Pushpak Vayu PuranaZurück WeiterNews

1.14. Der Yoga des Brahman

Vayu fuhr fort:
Wer durch Erkenntnis diese Befreiung erreicht hat, sollte keine Tat mehr mit Leidenschaft ausführen. Sobald er die Früchte von Rajas und Tamas (Leidenschaft und Trägheit) erfährt, wird er davon gebunden. Dann würde er einem Menschen gleichen, der verdienstvoll gehandelt hat, die Früchte im Himmel genießt, wieder herabfällt und als Mensch wiedergeboren wird. Deshalb ist das Brahman das Größte und das Kleinste. Allein das Brahman kann als ewig gelten. So sollte man sich dem Brahman widmen, denn das Brahman ist höchste Seligkeit.

Man kann sich noch so viel mühen, um Opfer darzubringen, die viel Reichtum erfordern. Man bleibt dem Tod unterworfen. Nur die Befreiung ist wahre Seligkeit. Wer meditiert und sich dem Brahman-Opfer widmet, erreicht, was auch in hunderten Manwantaras (durch Opferriten) nicht erreicht werden kann. Er sieht den himmlischen Purusha (den Höchsten Geist), der als alldurchdringend bezeichnet wird, der in allen Formen erscheint und seine Füße, Köpfe und Hände überall (im Weltall) hat. Sein Duft ist kosmisch, er trägt die Girlande des Kosmos, und der Kosmos ist seine Kleidung. So ist er der Herr von allem.

Die Leute versuchen mit ihren Sinnesorganen die innerste lebendige Seele zu erkennen, das Höchste Selbst. Doch nicht mit den körperlichen Augen, sondern mit der geistigen Yoga-Konzentration kann man den allwissenden und uralten Guru erkennen, der kleiner als das Kleinste und Größer als das Größte ist, der Höchste Geist mit dem goldenen Glanz, der von den Sinnesorganen frei ist. Solche Yogis können überall den Höchsten Geist im goldenen Glanz sehen, mit oder ohne äußere Merkmale, jenseits aller Eigenschaften, reines Bewußtsein, ewig, alldurchdringend und vollkommen. Durch die Yoga-Macht sehen sie dieses beständige Licht. Darin verkörpert, strahlt Er in seinem eigenen Glanz, ohne Köpfe, Zunge, Füße, Arme und Körper. Weil dieser Eine ohne ein Zweites höchste Feinheit und jenseits des Zugriffs der Sinne ist, kann man ihn ohne Augen sehen und ohne Ohren hören. Es gibt nichts, was ihm unbekannt wäre, und doch ist er ohne Intellekt. Er kennt alles, aber ihn kennen nicht einmal die Veden. Deshalb nennen sie ihn den Höchsten Geist (Purusha), das Große, das Leben, der Alldurchdringende und die höchste Feinheit.

Was die Heiligen als Natur (Prakriti) bezeichnen, die den Lebewesen ihre Geburt in dieser Welt gibt, erkennen die Yogis auf rein geistige Weise. Wer sich durch Yoga-Meditation in den ewigen Höchsten Geist (Purusha) vertieft, dem alle Hände, Füße, Gesichter und Augen dieser Welt gehören, der überall seine Ohren hat, der alles beherrscht und das ganze Universum durchdringt und verkörpert, wird nicht mehr getäuscht. Denn wer über das Höchste Brahman meditiert, die unvergängliche Seele aller Lebewesen, das wahre und höchste Selbst, das große Wesen von Allem, dem verschwindet jede Täuschung.

