Pushpak Panchatantra Buch 2Zurück WeiterNews

1. Erzählung - Die Maus und die beiden Mönche

In einer Provinz des Südens liegt eine Stadt namens Mahilaropya. Nicht weit davon ist ein Kloster des erhabenen Maheshvara, und da wohnt ein Bettelmönch namens Tamrachuda („mit kupferrotem Kamm“ = „Hahn“). Dieser geht in die Stadt, um zu betteln, erhält da viele gekochte Speise, und mit dieser kehrt er ins Kloster zurück und lebt davon. Den Rest des Erbettelten legt er in einen Almosentopf, hängt diesen an einen Nagel und schläft dann. Am Morgen gibt er diese Speise den Arbeitsleuten und läßt von ihnen im Gotteshaus die Reinigung, Salbung mit Kuhdünger, Ausschmückung und übrigen Arbeiten vollziehen. Eines Tages aber sagten mir meine Dienstleute: „Herr! In Tamrachudas Kloster befindet sich stets eine Menge gekochte Speise, an einem Nagel aufgehängt, die können wir nicht essen. Aber für den Herrn ist nichts unerreichbar. Wozu also anderswo umherschweifen? Laß uns sogleich dorthin gehen und durch deine Gunst da essen! Wozu sollen wir uns anderswo umsonst abmühen?“

Nachdem ich dies gehört hatte, ging ich von meiner gesamten Schar umgeben sogleich zu diesem Kloster und war mit einem Sprung oben im Almosentopf. Dann gab ich meinen Dienstleuten verschiedene Speisen von gekochtem Reis, und hinterher aß ich selbst. Nachdem wir alle gesättigt waren, gingen wir wieder in unsre Wohnung zurück. Auf diese Weise genoß ich mit meinem Gefolge stets diese Nahrung. Der Bettelmönch dagegen versuchte sie, mit allen Mitteln zu beschützen. Sobald er aber in Schlaf gefallen war, stieg ich hinauf und vollzog mein Geschäft. Einstmals aber brachte er, um mich abzuwehren, ein trockenes Bambusrohr mit, und damit schlug er aus Furcht vor mir, selbst schlafend noch an den Almosentopf. Ich aber ging aus Furcht vor den Schlägen davon, ohne die Speise verzehrt zu haben. So brachte ich die ganze Nacht in einem Kampf mit ihm zu.

Da kam eines Tages ein Freund von ihm, ein Bettelmönch namens Vrihatsphij, der auf einer Pilgerfahrt nach den heiligen Stätten begriffen war, als Gast in sein Kloster. Sobald er ihn erblickt hatte, erwies er ihm die schuldige Verehrung und vollzog dann, den Regeln der Gastfreundschaft gemäß, die Pflichten gegen einen Gast. Alsdann, als es Nacht geworden war, legten sie sich alle beide auf ein Lager nieder und begannen, sich über Tugend zu unterhalten. Aber während der schönen Gespräche des Vrihatsphij schlug Tamrachuda, dessen Geist aus Furcht vor mir zerstreut war, mit seinem trocknen Bambusrohr an den Almosentopf, gab ihm inhaltsleere Antwort und brachte selbst gar nichts (kein vernünftiges Thema) aufs Tapet. Da geriet der Gast in größten Zorn und sagte zu ihm: „He! Tamrachuda! Jetzt erkenne ich, daß du mir auch kein bißchen Freund bist, denn du sprichst nicht freundlich mit mir. So will ich denn, trotzdem daß es Nacht ist, dein Kloster verlassen und anderswo hingehen. Denn es heißt auch: „Komm! Willkommen! Setz dich hier nieder! Warum hab ich dich so lang nicht gesehen? Wie geht es? Bist du etwa krank? Auf dein Wohlsein! Ich bin erfreut, dich zu sehen!“ Wer liebend und achtungsvoll die Gäste auf diese Weise hoch erfreut, zu dessen Hause soll man stets mit unbedenklichem Herzen gehen. Aber wo der Hausherr vor dem Gast stehend nur ins Blaue oder zu Boden blickt, wer da sich niedersetzt, ist wahrlich dem Stier ohne Hörner gleich. Und ferner: Wo es kein freundliches Willkommen, keine Rede von süßem Ton und kein Gespräch von Tugend und Sünde gibt, in dessen Wohnung geht man nicht. So bist du wohl aufgebläht durch die bloße Erlangung eines Klosters. Wo ist da Liebe zum Freunde? Du weißt nicht, daß man sich unter dem Schein des Klosterlebens die Hölle verdient. Es heißt auch: Willst du in die Hölle fahren, so diene als Hauspriester nur ein Jahr lang! Doch wozu anderes? Der Mönch ist in drei Tagen da. So bist du Tor stolz auf etwas, über das du dich eigentlich betrüben müßtest.“

Nachdem er aber dies gehört, sagte Tamrachuda, das Herz von Furcht erschrocken: „Erhabener! Sprich nicht so! Ich habe nirgends in der Welt einen Freund, der dir gleich wäre. Höre jedoch den Grund, weswegen ich bei der Unterhaltung unaufmerksam bin! Da ist eine abscheuliche Maus, die zu dem Almosentopf heraufspringt, obgleich er an einem hohen Platz hängt, und den darin befindlichen Rest von Speisen verzehrt. Fehlt dieser aber, so kann ich im Gotteshaus das Reinigen und was dazugehört nicht besorgen lassen. Darum klopfe ich von Zeit zu Zeit mit diesem Rohr an den Almosentopf, um der Maus Angst einzujagen. Dies ist der einzige Grund! - Betrachte doch einmal dieses Wunderstück eines Bösewichts! Selbst Katzen und Affen und ähnliches Getier stellt er mit seinem Sprung in den Schatten!“

Vrihatsphij sagte: „Weiß man denn nicht, in welcher Gegend ihr Loch ist?“ Tamrachuda antwortete: „Erhabener! Ich weiß nicht das geringste davon.“ Jener sprach: „Sicher ist es über einem Schatz, und durch das Feuer des Schatzes springt sie so ausgezeichnet. Denn man sagt auch: Das Feuer, das man Reichtum verdankt, steigert der Wesen Herrlichkeit; doch mehr noch als sein Genuß, wenn er in frommen Werken verschenkt wird. Und so: Nicht umsonst hat Mutter Sandili enthülste Sesamkörner für unenthülste angeboten, sie hatte sicher ihren Grund.

