiht hat, kann hier nach Vergebung durch den Sonnengott von allen Sünden befreit werden.


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