Pushpak Vayu PuranaZurück WeiterNews

1.10. Die Entwicklung der Schöpfung

Suta sprach:
Als die Welten durch das Erwachen des Schöpfergottes Brahma entstanden, gab es zunächst keine Lebewesen, die sich entwickelten und fortpflanzten. Brahma war von völliger Dunkelheit (Tamas) umgeben und noch ganz träge. Daraufhin schuf er die Intelligenz, die Entscheidungen treffen konnte. Nun sah er allein die natürliche Qualität der Dunkelheit in sich wirken, die jede Leidenschaft und Güte (Rajas und Sattwa) unterdrückte. Darüber war der Herr des Universums besorgt und fühlte ein Leiden, das die Dunkelheit durchbrach und die Leidenschaft (Rajas) entstand. Die Dunkelheit öffnete sich und gebar aus der Ungerechtigkeit (Adharma) das Zwillingspaar von Gewalt und Sorge. Als die Zwillinge geboren waren, gingen sie ihre eigenen Wege. Der Herr war zufrieden damit und nutzte ihre Kraft. Er trennte sich von seinem dunklen Körper und spalte ihn in zwei Teile. Mit dem einen Teil wurde er ein Mann und mit dem anderen eine Frau namens Satarupa (die Vielgestaltige). Dann schuf der Herr die Erde (als Grundlage für alle Geschöpfe) und auch die leidenschaftlichen Begierden. Dieser Körper von Brahma erfüllte Erde und Himmel, während der vorhergehende das ganze Weltall umhüllte.

Satarupa, die Frau, die aus der Hälfte vom Körper des Schöpfers geboren wurde, übte harte Buße über Millionen Jahre und erhielt einen Ehemann mit strahlendem Ruhm. Er wurde Manu genannt und war der von Brahma geschaffene Stammvater der Menschheit. Er regiert über 71 Zyklen aus den vier Yugas (Satya, Treta, Dwapara und Kali), die ein Manwantara (Epoche eines Manus) genannt werden. Nachdem er Satarupa, die nicht aus einem Mutterleib geboren war, zur Ehefrau erhalten hatte, vergnügte er sich mit ihr, und diese Vergnügung wurde „Rati“ (Sex) genannt. So geschah die erste sexuelle Vereinigung zwischen Mann und Frau zu Beginn des Kalpa.

So schuf Brahma den ersten Mann, und dieser Mann wurde zum ersten Stammvater der Menschen. Dieser König war geistig geschaffen und wurde als Stammvater Manu bekannt. Satarupa gebar diesem mächtigen Manu zwei ausgezeichnete Söhne namens Priyavrata und Uttanapada. Bessere Söhne kann sich niemand wünschen. Dann folgten zwei ausgezeichnete Töchter namens Akuti (Absicht) und Prasuti (Fruchtbarkeit). Prasuti wurde von Manu in die Ehe an Daksha gegeben. Unter Daksha kann man sich den Lebensatem (Prana) vorstellen und unter Manu den Willen (Sankalpa). Akuti wurde von Manu in die Ehe mit dem Stammvater Ruchi gegeben, und diesem geistgeborenen Sohn von Brahma gebar sie ein vorzügliches Zwillingspaar namens Yajna (Opfer) und Dakshina (Opfergabe). Yajna zeugte mit Dakshina zwölf Söhne, die sogenannten Yamas, die zu den Göttern im Manwantara des selbstgeborenen Manus wurden. Sie werden Yamas genannt, weil sie als Söhne von Zwillingen (Sanskrit: Yama) geboren wurden. Sie gehören zu den beiden Brahma-Gruppen der Ajitas und Shukas. Die Yamas eroberten als erste den Himmel und werden daher Himmelsbewohner genannt.

