Pushpak Vayu PuranaZurück WeiterNews

1.11. Das Pashupata-Yoga

Vayu sprach:
Während sich die Heiligen mit edler Seele in Buße üben, beobachten sie mit göttlicher Sicht und Verehrung den Lebensatem, sei es über einen Feiertag, einen Wochentag, eine Woche, einen Monat, eine Jahreszeit, ein Jahr, ein Yuga oder tausend Mahayugas. Deshalb werde ich nun den Zweck und besonders den Nutzen erklären, wie es der Herr verkündet hat. Wisset, daß es vier Ziele des Pranayama gibt, nämlich Shanti (Frieden), Prashanti (höchster Frieden), Prasada (Reinheit) und Dipti (Erleuchtung).

Alle guten und schlechten Taten, die man persönlich ausführt, tragen jetzt und später ihre Früchte im gerechten Lauf (von Ursache und Wirkung). Deshalb bedeutet Shanti (Frieden) das Überwinden (bzw. Vergeben) von schlechten Taten und Sünden der Eltern, Verwandten oder Bekannten. Prashanti (höchster Frieden bzw. Zufriedenheit) bedeutet das Überwinden der Sünden, die aus Stolz und Arroganz entstehen. Das ist eine Form der Buße, die ihren Nutzen hier und in der jenseitigen Welt bringt. Dipti (Erleuchtung) bedeutet die Sicht der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die einem Erleuchteten möglich ist. Auch das ist eine Form der Buße, und Heilige, die reichlich mit Erkenntnis und vollkommener Weisheit gesegnet sind, können sogar die Welten von Sonne und Mond oder der Planeten und Sterne erreichen. Und Prasada (Reinheit) bedeutet die Überwindung der fünf Sinnesorgane mit ihren Objekten, des Denkens und der fünf Lebenswinde.

Deshalb ist das vierfache Pranayama die erste Tugend im Yoga (das erste Dharma). Man sollte wissen, daß es unverzüglich Früchte gibt und direkt zu geistiger Gelassenheit führt. Deshalb werde ich nun die Eigenschaften von Pranayama, die Haltung und die Yoga-Übung ausführlich erklären.

Zu Beginn sollte man die Silbe OM rezitieren und sich vor Sonne und Mond verneigen. Dann sollte man in der Haltung Swastika oder Ardhapadma (halber Lotussitz) sitzen. Im ersten Fall sollten die beiden Knie auf gleicher Höhe sein, im zweiten Fall sollte ein Knie etwas höher liegen. Man sollte bequem und sicher sitzen und die Füße weit zusammenbringen. Der Mund sei geschlossen, die Augen halb geschlossen und der Oberkörper gerade aufgerichtet. Mit den Fersen sollte man das Geschlechtsorgan bedecken. Der Kopf sei leicht erhoben und der Hals gestreckt. Dann sollte man den Blick auf die Nasenspitze richten und nicht irgendwo herumschweifen lassen. Das Tamas (die Trägheit) sollte durch Leidenschaft (Rajas) überwunden werden, die durch Sattwa (Güte) entwickelt wird. Schließlich sollte er im Sattwa (der Güte) verweilen und mit reinem Geist Yoga üben. Dabei zügle er das Greifen der Sinnesorgane nach ihren Objekten, die Gedanken und die fünf Lebenswinde. Damit beginnt er, Pratyahara (Sinneszügelung) zu üben.

Wer seine Leidenschaften und Begierden von außen zurückzieht, wie eine Schildkröte ihre Glieder, der wird selig im Selbst. Und darin vertieft, erkennt er das Selbst in sich selbst. Das Zurückziehen in der Yoga-Übung sollte er vom Nabel bis zur Kehle beginnen, den Körper mit Lebensatem füllen und sich innerlich und äußerlich reinigen. Ein Augenblick wird Kala (Zeit) genannt. Das Pranayama (Atemzügelung) sollte über 12 Matras gehalten werden. Dharana (Konzentration) besteht aus 12 Pranayamas und die Yoga-Übung selbst aus 2 Dharanas. Wer auf diese Weise Yoga übt, wird Wohlergehen erreichen. Er erkennt das Selbst strahlend in seinem eigenen Glanz. Ein Zweifachgeborener, der sich in Pranayama und Selbstzügelung übt, vernichtet alle seine Fehler (bzw. Sünden) und wird im Sattwa (der Güte) gefestigt. Mit Pranayama und gezügelter Nahrung meistert er alle Yoga-Stufen und steigt höher und höher. Wer die grundlegende Stufe nicht meistert, wird immer mehr Fehler ansammeln und die täuschende Illusion erhöhen. Man kann nicht höher steigen, bevor die grundlegende Stufe gemeistert ist.