So wie die Bewegung der Wolken die Existenz des Windes beweist, so beweist das Leben in den Körpern die Existenz der Seele. Und weil diese Seele im materiellen Körper wohnt, wird sie auch Geist (Purusha) genannt. Wenn sich die Wirkung eines bestimmten Karmas (aus angesammelten Taten) manifestiert, wird die Seele während der Vereinigung von Mann und Frau durch die Vermischung von Samen und Blut im Mutterleib gezeugt und wiedergeboren. So entsteht während der Empfängnis die erste Stufe des Embryos in Form eines winzigen Punktes (Kalana). Mit der Zeit entwickelt sich dieser Punkt zu kleinen Bläschen. Und wie ein Klumpen Lehm auf dem Töpferrad vom Wind gehalten wird und durch die Hände des Töpfers verschiedene Formen erhält, so wird auch der Embryo aus den Elementen durch die Kraft des Windes zu einem menschlichen Körper mit entsprechender Gestaltung, Eigenschaften und Intelligenz geformt. Dieser Wind verbindet alles. Aus dem Wind entsteht das Wasser (das fließende Element), im Wasser formt sich der Lebensatem, und durch den Lebensatem wächst und entwickelt sich der Samen. So verbinden sich 33 Teile des Blutes mit 14 Teilen des Samens und bilden ein halbes Pala (ca. 20g), das im Mutterleib gehegt wird, wo das Kind von den fünf Lebenswinden umhüllt wird. Vom Körper des Vaters erbt es Form und Eigenschaften. Und von der Mutter empfängt es über die Nabelschnur die Nahrung, so daß der Embryo wachsen kann. Das alles erträgt das Kind im Mutterleib in sehr gedrängter Stellung und umgeben von den Gedärmen der Mutter über neun Monate. Und nach dieser Zeit verläßt es den Mutterleib durch den Geburtskanal mit dem Kopf nach unten.

Danach lebt es auf der Erde. Und wenn es hier sündhafte Taten begeht, fällt es nach dem Tod in die Hölle, wo der Körper geschnitten und gestochen wird. So erleidet es in der Hölle qualvolle Strafen. Es wird gezwungen, Blut zu trinken, und muß schreckliche Folter ertragen, die ganz unerträglich ist. Doch wie zerschnittenes Wasser immer wieder zusammenfließt, so bekommen auch die Höllenwesen immer wieder ihre Form zurück, obwohl sie in peinigenden Höllen wieder und wieder zerrissen und zerschnitten werden. Damit erleiden die Lebewesen durch ihre eigenen Sünden entsprechend qualvolle Strafen. Und solange noch Karma vorhanden ist, werden sie immer wieder geboren.

Ganz allein muß man durch das Reich des Todes gehen, und ganz allein muß man die Strafen ertragen. Deshalb sollte man stets tugendhaft handeln. Keiner kann ihm folgen, wenn er den Weg des Todes geht. Nur die Taten, die er im Leben angesammelt hat, verfolgen ihn. Schrecklich und unablässig schreien die Höllenwesen im Reich von Yama, wenn ihre Körper zerstochen und gequält werden. Ihre gefolterten Körper vertrocknen und erleiden extreme Schmerzen unter bösesten Qualen. So kann die Sünde gewaltsam alles Wünschenswerte vernichten, das man mit Körper, Rede und Gedanken verfolgt. Deshalb sollte man tugendhaft handeln.

Entsprechend der angesammelten sündhaften Taten, durchläuft ein körperliches Wesen sechs Stufen der weltlichen Wandlung durch seine träge und unwissende Natur: Die Geburt als Mensch, Haustier, Wildtier, Vogel, Reptil und Pflanze. Und von der Pflanze entwickelt es sich zurück zum Menschen. So kreist es wie auf dem Rad eines Töpfers. Diese Wanderung über sechs Stufen vom Mensch bis zur Pflanze wird als Tamas-Entwicklung (zur Trägheit bzw. Unwissenheit) bezeichnet, und auf diesem Weg gibt es zahllose Wandlungen. Die Wanderung von den Geisterwesen bis zu Brahma wird dagegen als Sattwika (Güte) bezeichnet, denn diese Erfahrung können die Wesen nur in himmlischen Regionen machen.

In der geistigen Region von Brahma gibt es nur Sattwa (Güte) und im Reich der Materie nur Tamas (Trägheit bzw. Dunkelheit). Zwischen ihnen herrscht Rajas (die Leidenschaft) und stützt die vierzehn Welten (der Lokas). Wie könnte ein niederes Wesen über das große Brahman nachdenken, wenn es vom Leiden überwältigt und vom Tod beherrscht wird? Es geschieht durch die Eindrücke aus früheren tugendhaften Taten, daß man wieder eine menschliche Geburt erreicht. Deshalb sollte man (die menschliche Geburt nutzen und) sich ganz und gar dem Brahman widmen.


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