Pushpak Vayu PuranaZurück WeiterNews

1.20. Das heilige Geheimnis der Silbe OM

Vayu sprach:
Ich werde jetzt die Eigenschaften der Silbe OM erklären, und wie man sie erreichen kann. Das OM besteht aus drei Matras mit zwei Selbstlauten und einem Mitlaut (AUM). Die drei Matras entsprechen den natürlichen Qualitäten der Dunkelheit, Leidenschaft und Güte. Ein weiteres halbes Matra (AUMm) ist höher und liegt jenseits der drei Qualitäten. Dieses wird Gandhari genannt, abgeleitet von der Musiknote Gandhara. Wenn es sich im Kopf des Yogis entfaltet, so fühlt es sich wie das Krabbeln von Ameisen an. Wenn das OM auf diese Weise im Kopf nachklingt, wird der Yogi vom OM erfüllt und wird unvergänglich im ewigen Wesen.

Das OM ist der Bogen, das Selbst ist der Pfeil, und das Brahman ist das Ziel, das sicher getroffen werden sollte. Wie ein Pfeil sollte das Selbst völlig ins Brahman eingehen. Das einsilbige OM ist das Brahman, das im Inneren des Herzens verborgen liegt. Das OM umfaßt die drei Veden von Rig, Saman und Yajur, die drei Welten, die drei Feuer und die drei Schritte von Vishnu. Doch der Yogi, der das OM mit allen vier Matras wahrhaft erfährt, gelangt darin zur Einheit und erreicht den Himmel der Befreiung.

Die Buchstaben ‚A‘ und ‚U‘ sollte man als Selbstlaut und den Buchstaben ‚M‘ als Mitlaut kennen. Der Buchstabe ‚A‘ steht für die Erde (Bhurloka), das ‚U‘ für den Luftraum (Bhuvarloka) und das ‚M‘ mit seinem Nachklang für den himmlischen Bereich (Swarloka). So umfaßt das OM alle drei Welten und ist mit dem Gesicht zum Himmel gerichtet. Es ist das ganze Universum, das Reich von Brahma. Das Matra ‚A‘ ist das Reich von Shiva, und alle Matras gemeinsam sind das Reich von Rudra. Diese Region verehrt der Yogi durch konzentrierte Meditation. Deshalb sollte ein Verehrer stets mit Freude meditieren. Und um die ewige Region zu erreichen, sollte er vor allem den klanglosen Klang verehren. Das erste Matra ist ein kurzer Selbstlaut, das zweite ein langer und das dritte Matra ist andauernd. Diese Matras sollte man genau und in der rechten Reihenfolge kennen. Und man sollte sie soweit wie möglich ausdehnen. Wer seine Sinne, die Gedanken und die Vernunft auf das Selbst konzentriert und vor allem das halbe (klanglose bzw. nachklingende) Matra trägt, wird das Ziel erreichen.

Auch wenn man über hundert Jahre jeden Monat ein Pferdeopfer durchführen würde, könnte man nicht das Verdienst erlangen, das ein einziges Matra gewähren kann. Mit nur einem Matra kann man das Verdienst erreichen, als würde man über hundert Jahre jeden Monat nur einen Tropfen Wasser von der Spitze eines Kusha-Grashalmes trinken. Mit nur einem Matra kann man das Verdienst aller Opferriten, wahrer Rede und dem Verzicht auf Fleischgenuß erreichen. Mit nur einem Matra kann man das Verdienst eines Kriegers erreichen, der ohne vom Schlachtfeld zu fliehen für seinen Herrn kämpft. Wahrlich, was man alles mit einem Matra erreichen kann, übertrifft jede harte Askese und jedes Opfer mit großen Mengen an Geschenken.

Das halbe Matra, das man als lang nachklingend bezeichnet, sollte auch von den Yogis verfolgt werden, die als Hausväter leben. Speziell dieses Matra hängt mit den übernatürlichen Kräften zusammen. Damit erwirbt der Yogi die acht übernatürlichen Fähigkeiten, wie zum Beispiel, sich unendlich klein machen zu können. Deshalb sollte man den Yoga damit praktizieren. Ein Yogi, der sich auf diese Weise mit dem Selbst vereint, wird rein. Nachdem er die Sinne gezügelt und überwunden hat, kann er das Selbst verwirklichen. Und wer das Selbst verwirklicht hat, kann alles erreichen. Wahrlich, der intelligente Yogi, der sich in Meditation vertieft, gewinnt durch seine Yoga-Erkenntnis das ganze Wissen des Rig, Yajur und Saman Veda sowie der Upanishaden. Nachdem er auf diese Weise alle Elemente (die den Körper bilden) aufgelöst hat, wird er elementlos. Damit geht er in die ewige Region, von wo es keine Rückkehr gibt. Nachdem er es mit himmlischer Sicht erkannt hat, meditiert er über die vierarmige und viergesichtige Natur, die auch als Vishvarupa bezeichnet wird (die Allgestaltige, die das ganze Universum verkörpert).

Ein Ziegenbock erfreut sich und begattet die Ziege, die schön ist, und rot, weiß und schwarz erscheint. Damit erschaffen sie unzählige Nachkommen. Aber der andere Ziegenbock entsagt ihr, nachdem er sie erfreut hat. (Symbolisch für das Selbst und die Natur mit den natürlichen Qualitäten von Leidenschaft, Güte und Dunkelheit). Der Weise erreicht Unsterblichkeit, nachdem er die Wahrheit über die ursprüngliche Natur aus acht Silben, sechzehn Händen und Füßen, vier Köpfen, drei Haarbüscheln und einem einzigen Horn erkannt hat, das ewige Meer der Ursachen als Schöpfer des Universums, das aus diesen Ursachen entsteht. Der Brahmane, der das OM in dieser Tiefe verwirklicht, muß niemals wiedergeboren werden. Wer die Wahrheit erkennt und über das unvergängliche höchste Brahman namens OM meditiert, verläßt den Zyklus der weltlichen Existenz. Er wird befreit von allen Fesseln und Bindungen. Zweifellos erreicht er die höchste Region der Ewigkeit, die von allen Eigenschaften frei ist. Damit habe ich dir den Weg zur Verwirklichung des OM erklärt.

„Verehrung dem Herrn der Welten, der die Idee und das Wissen über die Kalpas begriffen hat und dessen Verehrung so nützlich für dich ist. Verehrung dem eigenschaftslosen ewigen Brahman, dem der Herr der Yogis gewidmet ist. Verehrung der höchsten Reinheit, die so nichtanhaftend wie ein Wassertropfen auf dem Lotusblatt ist. Das OM ist das Heiligste von allem Heiligen. Aus kurzen und nachklingenden Lauten bestehend, ist es heilig und heiligt alle Dinge. Man sollte das OM jenseits von Gehör, Gefühl, Gesicht, Geschmack und Geruch verehren. Verehrung dem Herrn der Natur, Verehrung dem Herrn der Yogis, der das gewaltige Firmament, die feste Erde, den grenzenlosen Raum und den weiten Himmel, wo die Götter wohnen, geschaffen hat. Sein Körper ist das ganze Universum. Er ist jenseits von Aus- und Einatmung. Er ist das große Opfer und besteht in allen Dingen. Das Opfer ist der Veda, der Veda ist die Verehrung, und die Verehrung ist Rudra. Heil dem Rudra! Verehrung dem Herrn der führenden Yogis!“

Dieses Gebet für Erfolg sollte morgens, mittags und abends dargebracht werden, und Rudra gewährt das Ziel aller Wünsche. Wie der Sturm reife Früchte vom Baum bläst, so zerstreut sich die Sünde durch die Verehrung von Rudra. Diese Verehrung von Rudra ist eindeutig die Quelle der Früchte aller tugendhaften Riten. Keine andere Verehrung kann das gewähren. Wer sich vor anderen Göttern verneigt, wird nie das Gleiche erreichen.

Deshalb sollte der Yogi den Höchsten Herrn verehren, nachdem er dreimal am Tag gebadet hat. Das Brahman ist unermeßlich, und das Brahman ist noch zehnmal unermeßlicher. Mit dem OM erschafft der Herr alles ringsherum zur rechten Zeit. Sogar Vishnu wurde von ihm geschaffen und die Verehrung selbst. Der höchste Herr wird vom OM geehrt, das OM wird vom Opfer geehrt, das Opfer wird vom Verehrer geehrt, und der Verehrer wird von Rudra geehrt. Deshalb ist das Reich von Rudra das Höchste. Das sind Geheimnisse der Yogis in der rechten Ordnung. Wer sie durch Meditation versteht, erreicht das Höchste.


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