In einem gewissen Orte wohnte einst ein Töpfer namens Yudhishthira. Dieser, indem er einst zu schnell lief, fiel auf die scharfe Spitze einer Scherbe eines halbzerbrochenen irdenen Gesäßes. Da wurde ihm durch die Spitze dieser Scherbe die Stirn gespalten, und den Körper mit Blut bedeckt, stand er mit Mühe auf und ging nach seiner Wohnung zurück. Alsdann wurde die Wunde, weil er unpassende Mittel gebrauchte, sehr schlimm und heilte nur mit großer Not. Als nun einstmals das Land von einer Hungersnot geplagt wurde, so ging dieser Töpfer, dessen Kehle von Hunger abgezehrt war, mit einigen Kriegsknechten in ein anderes Land und trat bei irgendeinem König in den Dienst. Dieser König aber, als er auf dessen Stirn die furchtbare Narbe sah, dachte bei sich: „Das ist irgendein Held! Darum hat er sicherlich vorn im Gesicht auf dem Schild seiner Stirn diese große Wunde!“ Deshalb ehrte und beschenkte ihn der König und betrachtete ihn vor allen Söldnern mit besonderer Gunst. Die Söldner aber, da sie dessen übermäßige Gunst sahen, trugen zwar den allergrößten Neid gegen ihn, sagten aber aus Furcht vor dem König kein Wort. Als nun eines Tages, da ein Krieg bevorstand, dieser König eine Musterung seiner Soldaten vornahm, die Elefanten gerüstet, die Pferde angeschirrt, die Soldaten in Reih und Glied gestellt waren, so wurde dieser Töpfer von dem König, wie es die Gelegenheit mit sich brachte, leise gefragt: „He Söldner! Wie ist dein Name und dein Stamm, und in welcher Schlacht hast du diese Wunde erhalten?“
Dieser antwortete: „Majestät! Diese Wunde rührt nicht von einer Waffe her. Ich heiße Yudhishthira und bin ein geborener Töpfer. In meinem Hause waren viele Scherben. Nun ging ich einst betrunken hinaus, lief und fiel über eine Scherbe. Darauf erhielt ich diese Wunde auf der Stirn, welche ein so schreckliches Ansehen bekommen hat.“ Nachdem er dies gehört hatte, sagte der König beschämt: „Ach! Ich bin von diesem Töpfer, der einen Söldner darstellen will, angeführt. Drum nehmt ihn rasch beim Schopf und jagt ihn weg!“ Nachdem so geschehen, sprach der Töpfer: „Majestät! Tu nicht so! Sieh meiner Hände Geschick in der Schlacht!“ Der König aber sagte: „Ja! Du besitzest alle Tugenden. Dennoch sollst du dich packen. Man sagt auch: Du bist ein Held, ein Hochweiser und bewundernswert, mein Sohn! Doch im Stamm, dem du angehörst, tötet man keine Elefanten.“
Da fragte der Töpfer „Wie war das?“, und der König erzählte:
In einer gewissen Waldgegend wohnte einst ein Löwenehepaar. Da kam einmal die Löwin in die Wochen und gebar zwei Söhne. Der Löwe aber tötete stets Wildbret und brachte es der Löwin. Eines Tages nun traf er gar nichts an. Während er noch im Walde herumschweifte, ging die Sonne unter. Als er nun nach Hause ging, fing er einen jungen Schakal. Indem er daran dachte, daß er jung sei, nahm er ihn sorgfältig zwischen die Zähne und brachte ihn der Löwin noch lebendig. Darauf sagte die Löwin: „Ach, Geliebter! Hast du uns etwas zu essen gebracht?