Pushpak Panchatantra Buch 1Zurück WeiterNews

15. Erzählung - Löwe und Zimmermann

(Die gefährliche Umgebung)

In einer gewissen Stadt lebte ein Zimmermann mit Namen Devagupta („von den Göttern beschützt“). Dieser nahm immer einen guten Reisbrei mit sich und spaltete mit seiner Frau zusammen im Walde große Anjanastämme. In diesem Walde wohnte aber ein Löwe namens Vimala (der „Fleckenlose“), der hatte zwei Diener, die Fleischfresser waren, einen Schakal und eine Krähe. Einstmals nun als der Löwe allein im Walde umherschweifte, erblickte er diesen Zimmermann. Auch der Zimmermann sah den Löwen herankommen, hielt sich schon gleichsam für tot, aber voll Geistesgegenwart dachte er: «Meine (einzige) Zuflucht ist ein mutiges Entgegentreten!» So ging er dem Löwen entgegen, verbeugte sich und sprach: „Komm herbei! Komm herbei! Oh Freund! Heute mußt du mein Essen, welches deines Bruders (d.i. meine) Frau gebracht hat, verzehren.“ Jener antwortete: „Lieber! Ich ernähre mich nicht von gekochter Speise, denn ich bin ein Fleischfresser, aber trotzdem will ich dir zu Gefallen etwas kosten, um zu sehen, was das für eine Art Speise ist.“ Nachdem der Löwe so geredet hatte, erfreute ihn der Zimmermann mit mancherlei Arten von Speisen, Schüsseln von herrlichen Laddukakugeln, welche mit Zucker überstreut und mit Trauben und Muskatnuß gewürzt waren und anderen. Und der Löwe gewährte ihm aus Dankbarkeit die Sicherheit gegen alle Gefahren, so daß er ungefährdet im Walde herumgehen könne. Darauf sprach der Zimmermann: „Lieber Freund! Du mußt jeden Tag kommen, aber nur ganz allein! Du darfst keinen andern irgend vor meine Augen bringen!“ So ging beiden die Zeit unter Liebesbezeigungen hin, und der Löwe, welcher auf diese Weise Tag für Tag mit derartigen mannigfachen Speisen gesättigt ward, unterließ es bald ganz und gar, auf die Jagd zu gehen. Da sprachen der Schakal und die Krähe zu dem Löwen, da sie von Hunger gequält wurden, welcher nur durch anderer Mißgeschick gestillt werden konnte: „Oh Herr! Sage uns beiden, wohin du jeden Tag gehst und dann mit vergnügtem Sinn voll Freude zurückkommst?“ Er antwortete: „Ich gehe nirgendwohin.“

Als er aber von beiden mit sehr großer Inständigkeit gebeten wurde, da sagte der Löwe: „In diesen Wald kommt jeden Tag ein Freund von mir. Dessen Frau bereitet ganz ausgezeichnete Speisen, und da esse ich denn unter vorhergehenden Freundschaftsbezeigungen.“ Darauf sagten beide: „Wir wollen dahin gehen, den Zimmermann umbringen und durch dessen Fleisch und Blut uns auf lange Zeit unsere Nahrung verschaffen.“ Als der Löwe dies gehört hatte, sagte er: „Oh! Oh! Ich habe ihm vollständige Sicherheit gewährt. Wie kann ich also an so etwas Schlechtes in Bezug auf ihn auch nur denken? Ich will ihn lieber bewegen, daß er, was von der herrlichen Speise übriggelassen wird, euch beiden gibt.“ Damit waren beide zufrieden und sagten: „Ja!“ Darauf machten sie sich alle auf den Weg zum Zimmermann.

Als aber der Zimmermann schon aus weiter Ferne den Löwen mit seiner schlechten Umgebung herankommen sah, dachte er „Da stößt mir ein Mißgeschick zu!“ und stieg, so rasch er konnte, samt seiner Frau auf einen Baum. Der Löwe aber, als er herangekommen war, sagte: „Lieber! Warum steigst du auf einen Baum, da du mich kommen siehst? Ich bin ja dein Freund, der Löwe Vimala! Fürchte dich doch nicht!“ Der Zimmermann aber, ohne seinen Platz zu verlassen, antwortete: „Weil der Schakal dir zur Seite geht und auch die scharfgeschnäbelte Krähe, drum flüchte ich den Baum aufwärts, denn die Umgebung gefällt mir nicht.

