Pushpak Vayu PuranaZurück WeiterNews

1.6. Die Eber-Verkörperung und Entstehung der Erde

Der Suta sprach:
Als das Wasser aus dem Feuer entstand, war die ganze Erde noch im Wasser aufgelöst, alle belebten und unbelebten Geschöpfe waren ungeschaffen, und nichts konnte in diesem weiten Meer aus Wasser erkannt werden. Brahma, der auch Narayana genannt wird, der tausendäugige Lord Brahma mit tausend Armen, tausend Beinen und tausend Köpfen, der Höchste Geist mit dem goldenen Glanz jenseits der Erkennbarkeit durch die Sinnesorgane, schlief im Wasser. Durch ein Übermaß an Güte erwachte er und sah, daß die Welt leer war.

Über Narayana spricht man den Vers:
Als Beinamen des Wassers haben wir gehört, daß das Wasser Nara genannt wird, weil es seine feinstoffliche Verkörperung ist. Und weil er im Wasser ruht, deshalb heißt er Narayana.

Nachdem er eine lange Zeit, die tausend Mahayugas gleicht, in der Nacht verbracht hat, nimmt er am Ende der Nacht das Brahma-Wesen an, um die Schöpfung hervorzubringen. Brahma ergreift das Wesen des Windes und bewegt sich im Wasser wie ein Leuchtkäfer in der Nacht während der Regenzeit. Dabei erkennt er deutlich, daß die Erde in diesem Wasser aufgelöst liegt, und als er darüber nachgedacht hatte, nahm er wie im vergangenen Schöpfungstag einen besonderen Körper an, um die Erde hervorzuheben. So empfing der Hochbeseelte auf geistige Weise eine göttliche Gestalt. Und angesichts der Erde, die in jeder Richtung von Wasser überflutet war, überlegte er: „Oh, was für eine mächtige Gestalt sollte ich annehmen, um die Erde hervorzuheben?“ Da erinnerte er sich an die Gestalt eines Ebers, die gut geeignet erschien, mit Freude das Wasser zu durchwühlen, und von allen Wesen unschlagbar war. Er glich der Kraft des Wortes, das von Dharma ausgesprochen wurde, war zehn Yojanas breit und hundert Yojanas lang und grunzte wie das Donnern von Gewitterwolken. Sein Körper war so groß wie ein Berg, seine gebogenen Hauer glänzten weiß, scharf und furchterregend, seine Augen funkelten wie Blitz und Feuer, und sein Körper glich der strahlenden Sonne. Seine Schultern waren rund, stark und gewaltig, sein Schritt glich einem mächtigen Löwen, und seine Hinterbacken waren stämmig und wohlgeformt. Er trug alle glücksverheißenden Zeichen und war wunderschön. In dieser einzigartigen Gestalt eines Ebers ging Vishnu in die niederen Welten, um die Erde hervorzuheben. Er war der Führer für die Lehrer der Veden. Das Opfer war seine Brust, der Feueraltar sein Gesicht, das Opferfeuer seine Zunge, das Kusha-Gras sein Haar und der Brahma-Priester voller Askese sein Kopf. Tag und Nacht waren seine Augen, die Zweige der Veden sein Ohrschmuck, die Opferbutter seine Nase, der Opferlöffel sein Rüssel und die Saman-Opferhymnen sein lautes Grunzen. Voller Herrlichkeit war er eine Verkörperung von Wahrheit und Dharma sowie eine Kraft der Tugend. Er wurde von Askese getragen, war höchst mächtig und erschien in gewaltiger Gestalt auf Tierbeinen. Sein Körper war aufgerichtet, sein Linga (Penis) war der Opferplatz, sein Samen die Opferbutter, sein Hoden die Heilkräuter, seine Seele der Altar, seine Hüften die Mantras, sein Blut der Somasaft mit geklärter Butter, die Veden seine Schultern, sein Duft der Weihrauch, seine Schnelligkeit die Opfergaben für die Götter und Ahnen, sein Körper die Opferhalle, seine Herrlichkeit die Initiation, und sein Herz war das Opfergeschenk. Er war ein alldurchdringender Yogi in Gestalt höchster Güte. Sein zauberhafter Charme bildete die Opferriten, seine gekräuselten Brusthaare waren die vorbereitenden Riten, seine Schritte auf dem Weg waren die verschiedenen Metren, sein Sitz waren die geheimnisvollen Upanishaden, und seine Gattin war Maya (die Illusion). Er war erhaben wie ein Juwelengipfel. So nahm der Herr die Gestalt des Opfer-Ebers an und ging in das Wasser ein.