“ Der Löwe sprach: „Liebe! Außer diesem jungen Schakal habe ich heute kein einziges Tier angetroffen; und weil ich dachte «Er ist noch so jung!» habe ich ihn nicht getötet. Überdies gehört er zu unserm Geschlecht. Denn man sagt auch: Priestern, Büßern, Frauen und Kindern tue man nimmer was zuleid, und vor allem nicht Schützlingen, ging es auch um das eigne Leben. Jetzt iß du ihn und er bekomme dir wohl! Morgen werde ich irgendetwas anderes erjagen.“ Sie sagte: „Oh Geliebter! Du hast ihn nicht getötet, weil du dachtest: «Er ist noch so jung!» Wie sollte ich ihn meines Bauches wegen umbringen? Es heißt auch: Unrechtes soll man niemals tun und vom Rechten niemals ablassen, selbst wenn das Leben in Gefahr ist: Das ist das ewige Gesetz. Deswegen soll er mein dritter Sohn sein!“
Nachdem sie so gesprochen hatte, nährte sie auch ihn aufs trefflichste mit der Milch ihrer eignen Brüste. So verbrachten diese drei Jungen, ohne die Verschiedenheit ihrer Gattung zu kennen, die Zeit ihrer Kindheit in derselben Lebensweise und mit denselben Spielen. Da kam einst ein wilder Elefant herumschweifend in ebendiesen Wald. Als nun die beiden Löwenkinder ihn erblickten und mit zornflammendem Gesicht auf ihn losstürzen wollten, da rief das Schakaljunge zu ihnen: „Oh! Das ist ein Elefant, ein Feind eures Stammes. Auf den darf man nicht losgehen!“ Nachdem er dies gesagt, lief er nach Haus. Die beiden aber verloren durch die Feigheit des ältesten Bruders ebenfalls ihren Mut. Heißt es ja doch mit Recht: Durch einen einzigen Standhaften, zum Kampfe Wohlentschlossenen wird eine ganze Armee standhaft, durch die Feigheit eines Einzelnen wird sie feig. Und so: Drum begehren die Erdenherrscher hochgewaltige Krieger und Helden, Männer, die mutig sind, und entfernen die Feiglinge.
Als diese nun alle beide nach Hause gekommen waren, sprachen sie vor ihren Eltern spöttisch über das Benehmen ihres ältesten Bruders, wie er, nachdem er den Elefanten eben aus der Ferne erblickt hatte, sich sogleich auf und davongemacht habe. Dieser aber, als er das hörte, geriet in Zorn. Einem Zweig gleich zitterte ihm die Unterlippe heftig, seine Augen röteten sich, die Augenbrauen runzelte er in einen Dreizack zusammen und beiden drohend führte er die gröbsten Reden. Da nahm ihn die Löwin zur Seite und sagte ihm: „Kind! Sprich niemals so! Es sind deine kleinen Brüder.“ Da geriet er in gewaltigen Zorn und sagte zu ihr: „Stehe ich ihnen etwa an Tapferkeit, Schönheit, Eifer für Wissenschaft oder Geschicklichkeit nach, daß sie sich über mich lustig machen? Ich muß beide unumgänglich umbringen!“ Nachdem sie dies gehört, sprach die Löwin, welche ihm das Leben zu erhalten wünschte, innerlich spottend: „Du bist ein Held, ein Hochweiser und bewunderungswert, mein Sohn! Doch im Stamm, dem du angehörst, tötet man Elefanten nicht. - So höre denn alles, mein Kind! Du bist der Sohn eines Schakalweibchens. Aus Mitleid habe ich dich mit der Milch meiner eigenen Brüste genährt. Drum gehe nun so rasch als möglich zu deinen Stammverwandten, solange meine Kinder wegen ihrer Jugend noch nicht wissen, daß du ein Schakal bist. Wo nicht, so werden sie dich so treffen, daß du den Pfad des Todes betrittst.“ Er aber, nachdem er dies gehört, schlich sich mit von Furcht verwirrtem Sinn langsam davon und vereinigte sich mit seiner Gattung.