Wie das Wasser mit Maschinenkraft durch eine Leitung gepumpt wird, so sollte der Yogi mit Anstrengung den Lebenswind trinken und jede Erschöpfung besiegen. Der Wind sollte nach und nach im Nabel, im Herz, in der Brust, im Hals, im Mund, in der Nasenspitze, im (dritten) Auge zwischen den Augenbrauen und im Kopf gehalten werden. Die Zurückhaltung des Atems etwas höher im großen Herrn wird Dharana (Konzentration) genannt. Deshalb nennt man die Zügelung von Ein- und Ausatmung Pranayama. Die Zügelung des Geistes heißt Dharana (Konzentration), und das Zurückziehen von den Sinnesobjekten heißt Pratyahara (Sinneszügelung). Wenn sie alle miteinander vereint sind, wird die Vollendung der Yoga-Fähigkeiten (der Yoga-Siddhis) erreicht. Dieser Weg ist das Charakteristikum der Yoga-Meditation. Durch diese Meditation erkennt der Yogi sein wahres Selbst wie die Sonne und den Mond. Doch solange Sattwa (die Güte) nicht erreicht ist, ist diese Sicht unmöglich.

Dieses Yoga-Ziel ist auch unerreichbar, wenn man an unpassenden Orten oder zur falschen Zeit übt. Deshalb sollte ein Yogi nicht in der Nähe eines Waldbrandes üben, auf einem Berg trockener Blätter, an Orten, wo niedere Wesen hausen, auf Leichenplätzen, in verfallenden Kuhställen, an Kreuzungen (wo sich vier Wege treffen), an lauten und schrecklichen Orten, in der Nähe von Gräbern oder Brunnen sowie auf Ameisenhügeln. Denn das sind Orte voller Störung. Es ist auch nicht gut, zu üben, wenn man von Hunger, Unlust oder Erregung überwältigt ist. Ansonsten sollte man stets fleißig und konzentriert den Yoga pflegen. Wer diese Fehler erkennt und trotzdem Yoga übt, der stört damit das Gleichgewicht der drei Körpersäfte und schafft sich Hindernisse auf dem Weg. Er riskiert Trägheit, Taubheit, Stummheit, Blindheit oder Vergeßlichkeit und fördert Alter und Krankheit. Die Körpersäfte werden auch gestört, wenn der Yoga der Illusion dienen soll. Deshalb sollte ein Yogi stets mit wahrhafter Absicht in Gedanken und Taten üben. Solange er achtsam und gewissenhaft übt, wird er nicht unter Fehlern leiden müssen.

Nun erkläre ich auch die Gegenmittel für die Fehler, die aus einer falschen Übung von Pranayama entstanden sind. Die Vergrößerung der Milz (durch Störung der Körpersäfte) beruhigt sich, wenn der Kranke dicke und klebrige Schleimsuppe trinkt, während sie noch sehr heiß ist. Verstopfungen werden durch den Verzehr von Quark oder Schleimsuppe behandelt, damit der Wind in Bewegung kommt. Der Wind-Knoten muß gelöst werden, damit der Lebensatem wieder am rechten Ort zirkulieren kann. Falls es keine Verbesserung gibt, sollte Dharana (Konzentration) im Kopf geübt werden, und der Yoga-Übende soll den Körper allein im Sattwa (der Güte) halten. Dieses Mittel sollte zur Heilung von Verstopfungen verwendet werden.