Von Prasuti (Fruchtbarkeit), der Tochter des selbstgeborenen Manus, wurden die Mütter der Welt geboren. Der Stammvater Daksha zeugte mit ihr 24 lotusäugige und höchst gesegnete Töchter. Sie wurden die Frauen von Yogis und waren yogische Mütter. Die ersten 13 waren Sraddha, Lakshmi, Dhriti, Tusti, Pusti, Medha, Kriya, Buddhi, Lajja, Vapus, Shanti, Siddhi und Kirti. Dharma selbst nahm diese 13 Töchter von Daksha als Ehefrauen an, und sie wurden zu den Torwegen der Schöpfung, wie es Brahma bestimmt hat. Ihre elf lotusäugigen jüngeren Schwestern waren Khyati, Sati, Sambhuti, Smriti, Priti, Ksama, Sannati, Anasuya, Urja, Swaha und Swadha. Sie wurden mit anderen großen Heiligen verheiratet, nämlich Rudra, Bhrigu, Marichi, Angiras, Pulaha, Kratu, Pulastya, Atri, Vasishta, Pitris und Agni. Daksha gab Sati an Shiva, Khyati an Bhrigu, Sambhuti an Marichi, Smriti an Angiras, Priti an Pulastya, Ksama an Pulaha, Sannati an Kratu, Anasuya an Atri, Urja an Vasishta, Swaha an Agni und Swadha an die Pitris (die Ahnen). Hört nun über die Kinder, die ihnen geboren wurden. Sie alle sind höchst intelligent und gesegnet, und leben in allen Manwantaras bis zur universalen Auflösung.

Sraddha (Glaube) gebar Kama (Liebe), Lakshmi (Wohlstand) gebar Darpa (Stolz), und Dhriti (Selbstbeherrschung) gebar Niyama (Zügelung). Der Sohn von Tusti (Zufriedenheit) hieß Santosa (Genügsamkeit), der Sohn von Pusti (Ernährung) hieß Labha (Gewinn), der Sohn von Medha (Intelligenz) war Sruta (Lernen), die Söhne von Kriya (Aktivität) waren Naya (Justiz), Danda (Strafe) und Samaya (Gesetz), die Söhne von Buddhi (Vernunft) waren Bodha (Erkenntnis) und Apramada (Vollkommenheit), der Sohn von Lajja (Scham) war Vinaya (Bescheidenheit), der Sohn von Vapus (Körper) war Vyavasaya (Mühe), der Sohn von Shanti (Frieden) war Ksema (Wohlergehen), der Sohn von Siddhi (Fähigkeit) war Sukha (Glück), und der Sohn von Kiriti (Ruhm) war Yashas (Würde). Das waren die Söhne von Dharma. Harsa (Genuß) war der Sohn von Kama (Liebe) und der Göttin Rati. Auf diese Weise entstand aus den Nachkommen von Dharma die weltliche Freude.

Dagegen waren die Zwillinge Nikriti (Bosheit) und Anrita (Lüge) die Söhne von Himsa (Gewalt) und Adharma (Ungerechtigkeit). Von diesen Zwillingen wurden wiederum Bhaya (Angst) und Naraka (Hölle) geboren. Ihre Kinder waren die Zwillinge Maya (Illusion) und Vedana (Leiden). Und Baya zeugte mit Maya den Tod Mrityu, der alle Lebewesen davonträgt. Duhkha (Qual) war das Kind von Raurava (Hölle) und Vedana (Leiden). Von Mrityu (Tod) wurden Vyadhi (Krankheit), Jvara (Fieber), Shoka (Schmerz), Krodha (Haß) und Asuya (Groll) geboren. All diese waren von Ungerechtigkeit (Adharma) charakterisiert und brachten verschiedene Leiden hervor. Sie hatten weder Frauen noch Söhne und wurden als Nidhanas (Wege zum Untergang) bekannt. So kam die Tamasa-Schöpfung (von Dunkelheit geprägt) als Gegenbewegungen zum Wachstum von Dharma (der Tugend und Gerechtigkeit) in die Welt.

Auch Nilalohita (der blaukehlige Rudra) wurde von Brahma aufgefordert, Nachkommen zu schaffen. Er meditierte über seine Frau Sati und zeugte viele Söhne. Sie waren ihm weder über- noch unterlegen. Sie wurden geistig gezeugt und waren ihm völlig gleich. Er schuf tausende und abertausend Nachkommen, die Elefantenhäute trugen. Sie alle glichen ihm in Form, Herrlichkeit, Kraft und Weisheit. Manche waren rötlichbraun, manche trugen Köcher und manche verfilzte Haare. Mit ihren Köchern und verfilzten grünen Haaren erschienen sie in tiefdunklem Rot. Sie konnten mit nur einem Blick ihrer Augen töten und trugen Totenschädel in ihren Händen. Sie erschienen in vielen schrecklichen Gestalten und nahmen auch kosmische Formen an. Sie standen auf Streitwagen und trugen Rüstungen. Sie waren gerecht, wohlgerüstet und hatten hunderttausend Arme. Mit riesigen Köpfen, acht Fangzähnen, zwei Zungen und drei Augen konnten sie den ganzen Himmel, das Firmament und die Erde durchqueren. Manche aßen Reis und manche Fleisch. Manche tranken Soma-Saft und Ghee, und manche Blut und Fett. Sie hatten gewaltige Körper, dunkelblaue Kehlen und schrecklichen Zorn. Sie trugen Pfeil und Bogen, Schwerter und Lederschilde. Sie saßen, liefen, rannten oder schliefen. Manche lehrten die Veden, manche rezitierten Mantras, übten Yoga oder studierten die heiligen Schriften. Manche waren wie Feuer, andere wie Wind, Regen oder Rauch. Manche waren erwacht, erleuchtet und Kenner des Brahman mit unvergleichlicher Sicht. Sie alle waren blaukehlig, tausendäugig und Wanderer der Nacht. Manche waren unsichtbar vor allen Wesen, manche waren große Yogis mit strahlendem Glanz, und manche rannten wild umher und schrieen laut.

So schuf Rudra innerhalb von drei Stunden (ein Yama) tausende vorzügliche Götterwesen, die ihm selbst glichen. Als Brahma sie erblickte, sprach er:
Schaffe nicht solche Nachkommen wie diese! Schaffe nicht solche Wesen, die dir gleich oder sogar überlegen sind. Sei gesegnet, und schaffe andere Nachkommen (die altern und sterben). Ich stehe vor dir und bitte dich, oh Herr.

Darauf antwortete Rudra:
Diese wilden rotblauen Wesen, die ich zu Abertausenden geschaffen habe, sind mir völlig gleich. Diese Göttlichen werden Rudras mit großer Kraft. Unter diesem Namen werden sie auf der Erde und im Himmel bekannt werden. In den Veden werden sie Satarudras genannt, sind der Opfer würdig und werden ihren Opferanteil mit den verschiedenen Göttern empfangen. Sie werden bis zur universalen Auflösung bestehen und in allen Manwantaras zusammen mit den Göttern verehrt werden, die aus den Veden geboren wurden.

So angesprochen von Shiva, dem höchst intelligenten Herrn, antwortete der Große Vater Brahma mit Freude dem schrecklichen Rudra:
Oh Herr, sei gesegnet, es sei, wie du es sagst!

Mit dieser Zustimmung geschah alles entsprechend. Seit dieser Zeit zeugt der Herr keine Nachkommen mehr und verweilt mit zurückgehaltener sexueller Zeugungskraft bis zur universalen Auflösung aller Wesen. Und weil er sagte „ich verweile“, ist er auch als „Sthanu“ bekannt. Er heißt auch Shankara, weil in ihm die folgenden zehn Eigenschaften stets anwesend sind: Erkenntnis, Nichtanhaftung, herrlicher Wohlstand, Askese, Wahrheit, Vergebung, Beständigkeit, Kreativität, Selbsterkenntnis und Herrschaft. In seiner Herrlichkeit überstrahlt der Herr alle Götter, Dämonen und Heiligen. Deshalb heißt er „Mahadeva“ (Großer Gott). Er übertrifft die Götter an Glanz und Wohlstand, die Dämonen an Kraft, die Heiligen an Erkenntnis und alle Wesen durch sein Yoga.

Da sprachen die Heiligen:
Oh edler Weiser, erkläre uns das Wesen von Yoga, Askese, Wahrheit und Tugend sowie die Mittel für die vollkommene Erkenntnis des großen Herrn. Wir wünschen vollständig alle Tugenden zu erfahren, die den Yoga von Maheshvara umfassen und einen Zweifachgeborenen zur großen Befreiung (Moksha) führen.