Der König fuhr fort: „Drum gehe auch du so rasch wie möglich, ehe diese Söldner dich als Töpfer kennenlernen. Wo nicht, so wird dir von ihnen so übel mitgespielt werden, daß du umkommst.“ Der Töpfer aber, nachdem er dies gehört, machte sich eilig auf und davon. Daher sage ich: Vergißt ein Schelm, was er suchte, und spricht aus Unvernunft die Wahrheit, so verfehlt er sicher sein Ziel, wie ein zweiter Yudhishthira.“
Und der Affe fuhr fort: „Pfui, du Tor! daß du einer Frau wegen diese Tat versucht hast! Denn Frauen soll man kein bedingungsloses Vertrauen schenken. Man sagt auch: Um die ich meinen Stamm aufgab und mein halbes Leben einbüßte, diese verläßt mich lieblos: Welcher Mann möchte den Weibern trauen!?“
Da fragte das Krokodil „Wie war das?“, und der Affe erzählte:
In einem gewissen Orte lebte ein Brahmane, und dieser hatte eine Frau, die ihm lieber war als sein Leben. Diese aber zankte sich Tag für Tag unaufhörlich mit seiner Familie herum. Der Brahmane, der keinen Zank vertragen konnte, verließ daher aus Liebe zu seiner Frau seine Familie und ging mit der Brahmanin in ein anderes entferntes Land. Da redete in der Mitte eines großen Waldes die Brahmanin ihn an: „Oh Sohn eines Ehrwürdigen! Mich quält der Durst! Suche deshalb irgendwo Wasser auf!“ Kaum hatte sie das gesagt, so holte er Wasser. Als er aber zurückkam, fand er sie tot. Während er nun aus übergroßer Liebe voll Verzweiflung jammerte, hörte er eine Stimme in der Luft: „Wohlan denn Brahmane! Wenn du die Hälfte deines eignen Lebens abgibst, so soll deine Brahmanin leben!“
Nachdem er dies gehört, reinigte sich der Brahmane, gab in drei feierlichen Worten die Hälfte seines Lebens ab, und ehe er noch ausgesprochen hatte, war die Brahmanin wieder lebendig. Dann tranken beide Wasser, aßen Waldfrüchte und machten sich auf den Weg. Darauf kamen sie im Fortgang ihres Weges am Eingang einer Stadt in ein Blumengärtchen. Da sagte der Brahmane zu seiner Gattin: „Liebe! Bleibe hier, bis ich mit Nahrungsmitteln zurückkomme!“ Nachdem er so gesprochen hatte, ging er weg. In diesem Blumengärtchen drehte aber ein Krüppel das Schöpfrad und sang mit himmlischer Stimme ein Lied. Als jene dies hörte, wurde ihr Herz von dem mit dem Blumenpfeil bewaffneten (Liebesgott) gequält. Sie ging zu ihm und sagte: „Lieber! Wenn du mich nicht liebst, so begehst du an mir das Verbrechen des Frauenmords!“ Der Krüppel antwortete: „Was kann ich, ein von Krankheit Aufgeriebener, dir helfen?“ Sie sagte: „Wozu solche Rede?! Ich muß dich notwendig besitzen!“ Nachdem er dies gehört, tat er, wie sie begehrte. Und nachdem sie die Liebe genossen hatte, sprach sie: „Ich habe mich dir von jetzt an für mein ganzes Leben ergeben. Dies präge dir ins Herz und komm auch du mit uns!“ Er sprach: „So sei es!“ Darauf kam der Brahmane mit Speise zurück und fing an, mit ihr zu essen. Da sagte sie: „Dieser Krüppel ist hungrig. Drum gib ihm auch einen kleinen Bissen!“ Nachdem dies geschehen war, sagte die Brahmanin: „Brahmane! Wenn du ohne einen Gefährten in ein anderes Dorf gehst, dann habe auch ich keinen Gesellschafter zur Unterhaltung. Drum laß uns gehen und diesen Krüppel mitnehmen!“ Jener sagte: „Ich kann mich kaum selbst tragen, geschweige diesen Krüppel noch.“ Sie sagte: „Ich will ihn in meinen Korb setzen und ihn selbst tragen.“ Er nun, dessen Herz durch ihre gleisnerischen Reden betört war, bewilligte dieses.