Daher sage ich: Ein König, der eine gemeine Umgebung hat, gewährt denen, die seinen Schutz gesucht haben, kein Heil.“

Nachdem er diese Geschichte erzählt hatte, sagte Sanjivaka weiter zu Damanaka: „So, oh Lieber! sehe ich vollständig ein, daß dieser dein König eine gemeine Umgebung hat und nicht verdient, von braven Männern bedient zu werden. Denn man sagt auch: Bei Königen, welche unredlich sind, erglänzt ein Weiser nimmermehr, so wenig wie die Kriechente, die sich dem Geier zugesellt. Und so: Ehre selbst den geiergleichen König, sind Schwäne sein Gefolge, aber scheue den schwanengleichen König, wenn Geier seine Räte sind. Sicherlich ist er durch irgendeinen Bösewicht gegen mich aufgehetzt worden. Darum spricht er so. So geht es ja auch. Man sagt: Wird doch des Berges harter Boden von weichem Wasser untergraben und abgerieben, geschweige denn die weichen Herzen der Menschen vom Ohrgeflüster der Zwietracht Säenden. Von ins Ohr geträufeltem Gift gebrochen, was tut die törichte Menschheit nicht? Sie weiht sich selbst dem Rausch der Illusion und trinkt sogar Wein aus Menschenhirn. Ja mit Recht sagt man folgendes: Obgleich mit Füßen getreten oder geschlagen mit hartem Stab, tötet die Schlange doch einzig, wen sie mit ihrem Zahn erreicht. Ganz anders noch ist der bösen Menschen heimtückisch grausam Treiben: Dem einen hängen sie sich ans Ohr und vernichten damit den andern bis auf den Grund. Und so: Ach wahrlich eine Mordweise, der Schlangen ganzes Widerspiel! Dem einen hängt er am Ohre und dem anderen bringt er Tod. Da die Dinge sich aber so gewendet haben, was ist nun zu tun? Ich frage dich, weil du mein Freund bist.“

Damanaka antwortete: „Es ist angemessen, daß du zunächst in ein anderes Land gehst und einem solchen schlechten Herrn nicht Dienst leistest. Denn man sagt auch: Selbst seinen geistigen Vater (d.i. der Lehrer) darf man verlassen, wenn er stolz ist, Recht und Unrecht nicht unterscheidet und auf unrechtem Wege geht.“

Sanjivaka sagte: „Es ist nicht möglich zu gehen, während der Herr gegen mich aufgebracht ist. Auch werden die nicht glücklich, die sich nach einem andern Ort entfernen. Denn man sagt auch: Ein Weiser, der gegen seinen Herrn gefehlt, schläft nicht, wenn er auch weit weg geht. Lang sind des Verständigen Arme, mit denen er den verletzt, der ihn verletzt hat. So bleibt mir denn kein Rettungsmittel außer dem Kampf. Man sagt auch: Weder durch Pilgerfahrten noch durch Buße, noch durch hundert reiche Spenden erlangen die Paradiesbegehrenden jene Welten, zu denen in einem Augenblick die Helden in der Schlacht gelangen, nachdem sie ihr Leben mit tapferem Sinn geopfert haben. Wer stirbt, gewinnt ewiges Leben, und wer am Leben bleibt, höchsten Ruhm: So fallen beide Vorzüge - sonst schwer zu erreichen - dem Helden zu. Zwei Männer sind es, die durchbrechen der Sonne Kreis in dieser Welt: Der nur für die Andacht lebende Mönch und der Held, der von vorn verwundet fällt. Das Blut, das triefend aus der Stirn herabfließt in des Helden Mund, ist gleich dem Somatrank, nach Vorschrift im Schlachtopfer dargebracht. Die Frucht, welche durch goldreiche Opfer, die der Ordnung gemäß unter Verehrung vieler guter Brahmanen und mit vielen Geschenken dargebracht werden, oder durch Wohnen an Pilgerorten und in Einsiedeleien, durch heilige Werke, Buße, Fasten und ähnliches: diese Frucht erlangt in einem Augenblick der in der Schlacht gefallene Held.“