Wenn zu Beginn der Yoga-Übung die Gliedmaßen zittern, sollte folgende Behandlung erfolgen, denn dies wird Erleichterung bringen: Der Übende soll im Geist einen Gegenstand fest fixieren und halten, als ob man ein heiliges Gelübde beachtet. Wenn es zu Herzklopfen kommt, sollte der Atem in der Herzgegend und in der Nähe der Kehle gehalten werden. Wenn die Sprache stockt, sollte der Atem im Sprachorgan gehalten werden, und bei Taubheit in den Ohren. Bei quälendem Durst sollte er Öl oder Ghee mit einer Schnur auf die Zungenspitze geben. Der Yogi, der sich so auf die Wirkung der Behandlung konzentriert, erreicht das Glück der Heilung.

Bei Tuberkulose und Lepra sollte der Sattwa-Atem auf die betroffenen Teile gerichtet werden. Welches Körperteil auch vom Leiden betroffen ist, speziell dahin sollte im Yoga der Atem gerichtet werden. Darüber hinaus gibt es für einen Yoga-Übenden noch weitere Heilmittel. Wenn er die Erinnerung verloren hat, dann sollte sein Kopf mit einem Stück Bambus geschlagen werden, oder das Stück Bambus sollte auf seinen Kopf gelegt und mit einem anderen Stück Holz geschlagen werden. Wenn ihm das Bewußtsein schwindet, dann sollte er den Kopf mit den Händen halten, und wenn es zurückkehrt, Dharana auf den Kopf üben. Dabei sollte er nur wenig ölige Speisen verzehren. So wird der Yogi wieder gesund.

Wenn er von einem Geisterwesen besessen ist, sollte er Dharana (Konzentration) auf den Himmel, die Erde, den Wind und das Feuer üben. Mit dem Feuer des Pranayama kann er alles beherrschen. Sobald das Geisterwesen in den Körper eintritt, sollte er es abwehren. Nachdem es mit Yoga-Kraft gebannt wurde, soll das Pranayama-Feuer über seinem Kopf brennen und es vollständig vernichten.

Das Gift der dunklen Schlange (auch als Unwissenheit gemeint) sollte der Yogi in der Höhle des Herzens aufhalten. Und nachdem er alle Lokas (Welten) von Mahar, Jana, Tapas und Satya im Herzen gesammelt hat, übt er Dharana (Konzentration). Hat er die Frucht des Giftes getrunken, soll er es aufhalten und unwirksam machen, indem er mittels Dharana die ganze Erde mit allen Ringgebirgen in seinem Geist erkennt. Und nachdem er auch alle (sieben) Ozeane in sein Herz gebracht hat und sich an die Götter darin erinnert, sollte er mit tausend Wasserkrügen baden und sich reinigen. Bis zum Hals im Wasser richtet er das Dharana auf den Kopf. Und falls er dann vom Rückfluß des Giftes betroffen wird, sollte er Dharana über alle Glieder seines Körpers üben. Dann sollte er etwas Erde von einem Ameisenhügel aus der Schale herabgefallener und getrockneter Blätter der Arka-Pflanze trinken. Diese yogische Art der Behandlung ist in der Welt wohlbekannt.

Damit wurde kurzgefaßt das Yoga erklärt. Ihr solltet jedoch die jeweiligen Fähigkeiten eines Zweifachgeborenen betrachten, bevor ihr es weitererzählt. Wenn es in Unwissenheit an eine unwürdige Person gegeben wird, wird diese Lehre erfolglos bleiben. Deshalb sollte diese Yoga-Übung nicht allen verkündet werden. Die Hauptmerkmale des Fortschritts im Yoga sind innere Stärke, Gesundheit, Gelassenheit gegenüber den Sinnesobjekten, positive Ausstrahlung, sanfte Stimme und freundliche Rede, guter Geruch und weniger Urin und Kot. Wenn er sich selbst und die Erde im strahlenden Glanz miteinander verschmelzen sieht, dann kann der Yogi erkennen, daß die Zeit der Verwirklichung im Yoga bevorsteht.


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