Nachdem dies so geschehen war und sich der Brahmane eines Tages am Rande eines Brunnens ausruhte, gab ihm die Frau, welche sich in den verkrüppelten Mann verliebt hatte, einen Stoß, so daß er in den Brunnen stürzte. Dann nahm sie den Krüppel auf und ging in irgendeine Stadt. Da erblickten die Beamten des Königs, welche, um Zollhinterziehung zu verhüten, hier und da herumschweiften, den Korb, den sie auf ihrem Kopf trug. Sie nahmen ihn ihr mit Gewalt weg und brachten ihn zum König. Als der König ihn öffnete, so erblickte er den Krüppel. Darauf kam die Brahmanin herbei, welche jammernd den königlichen Beamten gefolgt war. Der König fragte sie: „Was hat das zu bedeuten?“ Darauf sagte sie: „Dies ist mein von Krankheit gequälter Gatte, der von der Schar seiner Verwandten verfolgt und von mir mit von Liebe gequältem Herzen auf den Kopf genommen und hierher zu dir gebracht wurde.“ Nachdem er dies gehört, sagte der König: „Brahmanin! Du bist meine Schwester. Nimm zwei Dörfer und lebe vergnügt, die Freuden mit deinem Gatten genießend!“
Doch der Brahmane wurde durch den Willen des Schicksals von einem guten Menschen aus dem Brunnen heraufgezogen und kam, hier und dort umherschweifend, in dieselbe Stadt. Aber das böse Weib, sowie sie ihn erblickte, zeigte ihn dem König an: „Oh König! Da ist der Feind meines Gatten angekommen!“ Da befahl der König, ihn hinzurichten. Doch er sagte: „Majestät! Sie hat etwas empfangen, welches mir gehört. Wenn du Gerechtigkeit liebst, so befiehl ihr, daß sie es mir zurückgibt!“ Der König sagte: „Liebe! Was du irgend ihm Gehöriges empfangen hast, das gib ihm zurück!“ Sie sagte: „Majestät! Ich habe nichts empfangen!“ Der Brahmane aber sprach: „Gib mir die Hälfte meines Lebens zurück, die ich dir mit drei Worten feierlich gab!“ Und aus Furcht vor dem König sagte sie darauf: „Hier hast du das mit drei Worten übergebene Leben!“ Und im selben Augenblick war sie tot. Darauf sagte der König voll Verwunderung: „Was ist das?“ Und der Brahmane erzählte ihm nun die ganze vorhergegangene Geschichte. - Daher sage ich: Um die ich meinen Stamm aufgab und mein halbes Leben einbüßte, diese verläßt mich lieblos: Welcher Mann möchte Weibern trauen?!
Der Affe sagte ferner: Gut ist auch folgende Geschichte: Keiner sollte auf Frauenbitten etwas tun oder geben, sonst wiehert eins, das nicht Pferd ist, und zur Unzeit schert man das Haupt.“
Da fragte das Krokodil „Wie war das?“, und der Affe erzählte:
Es war einst ein Gebieter der meerumgrenzten Erde, ein König namens Nanda, berühmt an Macht und Tapferkeit, dessen Fußschemel mähnenartig strotzte von der Strahlenfülle der Diademe einer Schar von vielen Königen, und dessen Pfad rein war, wie die Strahlen des herbstlichen Mondes. Dieser hatte einen Minister namens Vararuchi, welcher alle Schriften studiert hatte und das Wesen aller Dinge kannte. Gegen diesen war seine Frau wegen eines Liebesstreites sehr in Zorn geraten, und obgleich er sie, die er außerordentlich liebte, auf mannigfache Weisen zufrieden zu stellen suchte, wurde sie doch nicht wieder freundlich. Da sagte der Gatte: „Liebe! Sag an, durch was willst du dich zufriedenstellen lassen? Ich tue es sicherlich.“ Da sagte sie nach vieler Mühe: „Wenn du dein Haupt scherst und mir zu Füßen fällst, dann will ich dich freundlich ansehen.“ Nachdem so geschehen war, war sie heiter.
Aber auch die Frau des Königs Nanda, welche auf ebendieselbe Weise erzürnt war, ließ sich trotz aller Bitten nicht zufriedenstellen. Da sagte er zu ihr: „Liebe! Ohne dich kann ich auch keinen Augenblick leben. Ich falle dir zu Füßen und bitte dich, freundlich zu sein.“ Sie sagte: „Wenn du dir einen Zügel in den Mund legen läßt, und ich auf deinen Rücken steigen und dich zum Laufen antreiben kann, und du im Laufen wie ein Pferd wieherst, dann will ich dir wieder gut sein.“ Das geschah nun ganz so.