Da fragte Tamrachuda „Wie war das?“, und der Bettelmönch erzählte:

2. Erzählung - Warum Mutter Sandili enthülste Sesamkörner für unenthülste verkauft

An einem gewissen Ort liegt eine fromme Stadt namens Sanjatara. Da ging ich einst zur Regenzeit in das Haus eines Brahmanen, um mich von den Qualen, welche mir der Regen bereitet hatte, zu erholen und bat um ein, wenn auch noch so kleines trockenes Plätzchen. Und da meine Rede Gehör fand, so blieb ich daselbst, vergnügt meinen Schutzgott preisend. Als ich nun eines Tages in der Frühe erwachte, hörte ich lauschend einen Streit des Brahmanen mit der Brahmanin. Da sagte der Brahmane: „Oh Brahmanin! Morgen beendet die Sonne ihren nördlichen Gang (zur Sommersonnendwende), und da werden viele Almosen verteilt. Deshalb werde ich rasch in ein anderes Dorf gehen, um sie zu bekommen. Und du mußt der erhabenen Sonne zu Ehren einem Brahmanen Sesamkörner geben!“ Als aber die Brahmanin dieses hörte, fuhr sie ihn mit harten Worten an und sagte: „Woher hast du, von Armut Geschlagener etwas, um einen Brahmanen zu speisen? Schämst du dich denn nicht, so etwas auch nur zu sagen? Seitdem mich die Spitze deiner Hand berührt hat, hast du mir auch nicht die kleinste Freude gemacht. Ich habe von dir weder Naschwerk zum Kosten bekommen noch einen Schmuck für Hand, Fuß, Ohr oder Hals.“

Als er dies hörte, sprach der Brahmane, obgleich von Furcht erschrocken, doch mit bedächtigem Tone: „Brahmanin! Es ist nicht angemessen, so zu sprechen. Es heißt auch: Warum gibt man von einem Happen die Hälfte nicht den Armen? Wann und wem wird ein Vermögen seinem Wunsche gemäß zuteil? Und so: Den Segen, den sich durch große Schätze die Reichen erwerben, fürwahr! den verdient durch einen Heller der Arme, wie die Schrift uns lehrt. Und so: Ehrwürdig ist selbst ein armer Geber, nicht der Geizhals, wäre er auch noch so reich. Der Brunnen, der mit süßem Wasser gefüllt ist, erquickt die Welt, und nicht der Ozean. Und so: Wozu der falsche Titel „König der Könige“ für die, die bar der Würde der Freigebigkeit sind. Nicht den, der seine Schätze hütet (nicht Kuvera, den Gott des Reichtums), sondern den reichen Opferspender (den Shiva) verehren die Weisen. Wie der stets durch Brunstsaft abzehrende Elefantenfürst, so wird der stets durch Geschenke verarmende König gepriesen. Der saftlose (nicht schenkende) Esel aber wird getadelt, wenn seine Glieder auch dick und fett sind. Ein Frommer, Braver und Strebsamer sinkt ohne Gaben niederwärts; der krumme durchlöcherte Waagbalken steigt durch Gaben in die Höhe. Und so: Die Wolke, obgleich nur Wasser reichend, wird der Liebling der ganzen Welt; doch selbst einen Freund, der immer nur die Hand ausstreckt, will keiner ansehen. Dieses müssen selbst von Armut Geschlagene erkennen und zu gehöriger Zeit und an die gehörige Person, wäre es auch weniger als sehr wenig geben. Denn es heißt auch: Was von Verständigen an gebührendem Ort und Zeit an Würdige voll hohen Glaubens gegeben wird, das dient für die Ewigkeit. So wird auch erzählt: Zuviel Begierde oder Geiz soll man meiden; etwas Begierde schadet nicht. Wer der Begierde zu sehr frönt, dem fährt das Feuer aus dem Kopf.

Da fragte die Brahmanin „Wie war das?“, und der Brahmane erzählte:

3. Erzählung - Der allzu geizige Schakal

Einst machte sich ein Jäger auf den Weg nach einer Waldgegend, um zu jagen. Indem er nun vorwärts ging, begegnete er einem großen, an Gestalt dem Gipfel des Berges Anjana gleichenden Eber. So wie er ihn erblickte, traf er ihn mit einem scharfen, hinter dem Ohr hervor abgeschossenen Pfeil. Aber auch dieser hatte mit wuterfülltem Sinn dem Jäger mit der Spitze seines wie der junge Mond glänzenden Hauers den Bauch aufgerissen, so daß er leblos zu Boden stürzte. Aber nachdem er den Jäger getötet hatte, verlor auch der Eber das Leben, einzig durch den Schmerz der Pfeilwunde. Mittlerweile kam ein Schakal, dem ein naher Tod verhängt war, hier und dort, von Mangel an Speise gequält, umherirrend, an denselben Ort. Als er alle beide, sowohl den Jäger als den Eber tot sah, dachte er voller Freude: „Haha! Das Schicksal ist mir gewogen! Darum wird mir diese unerwartete Speise zuteil! Sagt man ja doch mit Recht: Selbst ohne alle Anstrengung kommt Glück und Unglück zu den Wesen, als Frucht der Werke eines früheren Lebens, vom Schicksal zugeteilt. Und so: In welchem Ort, in welcher Zeit und in welchem Lebensalter man Gutes oder Böses getan hat, dessen Frucht genießt man ebenso. Dies will ich nun so genießen, daß mir Lebensunterhalt für viele Tage zufällt. Drum will ich jetzt nur die Sehne essen, welche an die Spitzen des Bogens reicht! Es heißt ja: Allmählich soll man Reichtümer genießen, die man sich erwarb, wie der Weise das Allheilmittel; aber niemals aus Übermut.“

Nachdem er es so im Herzen beschlossen hatte, nahm er die vom Bogen abstehende Spitze mitten in der Mund und fing an, die Sehne zu essen. Nachdem er darauf den Strick zerbissen, fuhr die Spitze des Bogens wie eine Feuerflamme aus seinem Kopf heraus und zerriß seinen Gaumen. Er aber war augenblicklich infolge des Schmerzes tot. Daher sage ich: Zu viel Begierde und Geiz soll man meiden; etwas Begierde schadet nicht. Wer der Begierde zu sehr frönt, dem fährt das Feuer aus dem Kopf.

Fortsetzung der 2. Erzählung

Dann fuhr er fort: „Brahmanin, hast du nicht gehört: Leben, Taten und Vermögen, sowie auch Wissenschaft und Tod: diese fünfe sind jedwedem schon im Mutterleib verhängt.“ So von ihm belehrt, sagte darauf die Brahmanin: „Oh Lieber! Wenn es so ist, so habe ich im Hause einen kleinen Vorrat Sesamkörner. Diese will ich enthülsen und den Brahmanen einen Sesambrei vorsetzen.“

Nachdem der Brahmane ihre Rede gehört hatte, ging er in ein anderes Dorf. Sie aber weichte die im Hause befindlichen Sesamkörner in reinem Wasser ein, enthülste sie und setzte sie in die Sonne. Doch während sie mit der Hausarbeit beschäftigt war, ließ ein Hund mitten in die Sesamkörner seinen Urin ab. Als sie das sah, dachte sie: „Ach! Da sieh einer die Tücke des feindlichen Schicksals, daß es selbst diese Sesamkörner ungenießbar gemacht hat. So will ich denn mit ihnen in irgendein Haus gehen und mir unausgehülste für ausgehülste ausbitten! Diesen Tausch wird alle Welt eingehen.“ Sie legte die Körner darauf in eine Schale, ging von Haus zu Haus und rief: „Nehmt ausgehülste Sesamkörner für unausgehülste!“ So trat sie denn auch in ein Haus, in welches ich gegangen war, um zu betteln. Auch hier bot sie mit den früher angegebenen Worten ihren Sesam zum Umtausch an. Da nahm die Herrin dieses Hauses voll Freude die ausgehülsten Körner für nichtausgehülste an. Und nachdem dies so geschehen war, kam ihr Mann hinzu. Dieser sagte zu ihr: „Liebe! Was ist das?“ Sie erzählte: „Ich habe zurechtgemachte ausgehülste Sesamkörner für unausgehülste eingetauscht.“ Darauf überlegte dieser und sagte dann: „Wem haben diese Sesamkörner gehört?“ Da sagte ihr Sohn: „Der Mutter Sandili.“ Da sagte er: „Die ist sehr schlau und im Handel geschickt. Darum müssen diese Sesamkörner weggeworfen werden. Denn nicht umsonst hat Mutter Sandili enthülste Sesamkörner für unenthülste ausgeboten. Sie hatte sicher ihren Grund.“

Fortsetzung der 1. Erzählung

Der Gast von Vrihatsphij fuhr fort: „So ist kein Zweifel, daß der Maus Sprungkraft durch das Feuer eines Schatzes entstanden ist.“ Nachdem er dies gesprochen hatte, fragte der Gast ferner: „Kennt man den Weg, auf welchem sie kommt und weggeht?“ Und der Mönch Vrihatsphij antwortete: „Ja, oh Erhabener! Denn sie kommt nicht allein, sondern ist von einer unzählbaren Schar umgeben. Vor meinen Augen hier und dort umherschweifend, kommt und geht sie mitsamt ihrem ganzen Gefolge.“ Vrihatsphij fragte: „Ist hier ein Instrument zum Graben?“ Jener antwortete: „Ja! Diese eiserne Axt.“ Der Gast sprach: „So wollen wir denn in der Frühe wach sein, damit wir alle beide auf dem von ihren Fußtapfen bedeckten Boden ihrer Spur nachfolgen können.“

Nachdem ich diese einem Donnerschlag gleiche Rede des Bösewichts mit angehört hatte, dachte ich: „Oh weh! Ich bin verloren! Denn seine Reden klingen sehr entschlossen. Wie er den Schatz erkannt hat, so wird der Bösewicht auch sicherlich meine Burg finden. Das ist schon aus seinem Willen ersichtlich. Man sagt ja: Weise erkennen nach einmaligem Anblick jeglichen Mannes Wert, wie Kundige eines Handelsgewichtes, wiegen sie es auch nur auf der Hand. Und so: Der innere Trieb zeigt schon im voraus den Menschen an, was ihm von anderen Gutes oder Böses bevor steht. Sieht man doch, wie schon der junge Pfau den Schritt rückwärts gekehrt vom Teiche weicht, fehlt ihm auch noch des Schweifes Zier.“