Und Vayu erklärte:
In den Puranas werden fünf Tugenden (Dharmas) von Rudra verkündet. Man nennt sie auch den Yoga von Maheshvara und den ungehindert tätigen Rudras. Diese Tugenden werden von den Adityas, Vasus, Sadhyas und Aswins geübt, wie auch von all den Maruts, Bhrigus und Himmelsbewohnern, von Yama und Indra angeführt, sowie den Pitris, Kala, Mrityu (Ahnen, Zeit und Tod) und vielen anderen. Die Gruppen der Heiligen, die so rein wie der Herbsthimmel sind und all ihr Karma erschöpft haben, übten diese, um ihr (individuelles) Selbst mit dem (universalen) Selbst zu vereinen. Sie handelten zur Zufriedenheit ihrer Lehrer und deren Lehrer und erfreuen sich nun wie Götter, nachdem sie die menschliche Geburt überwunden haben. So hört jetzt in der rechten Reihenfolge die fünf Tugenden, wie sie der große Herr bestimmt hat. Es sind Pranayama (Atemzügelung), Dhyana (Meditation), Pratyahara (Sinneszügelung), Dharana (Konzentration) und Smarana (Erinnerung). Ich werde nun ordnungsgemäß ihr Wesen, ihre Grundlage und ihre Prinzipien beschreiben, wie sie von Rudra erklärt wurden.

Die Kontrolle der Atemfrequenz wird Pranayama genannt. Man spricht von drei Arten, nämlich Manda, Madhya und Uttama (niedrig, mittel und höchst). Die normale Spanne von Pranayama ist 12 Matras (die Zeit für die Aussprache eines kurzen Vokals). Das Manda-Pranayama besteht aus einem Udghata (Stoß?) von zwölf Matras. Das Madhya-Pranayama besteht aus zwei Udghatas über eine Spanne von 24 Matras und das Uttama aus drei Udghatas mit 36 Matras. Dieses ausgezeichnete Pranayama erzeugt (auf den verschiedenen Stufen) Schweiß, Zittern und Erschöpfung.

Damit wurden die drei Arten des Pranayama erklärt. Hört nun kurzgefaßt über deren Eigenschaften abhängig von der Länge. Wenn ein Elefant oder anderes Wildtier des Waldes gefangen und gezähmt wird, wird es friedlich und ruhig. In gleicher Weise kann Pranayama eine leidenschaftliche Person zügeln, wenn dieses Yoga regelmäßig geübt wird. Wie ein Elefant oder Löwe durch beständige Übung mit der Zeit gezähmt und ungefährlich wird, so können die Gedanken mit dem Manda-Pranayama gezügelt werden. In ähnlicher Weise lebt der Atem, wenn er unter den göttlichen Geist gestellt wird. Wenn der Lebensatem durch Yogaübung kontrolliert werden kann, läßt er sich nach Belieben überall hinlenken. Wie ein gezähmter Elefant oder Löwe einen Menschen vor anderen wilden Tieren beschützen kann, so kann der sonst wild umherwehende Atem, wenn er durch Meditation im Körper gezähmt wird, alle Sünden des Körpers vernichten. Alle Makel eines selbstgezügelten Brahmanen, der sich im Yoga übt, lösen sich auf. Er wird gefestigt in der natürlichen Qualität der Güte (im Sattwa-Guna). Das Pranayama gleicht allen Bußübungen, heiligen Riten, Gelübden und den gewährten Früchten aller Opfer. Das Pranayama gleicht dem heiligen Gelübde, über hundert Jahre jeden Monat nur einen Tropfen von der Spitze eines Kusha-Grashalmes zu trinken.

So kann man durch Pranayama die Fehler des Körpers verbrennen, durch Dharana (Konzentration) die Sünden, durch Pratyahara (Sinneszügelung) die Begierde nach Sinnesobjekten und durch Dhyana (Meditation) alle unheilsamen Neigungen. Deshalb sollte sich ein praktizierender Yogi stets in Pranayama üben. Und nachdem er alle Sünden bereinigt hat, wird er das höchste Brahman erreichen.


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