Ein König hatte an einem gewissen Ort ein sehr schönes Bett. In diesem wohnte, in der Mitte zwischen einem Paar reinweißer Tücher, eine weiße Laus, mit Namen Mandavisarpini („die langsam Kriechende“). Diese brachte da ihre Zeit vergnügt zu, indem sie sich von des Königs Blut nährte. Da kam eines Tages, herumirrend, eine Wanze namens Agnimukha („Feuermund“) in dieses Bett. Als jene diese erblickte, sprach sie mit betrübtem Gesicht: „Oh Agnimukha! Woher kommst du zu diesem dir nicht gebührenden Ort? Geh rasch weg, ehe dich noch jemand bemerkt!“ Diese antwortete: „Oh Glückliche! Selbst zu einem Schlechten spricht man nicht so, wenn er ins Haus kommt. Man sagt ja: «Komm! Willkommen! Setz dich hier nieder! Warum habe ich dich so lange nicht gesehen? Wie geht es? Bist du etwa krank? Auf dein Wohlsein! Ich bin erfreut, dich zu sehen!» So ziemt es sich immer für die Guten, selbst wenn ein Niederer zum Haus kommt. Dies ist, der heiligen Schrift gemäß, des Hausherrn Pflicht, die leicht ist und zum Himmel führt. Außerdem habe ich vieler Menschen verschiedenartiges Blut gekostet, welches wegen ihrer Nahrung von salzigem, beißendem, bitterem, zusammenziehendem und saurem Geschmack war. Aber noch niemals habe ich honigsüßes Blut geschmeckt. Wenn du mir nun eine Gnade erweisen willst, so laß mich das Glück genießen, mit der Zunge das süße Blut dieses Königs zu kosten, welches sich infolge des Genusses von mit mancherlei Gewürzen gekochten Speisen, Getränken, Leckereien und Naschereien in seinem Körper gebildet hat. Man sagt auch: Dem König wie dem Armen gewährt die Zunge gleiche Lust: Sie gilt allein als das Beste, und ihretwegen quält sich der Mensch. Und so: Wenn in der Welt keine Nahrung wäre, die der Zunge Vergnügen macht, dann würde keiner Dienst tun oder andern gehorsam sein. Deshalb macht ein Sterblicher für seinen Bauch alles: Er lügt, ehrt, was nicht der Ehre wert ist, und verläßt sogar seine Heimat. So muß auch ich, der ich von Hunger gequält in dein Haus komme, dich um Nahrung bitten: Es ziemt sich nicht, daß du allein dieses Königs Blut genießt.“
Nachdem sie dies gehört, sagte die Laus: „Höre Wanze! Ich will zuerst dieses Königs Blut kosten, nachher, sobald er im Schlaf liegt, darfst auch du, schnellfüßiger Agnimukha! Wenn du auf diese Weise mit mir das Blut trinken willst, so bleibe und koste das so sehr gewünschte Blut!“ Die Wanze antwortete: „Glückliche! Ich werde es so machen. Mich treffe der Götter und meiner weltlichen und geistlichen Eltern Fluch, wenn du nicht zuerst des Königs Blut kostest!“
Während sie so miteinander sprachen, legte sich der König ins Bett und fing an einzuschlafen. Die Wanze aber, deren Leidenschaft durch die Begehrlichkeit der Zunge aufgeregt war, biß den König, während er noch wachte. Sagt man ja doch mit Recht: Die eigene Grundnatur läßt sich durch keine Bitte verändern. Sogar sehr heiß gemachtes Wasser wird wieder kalt in kurzer Zeit. Wenn Feuer einmal kalt sein wird und der Kaltstrahlende (Mond) brennend heiß, alsdann wird man auch der sterblichen Grundnatur umwandeln können. Der König aber, welcher wie von einer Nadelspitze gestochen war, verließ das Lager, stand augenblicklich auf und rief: „He! Seht einmal nach! In dieser Decke versteckt sich sicherlich eine Wanze oder eine Laus, denn ich bin gebissen worden!“
Die Haremsdiener aber, welche gegenwärtig waren, schlugen eiligst das Deckbett zurück und stellten mit scharfen Blicken eine Untersuchung an. Mittlerweite war die Wanze durch ihre große Schnelligkeit ans Ende der Bettstelle gehuscht. Die Laus aber, die sich in die Falten des Bettzeugs verkrochen hatte, wurde von ihnen erblickt und umgebracht. - Daher sage ich: Wessen Charakter du nicht kennest, dem gib auch keine Zufluchtsstatt: Durch einer Wanze Schuld büßt die langsam Kriechende ihr Leben ein.
Indem du dieses beherzigst, mußt du ihn umbringen. Falls nicht, wird er dich töten. Man erzählt auch: Wer seine nächsten Freunde aufgibt und Fremde sich zu Freunden macht, der wird dem Tod anheimfallen, gleichwie König Kakudruma.“
Da fragte Pingalaka „Wie war das?“, und jener erzählte:
In einer gewissen Waldgegend wohnte ein Schakal mit Namen Chandarava („schrecklich schreiend“). Dieser drang einst, von Hunger überwältigt und von der Begierde seiner Zunge getrieben, in das Innere einer Stadt ein. Als ihn aber die in der Stadt hausenden Hunde allenthalben herumlaufen sahen, fingen sie an, ihn mit den Spitzen ihrer scharfen Zähne zu beißen. Schwer gequält stürzte er aus Furcht um sein Leben in das in der Nähe befindliche Haus eines Färbers. Da war nun ein großes Gefäß voll Indigo zubereitet, und von den Hunden verfolgt fiel er grade dahinein.
Als er aber herauskam, war er vom Indigo ganz blau gefärbt. Darauf liefen alle Hunde weg, da sie eine solche Art Schakal in ihrer Umgebung nicht kannten. Chandarava aber benutzte diese Gelegenheit und machte sich auf den Weg nach dem Wald, denn die Indigofarbe blieb an ihm haften. Man sagt ja: Sesamschminke, Toren, Weiber und Krebse, sowie auch Fische, Indigo und Trunkenbolde lassen nimmer, was sie gefaßt. Wie sie nun dieses völlig neue Tier erblickten, welches einen Glanz hatte, wir das Gift am Hals von Shiva, verloren sämtliche wilden Tiere, die Löwen, Tiger, Panther, Wölfe und so weiter vor Furcht die Besinnung, flüchteten nach allen Seiten und riefen: „Weh! Woher in aller Welt mag dieses nie vorher gesehene Tier hierhergekommen sein? Niemand weiß, was sein Treiben und wie seine Stärke ist. Drum laßt uns weggehen, soweit wie möglich! Man sagt ja: Wessen Treiben, Abstammung und Körperkraft man nicht kennt, dem vertraut niemals der Kluge, wenn ihm sein Wohl am Herzen liegt.“
Chandarava aber, als er sie von Furcht verwirrt sah, sagte Folgendes: „He! He! Ihr Tiere! Warum flieht ihr so erschrocken vor meinem Anblick? Fürchtet euch nicht! Brahman selbst hat mich heute vor sich gerufen und so angeredet: «Weil unter den Tieren kein König ist, so wirst du heute von mir unter dem Namen Kakudruma zum Herrn über alle Tiere gesalbt. Geh nun zur Erde und herrsche über sie alle!» Darauf bin ich hierhergekommen. Nun sollen alle Tiere beständig unter dem Schatten meines Schirmes wohnen! Ich, König Kakudruma, bin der König der Tiere in den drei Welten geworden!“
Nachdem sie dies gehört, umringten ihn die Tiere mit dem Löwen an der Spitze und sprachen: „Herr! Gebieter! Erteile deine Befehle!“ Darauf gab er dem Löwen die Stelle eines Ministers, dem Tiger die Bewachung seines Lagers, dem Panther die Oberaufsicht über den Betel, dem Elefanten das Amt des Torhüters und dem Affen das Tragen des Sonnenschirmes. Mit denjenigen aber, die zu seinem Geschlecht gehörten, sprach er nicht einmal ein Wort mehr: Alte Schakale wurden an den Hals gepackt und herausgeworfen. Indem er nun so das Königsamt verwaltete, töteten der Löwe und die übrigen Raubtiere das Wild und legten es ihm zu Füßen. Er aber verteilte es nach der Pflicht des Gebieters und gab einem jeden davon.
Indem so die Zeit verging, hörte er einst, während er sich im Staatsrat befand, aus der Ferne das Geschrei einer heulenden Schakal-Herde. Wie er diesen Ton vernahm, starrten ihm die Haare am Körper vor Freude in die Höhe, vor Ergötzen füllten sich seine Augen mit Tränen, er erhob sich und fing an, in schrillem Ton zu heulen. Als aber der Löwe und die übrigen Tiere diesen schrillen Ton hörten, erkannten sie „Das ist ein Schakal!“, standen einen Augenblick mit vor Scham zu Boden gesenktem Gesicht und sagten dann zueinander: „Ha! Wir haben uns von diesem lumpigen Schakal anführen lassen! Schlagt ihn tot! Schlagt ihn tot!“ Der Schakal aber, als er dies hörte, versuchte zu fliehen, wurde aber von dem Löwen und den übrigen Tieren sogar am ungeziemenden Orte (d.h. im Staatsrat, der gewissermaßen heilig ist) in Stücke gerissen und so getötet. - Daher sage ich: Wer seine nächsten Freunde aufgibt und Fremde sich zu Freunden macht, der wird dem Tod anheimfallen, gleichwie König Kakudruma.“
Nachdem er dies gehört, sagte Pingalaka: „He! Damanaka! Welchen Beweis hast du dafür, daß er gegen mich schlechtgesinnt ist?“ Dieser antwortete: „Majestät! Heute hat er in meiner Gegenwart den Entschluß gefaßt und gesagt: «Morgen will ich Pingalaka töten!» Und Folgendes diene dir in Bezug darauf als Beweis: Morgen wird er zu dem von ihm erwählten Zeitpunkt, Gesicht und Augen von Zorn gerötet, mit aufgeworfener Unterlippe in die Luft blickend, sich auf einen ungewohnten Platz niederlassen und dich mit wildem Blick betrachten. Dies beherzigend, tue, was angemessen ist!“
Nachdem er so gesprochen, verneigte er sich vor ihm und machte sich auf den Weg zu Sanjivaka. Sanjivaka aber, da er ihn nach Art eines Ängstlichen Schritt vor Schritt herankommen sah, sprach ehrfurchtsvoll zu ihm: „Oh Freund! Sei willkommen! Du hast dich lange nicht sehen lassen. Befindest du dich wohl? So sprich denn, damit ich dir, der du in mein Haus gekommen bist, das gebe, was man eigentlich nicht zu geben braucht. Denn man sagt auch: Die sind glücklich, die hochweise und auf Erden des Preises wert, zu deren Haus die Herzfreunde kommen, wenn es gilt, etwas zu tun.“
Damanaka sagte: „Wie kann sich ein Hofmann wohl befinden? Man sagt ja: Die sich dem Fürstendienst weihen, deren Glück hängt von andern ab. Ihr Herz ist nimmermehr ruhig und selbst ihr Leben stets in Gefahr. Und so: Siehe, was Diener tun, welche Reichtum durch Fürstendienst suchen: Selbst des eigenen Leibes Freiheit wird von den Toren eingebüßt. Und ein anderes: Ewige Armut, die in jedem Leben zu schwerem Leid zurückkehrt, ist gegen Fürstendienstnahrung eine unendlich kleinere Qual. Fünf sind es, die Vyasa, trotz ihres Lebens, dennoch unter die Toten zählt: der Arme, der Kranke und der Tor, der Verbannte und der Fürstenknecht. Sie essen nicht vor Diensteifer, stehen ungeschlafen wieder auf und mögen furchtlos kein Wort reden: Lebt da ein Fürstendiener noch? Wer den Fürstendienst ein Hundeleben nennt, der lügt, denn der Hund bewegt sich immer noch freiwillig, der Fürstendiener auf Befehl. Am Boden liegen, keusch leben, Abmagerung und schmale Kost: Darin sind die Diener den Büßern gleich. Doch Sünde und Tugend machen den Unterschied. Selbst Kälte, Hitze und sonstige Leiden, welche der Fürstendiener trägt, helfen ihm wenig zum Reichtum, wenn er nicht von der Tugend läßt. Ein noch so feiner, ganz reiner, dick und fetter und lieblicher Leckerbissen, was ist er wert, wenn er durch Fürstendienst erlangt wurde?“
Sanjivaka sprach: „Was willst du denn aber eigentlich sagen?“ Und jener antwortete: „Freund! Es geziemt sich nicht, daß Minister einen gefaßten Entschluß verraten. Denn man sagt auch: Wer, im Ministeramt stehend, seines Herren Beschluß verrät, der wird zur Hölle einfahren, weil er des Königs Werk zerstört. Wenn ein Minister seines Königs Geheimnisse ausplaudert, so ist er dessen «Schwertmörder», wie Narada verkündet hat. Trotzdem will ich wegen der Bande der Freundschaft, die mich an dich knüpfen, das Amtsgeheimnis brechen, weil du im Vertrauen auf mein Wort an diesen Königshof gekommen bist. Man sagt ja: Wenn einer, weil er jemandem vertraute, irgendwie den Tod erleidet, so ist sein Tod das Werk dessen, dem er vertraute: Das ist das Wort, das Manu sprach (der die indischen Gesetzbücher aufgestellt hat). Pingalaka ist nämlich gegen dich übelgesinnt, und heute hat er zu mir unter vier Augen gesagt: «Morgen bringe ich den Sanjivaka um und werde so meinem gesamten Gefolge auf lange Zeit Sättigung bereiten.» Darauf sagte ich zu ihm: «Oh Herr! Es ziemt sich nicht, durch Verrat am Freund seinen Lebensunterhalt zu erwerben.» Denn man sagt auch: Selbst eines Brahmanen Mord wird mittels Buße ausgesühnt, doch eines Freundes Mord niemals, und wenn man sich drum zerrisse. Darauf sagte er zu mir voll Unwillen: «Ha! Du Bösewicht! Sanjivaka ist ja ein Grasfresser, und wir sind Fleischfresser. Daher besteht zwischen uns eine auf unserm Grundwesen beruhende Feindschaft. Wie kann also ein Feind vor meinen Augen geduldet werden? Darum soll er durch eines der Mittel, deren erstes das Schmeicheln ist, getötet werden. Auch trifft uns durch seine Ermordung keine Schuld. Man sagt ja: Den Feind - und wäre es der eigene Schwiegersohn selbst - schafft der Verständige aus dem Weg. Ist es nicht auf andere Art möglich, so ist auch Mord nicht unerlaubt. Ob Recht oder Unrecht bedenke niemals der Krieger, der zum Kampf geht; wie auch Dhrishtadyumna vor Zeiten im Schlaf von Dronas Sohn ermordet wurde (siehe MHB 10.8). So bin ich denn, nachdem ich seinen Entschluß erfahren habe, zu dir hierhergekommen. Jetzt fällt keine Schuld der Treulosigkeit auf mich. Ich habe dir den wohlverheimlichten Beschluß kundgetan. Tue nun, was dir dagegen dienlich scheint!“
Sanjivaka aber, nachdem er diese Rede, furchtbar wie ein Donnerschlag gehört hatte, verlor einen Augenblick die Besinnung. Alsdann, nachdem er wieder zu sich selbst gekommen war, sagte er voll Kummer Folgendes: „Ach, mit Recht sagt man: Meist werden gute Frauen den Schlechten zuteil, lieblos ist der Könige Herz, Reichtum läuft dem Geizhals nach und die Wolke regnet auf dem Berg und Meer. Wer törichterweise bei sich denkt «Ich stehe in des Königs Gunst!», in dem erkenne einen Ochsen, der die Hörner verloren hat. Lieber im Wald hausen, lieber betteln, vom Lastentragen leben oder sogar krank sein, als Glücksgüter durch Beamtentum gewinnen. Darum habe ich unangemessen gehandelt, indem ich Freundschaft mit ihm schloß. Denn man sagt auch: Nur wo beide gleich an Reichtum und gleich an Art sind, da geziemt sich Ehe oder Freundschaft, doch zwischen Starken und Schwachen nicht. Und so: Der Hirsch begehrt sich mit dem Hirsch zu einen, Stier mit dem Stier, Rosse mit den Rossen, der Tor mit Toren und der Weise mit dem Weisen: Des Strebens und Charakters Gleichheit bildet Freundschaft. Drum wenn ich auch hingehe und ihn mir geneigt zu machen versuche, so wird er mir doch nicht gnädig werden. Denn man sagt auch: Wer aus irgendeinem Grund in heftigen Zorn geraten ist, wird sicherlich versöhnt, sobald der Grund entfallen ist. Wer aber ohne allen Grund die größte Feindschaft gefaßt hat, auf welche Weise könnte man diesen jemals zufriedenstellen? Ach! Was habe ich denn meinem Gebieter Pingalaka getan?“
Damanaka sprach: „Freund! Die Könige kennen keine Dankbarkeit und suchen andere zugrunde zu richten.“ Jener sagte: „So ist es! Mit Recht sagt man Folgendes: Treuergebenen, Verdienstvollen, des Freundes Bestem sich Widmenden, des Dienstes Regeln und Wesen Kennenden, selbst wenn sie frei sind von Verrat, liegt doch im schwankenden Herzen die Qual: Wird es gut gehen oder nicht? Drum ist der Dienst bei einem König wie der am Meer stets furchtgepaart. Und so: Eine Wohltat sogar von Liebe-Ergebenen wird verhaßt, und von anderen dient augenfällig eine Untat zur Liebe selbst: Weil der Könige mannigfach wechselvoller Sinn schwer zu ergründen ist, ist auch unergründlichst des Dieners Amt, von Heiligen selbst nicht zu bemustern.
Das aber sehe ich ein: Pingalaka ist von anderen in seiner Nähe Befindlichen, welche es nicht ertragen können, daß er mir gnädig ist, gegen mich aufgehetzt. Deswegen spricht er so von mir, obgleich ich schuldlos bin. Man sagt auch: es gibt Diener, die ertragen es nicht, wenn der Herrscher anderen gnädig ist. Selbst bei Wohltaten sind sie feindlich und voll Zorn, wie die Frauen eines Mannes. Und dies ist auch darum der Fall, weil, wo sich Begabte in der Nähe befinden, Unbegabten keine Gunst zuteil wird.
Doch nein! Es ist meine Schuld, weil ich mich in den Dienst eines schlechten Freunds begeben habe! Es heißt ja: Zur Unzeit handeln, unpassend reden und schlechtem Freund dienen: Das soll man nimmer! Sieh, wie der im Lotuswald schlafende Vogel vom Pfeil getötet wird, der vom Bogen schnellt.“
Da fragte Damanaka „Wie ist das?“, und Sanjivaka erzählte:
(Gesellschaft mit Schlechten bringt Verderben)
In einer gewissen Waldgegend ist ein sehr großer See, und da wohnte ein Schwan mit Namen Madarakta („der Freude geneigt“), und dieser brachte seine Zeit mit vielen und mannigfachen Spielen zu. Einstmals aber kam der sein Ende bringende Tod in Gestalt einer Eule zu ihm. Als er sie erblickte, sagte der Schwan: „He, Eule! Aus welchem Grunde kommst du hierher?“ Diese sprach: „Ich komme, weil ich von deinen Tugenden gehört habe. Denn auch: Die ganze Erde durchwandernd, einzig suchend der Tugend Schatz, fand ich als höchste nur deine. Darum habe ich mich dir genaht. Mit dir muß ich nun notwendigerweise mit Sorgfalt Freundschaft schließen. Denn sogar das Unreine wird sündenrein, wenn es in die Ganga kommt. Und auch: Die Muschel in Vishnus Hand ist rein, obgleich sie aus Knochen ist. Die Verbindung mit Hochwürdigem, wem gibt sie nicht Erhabenheit?“
Nachdem sie so geredet, bewilligte es der Schwan mit den Worten: „Ganz gern, oh lieber Freund! Lebe nach Lüsten mit mir zusammen in diesem großen See namens Sukhasevja („mit Vergnügen zu bewohnen“).“ Und so ging ihnen beiden die Zeit hin, indem sie sich unter Liebesbezeigungen miteinander vergnügten. Da sagte aber eines Tages die Eule: „Ich will zu meinem Wohnort Padmavana („Lotuswald“) zurückkehren! Wenn dir an dem Liebesbündnis mit mir etwas gelegen ist, so mußt du mich unbedingt als mein Gast besuchen.“ Nachdem sie so gesprochen hatte, ging sie nach ihrem Wohnort. Im Verlauf der Zeit bedachte aber der Schwan: „Ich lebe an diesem Orte ohne einen Gefährten und kenne auch sonst weiter niemand, drum will ich jetzt zu dieser meiner lieben Freundin, der Eule, gehen, da werde ich einen ganz neuen Vergnügungsplatz und ganz neue Speisen kennenlernen.“ Nachdem er so überlegt hatte, ging er zur Eule. Im Lotuswalde aber sieht er sie nicht. Und wie er sie mit großer Sorgfalt sucht, so erblickt er die Eule in einer abscheulichen Höhle und spricht zu ihr: „Liebe, komm herbei! Komm herbei! Ich, dein lieber Freund der Schwan bin da!“ Nachdem die Eule dies gehört hatte, sagte sie: „Ich gehe bei Tage nicht aus! Unsere Zusammenkunft kann erst stattfinden, wenn die Sonne untergegangen ist.“ Als er dies gehört und sehr lange Zeit gewartet hatte, kam er in der Nacht mit der Eule zusammen. Nachdem er sich nach ihrem Befinden und anderem erkundigt, legte er sich, vom Wege ermüdet nieder und schlief am selben Orte ein.
An diesem See aber hatte eine große Karawane von Kaufleuten ihr Nachtlager aufgeschlagen. Als nun der Herr der Karawane zur Zeit der Morgendämmerung aufgestanden war, ließ er mit der Muschel das Zeichen zum Aufbruch geben. Da stieß die Eule einen mißtönenden Schrei aus und flog dann wieder in einen Höhlenspalt, der Schwan aber blieb wo er war. Darauf wurde das Herz des Gebieters der Karawane durch das böse Vorzeichen in Schrecken gesetzt. Er gab einem Bogenschützen, welcher die Kunst verstand, bloß nach der Richtung eines Tones zu treffen, seinen Befehl, und dieser spannte seinen Bogen straff an, zog den Pfeil bis zu seinem Ohrschmuck und tötete den in der Nähe des Eulennestes übernachtenden Schwan. - Daher sage ich: Zur Unzeit handeln, unpassend reden und schlechtem Freund dienen: Das soll man nimmer. Sieh, wie der im Lotuswald schlafende Vogel vom Pfeil getötet wird, der vom Bogen schnellt.
Man sagt auch: Vor den Gaben des Hochedlen schwinden selbst die Gaben der Begabten; bei Nacht erstrahlt das Licht der Flamme, aber nicht mehr, wenn die Sonne scheint.“
Damanaka sagte: „Ach Freund! Wenn es so ist, so hast du nichts zu fürchten. Wenn er auch durch diese Bösewichter aufgereizt ist, so wird er doch durch deine Beredsamkeit zur Gnade zurückkehren.“ Jener antwortete: „Ach! Was du sagst, ist nicht richtig. Man kann sich selbst in der Mitte unbedeutender Bösewichter nicht aufrechterhalten. Sie wenden eine andere Hinterlist an und verderben sicherlich. Denn es heißt auch: Viele niedere Schlauköpfe, die sich alle durch Pfiffigkeit ernähren, können Recht zu Unrecht machen, wie Krähe und Sippschaft beim Kamel.“
Da fragte Damanaka „Wie war das?“, und jener erzählte:
In einer Waldgegend lebte einst ein Löwe namens Madotkata („der vor Stolz Wütende“), und dessen Diener waren ein Panther, eine Krähe und ein Schakal. Indem diese aber einst hier und da herumschweiften, sahen sie ein von einer Karawane abgekommenes Kamel namens Krathanaka. Der Löwe sagte darauf: „Erkundigt euch doch, ob es ein Waldtier ist oder ein Haustier!“ Nachdem sie dies gehört, sagte die Krähe: „Oh Herr! Dies ist ein Haustier, Kamel genannt, eine Art Geschöpf, welches du fressen kannst. Deshalb laß es umbringen!“ Der Löwe sagte: „Ich töte keinen Gast, der in mein Haus gekommen ist. Man sagt auch: Sogar wer seinen Feind ermordet, wenn er furchtlos vertrauensvoll ins Haus ihm trat, dessen Schuld gleicht dem Mord von hundert Brahmanen. Darum versprecht ihm vollständige Sicherheit und führt es zu mir, damit ich es nach dem Grund seiner Hierherkunft frage.“
Darauf forderten alle zusammen das Kamel auf, Vertrauen zu fassen, versprachen ihm Sicherheit und führten es vor den Löwen. Nachdem es sich ehrfurchtsvoll verbeugt hatte, setzte es sich nieder. Alsdann erzählte es auf dessen Befragen seine ganze Geschichte von der Zeit an, wo es von der Karawane abgekommen war. Darauf sagte der Löwe: „Oh Krathanaka! Gehe nicht zum Dorf zurück, um dich wieder der Qual des Lasttragens zu unterziehen. Bleib furchtlos bei mir hier im Wald und genieße die smaragdgleichen vortrefflichen Gräser!“ Das Kamel sagte „So sei es!“ und hauste nun vergnügt in der Mitte von ihnen, indem es bei sich dachte: „Ich brauche mich vor nichts in aller Welt zu fürchten.“
Eines Tages nun hatte der Löwe mit einem großen im Walde lebenden Elefanten einen Kampf. Da erhielt er durch dessen mörserkeulengleichen Stoßzahn eine Wunde, und wenig fehlte, daß er infolge davon das Leben eingebüßt hätte. Sein Körper wurde aber so schwach, daß er nicht einmal den Fuß irgendwohin bewegen konnte. Da gerieten die Krähe und die übrigen durch seine Ohnmacht alle in Hungersnot und schweres Leid. Der Löwe aber sagte zu ihnen: „He da! Sucht irgendwo irgendein Tier, damit ich, obgleich ich in diesem Zustand bin, es töte und euch Nahrung verschaffe.“ Darauf fingen sie alle vier an herumzuschweifen. Da sie aber gar nichts erblickten, so hielten die Krähe und der Schakal miteinander Rat. Der Schakal sprach: „He, Krähe! Wozu das viele Herumschweifen? Da steht ja das Kamel voll Vertrauen auf unsern Herrn. Laß es uns töten! Das gibt Lebensunterhalt für das ganze Gefolge.“ Die Krähe antwortete: „Ach! Du sprichst ganz angemessen. Aber der Herr hat ihm Sicherheit versprochen. Darum darf es nicht getötet werden.“ Der Schakal sagte: „Oh Krähe! Ich werde durch meine Vorstellungen den Herrn umstimmen, daß er es umbringt. Drum bleibe du hier, bis ich nach Hause gegangen bin, des Herrn Befehl empfangen habe und wieder zurückkehre.“
Nachdem er so gesprochen hatte, machte er sich eilig auf den Weg zum Löwen. Dort angekommen sprach er folgendes: „Oh Herr! Herumschweifend haben wir den ganzen Wald durchsucht, aber kein einziges Tier angetroffen. Was sollen wir nun tun, da wir vor Hunger nicht einmal einen Fuß mehr vorwärts bewegen können? Auch Majestät scheint etwas Nahrhaftes essen zu müssen. Wenn sie daher befiehlt, so ließe sich jetzt aus dem Fleisch des Kamels ein nahrhaftes Mahl bereiten.“
Als aber der Löwe diese seine abscheuliche Rede hörte, sagte er von Zorn erfüllt: „Pfui, pfui! du gemeinster Bösewicht! Wenn du das noch einmal sagst, so werde ich dich augenblicklich umbringen. Da ich ihm Sicherheit versprochen habe, wie kann ich ihn nun selbst töten! Man sagt ja: Weder die Kuhspende, noch die Land- oder Speisespende ist das Höchste, sondern nach der Weisen Urteil steht an aller Spenden Spitze die Spende der Furchtlosigkeit. Sämtliche Opfer, mit den vortrefflichsten Spenden vollzogen, wiegt eines einzigen angstvollen Geschöpfes Lebensversicherung auf.“
Nachdem er dies gehört, sagte der Schakal: „Oh Herr! Wenn das Kamel im Vertrauen auf die ihm gewährte Sicherheit umgebracht wird, dann begehst du eine Sünde. Aber, wenn es aus Ergebenheit gegen deine Majestät sein Leben von selbst anbietet, dann begehst du keine Sünde. Wenn es sich daher selbst zum Tode anträgt, dann darf es getötet werden, oder einer von uns muß umgebracht werden. Denn Majestät bedarf einer nahrhaften Speise und geht, wenn der Hunger nicht gestillt wird, der Auflösung entgegen. Wozu haben wir aber unser Leben, wenn wir es nicht zum Nutzen unseres Herrn fahren lassen? Wenn Majestät etwas Unangenehmes zustößt, dann ist es unsre Pflicht, selbst rückwärts ins Feuer zu gehen. Man sagt auch: Das Leben eines Oberhauptes ist auf jede Art zu wahren; wenn er dahin ist, ist auch das ganze Haus vernichtet: Denn Räder fahren nimmermehr, wenn ihre Nabe zerbrochen wurde.“
Nachdem er dies gehört, sagte der Löwe: „Wenn dem so ist, so tue was dir gut erscheint.“ Als der Schakal dies vernommen, ging er eilig zurück und sagte zu allen: „Hört, hört! Der Herr befindet sich sehr schlecht. Das Leben sitzt ihm schon in der Nasenspitze. Wozu also das Herumjagen? Wer wird uns in diesem Walde beschützen, wenn er nicht mehr ist? Drum laßt uns gehen und ihm, den die Krankheit namens „Hunger“ in die andere Welt treiben will, unsere eigenen Leiber zum Geschenk machen, damit wir unsere Schuld für des Herrn Gnade abzahlen. Man sagt ja: Der Diener, unter dessen Augen den Herrn ein Mißgeschick betrifft, fährt bei lebendigem Leibe hinunter in den Höllenschlund.“
Darauf gingen sie sogleich alle mit Tränen in den Augen zum Löwen, verbeugten sich und setzten sich nieder. Als er sie um sich sah, sagte der Löwe: „Ach! Habt ihr irgendein Tier gefangen oder gesehen?“ Darauf antwortete die Krähe aus ihrer Mitte: „Oh Herr! Wir sind schon allenthalben umhergerannt, haben aber kein Tier weder gefangen noch gesehen. Deshalb möge der Herr jetzt mich verzehren und dadurch sein Leben fristen: So wird Majestät sich erquicken, und ich werde in den Himmel kommen. Denn man sagt auch: Der Diener, welcher treusinnig für seinen Herren das Leben läßt, gewinnt die höchste Rangstufe, von Alter frei und frei von Tod.“
Nachdem der Schakal dies gehört, sagte er: „Ach! Dein Körper ist sehr klein. Wenn er dich auch verzehrt, so wird das dem König das Leben doch nicht fristen. Außerdem ist es auch schädlich. Man sagt auch: Der Hund sogar verschmäht Krähenfleisch; selbst wenig davon ist ungesund. Wozu auch eine Speise essen, an der man sich nicht sättigen kann? Du hast nun deine Ergebenheit gegen den Herrn bewiesen und deine Verpflichtung für des Herrn Nahrung abgetragen. Auch hast du dir in beiden Welten einen guten Leumund erworben. Darum tritt zurück, damit auch ich den Herrn anreden kann!“
Nachdem so geschehen, verbeugte sich der Schakal ehrfurchtsvoll und sagte: „Oh Herr! Erhalte dein Leben heute durch meinen Leib und laß mich beide Welten erwerben! Denn man sagt auch: Dem Herrn gebührt des Dienstmannes Leben, da er es durch Sold erwarb. Darum begeht er auch keine Sünde, wenn er es ihnen nimmt.“
Als er aber dieses gehört, sagte der Panther: „Ah, du hast schön gesprochen! Aber auch dein Körper ist sehr klein, und da Krallen deine Waffen sind, so gehörst du zu demselben Geschlecht und darfst deshalb nicht von ihm gefressen werden. Man sagt ja: Kein Weiser esse Verbotenes, wäre der Tod ihm auch noch so nah, zumal wenn es, obgleich wenig, ihn doch um beide Welten bringt. Du hast deine Blutsfreundschaft nun bewiesen. Sagt man ja doch mit Recht auch Folgendes: Darum heben die Erdenherrscher ihre Verwandten zu sich empor, denn diese ändern sich nimmer, nicht anfangs, mitten und nicht am Ende. Deswegen tritt zurück, damit auch ich mir des Herrn Gnade erwerbe.“
Nachdem so geschehen, verbeugte sich der Panther und sprach zum Löwen: „Oh Herr! Nimm jetzt meinen Leib zu deinem Lebensunterhalt. Im Himmel soll mir eine ewige Wohnung zuteil werden, und auf Erden mein Ruhm sich in die weiteste Ferne erstrecken! Drum trage du kein Bedenken hierbei! Man sagt ja: Treuergebenen Dienstleuten, die für ihren Herrn gestorben sind, wird ewige Wohnung im Himmel und auf Erden großer Ruhm zuteil.“
Nachdem er dies gehört, dachte das Kamel: „Sie haben doch schöne Worte ausgesprochen, und der Herr hat keinen einzigen umgebracht. Darum will auch ich Angemessenes vortragen, damit sie alle drei meine Rede loben.“ Nachdem er sich so entschlossen hatte, sprach er: „Ach! Was du sagst ist angemessen. Allein auch du bist ein Krallenkämpfer! Wie kann also der Herr dich fressen? Man sagt auch: Wer sogar nur im Geist Unbilden gegen sein Geschlecht hegt, den treffen ebendieselben in dieser und in jener Welt. Darum tritt du zurück, damit ich den Herrn anrede!“
Nachdem so geschehen, trat das Kamel hervor, verbeugte sich und sprach: „Oh Herr! Diese darfst du ja doch nicht essen. Deswegen laß dir meinen Leib zum Lebensunterhalt dienen, damit ich beide Welten gewinne. Denn man sagt auch: Nicht Opfernde und auch keine Büßer erreichen solchen hohen Rang, als brave Fürstendienstleute, die für den Herrn sich opferten.“
Nachdem es so gesprochen hatte, rissen ihm auf des Löwen Erlaubnis der Panther und der Schakal den Bauch auf, die Krähe hackte ihm die Augen aus, und das Kamel büßte sein Leben ein. Alsdann wurde es von allen diesen gemeinen Schlauköpfen aufgefressen. - Daher sage ich: Viele niedere Schlauköpfe, die sich alle durch Pfiffigkeit ernähren, können Recht zu Unrecht machen, wie Krähe und Sippschaft beim Kamel.“
Nachdem er diese Geschichte erzählt hatte, sagte Sanjivaka weiter zu Damanaka: „Dieser König hat eine gemeine Umgebung, die denen, welche seinen Schutz gesucht haben, kein Heil gewährt. Besser ein geiergleicher König von Schwänen umgeben, als ein schwanengleicher König, dessen Umgebung Geier bilden: Denn von einem Gebieter, welcher Geier als seine Umgebung hat, gehen viele Untaten aus, und durch diese ist er mächtig zum Verderben. Deshalb soll man den ersteren unter diesen beiden vorziehen. Ein König, der sich durch die Worte von Schlechten leiten läßt, ist unfähig zu gerechter Erwägung. Man hört auch Folgendes: Weil der Schakal dir zur Seite steht wie auch die scharfgeschnäbelte Krähe, drum flüchte ich den Baum aufwärts, denn die Umgebung gefällt mir nicht.“
Da fragte Damanaka „Wie ist das?“, und Sanjivaka erzählte: