Pushpak Vayu PuranaZurück WeiterNews

1.55. Die Geschichte vom Shiva-Linga

Die Heiligen fragten:
Oh Redegewandter, wer ist der Größte bezüglich Eigenschaften, Taten und Kraft? Wir wünschen über seine Gutheit und wundervollen Qualitäten ausführlich und klar zu hören.

Und der Suta sprach:
Diesbezüglich erzählt man sich die uralte Geschichte über die Größe und Allmacht der Höchsten Seele Mahadeva. Sie wurde ursprünglich von Vishnu erzählt, nachdem er Vali gebunden und die drei Welten zurückerobert hatte, so daß der mächtige Gott wieder zum Herrn der drei Welten wurde. Als die Dämonen geschlagen und Indra, der Herr von Sachi, wieder froh war, kam er an der Spitze aller Götter, um den Sieger zu ehren. So näherten sie sich dem Milchozean, wo Vishnu, die kosmische Seele, verweilte. Und nachdem sie den hochbeseelten Vishnu, den Höchsten Geist, erreicht hatten, begannen sie ihn mit all den Siddhas, Brahmanas, Yakshas, Gandharvas, Apsaras, Nagas, Heiligen, Flüssen und Bergen zu preisen und sprachen:
Oh Herr, du bist wahrlich der Schöpfer und Erhalter der Welten! Durch deine Gunst wird das Wohlergehen der drei Welten stets bewahrt. Du hast Vali gebunden und die Dämonen geschlagen.

So angesprochen von den Göttern, Himmlischen und Heiligen antwortete Vishnu, der höchste Geist:
Hört mich an, oh ihr Besten der Himmlischen, ich werde euch den Grund erklären. Diese Errungenschaft kam nur dank der Gnade des Herrn zustande, dem Schöpfer aller Wesen. Er ist die Zeit und der Schöpfer der Zeit. Durch ihn wurden alle Welten zusammen mit Brahma mittels seiner Illusions-Kraft geschaffen. - Als die drei Welten einst in ungestalter Dunkelheit versunken waren, und die Wesen sich in meinen Bauch zurückgezogen hatten, legte ich mich zufrieden nieder. In Gestalt des tausendköpfigen, tausendäugigen und tausendfüßigen Gottes mit Muschel, Diskus und Keule in den Händen verweilte ich im reinen und klaren Wasser (im Meer der Ursachen). Doch während dieser Zeit erblickte ich in der Ferne ein unermeßlich strahlendes Wesen, das in seiner Herrlichkeit wie hundert Sonnen erglänzte. Dieses Wesens voll höchster Yoga-Kraft war golden, hatte vier Gesichter, trug ein Hirschfell und hielt einen Wasserkrug in den Händen. Und so schnell wie der Blitz kam es näher. Es war Brahma, vor dem sich alle Welten verneigen, und er sprach zu mir:
Oh Herr, wer bist du? Woher kommst du? Und warum verweilst du hier? Das sage mir, denn ich bin der Schöpfer der Welten, der Selbstgeborene mit den Gesichtern nach allen Seiten.

So von Brahma angesprochen antwortete ich:
Ich bin der Schöpfer und Zerstörer der Welten in endlosen Zyklen.

Und während wir so diskutierten und versuchten, uns gegenseitig zu überbieten, erschien im Norden eine riesige Feuersäule. Beim Anblick dieser gewaltigen Flamme, durch deren Glanz das ganze weite Meer funkelte, waren wir beide höchst erstaunt. Diese riesige Feuersäule reichte von der Erde bis in den Himmel, und in ihrer Mitte erkannten wir ein unmanifestes Linga von größtem Glanz und höchster Helligkeit, so groß wie eine Spanne zwischen Daumen und Zeigefinger. Es erstrahlte inmitten des Feuers und war weder aus Gold, Silber oder Edelstein. Es war unbeschreiblich und unfaßbar. Manchmal war es wahrnehmbar und manchmal nicht. Es hatte unendlichen Glanz, der uns das Fürchten lehrte. Manchmal wuchs seine Größe durch die vielen Flammen ins Unermeßliche und erschien höchst schrecklich. Und wir fragten uns, wer das Ende dieses furchterregenden Lingas erreichen könnte, das wie ein mächtiges Mantra Himmel und Erde durchbohrte. Da sprach Brahma zu mir:
Du gehst soweit wie möglich nach unten und ich nach oben. So wollen wir das Ende dieses Lingas der großen Seele finden.