Darauf verließ ich mit von Angst erschrockenem Herzen den Weg zur Burg und schlug mitsamt meinem Gefolge eine andre Straße ein. Während ich nun an der Spitze ging, kam uns eine sehr große Katze entgegen. Wie sie die Herde Mäuse sah, stürzte sie sich mitten unter sie. Die Mäuse aber machten mir nun Vorwürfe, daß ich einen falschen Weg einschlagen wolle, und wer von ihnen nicht getötet worden war, eilte, die Erde mit Blut benetzend, grade in ebendiese Burg zurück. Sagt man ja doch mit Recht: Nachdem es den Strick zerrissen, die Schlinge abgeworfen, mit Gewalt das Netz zerrissen, fern aus dem Wald geflohen, aus welchem ringsum, Haarschöpfen gleich, Feuerflammen empor starren, mit flüchtigen Sprüngen dem Bereich des Jägergeschosses entgangen ist..., stürzt das Wild in einen Brunnen. Unglücklich ist Tapferkeit, wenn das Schicksal feindlich ist. Und so: Der arme Karpfen, obgleich dem Griff der rauhen Fischerhand entschlüpft, stürzt wieder in das Netz, und erneut aus dem Netz gefallen, verschlingt ihn der Kranich. Ach, wem das Schicksal feindlich ist, wie entflieht er dem Unglück? Und andrerseits: Einer Schlange, die im Korb gefangen alle Hoffnung schon aufgegeben hatte und deren Sinne vor Hunger schwanden, fiel eine Maus, die ein Loch genagt hatte, von selbst zur Nachtzeit in den Mund. Und von deren Fleisch gesättigt, floh sie dann eilig auf diesem Weg: Seid guten Muts! Denn das Schicksal ist Herr von Glück und Untergang.

So ging ich allein nach einem andern Ort. Die übrigen gingen aus Unverstand grade in die Burg. Mittlerweile war der böse Bettelmönch, da er den Boden mit Blut bespritzt sah, grade diesen Spuren gefolgt und so zur Burg gelangt. Darauf fing er an, mit der Axt zu graben. Und durch sein Graben gelangte er zu diesem Schatz, über welchem ich stets meine Wohnung aufgeschlagen hatte, und durch dessen Feuer ich selbst sehr Schweres ausführen konnte. Darauf sagte der Bettelmönch mit vergnügtem Herzen zu Tamrachuda: „Oh Ehrwürdiger! Jetzt schlafe ohne Furcht! Durch das Feuer, welches es diesem Schatz verdankte, hat dich das Mäuschen wach gehalten.“

Nachdem er so gesprochen, nahm er den Schatz und machte sich auf den Weg zum Kloster. Ich aber, da ich dahin zurückkehrte, konnte den unerfreulichen, Schrecken erregenden Platz nicht einmal ansehen. „Wie kann mein Herz Ruhe finden?“ In solchen Gedanken ging mir der Tag unter großer Trübsal dahin. Nachdem aber die Sonne untergegangen war, drang ich, obgleich voll Betrübnis und kraftlos, dennoch mit meinem restlichen Gefolge in das Kloster. Als nun Tamrachuda den Lärm meiner Schar hörte, fing er wieder an, mit dem trockenen Bambusrohr an den Almosentopf zu schlagen. Da sagte Vrihatsphij: „Freund! Warum willst du auch heute nicht furchtlos einschlafen?“ Dieser antwortete: „Erhabener! Die böse Maus ist mitsamt ihrem Gefolge wahrhaftig wiedergekommen. Aus Furcht vor ihr schlage ich mit dem trockenen Bambusrohr an den Almosentopf.“ Drauf sprach der Gast spottend: „Freund! Fürchte dich nicht! Mit ihrem Reichtum ist auch ihre Schwungkraft auf und davongegangen. Denn so steht es mit allen Geschöpfen ohne Ausnahme. Man sagt ja: Wenn ein Geschöpf voll Anmaßung stets die Guten beleidigt und das stolze Wort führt, ist das alles die Frucht des Reichtums.“

Nachdem ich aber dies gehört hatte, wurde ich zornig und sprang nun grade zu dem Almosentopf hinauf, konnte ihn aber nicht erreichen und fiel zu Boden. Dieses sehend, sprach mein Feind spottend zu Tamrachuda: „Ah! Sieh! Sieh das Wunderstück! Man sagt auch: Durch Geld hat jedermann Stärke; wer Geld besitzt, der hat Verstand. Sieh her auf diese Maus! Geldlos ist sie den andern Mäusen gleich. Drum laß nun alle Furcht fahren und schlaf ein! Was der Grund ihrer hohen Sprünge war, ist jetzt in unseren Händen. Sagt man ja doch mit Recht: Wie eine Schlange ohne Zähne oder wie ein brunstloser Elefant, so ist auch der, der kein Geld hat, einzig dem Namen nach ein Mensch.“

Nachdem ich dies gehört, dachte ich in meinem Herzen: „Wahr ist, was mein Feind da gesagt hat. Nicht einen Finger hoch kann ich mehr springen. Pfui über das Leben eines Wesens, das kein Geld hat! Man sagt ja: Wer ohne Geld ist, wird schwachsinnig, und seine guten Werke schwinden alle dahin, gleichwie Bächlein in der Sommerzeit vertrocknen. Gleichwie das, was man Krähengerste, und das, was man Waldsesam nennt, nicht das sind, wonach sie heißen, so auch Menschen, die ohne Geld sind. Die Tugenden eines Guten, welcher arm ist, leuchten nimmermehr: Wie die Sonne alle Dinge, so setzt das Geld der Tugenden Glück ins Licht. Ein Mann, der stets ohne Geld ist, leidet in der Welt viel mehr, als der, der sich Schätze erworben hat und mitten im Wohlstand lebt. Gleichwie ein trockner wurmstichiger Baum, der allerwärts von Feuer verbrannt wurde, so wäre auch der Arme ungeboren viel besser dran. Denn die Armut, die ohnmächtige, wird an jedem Ort gefürchtet: Vom Hunde selbst, dem blutarmen, wird etwas erwartet, wenn er kommt. Des Armen Wünsche, wenn sie auch noch so hoch steigen, bleiben doch am Herzen hängen, gleichwie die Brüste einer Frau, die zur Witwe geworden ist. Wer in der Armut Nacht wandelt, den sieht am hellen Tag trotz aller Mühe doch kein Mensch, und stände er auch direkt vor seinem Antlitze.“

Nachdem ich so gejammert hatte, ging ich um die Zeit der Morgendämmerung gebrochenen Mutes in meine Burg zurück, da ich sah, daß mein Schatz als Ohrkissen verwandt wurde. Darauf sprachen meine Diener während des Weges miteinander: „Ach! Der ist nicht fähig, uns den Bauch zu füllen. Wenn wir ihm nachfolgen, trifft uns nichts als Unglück mit Katzen und ähnlichem. Wozu also uns um seine Gunst bemühen?! Denn man sagt auch: Ein Herr, von dem man nicht Vorteil, sondern einzig nur Unglück hat, von diesem soll man weit weggehen, zumal wenn man von Waffen lebt.“

Nachdem ich derartige Reden auf dem Wege von ihnen gehört hatte, ging ich in die Burg, und da sich keiner von ihnen vor mir sehen ließ, dachte ich: „Ach! Pfui über diese Armut! Ja, mit Recht sagt man: Tot ist der Mann, der kein Geld hat, tot das Ehepaar, das kinderlos ist, tot die Totenspende ohne Priester und tot das Opfer ohne Gaben. Den Baum, der seine Früchte verlor, verlassen die Vögel; den trocknen Teich die Kraniche; die verwelkte Blume verlassen die Bienen; das Wild den ausgebrannten Wald; den schätzelosen Mann verlassen die Hetären, und den gefallenen Fürsten verläßt die Dienerschaft. Jeder freut sich nur seines Nutzens. Wer hat einen anderen wirklich lieb?“

Während ich so überlegte, traten meine Diener in den Dienst meiner Feinde, und diese, da sie mich allein und kraftlos sahen, taten mir Unbill an. Als ich nun allein war, versank ich in tiefes Nachdenken und dachte wieder: „Heute Nacht will ich allein in die Wohnung dieses abscheulichen Büßers gehen, den unter dem Kissen liegenden Beutel mit dem Schatz allmählich zerreißen und, wenn er in Schlaf gesunken ist, den Schatz in meine Burg zurückführen, damit ich durch die Macht desselben wieder wie früher die Oberherrschaft erlange. Man sagt ja: Die Menschen, die mit hundert Wünschen ihr Herz aufs höchste peinigen und sie nicht ausführen können, die gleichen keuschen Witwen ganz. Die Armut ist ein Leid, welches die höchste Verachtung mit sich führt: Wer arm ist, und sei er auch lebendig, gilt sogar den Seinigen für tot. Zu dem Gefäß des Elends, zu der Wohnung des Mißgeschicks, zum Gegenstand größter Mißachtung wird, wer der Armut Schmutz verfällt. Verwandte schämen sich und lehnen alle Verwandtschaft mit ihm ab, und Freunde verwandeln sich in Feinde, wenn einer keinen Heller hat. Mangel an Geld ist auch Mangel an Schönheit bei den Sterblichen, er ist ein Haus von Unheil voll, gleichbedeutend mit Tod sogar. Dem Schmutz von Ziegen und Eselshufen gleich, wie der Bürste Staub oder ein abgebrannter Docht, so wirft man weg den armen Mann. Sogar der Schmutz, der vom Reinemachen übrigbleibt, ist noch irgendwo zu gebrauchen, doch ein geldloser Mensch ist ganz und gar nichts nütze. Ein Armer, kommt er selbst schenken wollend in eines Reichen Haus, wird angesehen wie ein Bettler: Pfui! Fürwahr pfui über die Dürftigkeit!

Wenn ich daher bei dem Versuch, meinen Schatz wiederzugewinnen, selbst den Tod fände, so wäre auch das gut! Man sagt ja: Der Mann, der, wenn er sieht, wie sein Gut weggenommen wird, nur sein Leben schützt, von diesem nehmen selbst die Väter nicht eine Handvoll Wasser an. Doch wer einer Kuh willen, für Brahmanen, für seinen Herrn, für sein Weib oder seine Stadt den Tod findet, gewinnt ewige Seligkeit. Nachdem ich mich so entschlossen hatte, ging ich in der Nacht dahin. Als ich ein großes Loch in des Bettelmönchs Beutel gebissen hatte, da wachte der abscheuliche Büßer auf. Darauf gab er mir mit dem trocknen Bambusrohr einen Schlag auf den Kopf, so daß ich kaum mit dem Leben davon kam. Es heißt auch: Was ihm bestimmt, wird dem Menschen auch zuteil; sogar ein Gott vermag das nicht zu hindern; Drum klage ich nicht, staune darüber auch nimmer; denn das, was uns gehört, gehört nicht anderen.“

Da fragten die Krähe und die Schildkröte „Wie war das?“, und Hiranyaka erzählte:

4. Erzählung - Was ein einziger Spruch wert ist

In einer gewissen Stadt lebte ein Kaufmann namens Sagaradatta („Geschenk des Ozeans“). Dessen Sohn kaufte ein Buch, welches hundert Rupien kostete. In diesem stand geschrieben: «Was ihm bestimmt ist, das wird dem Menschen auch zuteil; sogar ein Gott vermag das nicht zu hindern: Drum klage ich nicht, staune darüber auch nimmer; denn das, was uns gehört, gehört nicht anderen.»

Als er dies gesehen hatte, fragte Sagaradatta seinen Sohn: „Kind! Für welchen Preis hast du dieses Buch gekauft?“ Er antwortete: „Für hundert Rupien, Vater!“ Nachdem er dies gehört hatte, sprach Sagaradatta: „Pfui über deine Dummheit! Ein Buch, welches nur die Zeilen einer einzigen Strophe enthält, für hundert Rupien zu kaufen! Wie wirst du bei einem solchen Verstand Geld verdienen können? Drum sollst du mir von heute an das Haus nicht mehr betreten!“ So wurde er ausgezankt und aus dem Hause geworfen. Infolge dieser Beschimpfung ging er weit weg in die Fremde, kam zu einer Stadt und blieb da. Darauf wurde er nach einigen Tagen von einem Bewohner dieser Stadt gefragt: „Woher bist du gekommen, und wie heißt du?“ Er antwortete: „Was ihm bestimmt, wird dem Menschen auch zuteil usw.“ Da fragte ihn ein anderer, und er antwortete dasselbe: Kurz, wer immer ihn fragte, dem gab er ebendies zur Antwort. Und auf diese Weise wurde er in der Stadt unter dem Namen „Was-ihm-bestimmt“ bekannt.

Da geschah es einst, daß die Tochter des Königs, Chandravati („Schön wie der Mond“) mit Namen und mit jugendlicher Schönheit geziert, an einem hohen Festtag in Gesellschaft einer Freundin die Stadt in Augenschein nahm. Da kam ihr durch des Schicksals Macht von ungefähr ein außerordentlich schöner und bezaubernder Königssohn zu Gesicht. Kaum hatte sie ihn erblickt, so fühlte sie sich von den Blumenpfeilen des den Fisch in seiner Fahne Führenden (Liebesgottes) getroffen und sagte zu ihrer Freundin: „Ach, Freundin! Die Tage der Jugend werden mir doch ganz unnütz. Mein Vater gibt mich niemandem zum Weibe. Drum mußt du es bewerkstelligen, daß ich heute mit diesem zusammenkomme.“ Nachdem sie dies gehört hatte, ging die Freundin eilig zu ihm und sagte: „He! Ich bin von Chandravati zu dir gesandt. Sie läßt dir sagen: Ich bin infolge deines Anblicks durch den Gott der Liebe in den ärgsten Zustand versetzt. Wenn du nicht schnell zu mir kommst, so ist es mein Tod.“ Nachdem er dies gehört hatte, antwortete er: „Wenn ich notwendig dahinkommen soll, so gib an, durch welches Mittel ich zu ihr gelangen kann.“ Darauf sagte die Freundin: „Vorn am Schloß wird heute nacht ein starker Riemen herabhängen; daran mußt du hinaufsteigen.“ Er antwortete: „Wenn du so willst, so werde ich es tun.“ Nachdem dies beschlossen war, ging die Freundin zu Chandravati zurück.

Als es darauf Nacht geworden war, dachte der Königssohn in seinem Herzen: „Ach! Das ist ein großes Verbrechen! Man sagt ja: Der Mann, der seines Freundes Gattin, des Lehrers Tochter, die Frau des Herrn oder auch seines Knechts aufsucht, ist einem Brahmamörder gleich. Und ferner: Solche Handlung soll man meiden, durch welche man sich Schimpf erwirbt, durch die man zur Hölle fährt und des Himmels verlustig wird.“

Nachdem er so redlich überlegt hatte, ging er nicht zu ihr hin. „Was-ihm-bestimmt“ wanderte aber umher und sah in der Nacht an einem glänzenden Haus einen Riemen herabhängen. Das Herz von Neugier erfüllt, kletterte er daran hinauf und wurde von der Königstochter, welche voll Vertrauen im Herzen glaubte, es wäre der Königssohn, mit Bad, Speise, Getränk und Gewand geehrt. Dann bestieg sie das Lager mit ihm, und nachdem ihre Glieder durch die Berührung seines Körpers von höchster Wollust erfüllt waren, sagte sie zu ihm: „Lieber! Nachdem ich mich durch deinen bloßen Anblick in dich verliebte, habe ich mich dir hingegeben. Kein anderer Gatte als du wird mir nie auch nur in die Gedanken kommen. Warum sprichst du nun nicht mit mir?“ Da rezitierte er: „Was ihm bestimmt, wird dem Menschen auch zuteil.“

Nachdem er dies gesagt, erkannte sie, daß es nicht der Rechte war, ließ ihn aus dem Schloß herabsteigen und gehen. Er aber ging in einen verfallenen Tempel und schlief da ein. Dahin hatte aber der Tempelwächter Dandapasaka eine Dirne für sich bestellt. Als er nun kam und jenen, der schon eingeschlafen war, erblickte, rief er ihn in der Absicht an, sein Geheimnis zu bewahren: „Wer bist du?“ Dieser antwortete: „Was ihm bestimmt, wird dem Menschen auch zuteil.“ Nachdem er dies gehört, sagte Dandapasaka: „Dieser Tempel ist öde. Geh in mein Haus und schlafe in meinem Bett!“ Nachdem er dies zugesagt, legte er sich dort infolge eines Mißverständnisses in ein anderes Bett. In diesem nun lag die erwachsene Tochter dieses Unvorsichtigen, Vinajavati („die Tugendhafte“) mit Namen, begabt mit Jugend und Schönheit. Diese liebte einen Mann und hatte gerade heute mit ihm eine Zusammenkunft verabredet. Da sie nun jenen herankommen sah, glaubte sie, getäuscht von der sehr tiefen Finsternis der Nacht „Das ist sicher mein Geliebter!“, stand auf, ließ ihm Speise und Gewand reichen und gestattete ihm, die Ehe nach der Weise der Gandharvas zu vollziehen (ohne Riten und Erlaubnis der Eltern). Während sie nun mit ihm auf einem Lager ruhte, sprach sie mit freudestrahlendem, lotusgleichem Antlitz: „Warum sprichst du auch jetzt nicht einmal vertraulich mit mir?“ Er antwortete: „Was ihm bestimmt, wird dem Menschen auch zuteil usw.“ Als sie dies gehört, dachte sie: „Wenn man ohne Vorsicht handelt, so reift solche Frucht daraus.“ Nachdem sie so überlegt hatte, machte sie ihm voll Betrübnis Vorwürfe und jagte ihn davon.

Während er nun auf der Hauptstraße einherging, kam ein Bräutigam unter großem Instrumentenschall herangezogen, welcher in einem anderen Gebiet wohnte, mit Namen Varakirti („der Ruhmreiche“). Unser „Was-ihm-bestimmt“ fing an, mit dem Zuge zu gehen. Als nun der nach dem Horoskop bestimmte Zeitpunkt nahe war, und die Kaufmannstochter vor der Tür des der Königsstraße nahen Hauses des Kaufherrn auf dem geweihten Boden einer mit Girlanden verzierten Halle in Schnur und Hochzeitskleid festlich geschmückt dastand, da stürzte ein brunstwütiger Elefant grade auf diesen Ort zu, nachdem er seinen Treiber getötet hatte und alle Welt durch das Geschrei der vor ihm flüchtenden Menschen in Schrecken setzte. So wie sie ihn erblickten, flohen die Begleiter des Bräutigams samt dem vor Angst zitternden Bräutigam selbst, der eine hier- der andre dorthin in alle Himmelsrichtungen. In demselben Augenblick aber, da unser „Was-ihm-bestimmt“ das Mädchen mit vor Angst rollenden Augen allein erblickte, sagte er zu ihr: „Fürchte dich nicht! Ich beschütze dich!“ So flößte er ihr durch seine Standhaftigkeit Mut ein, ergriff sie mit der rechten Hand und bedrohte mit großer Herzhaftigkeit den Elefanten mit harten Worten.

Als darauf durch die Fügung des Schicksals der Elefant sich entfernt hatte, kehrte Varakirti mit seinen Freunden und Verwandten zurück, nachdem der nach dem Horoskop festgesetzte Zeitpunkt bereits verstrichen war. Da stand nun das Mädchen an der Hand eines andern. Als Varakirti dies sah, sagte er: „Ach! Schwiegervater! Das ist nicht recht von dir getan, daß du das Mädchen erst mir zugesagt und dann doch einem andern gegeben hast.“ Jener antwortete: „Ach! Auch ich war aus Furcht vor dem Elefanten geflüchtet. Ich komme mit dir zurück und weiß nicht, was dies zu bedeuten hat.“ Nachdem er dies gesagt, hub er an, seine Tochter zu fragen: „Kind! Du hast hier nicht recht gehandelt! Sage mir, was geht hier vor?“ Diese antwortete: „Da dieser mich aus Lebensgefahr gerettet hat, so soll, solang ich lebe, niemand als er meine Hand erhalten!“ Unter diesen Vorgängen ging die Nacht zu Ende. Am Morgen aber versammelte sich eine große Menschenmenge. Die Königstochter hörte, was sich zugetragen hatte und ging nun nach diesem Orte. Indem dies von einem Ohr zum andern wanderte, erfuhr es auch Dandapasakas Tochter und eilte ebenfalls dorthin. Als aber der König von der großen Menschenversammlung hörte, ging er ebenfalls in eigner Person hin und sagte zu unserm „ Was-ihm-bestimmt“: „He! Erzähle ohne alle Furcht, was ist das für eine Geschichte?“ Jener sprach: „Was ihm bestimmt, wird dem Menschen auch zuteil.“

Da erinnerte sich die Königstochter und sagte: „Sogar ein Gott vermag das nicht zu hindern.“ Darauf sprach die Tochter des Dandapasaka: „Drum klage ich nicht, staune darüber auch nimmer.“ Und die Kaufmannstochter, da sie diese Allerweltsgeschichte hörte, sagte: „Denn das, was uns gehört, gehört nicht anderen.“

Der König versprach nun ihnen allen zusammen Straflosigkeit, und nachdem er von jedem einzelnen seine Geschichte gehört und die Wahrheit erkannt hatte, gab er unserm „Was-ihm-bestimmt“ unter vielen Ehrenbezeigungen seine Tochter zum Weib, zugleich mit tausend Dörfern, königlichen Einkünften samt Amtsleuten und Gefolge, sagte zu ihm: „Du sollst mein Sohn sein!“, und weihte ihn vor den Augen der Stadt zu seinem zukünftigen Nachfolger. Auch Dandapasaka gab unserm „Was-ihm-bestimmt“ seine Tochter und ehrte ihn nach seinem Vermögen mit Gewändern, Geschenken und ähnlichem. Alsdann holte unser „Was-ihm-bestimmt“ auch seinen Vater und seine Mutter, umgeben von ihrer ganzen Familie und unter vorausgehenden Ehrenbezeigungen nach dieser Stadt und lebte vergnügt mit seiner Familie, die Gaben des Schicksals genießend. - Daher sage ich: Was ihm bestimmt, wird dem Menschen auch zuteil; sogar ein Gott vermag das nicht zu hindern; Drum klage ich nicht, staune darüber auch nimmer; denn das, was uns gehört, gehört nicht anderen.

Schluß der 1. Erzählung

Dann sprach Hiranyaka weiter: „Nachdem ich alle diese Freuden und Leiden erlebt hatte, versank ich in die tiefste Betrübnis und wurde von diesem Freund zu dir gebracht. Dies ist der Grund meiner Verzweiflung.“

Mantharaka sagte: „Lieber! Dieser ist außer allem Zweifel dein Freund, da er, obgleich von Hunger gepeinigt, dich, seinen natürlichen Feind, der du ihm eigentlich zur Nahrung bestimmt bist, so auf seinen Rücken steigen ließ und hierher brachte und dich nicht auf dem Wege auffraß. Man sagt ja: Wessen Herz sich durch Reichtümer nie und nimmermehr verändert, der ist ein Freund und pflegt das Beste seines Freundes zu aller Zeit. Diese Zeichen sind auf Erden, nach dem Urteil der Wissenden, die Probemittel für wahre Freunde und so sicher wie die des Opferfeuers. Wer, wenn sich Mißgeschick einstellt, Freund bleibt, der ist ein wahrer Freund. Wenn sich die Zeit des Glücks einstellt, dann wird selbst der Böse ein Freund. Darum fasse auch ich jetzt Vertrauen zu seiner Freundschaft! Denn dies ist eine Freundschaft, welche, in Widerspruch mit den Regeln der Lebensweisheit, von Wasser- und Landtieren mit der Krähe geschlossen wird. Sagt man ja doch mit Recht: Keiner ist irgend jemandes Freund oder Feind ohne Maßen. Durch eine dem Freund feindselige Handlung erweist er sich als Feind.

Drum sei willkommen! Wohne in der Nähe dieses Teiches wie in deinem eigenen Haus! Und daß du dein Vermögen verloren hast und in die Fremde ziehen mußtest, darüber mache dir keinen Kummer! Der Wolke Schatten, des Bösen Freundschaft, neue Kleider und Frauengunst, der Jugend Reiz und Reichtümer sind Genüsse von kurzer Dauer. Verständige, die sich selbst beherrschen, fühlen deshalb keine Begierde nach Reichtum. Man sagt auch: Wohlaufgehäufte, wie das Leben im eignen Leib wohlverwahrte, vom eignen Körper sogar nirgend getrennte, körperliche, geliebte Reichtümer begleiten ihn keine fünf Schritte, sobald der Mensch zum Tode geht. Und ferner: Wie Fleisch im Wasser von Fischen, zu Land vom Wild und in den Lüften von Vögeln gefressen wird, so vergeht allerwärts, wer Geld besitzt. Und so: Selbst Unschuldige werden, wenn sie reich sind, von den Fürsten der Welt in Schuld verstrickt. Ein Armer, selbst wenn er fehlt, kommt allerorten schadlos durch. Schwer ist es, Vermögen zu erwerben, und schwer ist dessen Bewahrung auch: Leid beim Gewinn! Leid beim Verlust! Wie leidvoll ist doch Reichtum! Ertrüge, wer Befreiung sucht, nur den hundertsten Teil der Mühen, die ein Tor auf der Suche nach Geld erträgt, seine Seele wäre bald befreit.

Außerdem darfst du darüber, daß du in der Fremde wohnst, nicht verzweifeln. Man sagt auch: Was kann man des Tapferen und Verständigen eignes und was fremdes Land nennen? Zu welchem Land er kommt, das erwirbt er durch seines Armes hohe Kraft. In welchen Wald der Löwe auch eindringt, mit Zähnen, Klauen und Schweife kämpft er und löscht seinen Durst im Blut des erschlagenen Elefantenkönigs. Selbst ein Armer, wenn er in die Fremde geht, ist, wenn er nur Verstand hat, auch nicht im geringsten übel dran. Man sagt auch: Weisheit und Königsherrschaft sind sich nimmer einander gleich: Der König wird im eigenen Lande, der Weise allerwärts geehrt. Du bist nun aber ein Schatz von Weisheit, keinem gewöhnlichen Menschen ähnlich. Sagt man ja doch: Der Held, der tatenlustig und nimmer zögernd zu handeln weiß, keinen Begierden frönt, dankbaren Sinnes ist und auch ein treuer Freund, den sucht das Glück selbst, um bei ihm zu wohnen.

Außerdem geht auch erworbener Reichtum verloren, wenn nicht die Werke (eines früheren Lebens) ihm zu Hilfe kommen. So war dieser so viele Tage lang dein. Einen einzigen Augenblick aus deinem Besitz gekommen, steht er dir zum Genuß nicht mehr zu Gebot. Ja, und wenn er auch von selbst zurückkäme, würde ihn das Schicksal dir dennoch rauben. Denn man sagt auch: Reichtümer hat er sich erworben, doch zum Genuß gelangt er nicht, gleichwie der Tor Somilaka, sobald er nur den Wald betrat.

Da fragte Hiranyaka „Wie war das?“, und die Schildkröte Mantharaka erzählte:


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