Am Morgen darauf, als der König im Rat saß, kam Vararuchi heran. Als der König ihn sah, fragte er ihn: „He! Vararuchi! Warum ist dein Haupt zur Unzeit geschoren?“ Dieser sprach: Keiner sollte auf Frauenbitten etwas tun oder geben auch, sonst wiehert eins, das nicht Pferd ist, und zur Unzeit schert man das Haupt.“
So bist auch du, böses Krokodil! wie Nanda und Vararuchi, der Sklave deiner Frau. Daher hast du dich durch ihren Wunsch leiten lassen und versucht, mich umzubringen. Allein durch die Schuld deiner Rede ist es offenbar geworden. Sagt man ja doch mit Recht: Durch ihres eignen Mundes Torheit kommen Drossel und Papagei um; aber der Kranich läßt sich nicht fangen: Stillschweigen fördert jegliches Ding. Und so: Obgleich er sich wohlgeschützt wähnte, weil er von einem Tigerfell bedeckt war und eine furchtbare Gestalt zeigte, starb der Esel durch sein Gebrüll.
Da fragte das Krokodil „Wie war das?“, und der Affe erzählte:
In einem gewissen Orte wohnte einst ein Wäscher namens Suddhapata („mit reiner Kleidung“). Dieser hatte einen Esel, welcher aus Mangel an Futter überaus schwach geworden war. Als der Wäscher eines Tages im Walde umherschweifte, sah er einen toten Tiger. Da dachte er: „Ah! Das trifft sich gut! Mit diesem Tigerfell will ich den Esel bedecken und ihn in der Nacht in die Gerstenfelder loslassen, damit die in der Nähe befindlichen Feldhüter ihn für einen Tiger halten und nicht wegjagen.“ Nachdem dies geschehen war, fraß der Esel Gerste nach Lüsten. Auf diese Weise wurde er im Verlauf der Zeit fett, und es kostete Mühe, ihn in den Stall zu bringen, wo er angebunden zu werden pflegte. Einst aber, vor Brunst übermütig, hörte er aus weiter Ferne das Geschrei einer Eselin. Auf dieses bloße Geschrei hin fing auch er an zu brüllen. Da erkannten die Feldhüter, daß es ein in ein Tigerfell gekleideter Esel war, und schlugen ihn mit Knüttel-, Pfeil- und Steinwürfen tot. - Daher sage ich: Obgleich er sich wohlgeschützt wähnte, weil er mit einem Tigerfell bedeckt war und eine furchtbare Gestalt zeigte, starb der Esel durch sein Gebrüll.“
Während sich nun das Krokodil so mit dem Affen unterhielt, kam ein Wassertier heran und sagte zu ihm: „Höre Krokodil! Deine Frau, die sich zum Fasten hingesetzt hatte, ist wegen deines langen Ausbleibens von Liebe überwältigt gestorben.“ Nachdem es diese, einem Donnerschlag gleiche Rede gehört, sprach es mit sehr erschüttertem Herzen folgende Worte: „Ach! Was ist mir Unglückseligem da zugestoßen! Man sagt auch: Wer keine Mutter im Haus hat, keine freundliche Gattin auch, der möge in den Wald gehen; denn einem Walde gleicht sein Haus. Darum, oh Freund! Verzeihe mir die Sünde, die ich gegen dich beging! Jetzt aber werde ich infolge der Trennung von meiner Frau den Scheiterhaufen besteigen.“
Nachdem er dies gehört hatte, lachte der Affe und sprach: „Ah! Schon lange habe ich gedacht, daß du ein Pantoffelheld und Weiberknecht bist. Jetzt habe ich den Beweis dafür. Denn du, oh Tor! du sinkst in Verzweiflung, wo dir sogar ein Glück zugefallen ist! Wenn solch ein Weib stirbt, dann ziemt es sich eher, ein Fest zu feiern. Denn man sagt auch: Ein Weib, das voll von Heimtücken immerwährend auf Zwietracht denkt, in der erkenne der Kluge das gräuliche Alter in Frauengestalt. Darum halte mit aller Kraft, wer auf sein eignes Wohl bedacht ist, von allen Frauen auf Erden auch nur den Namen sich vom Leib. Was innen ist, kommt nicht zur Zunge, was auf der Zunge ist, nicht heraus, was draußen ist, tun niemals sie. Der Weiber