Nachdem er dies gehört, dachte Damanaka: „Ich sehe, er hat den Entschluß gefaßt zu kämpfen. Wenn nun dieser schlimme Gesell mit seinen scharfen Hörnern den Herrn anfällt, so entsteht eine große Unannehmlichkeit. Ich muß daher nochmals mit meinem Verstand auf ihn einwirken und auszurichten versuchen, daß er in ein anderes Land geht.“ Darauf sagte er: „Ach, Freund! Du hast sehr verständig gesprochen. Aber was ist das für ein Kampf zwischen Herrn und Dienern!? Man sagt auch: Wer einen starken Feind erblickt, der sei auf seinen Schutz bedacht, denn die Starken sollen strahlen gleichwie des Mondes Glanz im Herbst. Und ferner: Wer nicht des Feindes Kraft kennt und trotzdem den Kampf mit ihm beginnt, der wird gedemütigt, wie der Ozean vom Strandläufer.“

Da fragte Sanjivaka „Wie war das?“, und Damanaka erzählte:

16. Erzählung - Der Strandläufer und der Ozean

In einer Gegend am Ufer des Ozeans wohnte ein Strandläuferpärchen. Da wurde im Verlauf der Zeit, nachdem die Brunstzeit gekommen war, das Weibchen trächtig. Als sich nun die Brutzeit nahte, sagte sie zu dem Männchen: „Höre, Geliebter! Meine Brutzeit naht heran. Laß uns deshalb einen Ort aufsuchen, wo uns kein Unglück droht, damit ich da die Eier legen kann.“ Der Strandläufer sagte: „Dieses Ufer des Meers ist bezaubernd. Darum brüte du nur hier.“ Doch jene sagte: „Hier tritt am Tage des Vollmonds die Meeresflut über. Die reißt selbst wütende Elefantenkönige fort. Drum laß uns in der Ferne irgendeinen andern Ort aufsuchen!“

Nachdem er dies gehört hatte, sagte der Strandläufer lächelnd: „Oh Liebe! Was du sagst, ziemt sich nicht. Wie groß ist denn das Meer, daß es meine Jungen verletzen könnte? Hast du denn nicht gehört: Welcher Mensch möchte sich töricht aus freien Stücken in das Feuer stürzen, welches den Weg zu den Wolken eingeschlagen hat, rauchlos ist und immer großen Schrecken verbreitet? Wer ist so gierig, die Welt des Yama (Gott der Toten) zu sehen, und weckt den, dem Gott der Vernichtung gleichenden schlafenden Löwen, wenn er ruht, nachdem er des wütenden Elefanten triefende Schläfen zerfleischt hat? Wer steigt hinab zu Yamas Palast und fordert von selbst den Vernichter furchtlos heraus: „Nimm hin mein Leben, wenn du irgend stark genug dazu bist!“ Welcher Mensch, wenn er der Eigenschaften Wirkung kennt, wird die Kälte durch Wasser entfernen, wenn sich mit Flöckchen von Reif gemischt der kalte Morgenwind erhebt? Darum lege nur hier ohne Zagen deine Eier! Man sagt auch: Wer aus Furcht zu unterliegen seinen Wohnort im Stich läßt, wenn von diesem sein Weib Frucht trägt, den nennen die Weisen unfruchtbar. Und so: Wer gequält von der Verachtung Pein, schimpflich lebt und doch leben bleibt, der sollte nie geboren werden, denn er bringt derjenigen Leid, die ihn gebar.“

Indem der Strandläufer so sprach, lachte das Weibchen, welches den wahren Gehalt seiner Kraft kannte, und sagte: „Wahrlich, richtig und sehr passend ist dieses: Was soll diese stolze Rede? Du machst dich zum Gespött der Leute, oh Indra unter den Vögeln! Oh Wunder! Das Häschen nimmt das Maul so voll wie ein Elefant.“ Aber der Strandläufer antwortete: „Was kann denn das Meer tun?“

Als das Meer dies hörte, dachte es bei sich: „Sieh mir einer den Übermut dieses Vogelgezüchts! Sagt man doch mit Recht: Durch wen wird eine selbstgeschaffene Überhebung zur Ruhe gebracht? Der Strandläufer schläft mit den Füßen aufwärts aus Furcht, daß sonst der Himmel herabbricht. Ich muß doch einmal aus Neugierde seine Macht kennenlernen! Was er wohl tun wird, wenn ich ihm die Eier wegnehme?“

Diesen Gedanken hielt es fest. Nachdem nun die Eier gelegt waren und das Weibchen des Futters wegen sich entfernt hatte, nahm das Meer vermittelst der Flut die Eier weg. Als das Weibchen zurückkam und das Nest leer fand, sprach sie jammernd zum Strandläufer: „Oh du Tor! Ich hatte dir vorhergesagt, daß die Eier zur Zeit der Flut verlorengehen würden, und daß wir darum soweit als möglich weggehen sollten. Aber aus Torheit bist du übermütig geworden und tust nicht, was ich sage. Sagt man ja doch mit Recht: Wer nicht befolgt wohlwollender Freunde Rede, der geht zugrunde, wie die törichte Schildkröte, die vom Stock herunterfiel.

Da fragte der Strandläufer: „Wie war das?“, und das Weibchen erzählte:

17. Erzählung - Die unfolgsame Schildkröte

Es wohnte einmal in einem gewissen Teich eine Schildkröte namens Kambugriva („einen Nacken wie eine Muschel“). Diese hatte zwei Freunde, welche zum Geschlecht der Gänse gehörten und die höchste Liebe zu ihr gefaßt hatten. Der eine hieß Sankata (klein), der andere Vikata (groß). Stets kamen diese zu dem Ufer des Teiches. Da erzählten sie sich einander viele Geschichten von den Weisen unter den Göttern, Brahmanen und Königen, und zur Zeit des Sonnenuntergangs gingen jene in ihr Nest zurück. Im Verlauf der Zeit trocknete aber dieser Teich infolge von Regenmangel nach und nach aus. Aus Schmerz über dieses Unglück sagten jene beiden: „Ach, Freund! Dieser Teich ist zu bloßem Schlamm geworden. Wie wirst du nun bestehen können? In unsern Herzen ist große Betrübnis.“

Nachdem er dies gehört, sagte die Schildkröte: „Ich kann ohne Wasser nicht leben. Deshalb laßt uns ein Hilfsmittel aussinnen! Man sagt auch: Für Verwandte sowie Freunde eifert der Weise jederzeit mit Anstrengung, wenn sie ein Mißgeschick betrifft. Drum schafft einen starken Strick oder lieber einen leichten Stock herbei, und sucht einen Teich auf, welcher viel Wasser enthält! Dann halt ich mich mit meinen Zähnen an diesem leichten Stock fest, und ihr ergreift von beiden Seiten die Spitzen und tragt mich durch die Luft zu diesem Teich!“ Jene beiden sprachen: „Oh Freund, das wollen wir tun! Aber du mußt still schweigen wie ein Heiliger, der Schweigen gelobt hat. Wo nicht, so wirst du vom Stock herabfallen und dann in Stücke brechen.“ Die Schildkröte sagte: „Gewiß! Ich übernehme das Gelübde zu schweigen von jetzt an bis ich vermittelst des Fluges durch die Luft den Teich erreicht habe.“

Nachdem so geschehen, erblickte die Schildkröte auf seinem Flug eine unter ihm befindliche Stadt, deren Bewohner, da sie ihn so fortgeführt sahen, voll Erstaunen riefen: „Ah! Da wird etwas von zwei Vögeln wie auf einem Wagen gefahren! Seht, seht!“ und als die Schildkröte ihr Geschrei hörte, fing sie an zu sprechen. Eben wollte sie sagen „Ah, was ist das für ein Lärm?“, aber ehe sie es noch halb ausgesprochen hatte, fiel sie herab und zerbrach vor den Stadtbewohnern in Stücke, die sich über das geschenkte Fleisch freuten. - Daher sage ich: Wer nicht befolgt wohlwollender Freunde Rede, der geht zugrunde wie die törichte Schildkröte, die vom Stock herunterfiel.

Ferner sagte sie auch: „Herr ‚Vorgesorgt‘ sowohl auch Herr ‚Wenn's draufankommt‘ nehmen beide an Freuden zu, indes aber Herr ‚Schicksalschick‘ zugrunde geht.“

Da fragte der Strandläufer „Wie war das?“, und das Weibchen erzählte:

18. Erzählung - Die drei Fische

In einem Teich wohnten drei große Fische, nämlich Anagatavidhatri („der für die Zukunft Sorge Tragende“), Pratyutpannamati („der in der Not Rat Wissende“) und Yadbhavishya („der sorglos, was kommen wird, Erwartende“). Da kamen nun einst Fischer, sahen dies Wasser und sagten: „Ah, der Teich ist reich an Fischen! Er ist noch nicht ein einziges Mal von uns durchsucht worden. Doch für heute haben wir genug zum Lebensunterhalt und die Dämmerung ist schon da. Drum wollen wir morgen früh zurückkehren.“

Als der besorgte Anagatavidhatri diese einem Donnerschlag gleiche Rede gehört hatte, rief er alle Fische zusammen und sprach folgendes: „Ach! Habt ihr gehört, was die Fischer gesagt haben? Laßt uns noch in dieser Nacht in irgendeinen benachbarten Teich gehen! Man sagt ja: Schwache müssen sich wegflüchten, wenn sie ein starker Feind bedroht, oder in eine Burg einschließen, sonst ist keine Rettung für sie. Unzweifelhaft kommen diese Fischer zur Morgenzeit zurück und vernichten alle Fische. Dieses ist meine Überzeugung. Darum ist es unrecht, hier auch nur einen Augenblick zu vergeuden. Man sagt auch: Weise, die einen Weg kennen, der Freude bringt, und führte er auch in die Fremde, die sehen niemals Vernichtung ihres Lands und Stamms.“

Nachdem er dieses gehört, sprach der kluge Pratyutpannamati: „Ah! Was du sagst ist wahr! Auch ich billige es. So laßt uns denn anderswo hingehen! Man sagt auch: Elende nur und mutlose Krähen, Hirsche und Feiglinge leiden den Tod im Heimatland, weil vor der Fremde Furcht sie schreckt. Und ferner: Wer allerwärts wandern kann, was will der aus Liebe zum eigenen Land verderben? «Dies ist der Born meines Erzeugers!» sprechend, trinkt brackiges Wasser die feige Memme.“

Dies hörend sprach darauf laut lachend der schicksalsgläubige Yadbhavishya: „Ach! Was ihr beide geraten habt, ist nicht gut. Denn wie ziemt es sich, auf ein bloßes Wort hin, diesen auf die Väter von den Großvätern übergegangenen Teich zu verlassen? Ist Vernichtung über uns verhängt, so werden wir auch sterben müssen, wenn wir wo anders hingehen. Man sagt auch: Der Schlangen und der Nichtsnutzigen Pläne werden nicht vollendet, denn sie leben von anderer Leute Schaden: Dadurch besteht diese Welt. Darum werde ich nicht gehen. Ihr mögt tun, was euch gefällt!“

Nachdem sie darauf dessen Entschluß erfahren hatten, zogen Anagatavidhatri und Pratyutpannamati mit ihrem Gefolge ab. Am folgenden Tage aber wurde dieser Teich von jenen Fischern mit Netzen durchfischt und all seiner Fische samt dem schicksalsgläubigen Yadbhavishya beraubt.

(In einer Berliner Sanskrit-Handschrift fand Benfey noch folgende Version der Geschichte:)

In einem großen Teich wohnten drei große Fische, nämlich Anagatavidhatri („der für die Zukunft Sorge Tragende“), Pratyutpannamati („der in der Not Rat Wissende“) und Yadbhavishya („der sorglos, was kommen wird, Erwartende“). Von diesen hörte der besorgte Anagatavidhätri einst das Gespräch von Fischern, welche am Ufer des Teiches vorübergingen, nämlich: „Dieser Teich ist fischreich, wir wollen die Fische darin fangen.“ Als Anagatavidhatri dies gehört, dachte er: „Da hat uns ein Unglück befallen! Diese werden nun morgen oder übermorgen zurückkommen, drum will ich mich mit samt dem Pratyutpannamati und Yadbhavishya in einen andern Teich flüchten, dessen Wasser von diesem entfernt ist.“ Darauf rief er beide und fragte sie. Da antwortete der kluge Pratyutpannamati: „Diesen lang bewohnten Teich können wir nicht so mir nichts dir nichts verlassen. Wenn die Fischer hierher kommen, so werde ich mich durch irgendeine den Umständen angemessene Handlung retten.“ Yadbhavishya sagte mit heiterem Mut: „Es gibt andere größere Teiche, wer weiß ob sie wieder hierher kommen oder nicht? Drum ist es nicht passend, auf ein solches bloßes Wort hin den Teich, wo man geboren ist, aufzugeben. Es heißt auch: Der Schlangen und der Nichtsnutzigen Pläne werden nicht vollendet, denn sie leben vom Schaden anderer - dadurch besteht diese Welt. Drum ist mein fester Entschluß, ich gehe nicht weg.“

So blieben denn diese beiden Standhaften hier, Anagatavidhatri aber ging in einen andern Teich. Am Tage, nachdem er weggegangen war, verstopften die Fischer mit ihren Genossen den Abfluß, warfen ihr Netz aus und fingen sämtliche Fische. Unter diesen Umständen tat der kluge Pratyutpannamati im Netz, als ob er tot wäre. Diese glaubten nun „Dieser große Fisch ist von selbst gestorben!“ nahmen ihn aus dem Netz und legten ihn ans Ufer. Darauf sprang er wieder ins Wasser. Der schicksalsgläubige Yadbhavishya aber, mit seinem Kopf in den Maschen des Netzes zappelnd, wurde mit vielen Stockschlägen erschlagen und getötet. (siehe auch MHB 12.137)

Daher sage ich: Herr „Vorgesorgt“ sowohl auch Herr „Wenn's draufankommt“ nehmen beide an Freuden zu, indes aber Herr „Schicksalschick“ zugrunde geht.

Fortsetzung der 16. Erzählung

Nachdem er dieses gehört, sagte der Strandläufer: „Liebe, wenn du mich etwa für einen schicksalsgläubigen Yadbhavishya hältst, so gib Acht auf meine Macht. Ich werde dieses böse Meer mit meinem Schnabel austrocknen.“ Das Weibchen sagte: „Ach! Wie kannst du mit dem Ozean kämpfen? Deswegen ziemt es sich auch nicht, Streit gegen ihn zu beginnen. Man sagt auch: Kraftlosen Männern dient ihr Zorn zum eigenen Verderben: Ein über die Maßen glühender Topf verbrennt zumeist die eigenen Wände. Der Törichte, der mächtigen Rossen in die Zügel fällt, kommt durch seine eigne Schuld um: Macht nicht mit seinem Willen dies lichtentflammte Feuer die Motten zur Flammenzehrung?“

Der Strandläufer sagte: „Liebe, sprich nicht so! Wer die Kraft der Standhaftigkeit besitzt, besiegt Mächtige, auch wenn er nur sehr klein ist. Man sagt auch: Gerade in dessen Machtfülle tritt dem Feind entgegen, wer sich nichts gefallen läßt, wie Rahu dem Monde immer wieder, wenn er voll ist (so daß er abnimmt). Und so: Wenn seine Kraft am allergrößten ist und der braune Saft ihm von der Schläfe trieft, dann legt der Löwe dem brunstwilden Elefanten den Fuß aufs Haupt. Und ferner: Die Sonne, wenn sie kaum erstand, setzt auf die Berge ihren Fuß: Bei dem der von Natur Mut hat, kommt das Alter nicht in Betracht. Und auch: So groß der Elefant, er folgt dem Stachel (dem Stab der Elefantenführer), und ist der Stachel dem Elefanten an Größe gleich? Entbrennt die Fackel, schwindet hin das Dunkel, und ist das Dunkel der Fackel an Kleinheit gleich? Vom Donnerkeil getroffen sinken Berge, und ist der Donnerkeil dem Berg an Größe gleich? Wessen Mut erstrahlt, der besitzt Stärke: Wer darf vertrauen auf Größe allein? So werde ich mit diesem Schnabel sein ganzes Wasser austrocknen!“

Das Weibchen sagte: „Ach Lieber! Wohinein stets die Ganga fließt, nachdem sie neunhundert Flüsse in sich aufgenommen hat, und ebenso der Indus, wie kannst du das von achtzehnhundert Flüssen angefüllte mit deinem Schnabel austrocknen, der immer nur einen Tropfen tragen kann? Wozu also solch unglaubliches Gerede?“

Doch der Strandläufer antwortete: „Liebe! Nicht verzagen ist des Glücks Wurzel. Mein Schnabel ist dem Eisen gleich. Wie sollte in langen Tagen und Nächten der Ozean nicht austrocknen? Und so: Schwer zu erwerben ist Herrlichkeit, solang der Mann seine Mannheit nicht gebraucht: So wie die Sonne der Waage Sternbild (am Ende der Regenzeit im September) besteigt, besiegt sie selbst der Wolken Scharen.“

Die Strandläuferin sagte: „Wenn du denn unumgänglich den Kampf mit dem Ozean unternehmen mußt, dann rufe auch die andern Vögel zu Hilfe und greife mit deinen Freunden vereint an. Denn man sagt auch: Vieler Einigung bringt Stärke, wenn sie einzeln auch alle schwach sind: Aus Gräsern wird das Seil geflochten, das selbst den Elefanten hält. Und man erzählt auch: Von dem Sperling und Baumhacker, der Fliege und dem Frosch wird durch die Feindschaft eines Edlen sogar ein Elefant zu Tod gebracht.“

Da fragte der Strandläufer „Wie war das?“, und die Strandläuferin sprach:

19. Erzählung - Der Bund der Schwachen gegen den Elefanten

In einer Waldgegend wohnte ein Sperlingspaar, welches auf einem Tamala-Baum sein Nest gebaut hatte, und im Laufe der Zeit ward ihm Nachkommenschaft zuteil. Eines Tages kam ein brünstiger Waldelefant, von Hitze gequält, zu diesem Baum, um Schatten zu suchen. Da riß er im Übermaß seiner Wut mit der Spitze seines Rüssels an dem Zweig, auf welchem die Sperlinge hausten und zerbrach ihn. Durch dessen Bruch zerschellten auch alle Eier des Sperlingsweibchens und wenig fehlte, daß auch die beiden Sperlinge ihr Leben dabei eingebüßt hätten. Das Weibchen aber, von Schmerz über die Zerstörung seiner Eier überwältigt, brach in Klagen aus und wurde gar nicht wieder vergnügt. Mittlerweile hörte ein Vogel, Baumhacker mit Namen, der ihr aufs höchste befreundet war, ihren Jammer, und aus Mitleid mit ihrem Schmerz besuchte er sie und sagte: „Ehrwürdige! Wozu das vergebliche Klagen? Denn man sagt ja: Was verloren, versäumt oder tot ist, beklagen die Klugen nimmermehr. Durch dieses gerade sind Kluge verschieden von den Törichten. Und so: Um Wesen soll man nicht klagen, nur wer ein Tor ist beklagt sie, denn er schafft sich Schmerzen auf Schmerzen und leidet doppelt Mißgeschick. Und ferner: Der Verwandten Schleim und Tränen genießt ungern der Tote nur: Drum nicht geweint! Vollzieh aber die Totenbräuche soweit du kannst.“

Das Sperlingsweibchen sagte: „Das ist wahr! Aber warum hat jener böse Elefant aus Wut meine Nachkommenschaft vernichtet? Wenn du in Wahrheit mein Freund bist, so sinne auf ein Mittel, diesem Auswurf von Elefanten den Tod zu bereiten, damit nach dessen Vollendung der Schmerz um den Verlust meiner Nachkommenschaft aufhöre. Man sagt ja: Fürwahr! Zum zweiten Mal geboren ist der Mann, der vergolten hat dem, der im Unglück ihm Hilfe oder auch Spott geboten hat.“

Der Baumhacker sagte: „Du sagst die Wahrheit. Es heißt auch: Ein Freund ist, wer treu im Unglück bleibt; auch wenn er zu fremdem Stamm gehört; denn im Glücke ist jedweder jeglichen Geschöpfes Freund. Und so: Ein Freund ist, wer im Unglück Freund ist; ein Sohn ist, welcher Sühne schafft; ein Diener ist, wer seine Pflicht kennt; und eine Gattin ist, die glücklich macht. So lerne denn die Macht meines Verstandes kennen! Ich habe aber auch noch einen Freund, eine Fliege mit Namen Vinarava („wie eine Leier tönend“). Zu der gehe ich und rufe sie zu Hilfe, damit dieser übelgesinnte Elefant getötet wird.“

Darauf ging er mit dem Sperlingsweibchen zur Fliege und sagte: „Liebe! Dieses Sperlingsweibchen, meine Freundin, ist von einem bösen Elefanten schwer verletzt worden, weil er all ihre Eier zerbrochen hat. Ich will nun versuchen, ihn zu töten, und dabei sollst du mir Beistand leisten!“

Die Fliege aber antwortete: „Liebe! Wozu bedarf es bei dieser Sache vieler Worte? Denn man sagt auch: Um der Wiedervergeltung willen erweisen sich Freunde Liebes; was aber von des Freundes Freunde geschieht, tut das der Freund nicht selbst? Das ist wahr! Aber auch ich habe einen sehr treuen Freund, einen Frosch namens Meghanada („wie eine Wolke tönend“). Auch den wollen wir zu Hilfe rufen und dann tun, was dienlich ist. Es heißt auch: Von Guten, Tugendhaften, Weisen, der heiligen Schriften Kundigen oder Klugen erdachte Ratschläge gelten nimmer für zweifelhaft.“

Darauf gingen sie alle drei zu Meghanada und teilten ihm die ganze Angelegenheit mit. Dieser aber sagte: „Wie groß ist denn ein solch elender Elefant im Vergleich zu einem Edlen, welcher heftig erzürnt ist? Drum laßt uns meinen Rat ausführen. Du, Fliege, geh um Mittag und mach im Ohre dieses vor Wut aufgeblähten Elefanten ein Geräusch, ähnlich den Tönen einer Leier, damit er vor Wollust über den Ohrenschmaus die Augen schließt. Alsdann hackt ihn Baumhacker mit seinem Schnabel die Augen aus. Blind und von Durst gequält, hört er dann mein und meines Gefolges Gequake, während wir uns auf den Rand einer Grube setzen. Er kommt heran, meinend es wäre da ein Teich, nähert sich der Grube, fällt hinein und kommt ums Leben. So müssen wir in Einverständnis wirken, damit unser Haß von Erfolg gekrönt wird.“

Nachdem dies darauf geschah, schloß der Elefant vor Vergnügen am Gesang der Fliege die Augen, verlor das Gesicht durch den Baumhacker, und indem er um die Mittagszeit von Durst gequält umherirrte, folgte er dem Gequake der Frösche, kam zu einer großen Grube, fiel hinein und starb. - Daher sage ich: Von dem Sperling und Baumhacker, der Fliege und dem Frosch wird durch die Feindschaft eines Edlen sogar ein Elefant zu Tode gebracht. (Diese Fabel erinnert auch an MHB 1.142.)

Der Strandläufer sagte: „Liebe, so soll es geschehen! Mit Hilfe aller meiner Freunde werde ich das Meer austrocknen.“ Nachdem er dies beschlossen hatte, rief er alle Vögel, die Kraniche, Störche, Gänse, Pfauen und so weiter zusammen und sprach: „Hört! Ich bin vom Meer schwer verletzt worden, weil es mir meine Eier geraubt hat. Drum laßt uns ein Mittel ersinnen, es auszutrocknen!“ Darauf fingen sie alle an, um seinem Leid abzuhelfen, mit den Flügeln das Meer zu schlagen. Da sprach ein Vogel: „Auf diese Art werden unsere Wünsche nicht erreicht. Sollen wir das Meer mit Erdklumpen und Staub ausfüllen?“ Nachdem dies gesagt war, nahmen alle zusammen Häufchen von Staub und Erde in die Höhlungen ihrer Schnäbel und machten sich daran, das Meer auszufüllen. Da sagte aber ein anderer: „Wir sind ganz und gar unfähig zu einem Kampf mit dem großen Ozean. Deswegen will ich hier raten, was der Zeit angemessen ist. Es gibt einen alten Schwan, welcher auf einem wilden Feigenbaum nistet, der wird uns, wenn wir ihn bitten, einen guten Rat geben. Wir wollen also zu ihm gehen und ihn fragen! Es heißt auch: Man soll der Alten Wort hören, Vielerfahrene sind wahrhaft alt; und des Alten Witz befreite eine im Wald gefangene Schwäneschar.“

Da fragten die Vögel „Wie war das?“, und jener sprach:


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