Der Herr aller Wesen spürte die Erde auf, die völlig mit Wasser bedeckt war, näherte sich und hob sie schnell hervor. Er machte das Wasser der Ozeane zu den Ozeanen und das Wasser der Flüsse zu den Flüssen. Zum Wohle der Welt hob er mit seinen gebogenen Hauern die Erde hervor, die weit in der Tiefe versunken war. Er hielt damit die Erde wie in seinen Händen und brachte sie an ihren rechten Ort. Dort wurde sie von ihm, dem geistigen Träger der Erde, abgesetzt. Nun schwamm sie wie ein riesiges Boot auf dem Meer aus Wasser, und durch das Wirken des Herrn versank sie nicht. Nachdem der lotusäugige Herr mit dem Wunsch, die Welt zu erschaffen, die Erde wieder hervorgehoben hatte, richtete er seinen Geist darauf, sie zu unterteilen. So ebnete er die Täler und türmte die großen Gebirgsketten und Berge wieder auf. Denn zuvor, als die vergangene Schöpfung im Samvartaka Feuer verbrannt war, wurden auch alle Berge von diesem Feuer verschlungen und aufgelöst. Sie versanken im Wasser, vergingen im Feuer und wurden vom Wind überallhin verteilt. Jetzt hat er sie wieder zu Bergen gesammelt und verdichtet. Weil sie damit unbeweglich wurden, heißen sie Achala (Massive). Weil sie zuvor beweglich waren, heißen sie Parvata (Gebirge). Weil sie verschlungen wurden und verschwanden, heißen sie Giri (Berge). Und weil sie wieder zusammengesammelt und aufgetürmt wurden, heißen sie Shilochchaya (Erhebungen).

Auf diese Weise bringt der Schöpfer die Welten, Ozeane und Berge zu Beginn des Schöpfungstages (Kalpas) immer wieder hervor, nachdem sie am Ende des Schöpfungstages aufgelöst wurden. Erneut schuf er diese Erde mit den sieben Ozeanen, sieben Kontinenten und den großen Gebirgsketten wie auch die vier Welten mit der irdischen Welt (Bhur) beginnend. Und nachdem die Welten geschaffen waren, begann er die Schöpfung der Lebewesen. Sobald der Wunsch erwacht, die verschiedenen Wesen zu schaffen, bringt der selbstgeborene Brahma die Wesen auf gleiche Weise hervor, wie sie sich im letzten Schöpfungstag entwickelt haben und aufgelöst wurden. Sobald er über die Schöpfung geistig meditiert, verkörpert sich die von Dunkelheit geprägte Schöpfung wie von selbst aus dem Meer der Ursachen (Pradhana). Die Unwissenheit mit den fünf Gliedern von Illusion, Anhaftung, Begierde, Haß und Todesangst manifestiert sich aus der Höchsten Seele. So entsteht die Schöpfung während der Meditation von Brahma auf fünf Wegen. Doch wie eine Lampe von einem Topf verhüllt wird, so war die ganze Schöpfung von Dunkelheit bedeckt. Wie diese Lampe den Topf innerlich erleuchtet, aber nicht äußerlich, so waren die Geschöpfe zwar rein, aber ohne Sinnesorgane. Ihre Sinnesorgane mit dem Denken waren noch weitgehend verdeckt. So entstanden zunächst die niederen Pflanzen, und weil die Pflanzen als Grundlage für die höheren Wesen gelten, wird diese Schöpfung auch die grundlegende Schöpfung genannt.

Als Brahma sah, daß sich diese Schöpfung noch nicht wunschgemäß entwickelte, war er damit unzufrieden und vertiefte sich erneut in Meditation. Auf diese Weise entstand die Schöpfung der Tierwelt als eine mittlere Strömung, die immer noch von Dunkelheit beherrscht und von Unwissenheit geprägt war. Die Tiere gingen leidvolle Wege und wurden von Egoismus und Stolz überwältigt. Der Herr betrachtete diese zweite Schöpfung der Tiere, die selbstsüchtig und starrsinnig waren und sich mit den 28 Prinzipien der Natur identifizierten, nämlich die elf Prinzipien der fünf Sinnes- und fünf Handlungsorgane mit dem Denken, neun Prinzipien von Udaya und acht von Taraka und anderen Shaktis (die Bedeutung ist unklar, im Mahabharata 12.321 wird zum Beispiel von 30 Prinzipien gesprochen). Im Inneren sind sie alle lichtvoll, aber äußerlich begrenzt und verdunkelt. Und weil ihre Betätigung mittelmäßig ist, werden sie Tiryaksrotas genannt.

Als der Herr diese zweite Schöpfung der Tierwelt umfassend betrachtete, überlegte er. Und während er ununterbrochen überlegte, entstand wie von selbst eine Schöpfung der Güte. Diese dritte Schöpfung wird Urdhasrotas genannt und besteht aus Wesen, deren Lebenswege aufwärts gerichtet sind. Und weil sich ihr Leben aufwärts richtet, spricht man von einer aufwärts gerichteten Schöpfung. Diese Geschöpfe leben innerlich und äußerlich voller Wohlstand und Glück und strahlen innerlich und äußerlich voller Licht. Das sind die himmlischen Wesen, die voller Zufriedenheit leben, nachdem sie geschaffen wurden. Und als Gott Brahma diese dritte Schöpfung der aufwärts gerichteten göttlichen Wesen betrachtete, war auch er zufrieden.

Doch weil er der allwissende Vater war, dachte er weiter und schuf Wesen, die zu Sadhakas (geistigen Schülern) wurden. Während er auf diese Weise voller Wahrhaftigkeit vertieft war, entstanden wie von selbst aus dem Ungestalteten (Meer der Ursachen) die Arvaksrotas, die das Ziel der Schöpfung erreichen konnten. Sie werden Arvaksrotas genannt, weil ihre Lebenswege wieder abwärts gerichtet waren. Sie hatten das Licht (der Erkenntnis), aber wurden von den natürlichen Qualitäten der Güte, Leidenschaft und Dunkelheit beherrscht, so daß sie unerträglichem Leiden unterworfen waren und beständig zum Handeln gedrängt wurden. Dazu gehören die Menschen, die das innerliche und äußerliche Licht (der Erkenntnis) besitzen und das Ziel der Schöpfung vollbringen können. Durch die Prinzipien von Taraka (der dämonischen Kräfte?) sind sie von acht Arten, aber mit ihrer vollkommenen Seele gleichen sie den Gandharvas (himmlischen Musikern). Damit wurde die Schöpfung der Arvaksrotas voller Licht beschrieben.

Die fünfte Schöpfung wird Anugraha (Gnade) genannt und verkörpert die vier Eigenschaften von Dunkelheit, Fähigkeit, Zufriedenheit und Vollkommenheit. Diese Geschöpfe sind allwissend und durchschauen die Vergangenheit und Zukunft. Die sechste Schöpfung nennt man die Entstehung von Bhutadi-Wesen (die Kaumaras bzw. Heiligen). Ihr Bhutadi (Ichbewußtsein als Ursprung der subtilen Elemente) kann alle Gegensätze und Hindernisse überwinden.

Damit gibt es insgesamt neun Schöpfungen:
1) Die Schöpfung von Mahat (der universalen Intelligenz), die Mahatsarga genannt wird.
2) Die Schöpfung der Tanmatras (der feinstofflichen Elemente), die auch Bhutas genannt werden.
3) Die grobstofflichen Elemente, die mit den Sinnesorganen wahrgenommen werden können, womit auch der unterscheidende Intellekt entsteht.
4) Die Mukhya-Schöpfung der Pflanzenwelt.
5) Die Tiryaksrotas-Schöpfung der Tierwelt.
6) Die Urdhasrotas-Schöpfung der himmlischen Wesen.
7) Die Arvaksrotas-Schöpfung der Menschheit.
8) Die Anugraha-Schöpfung der Gnade, die von Güte, aber auch Dunkelheit geprägt ist.
9) Die Kaumara-Schöpfung der Heiligen, die primär und sekundär ist.

Die ersten drei Schöpfungen betreffen die primäre Natur (Prakriti), und sie erscheinen spontan und ohne Absicht. Die sechs weiteren Schöpfungen sind sekundär und entstehen durch wandelnde Gestaltung mit bestimmter Absicht aus dem Intellekt von Brahma. So solltet ihr auch die Bedeutung der Anugraha Schöpfung (der Gnade) verstehen. Sie ist von vier Eigenschaften, die in allen Lebewesen zu finden sind, nämlich Dunkelheit, Fähigkeit, Zufriedenheit und Vollkommenheit. In den Pflanzen herrscht die träge Dunkelheit und in den Tieren die leidenschaftliche Fähigkeit. Die Menschen können Vollkommenheit erreichen, und die Götter sind mit Zufriedenheit gesegnet. Das sind die neun primären und sekundären Schöpfungen (Prakrita und Vaikrita). Durch ihre gegenseitigen Kombinationen entsteht die ganze Vielfalt dieser Welt.

Am Anfang schuf Brahma drei geistgeborene Söhne, die ihm selbst glichen, nämlich Sanandana, Sanaka und den weisen Sanatana (die Kaumaras), die mit großer Kraft und Erleuchtung gesegnet waren. Diese Söhne von höchster Herrlichkeit und Macht entsagten der Welt aufgrund ihrer Erkenntnis der weltlichen Illusion und des Brahman. Durch ihre Vielfältigkeit erwachten sie im Geiste und verließen ihren Vater ohne Nachkommenschaft. Als sie verschwunden waren, schuf Brahma andere geistgeborene Söhne, die dem Ziel der Schöpfung dienen konnten. Man erkennt sie an ihren Eigenschaften, und sie wohnen bis zur universalen Auflösung in der Welt. Ihre Namen sind: Raum, Wind, Feuer, Wasser, Erde, Himmelsrichtungen, Himmel, Firmament, Ozeane, Flüsse und Berge, die Pflanzen mit allen Heilkräutern, Bäumen und Sträuchern sowie die Zeiteinheiten mit Sekunde, Minute, Stunde, Tag, Woche, Monat, Jahr und Yuga. Das sind die Erscheinungen, an denen man sie (die göttlich-geistigen Wesen in der Natur) erkennt. Dann wurden die vier Kasten aus seinen Gliedern geboren: die Brahmanen aus seinem Mund, die Kshatriyas aus seinen Armen, die Vaisyas aus seinen Schenkeln und die Shudras aus seinen Füßen.

Der höchste Herr ist jenseits des Ungestalteten. Aus diesem Ungestalteten (Meer der Ursachen) wird das Welten-Ei geboren, und in diesem Welten-Ei wird Brahma geboren, der zum Schöpfer der Welten wird. Damit wurde euch allen dieser erste Abschnitt kurzgefaßt erzählt, aber noch nicht ausführlich. Das ganze Purana ist in diesem ersten Abschnitt zusammengefaßt.


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