Danach ging ich tausend Jahre nach unten, aber ich konnte kein Ende finden, was mich zweifellos mit Furcht erfüllte. In gleicher Weise kam auch Brahma an keine Grenze und konnte nach oben kein Ende sehen. So trafen wir uns wieder im weiten Meer und waren beide höchst verwundert, denn wir wurden von der Maya-Illusion der großen Seele getäuscht. Wir standen hier, als hätten wir unser waches Bewußtsein verloren. Da verneigten wir uns im Geiste vor dem Herrn, dem Ursprung aller Ursprünge und dem tiefsten Grund aller Welten. Mit gefalteten Händen verehrten Brahma und ich den dreizacktragenden Sharva, den gestaltlosen und mächtigen Gott, der auch mit schrecklichem Gebrüll und fürchterlichen Fangzähnen erscheinen kann.

Und wir sprachen:
Oh Herr der Welten und Götter, Verehrung sei dir! Oh großer Herr aller Geisterwesen, Verehrung sei dir! Heil dem Äußersten, der die Ursache vom Ursprung der Siddhas ist. Verehrung dem Herrn, der das ganze Universum verkörpert und stützt. Du bist das ewige Brahman, der höchste und unvergängliche Herr. Du bis die höchste Region und die vorzügliche Gottheit voller Güte. Du bist Rudra, Shiva und Skanda. Du bist das Opfer, der Opferspruch, das heilige OM und das höchste Ziel. Du bist das Swaha, Swadha und Namaha. Du bist das reine Wesen aller Opferriten und die Kraft der Mantras. Du bist die heiligen Riten, die frommen Gelübde, die Veden, die Welten und die Götter. Du bist der Ursprung aller Wesen, der Geruch der Erde, der Geschmack des Wassers, die Sichtbarkeit des Feuers, das Gefühl des Windes, der Klang des Raumes, die Gedanken des Ichbewußtseins und die Vernunft der universalen Intelligenz. Oh Herr der Götter, du bist die Klarheit des Mondlichtes (das reine Bewußtsein) und der Samen der Natur (das Meer der Ursachen) und läßt die Lebewesen entstehen. Du bist der Schöpfer und Erhalter der drei Welten, wie auch der Zerstörer in Form von Zeit, Vergänglichkeit und Tod. Mit deinem östlichen Gesicht verkörperst du die Herrschaft von Indra, dem Götterkönig, mit deinem südlichen die Herrschaft von Yama, dem Totengott, mit deinem nördlichen die Herrschaft von Varuna, dem Wassergott, und mit deinem westlichen die Herrschaft von Soma, dem Mondgott. Oh Herr, du erstrahlst in vielfältigen Formen und bist der ewige Ursprung aller Welten. Oh Gott der Götter, aus dir wurden all die Götter, Vasus, Rudras, Maruts, Aswins, Sadhyas, Vidyadharas, Nagas, Charanas, die hochbeseelten Valakhilyas und alle werdenden und vollkommenen Wesen geboren. Auch die großen Mütter wie Uma, Sita, Siniwali, Kuhu, Gayatri, Lakshmi, Kirti, Dhriti, Medha, Lajja, Kshanti, Vapus, Swadha, Pushti, Kriya, Sarasvati, die Göttin der Rede, Sandhya und Ratri wurden allein aus dir geboren, oh göttlicher Herr. Verehrung dem Herrn, der wie tausend Sonnen strahlt, wie tausend Monde erglänzt, wie ein Berg erscheint und alle guten Qualitäten verkörpert. Verehrung dem Herrn, der den Speer mit der schärfsten Spitze trägt, der sich Asche auf die Stirn streicht und den Bogen Pinaka sowie Pfeile und Diskus in seinen Händen hält. Verehrung dem Herrn, dessen Körper mit Asche eingerieben ist, der den Liebesgott verbrannt hat, der aus Gold Geformte mit goldenen Kleidern, goldener Rüstung, goldenem Nabel, goldenem Bauch, goldenem Samen, goldener Haut und goldenem Schmuck, der Tausendäugige, der das Gold gibt. Verehrung dem schrecklich Brüllenden, dem überaus Schnellen, dem blaukehligen Shankara mit den tausend Armen. Heil dir, dem Herrn, der den Tanz und die Musik liebt.

Als der Höchste Herr, der große Yogi von universaler Intelligenz, auf diese Weise gepriesen wurde, manifestierte er sich mit einem hellen Glanz, der Millionen Sonnen glich. Der erfreute Mahadeva erschien in ehrwürdiger Gestalt mit tausenden und millionen Mündern, die den Himmel zu verschlingen schienen, obwohl er nur einen Nacken und einen Haarschopf hatte. Sein wunderbar vielfältiger Körper war mit verschiedensten Ornamenten bedeckt. Er trug verschiedenste Girlanden und Düfte, hielt den Bogen Pinaka in der Hand, schwang den Speer und saß auf dem Bullen. Er trug das Fell einer schwarzen Antilope und hielt in seiner schrecklichen Form den Totenschädel in der Hand. Er trug eine Schlange als heilige Schnur und zeigte die Geste für den Schutz der Götter. Dazu lachte er so laut wie das Donnern der Wolken, so daß der ganze Himmel erbebte. Von diesem lauten Klang der großen Seele waren wir sehr erschrocken. Doch der große Yogi sprach:
Oh ihr vorzüglichen Götter, ich bin höchst erfreut. Gebt jede Furcht auf! Ihr beide seid aus meinem Körper geboren und erblickt meine Maya-Illusion. Ihr beide seid ursprüngliche und uralte Wesen. Brahma, der Große Vater der Welten, ist mein rechter Arm und Vishnu mein linker. So seid ihr in jedem Kampf immer an meiner Seite. Ich bin sehr zufrieden mit euch und werde euch jeden Wunsch gewähren.

Diese Worte erfreuten unseren Geist, wir fielen zu seine Füßen nieder und sprachen voller Hingabe:
Wenn du zufrieden bist, oh Herr der Götter, und wir deines Segens würdig sind, dann laß in uns diese Hingabe zu dir unvergänglich sein.

Und Mahadeva antwortete:
Oh Gesegnete, so möge es sein! Ihr beide werdet die vielfältigen Arten der Geschöpfe hervorbringen.

So sprach der Herr und verschwand vor unseren Augen. So habe ich euch die Macht des großen Yogis erklärt. All dies wurde von ihm geschaffen, und wir sind seine Werkzeuge. Was man „Shiva“ nennt, das ist unbekannt und ungestaltet, unergründlich und unbegreifbar. Nur mit der geistigen Sicht kann man es erkennen. So verehrt diesen Gott der Götter, dessen Gunst diese geistige Sicht verleiht, wodurch man Subtiles und Unbegreifliches sehen kann. Oh Mahadeva, Verehrung sei dir, höchste Verehrung! Oh Bester aller Götter und Dämonen, oh weißer Schwan des Geistes, wir verehren dich mit ganzer Hingabe.

Und der Suta fuhr fort:
Als die Himmlischen dies hörten, verehrten sie die Höchste Seele in Form von Shiva und kehrten in ihre Wohnstätten zurück. Wer diese Hymne auf die Gottheit, die Höchste Seele oder das Selbst, rezitiert, kann alle seine Wünsche erfüllen und wird von Sünde befreit. Dies alles bezüglich des uralten Brahman wurde von Vishnu durch die Gnade von Mahadeva verkündet. Und damit habe ich euch auch alles über die Macht von Mahadeva berichtet.


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