Treiben ist gar bunt. Wie viele gehen unter, welche sich aus Unwissenheit der schönen Starkhüftigen nahen, wie Motten durch des Lichtes Strahl!? Denn von innen sind die Frauen ihrer Natur gemäß voll Gift, von außen lieblich anzuschauen, gleichwie die Beeren des Gunja-Strauchs. Obgleich bedeckt mit Stockschlägen oder verstümmelt selbst mit Messern gar, unterwerfen sich Frauen niemals, nicht durch Geschenke und Liebe nicht. Doch genug schon! Wozu noch andere Schlechtigkeiten der Frauen nennen?! Den sie im eigenen Schoß nährte, den Sohn selbst, mordet sie im Zorn. Nur ein Kind kann im grausamen Weibe der Liebe Gütigkeit, Sanftmut in dem hartherzigen und Bildung im ungebildeten sehen.“
Das Krokodil sagte: „Ach, Freund! Du hast recht. Aber was fange ich an? Mir sind da zwei harte Schläge zugestoßen: Erstens die Vernichtung meines Hauses, dann die Herzenstrennung von einem Freund, wie du bist. Doch es ist des Schicksals Wille! Denn man sagt auch: Wie groß auch meine Weisheit sei, zweimal größer ist deine doch! Ohne Mann und ohne Galan... Nackende! Wohin stierst du?“
Da fragte der Affe „Wie war das?“, und das Krokodil erzählte:
An einem gewissen Orte wohnte ein Ehepaar von Ackerleuten, und die Frau dieses Ackermanns hatte, weil der Mann alt war, ihr Herz stets auf andere gerichtet und wollte auf keine Weise treu im Hause bleiben. Sie schweifte vielmehr umher, anderen Männern nachlaufend. Da wurde sie von einem schlauen Räuber fremden Geldes erblickt und an einem menschenleeren Orte angesprochen: „Oh Hochbeglückte! Mir ist meine Frau gestorben und durch deinen Anblick werde ich vom Liebesgott gequält. Drum schenke mir deine Liebe!“ Darauf sagte sie: „Oh Hochbeglückter! Wenn es sich so verhält, sieh, so hat mein Mann ein sehr großes Vermögen und vor Alter ist er unfähig, sich auch nur von der Stelle zu rühren. Deshalb will ich ihm sein Geld nehmen und damit hierher kommen, um mit dir anderswohin zu gehen und dort nach Lust die Freude der Liebe zu genießen.“ Jener antwortete: „Das gefällt auch mir! Drum komm in der Frühe, so bald als möglich an diesen Ort, damit wir nach irgendeiner recht schönen Stadt gehen und uns die Welt des Lebendigen fruchttragend gemacht werde.“ Sie aber versprach es mit einem „Ja“ und ging mit seelenvergnügtem Gesicht nach ihrem Haus. In der Nacht, während der Mann schlief, nahm sie alles Geld und eilte in der Frühe zu dem von jenem bestimmten Ort. Der Schelm aber ließ sie vorangehen und machte sich eiligst nach dem Süden zu auf den Weg.
Indem sie so gingen, trafen sie in einer Entfernung von zwei Meilen auf einen breiten Fluß. Als der Schelm diesen erblickte, dachte er: „Was soll ich mit diesem Weib, das die Jugend schon hinter sich hat? Und vielleicht kommt noch irgendeiner, sie zu verfolgen; dann hätte ich noch große Unannehmlichkeiten. Drum will ich bloß ihr Geld nehmen und damit auf und davon gehen!“ Nachdem er sich so entschlossen hatte, sagte er zu ihr: „Liebe! Es ist schwer, über diesen großen Fluß zu kommen. Drum will ich erst das Gepäck ans andere Ufer bringen und dann zurückkehren. Dann hebe ich dich allein auf meinen Rücken und werde dich so mit Leichtigkeit hinübertragen.“ Sie antwortete: „Oh Hochbeglückter! So sei es!“ Nachdem sie so gesprochen hatte, händigte sie ihm das ganze Geld aus. Darauf sagte er: „Liebe! Gib mir auch das Untergewand und den Mantel, damit du ohne Sorge durch das Wasser gehen kannst.“ Nachdem so geschehen war, nahm der Schelm das Geld und das Paar Kleider und ging, wohin er Lust hatte.
Während sie nun, ihre beiden Hände um den Hals gelegt, voll Angst auf einer Stelle am Ufer des Flusses sitzend zubrachte, kam mittlerweile ein Schakalweibchen mit einem Stück Fleisch im Mund dahin, und wie es herankommt, siehe da! so ist da ein großer Fisch, der aus dem Wasser herausgekommen war und draußen am Ufer des Flusses liegt. Wie es diesen sieht, so läßt es sein Stück Fleisch fahren und läuft auf den Fisch zu. Mittlerweile stürzt sich ein Geier aus der Luft herab, packt das Stück Fleisch und fliegt damit wieder in die Höhe. Der Fisch aber, wie er das Schakalweibchen sieht, springt in den Fluß zurück. Da sagte jene Nackende voll Hohn zu dem Schakalweibchen, das sich vergebens bemüht hatte und dem Geier nachblickte: „Der Fisch schwimmt in dem Fluß wieder, der Geier hat das Fleisch geholt: Um Fisch und Fleisch betrogenes Schakalweibchen, wohin stierst du?“
Als das Schakalweibchen dies hörte und sie um Mann und Galan gebracht sah, sagte es ebenfalls höhnisch zu ihr: „Wie groß auch meine Weisheit sei, zweimal größer ist deine doch: Ohne Mann und ohne Galan, Nackende! wohin stierst du?“
Während das Krokodil so erzählte, kam wieder ein anderes Wassertier und meldete: „Ach! Auch dein Haus ist von einem anderen großen Krokodil in Besitz genommen worden.“ Als es dies hörte, wurde sein Herz von noch größerem Schmerz erfüllt, und an ein Mittel denkend, jenes aus seinem Hause zu vertreiben, sprach es: „Ach seht! wie ich vom Schicksal verfolgt werde! Zum Feind ist mir der Freund geworden! Gestorben ist mir meine Frau! Mein Haus geraubt vom Fremdling! Was wird mir heute noch geschehen? Ja! richtig ist, was man sagt: Ist einer wund, fallen die Streiche zehnfach; kaum fehlt es an Brot, mehrt sich des Magens Brennen; denn im Mißgeschick brechen empor die Feindschaften: Dies alles kommt mit des Geschickes Ungunst. Was soll ich nun tun? Soll ich mich mit jenem in Kampf einlassen? Oder soll ich in Güte Vorstellungen machen und ihn so aus dem Hause vertreiben? Oder soll ich das Säen von Zwietracht oder Geschenke versuchen? Oder soll ich diesen Freund hier, den Affen, fragen? Denn man sagt auch: Wer, ehe er handelt, Rat suchet bei gewogenen, der Frage würdigen Lehrern, dem stößt kein Hemmnis zu in allem, was er unternimmt.“
Nachdem er so erwogen hatte, fragte er denselben Affen, welcher auf den Jambu-Baum gestiegen war, von neuem: „Ach! Freund! Sieh meine unglückselige Lage! Jetzt ist mir sogar mein Haus durch ein stärkeres Krokodil versperrt! Darum komme ich, um dich zu fragen. Sag an, was soll ich tun? Welches von den Mitteln, deren erstes gütliche Verhandlung ist, findet hier seine Stelle?“ Dieser antwortete: „Ha! Undankbarer Bösewicht! Warum kommst du wieder hinter mir her, obgleich ich es dir verboten habe? Dir Toren werde ich nicht einmal einen Rat geben!“ Das Krokodil, nachdem es dies gehört, sagte: „Ich habe mich gegen dich versündigt, aber erinnere dich an unsere frühere Freundschaft und gib mir einen guten Rat!“ Der Affe sagte: „Ich werde dir keinen geben. Denn es war wahrlich nicht recht, daß du mich auf das Wort deiner Frau hin wegführtest, um mich ins Meer zu werfen. Wenn einem seine Frau auch lieber als die ganze Welt ist, so wirft man doch nicht Freunde und Verwandte auf ihr Wort ins Meer. Darum, du Tor! habe ich durch deine Torheit dein Verderben schon längst erkannt. Denn wer aus Übermut nicht dem von Guten erteilten Rat folgt, der wird schleunig zugrunde gehen, wie das Kamel mit der Glocke.“
Da fragte das Krokodil „Wie war das?“, und der Affe erzählte: