Pushpak Panchatantra Buch 1Zurück WeiterNews

7. Erzählung - Die Krähen und die Schlange

In einer gewissen Gegend wuchs ein großer Feigenbaum. Darauf hatte sich ein Krähenpaar ein Nest gebaut und wohnte darin. Da kam nun jedesmal zur Brutzeit aus einer Höhlung dieses Baumes eine schwarze Schlange und fraß die Jungen dieser beiden. Darauf gingen sie voll Verzweiflung zu einem Schakal, welcher an der Wurzel eines andern Baumes hauste und ihr geliebter Freund war, und sprachen zu ihm: „Lieber! Was können wir beide tun? Diese böse schwarze Schlange kommt aus einer Höhlung des Baumes und frißt unsere Jungen. Sag uns ein Mittel, dies abzuwenden. Wessen Feld an einem Flußufer, wessen Weib mit einem andern buhlt, und der, in dessen Haus Schlangen leben, wie wäre dessen Herz von Sorgen frei? Und ein anderes: In einem Hause voll Schlangen zu wohnen, ist der sichere Tod. Wohnt die Schlange am Dorfende, ist schon das Leben in Gefahr. So sind auch wir, indem wir da wohnen, Tag für Tag in Lebensgefahr.“

Der Schakal antwortete: „Macht euch euretwegen nicht die geringste Sorge! Natürlich kann der Vielfraß nicht ohne List getötet werden. Man sagt ja: Ein Sieg, wie ihn die List gewährt, wird uns nie durch Waffen zuteil: Wer schlau ist, wenn von Gestalt auch klein, der unterliegt selbst Helden nicht. Und so: Nachdem er viele Fische verzehrt hatte, große, kleine und mittlere, da starb aus zu großer Freßgier doch der Kranich durch des Krebses Griff.“

Da fragten jene „Wie war das?“, und er antwortete:

8. Erzählung - Der Kranich und der Krebs

In einem Wald befand sich ein großer Teich mit mancherlei Fischen darin. Und ein Kranich, welcher da seinen Sitz hatte, war alt geworden und unfähig, Fische zu fangen. Die Kehle von Hunger abgezehrt, setzte er sich darauf an das Ufer des Teichs und weinte, den Erdboden mit Tränen, so dick wie Perlen, benetzend. Den Hals gekrümmt und auf einem Fuß, wie auf einem Stengel, stehend, wußte es der schurkische Kranich so einzurichten, daß ihn die dummen Fische für eine Lotusblume halten konnten. Da kam ein kleiner Krebs herbei, zusammen mit mancherlei Wassertieren, und von des Kranichs Schmerz gerührt, sprach er ehrfurchtsvoll Folgendes: „Lieber! Warum beschäftigst du dich heute nicht mit der Erwerbung deines Unterhalts? Du tust ja nichts als mit tränenerfüllten Augen zu seufzen!“ Jener antwortete: „Kind! Deine Bemerkung ist richtig. Ich bin in der Tat ein Fischfresser, aber ich habe allem Irdischen entsagt und bin jetzt daran, mich zu Tode zu fasten. Darum esse ich keine Fische, selbst wenn sie mir nahe kommen.“

Der Krebs, nachdem er dies gehört, fragte: „Lieber! Was ist der Grund, daß du allem Irdischen entsagt hast?“ Jener antwortete: „Mein Kind! Ich bin an diesem Teich geboren und alt geworden. Nun habe ich gehört, daß eine zwölfjährige Dürre nahe bevorsteht.“ Der Krebs sagte: „Von wem hast du das gehört?“ Der Kranich antwortete: „Aus dem Munde eines Sterndeuters. Denn Saturn, Mars und Venus werden mitten im Wagen der Rohini aufgehen. Und Varahamihira (ein großer indischer Astronom) hat gesagt: Wenn der Sprößling der Sonne der Rohini Wagen hier in der Welt zerspaltet, dann entsendet Gott Vishnu zwölf Jahre hindurch kein Tröpfchen Regen zur Erde. Und so: Wenn Rohinis Wagen geteilt, vollzieht die Erde, als hätte sie gesündigt, von Asche und Knochen bestreut, gleichsam das Gelübde des Tragens einer Schädelkette. Wenn also Mars oder der Sonne Sohn oder der niedersteigende Knoten den Wagen der Rohini spaltet, warum sollte ich es nicht verkünden, daß dann in feindlichem Meer die gesamte Welt zerstört wird? Und auch: Dringt mitten in Rohinis Wagen der Mond, dann irrt der Mensch hilflos umher, ißt das Fleisch gekochter Kinder und schlürft das Wasser aus Töpfen, die von der Sonne glühen. Dann wird dieser Teich kaum noch Wasser enthalten; rasch wird er austrocknen, und sobald er trocken ist, werden die, mit welchen ich aufgewachsen bin und gespielt habe, allesamt aus Mangel an Wasser umkommen. Nun bin ich nicht fähig, die Trennung von diesen mit anzusehen. Darum habe ich dieses Zutodefasten über mich genommen. Jetzt werden bereits alle Wassertiere, welche sich in Teichen von wenig Wasser befinden, von ihren Leuten in Teiche mit vielem Wasser gebracht, und einige, wie der Makara, der Alligator, der Delphin, der Wasserelefant und andere gehen selbst dahin. Aber die Wassertiere in diesem Teich sind ganz gedankenlos. Darum insbesondere weine ich, weil sie hier auch nicht einmal nur einen Samen von sich retten werden.“

Der Krebs nun, nachdem er diese Rede gehört, tat sie auch den übrigen Wassertieren kund. Diese aber, Fische, Schildkröten und die übrigen, das Herz von Furcht erschreckt, gingen darauf zu dem Kranich und sagten: „Lieber! Gibt es ein Mittel, wodurch wir uns retten können?“ Der Kranich antwortete: „Nicht sehr weit von dieser Wasserstelle ist ein großer Teich, mit viel Wasser und einem Wald von Lotusblumen geschmückt. Der trocknet nicht aus, wenn auch der Regengott vierundzwanzig Jahre lang keinen Regen schickt. Wenn nun einer auf meinen Rücken steigen will, so führe ich ihn dahin.“ Darauf faßten die Wassertiere Vertrauen zu ihm, umringten ihn von allen Seiten und riefen: „Vater! Onkel! Bruder! Ich zuerst! Ich zuerst!“

Der Bösewicht aber ließ sie, einen nach dem andern, auf seinen Rücken steigen, ging nach einem vom Teich nicht weit entfernten großen Fels, warf sie darauf und schmauste sie dann nach Belieben. Dann kehrte er zum Teich zurück, erfreute die Herzen der Wassertiere durch falsche Berichte über ihr Wohlbefinden und verschaffte sich auf diese Weise seine Nahrung.

Eines Tages sagte der Krebs zu ihm: „Lieber! Mit mir hast du zuerst liebevolle Rede gepflogen. Warum übergehst du mich nun und trägst die andern weg? Darum besorge jetzt die Rettung meines Lebens!“ Als er dieses hörte, dachte der Bösewicht: „Ich bin des Fischfleisches überdrüssig; drum soll mir dieser Krebs heute als Würze dienen.“ Dann sagte er „Ja“, ließ ihn auf seinen Rücken steigen und machte sich auf den Weg nach dem Richtstein. Der Krebs aber, da er schon aus der Ferne auf dem Stein einen Knochenberg erblickte und die Fischgräten erkannte, fragte ihn: „Lieber! Ist der Teich noch weit? Bist du durch meine Last sehr ermüdet? Sag doch!“ Er aber, indem er dachte „Das ist ein dummes Wassertier! Auf dem Trocknen ist es ohnmächtig.“, antwortete lächelnd: „Krebs! Wo ist an einen andern Teich zu denken? Dies ist die Art, wie ich mir meine Nahrung erwerbe. Darum empfiehl dich jetzt deiner Schutzgottheit! Denn auch dich werde ich auf diesen Stein werfen und fressen!“

Kaum hatte er das gesagt, als sein zarter, wie Lotusstengel lieblicher Hals durch die Schere des Krebses gepackt und zugeschnürt wurde und er bald tot war. Dieser nahm darauf diesen Hals des Kranichs und ging Schrittchen vor Schrittchen zum Teich zurück. Da wurde er nun von allen Wassertieren gefragt: „He! Krebs! Warum bist du zurückgekommen? Ist dem Vogel etwas zugestoßen? Auch ist ja dein Onkel nicht mit zurückgekehrt. Warum zögert er? Wir stehen hier alle voll Begierde und Erwartung.“ Nachdem sie so gesprochen, sagte der Krebs spottend: „Ihr Toren! Dieser hat alle Fische betrogen, sie nicht weit von hier auf einen Stein geworfen und aufgefressen. Ich habe noch bei lebendigem Leibe die Absicht dieses Treulosen erkannt und hier seinen Hals mitgebracht. Weg nun mit der Angst! Von jetzt an dürfen alle Wassertiere vergnügt sein!“

Daher sage ich: Nachdem er viele Fische verzehrt hatte, große, kleine und mittlere, da starb aus zu großer Freßgier doch der Kranich durch des Krebses Griff.“

Fortsetzung der 7. Erzählung

Das Krähenmännchen sagte: „Lieber! Sprich nun, wie wird der Tod dieser bösen Schlange bewirkt werden können?“ Der Schakal antwortete: „Geh in irgendeine Stadt, in welcher ein König residiert! Da nimm irgendeines reichen sorglosen Mannes, des Königs, des Ministers oder eines andern Gold- oder Perlenkette und wirf sie in die Höhlung des Baumes! So wird die Schlange leicht getötet werden.“

Krähenmännchen und Weibchen flogen sogleich in die Höhe und kamen nach einer Stadt. Wie sich darauf das Krähenweibchen in einem Lustwald, in welchen sie gekommen waren, umsieht, so spielt da irgendeines Königs Harem im Wasser und neben dem Wasser liegen goldene Ketten, Perlenhalsbänder und Armbänder. Da nimmt das Krähenweibchen eine goldene Kette und macht sich damit auf den Weg nach seinem Baum. Als nun die Diener des Harems und die Eunuchen bemerkten, daß diese weggenommen war, so ergriffen sie Stöcke und eilten hinterher. Die Krähe aber warf die goldene Kette in die Höhlung der Schlange und machte sich dann weg, soweit sie kommen konnte. Wie nun des Königs Diener den Baum bestiegen und diese Höhlung erblickten, so steht da die schwarze Schlange mit ausgebreitetem Kamm. Darauf erschlugen sie sie mit den Stöcken, nahmen die goldene Kette und kehrten zurück. Das Krähenpärchen aber lebte seit dieser Zeit in Freude.

Daher sage ich: Durch Hinterlist ist ausführbar, was Gewalt nicht zustande bringt: Vermittelst einer Goldkette schuf die Krähe der Schlange Tod. Und so: Ein schwacher Feind, dessen vor Übermut blind und sorglosen Sinns die Helden zuerst nicht achten, wo er noch leicht zu bemeistern war, wird dann, einer Krankheit gleich, unüberwindlich mächtig. So gibt es nichts in dieser Welt, was Weise nicht zu bemeistern vermöchten. Man sagt auch: Wer Verstand hat, der hat Stärke. Woher hätte der Dumme Kraft? Sieh nur! Ein Löwe, vor lauter Stolz ganz ohne Vernunft, wurde von einem Häschen zu Tod gebracht.“

Da fragte Karataka sagte „Wie war das?“, und jener erzählte:

9. Erzählung - Der Löwe und der Hase

In der Mitte eines Waldes lebte ein Löwe namens Bhasuraka (der „Heldenhafte“). Dieser nun brachte infolge seiner übermäßigen Stärke ohne Unterbrechung viele Gazellen, Hasen und andere Tiere um. Da versammelten sich eines Tages alle Geschöpfe des Waldes: Gazellen, Eber, Büffel, Hasen und so weiter, gingen zu ihm und sagten: „Oh Herr! Wozu diese unnütze Ermordung alles Wildes, da ja schon ein Tier genügt, um dich zu sättigen? Schließe deswegen mit uns eine Übereinkunft: Von heute an magst du hier ruhig sitzen bleiben und jeden Tag soll nach der Reihenfolge der Geschöpfe ein Tier zu dir kommen, um sich von dir fressen zu lassen. Auf diese Weise wird dir doch dein Lebensunterhalt ohne Anstrengung zuteil, und wir andrerseits werden nicht ausgerottet. Das ist Königsrecht und demgemäß möge gehandelt werden. Man sagt auch: Wer seine Herrschaft allmählich genießt, wenn sie Früchte bringt, wie der Weise den Allheiltrank, dem wird höchstes Gedeihen zuteil. Selbst rauher Boden und Holzscheite, wenn nach Vorschrift mit Segensspruch bewegt, geben den Opferspeisenden die Früchte. Wer gut des Untertans waltet, vermehrt seines Himmels Schatz. Doch Tyrannei zerstört Tugend und führt Sünde und Schimpf herbei. Gleichwie der Kuhhirte durch Weide mäßig Milch von den Kühen zieht, so ziemt es sich, mäßig durch Hüten Geld vom Untertan zu ziehen. Der Fürst, der seine Schützlinge aus Torheit ermordet, Ziegen gleich, der wird nur einmal sich freuen, doch nimmermehr zum zweiten Mal. Ein König, der nach Frucht strebt, pflege die Welten eifrig mit Spende und Ehre, wie der Gärtner seine Schößlinge mit Wasser. Der Fürst gleicht einer Lampe: Wie diese das Öl, so zieht er den Reichtum von seinen Untertanen an sich, ohne daß es dort wegen der leuchtenden, in der Lampe befindlichen Fäden des Dochtes, hier wegen der glänzenden inneren Eigenschaften des Königs von irgend jemand bemerkt wird. Wie man Kühe zur rechten Zeit melkt, so warte man des Untertans. Der Strauch, der Blüten und Frucht trägt, wird begossen und wohlgehegt. Gleichwie ein zarter Baumschößling, wenn er mit Sorgfalt gepflegt wird, Früchte zu seiner Zeit spendet, so auch die Welt, wenn sie gut regiert wird. Gold, Getreide und Juwelen, Roß und Wagen mancher Art und so auch, was sie sonst haben, kommt den Fürsten vom Untertan. Fürsten, welche der Welt wohltun, nehmen immer an Segen zu: Wenn sie die Welt zugrunde richten, so gehen sie sicher selbst zugrunde.“

Als der Löwenkönig diese ihre Rede gehört hatte, sagte er: „Ach! Was ihr sagt, ist wahr. Aber wenn, während ich hier sitze, nicht immer ein Tier zu mir kommt, dann werde ich euch alle zusammen auffressen.“

Darauf gaben sie mit den Worten „So sei es!“ ihr Versprechen und schweiften nun, frei von Gefahr, furchtlos in diesem Walde umher. Jeden Tag kam aber, der Reihenfolge gemäß, ein Tier zu ihm. Ein altes oder eines, welches allem Irdischen entsagt hatte, oder ein von Kummer verzehrtes, oder eines, welches den Verlust von Frau und Kindern fürchtete, stellte sich aus ihrer Mitte um die Mittagszeit bei ihm ein, um ihm zur Speise zu dienen (siehe auch Markandeya Kapitel 120).

So kam denn einst, gemäß der Ordnung der Geschöpfe, die Reihe an den Hasen, und so wenig es ihm gefiel, wurde er doch von allem Wild fortgeschickt. Indem er nun so langsam als möglich ging, überschritt er die bestimmte Zeit und mit angstvollem Herzen nach einem Mittel suchend, um dem Tod zu entgehen, kam er erst gegen Ende des Tages an. Der Löwe aber, dessen Kehle infolge der Überschreitung der bestimmten Zeit von Hunger gereizt war, war voll Zorn, beleckte ringsum die Winkel seines Rachens und dachte: „Aha! Morgen muß ich alle Geschöpfe im Wald ausrotten!“ Indem er so dachte, kam das Häschen Schrittchen vor Schrittchen anmarschiert, verbeugte sich und stellte sich ihm gegenüber. Als nun der Löwe sah, daß dieses sonst so leichtfüßige Geschöpf so spät erst herangekommen war, wurde er ganz von Zorn entflammt und sprach drohend: „Ha! Du lumpiges Häschen! Gerade du, der sonst der Leichtfüßigste ist, kommst lange nach der festgesetzten Zeit! Wegen dieses Verbrechens werde ich, nachdem ich dich getötet, morgen alle Tiere zusammen ausrotten.“ Darauf sprach das Häschen demütig, nachdem es sich verneigte: „Oh Herr! Es ist hier weder von meiner Seite noch von seiten der übrigen Tiere etwas versehen. Mögest du die Veranlassung hören wollen!“ Der Löwe sagte: „So tue sie rasch kund, bevor du zwischen meine Zähne gerätst!“

Das Häschen sprach: „Oh Herr! Nachdem ich von sämtlichem Wild erfahren habe, daß heute nach der Ordnung der Geschöpfe die Reihe an mir sei, dem sehr Leichtfüßigen, wurde ich mit vier Hasen fortgeschickt. Nachdem ich darauf unterwegs war, wurde ich von einem großen anderen Löwen, der aus einer Höhle kam, angeredet: «He da! Wohin geht ihr? Empfehlt euch eurer Schutzgottheit!» Darauf antwortete ich: «Wir gehen, kraft des Vertrages, zu unserm Herrn Bhasuraka, um ihm als Futter zu dienen.» Darauf sagte er: «Wenn dem so ist, so müssen sämtliche Tiere auch mit mir einen Vertrag schließen, denn mir gehört dieser Wald. Dieser Bhasuraka ist ein elender Räuber. Doch wenn er hier König ist, so laß mir die vier Hasen als Geiseln hier, fordere ihn hierher und komm so eilig wie möglich zurück, damit derjenige von uns beiden, welcher durch seine Stärke König sein wird, sämtliches Wild hier fresse.» Darauf bin ich auf sein Geheiß zu dem Herrn gegangen. Dieses ist der Grund, weswegen ich die Zeit versäumt habe. Jetzt hat der Herr zu befehlen!“

Nachdem Bhasuraka dies gehört hatte, sagte er: „Lieber! Wenn es sich so verhält, dann zeige mir rasch diesen Spitzbuben von einem Löwen, damit ich meinen Zorn gegen die Tiere auf ihn ausschütte und wieder zu mir selbst komme. Man sagt auch: Land, Freunde und Gold - diese drei Dinge sind es, um die man Kriege führt. Doch wer keines von denen besitzt, der läßt sich nicht in Krieg ein. Wo kein großer Gewinn winkt oder kein Sieg in Aussicht steht, da wird nimmer Krieg anfangen und führen, wer Verstand besitzt.“

Der Hase sprach: „Oh Herr! Das ist wahr! Des eignen Landes wegen und um Unbill abzuwenden, kämpfen die Krieger. Dieser aber haust in einer Burg; macht er einen Ausfall aus der Burg, so sind wir bedrängt; bleibt er in der Burg, so ist er ein schwer zu besiegender Feind. Man sagt auch: Was ein König nicht durch tausend Elefanten und zehntausend Rosse kann zustande bringen, das wird durch eine Burg erreicht. Ein einziger Schütze wehrt hundert ab, wenn er auf einer Mauer steht. Deswegen haben Staatsmänner auch Festungen angeraten. Auf seines Lehrers Rat baute sich sogar Indra eine Burg durch Visvakarmas Kunst, weil er Hiranyakashipu fürchtete. Und welchem König er als Gnade eine feste Burg gewährt, dem folgt der Sieg, und Burgen werden ihm auf Erden zu Tausenden. Wie eine Schlange, die zahnlos ist, wie ein brunstloser Elefant, so wird ein Fürst, der ohne Burg ist, leicht besiegbar für alle Welt.“

Nachdem er dies gehört, sagte Bhasuraka: „Lieber! Zeige mir nur diesen Spitzbuben, wenn er sich auch in einer Burg befindet, damit ich ihn umbringe. Denn man sagt auch: Wer nicht im ersten Ansatz Feind und Krankheit zu Boden schlägt, wird trotz aller Stärke doch ihr Opfer, sobald sie herangewachsen sind. Doch wer auf seine Kraft vertrauend, von Ehrbegier sich treiben läßt, kann seine Feinde allein töten, wie Bhrigus Sproß die Kshatriyas (Parasurama, der mit seiner Axt siebenmal die ganze Kriegerkaste auslöschte).“

Das Häschen sagte: „Das ist wahr! Dennoch aber habe ich gesehen, daß er sehr stark ist. Darum geziemt es sich nicht, daß der Herr gehe, ohne dessen Kraft zu kennen. Denn man sagt auch: Wer nicht die eigne Kraft kennt noch die des Feindes, und hitzigen Sinns zum Kampfe eilt, der geht unter, gleichwie die Motte im Licht. Der Schwache, welcher ausziehet, um einen mächtigen Feind zu schlagen, der wird demütig heimkehren, wie ein zahnloser Elefant.“

Da rief Bhasuraka: „Ha! Was geht das dich an? Zeige mir ihn nur, wenn er auch in einer Burg haust!“ Und das Häschen antwortete: „Wenn du denn willst, so komm, oh Herr!“

Nachdem es dies gesagt, machte es sich vor ihm her auf den Weg, ging alsdann zu einem Brunnen und sagte zu Bhasuraka: „Oh Herr! Wer ist fähig, deine Majestät zu ertragen? Hat sich doch auch dieser Spitzbube, nachdem er dich nur von weitem gesehen, in seine Burg zurückgezogen. Komm heran, damit ich ihn dir zeige!“

Nachdem er dies gehört, sagte Bhasuraka: „Lieber! Zeige mir rasch die Burg!“ Darauf zeigte ihm der Hase jenen Brunnen. Der törichte Löwe aber, da er mitten im Brunnen auf dem Wasser sein Spiegelbild hervorleuchten sah, erhob ein Schlachtgebrüll, und darauf stieg durch dessen Echo aus dem Brunnen ein doppelt so starkes Gebrüll hervor. Wie er aber dieses hörte, so dachte er „Der ist gewaltig stark!“, warf sich auf ihn und verlor das Leben.

Das Häschen aber, nachdem es freudigen Herzens allem Wild Glück gewünscht hatte und von diesem sehr gepriesen war, lebte vergnügt in diesem Walde. Daher sage ich: Wer Verstand hat, der hat Stärke. Woher hätte der Dumme Kraft? Sieh nur! Ein Löwe, vor Stolz ohne Vernunft, wurde von einem Häschen zu Tod gebracht. Drum, wenn du es gutheißt, will ich hingehen und durch die Macht meiner Klugheit ihre Freundschaft trennen.“

Karataka sagte: „Lieber! Wenn es so ist, so mögen deine Wege glücklich sein! Möge geschehen, was du beabsichtigst!“ Als darauf Damanaka den Pingalaka ohne Sanjivaka erblickte, benutzte er diese Gelegenheit, verbeugte sich und setzte sich vor ihm nieder. Pingalaka aber sagte zu ihm: „Lieber! Warum hast du dich so lange nicht sehen lassen?“ Damanaka antwortete: „Königliche Majestät bedürfen meiner ganz und gar nicht; darum nahe ich mich nicht. Trotzdem wird mein Herz heftig gepeinigt, weil ich sehe, wie des Königs Angelegenheiten zugrunde gehen, und aus Bekümmernis komme ich nun doch von selbst, um zu reden. Denn man sagt auch: Liebes oder selbst Unliebes, Glückliches und Unglückliches sollst du selbst ungefragt sagen dem, dessen Wohlergehen du wünschst.“

Als aber Pingalaka diese seine absichtsvolle Rede hörte, sagte er: „Was willst du eigentlich sagen? Sprich es rein heraus!“ Dieser sagte darauf: „Majestät! Dieser Sanjivaka hat gegen Euer Gnaden Verräterei im Sinn. Mir, der ich sein Vertrauen gewonnen, hat er heimlich Folgendes gesagt: «He! Damanaka! Ich habe nun Pingalakas starke und schwache Seiten kennengelernt. Ich werde ihn nun töten, mir die Oberherrschaft über alles Wild aneignen und dich zu meinem Minister machen.»„

Als Pingalaka diese furchtbare Rede hörte, die ihn wie der schwerste Donnerschlag traf, verlor die Besinnung und antwortete nicht eine Silbe. Damanaka, da er ihn in diesem Zustand erblickte, dachte: „Er ist doch durch Liebe an diesen Sanjivaka gefesselt. Deshalb würde der König sicher durch diesen Minister zugrunde gehen. Man sagt auch: Sobald ein Fürst einen Minister zum Herrn in seinem Reich macht, so ergreift diesen Betörung und Übermut, aus Stolz verdrießt ihn des Dieners Stand und so verdrossen pflanzt sich Begierde nach Unabhängigkeit in sein Herz; aus Unabhängigkeitsgier stellt er dann des Fürsten Leben nach. Was ist also hier ratsam?“

Pingalaka aber, nachdem er wieder zum Bewußtsein gekommen war, sagte zu ihm: „Damanaka! Sanjivaka ist doch ein Diener, der mir so lieb wie mein Leben ist. Wie sollte der Verrat gegen mich im Sinne führen?“ Damanaka antwortete: „Diener oder Nichtdiener! Das sind Worte, die auf sehr verschiedene Weisen verstanden werden können. Man sagt auch: Keinen einzigen Mann gibt es, der nicht der Könige Macht begehrt. Nur die, die keine Kraft haben, dienen den Königen allerwärts.“

Pingalaka sagte: „Lieber! Trotzdem verändert sich meine Gesinnung gegen ihn nicht. Sagt man doch auch mit Recht: Wer wird nicht seinen Leib lieben, wenn er auch voll Gebrechen ist: Wer einmal Freund, wenn auch fehlend, der bleibt doch immer unser Freund.“ Damanaka sagte: „Daher grade dieses Unglück! Man sagt auch: Auf wen der Fürst allzu gnädig sein Auge einmal geworfen hat, ob hochgeboren, ob niedrig, der ist der Glücksgöttin Gefäß. Aber um welcher ausgezeichneten Eigenschaft willen hält der Herr den Sanjivaka in seiner Nähe, welcher doch gar nichts Hervorragendes besitzt? Wenn aber Majestät etwa so denkt «Er hat einen großen Körper, und vermittelst desselben werde ich meine Feinde vernichten!», so ist dieser Schluß bei ihm nicht richtig: Denn er ist ein Grasfresser. Eurer Majestät Feinde dagegen sind Fleischfresser, daher ist die Verbindung mit ihm zur Bewältigung Eurer Feinde von keinem Nutzen. Drum möge er getötet werden, nachdem ihm seine Schuld vorgehalten ist. Hast du nicht gehört? Weil ich nicht tat, was mir Tiger, Schlange und auch Affe rieten, darum wurde ich vom Bösewicht in dieses Unglück geschleudert.“

Da fragte Pingalaka „Wie war das?“, und Damanaka erzählte:

10. Erzählung - Die dankbaren Tiere und der undankbare Mensch

In einem gewissen Orte lebte ein Brahmane namens Yajnadatta („vom Opfer gegeben“). Dessen Brahmanin (seine Ehefrau) sprach von Armut überwältigt von Tag zu Tag folgendermaßen: „Ach! Du mutloser und hartherziger Brahmane! Wie du so sorglos dastehst, siehst du nicht, wie deine Kinder von Hunger gequält werden? Begib dich auf irgendeine Reise, suche dort mit all deinen Kräften ein Mittel, um Nahrung anzuschaffen und komme so schnell wie möglich wieder zurück.“ Weil der Brahmane ihrer Reden überdrüssig ward, fing er an, eine große Reise zu unternehmen. Nach einigen Tagen geriet er in einen großen Wald. Indem er so im Walde ging, war er durstig und suchte nach Wasser. Da sah er an einem Ort eine von Laub bedeckte große Grube. Wie er hineinsieht, so erblickt er darin einen Tiger, einen Affen, eine Schlange und einen Menschen.

Als sie ihn erblickten, sprach der Tiger, nachdem er erkannt hatte, daß er ein Mensch war: „Oh! Oh! Du Tugendreicher! Bedenke, daß es ein großes Verdienst ist, lebendige Geschöpfe zu retten, und ziehe mich heraus, damit ich wieder in den Kreis meiner lieben Freunde, meiner Frau und Familie gelange!“ Der Brahmane aber sprach: „Durch die bloße Erwähnung deines Namens gerät alles Lebende in Furcht. Sollte ich mich nicht also auch vor dir fürchten müssen?“ Der Tiger aber entgegnete: „Für den Mörder eines Brahmanen, für Säufer, Schurken, Diebe und Gelübdebrecher gibt es Bußen, aber für Undankbare nicht.“ Weiter sprach er noch: „Mit einem dreifachen Schwur schwöre ich: Du hast keine Gefahr von mir zu befürchten. Drum habe Mitleid und zieh mich heraus!“ Darauf überlegte der Brahmane in seinem Herzen „Selbst der Tod, wenn man ihn erleidet, indem man das Leben eines lebendigen Wesens rettet, bereitet Seligkeit.“ und half ihm deshalb aus der Grube.

Nun sprach auch der Affe zu ihm: „Oh Guter! Hilf auch mir heraus!“ Nachdem er dies gehört, half der Brahmane auch diesem heraus. Dann sprach die Schlange: „Oh Zweifachgeborener! Hilf auch mir heraus!“ Nachdem er dies gehört, sagte der Brahmane: „Man zittert schon auch nur euren Namen zu nennen, geschweige euch zu berühren!“ Die Schlange sprach: „Es ist nicht unser freier Wille! Wir beißen nicht, wo wir nicht dazu aufgeregt werden. Mit einem dreifachen Schwur schwöre ich: Vor mir brauchst du dich nicht zu fürchten.“ Nachdem er dieses gehört hatte, half er ihr heraus.

Darauf sprachen die Tiere zu ihm: „Aller Schlechtigkeiten Sitz ist ein Mensch: Das bedenke und hilf diesem weder heraus noch schenke ihm Vertrauen!“ Und der Tiger sprach von neuem: „Auf der nördlichen Seite des vielgipfligen Berges, welchen du hier siehst, ist in einem Felsspalt meine Höhle. Dahin mußt du die Gewogenheit haben einmal zu mir zu kommen, damit ich dir meinen Dank vergelte, um nicht noch in einem zukünftigen Leben dein Schuldner zu sein!“ Nachdem er so gesprochen, machte er sich auf den Weg nach seinem Hause. Darauf sagte der Affe: „Ebendaselbst in der Nähe der Höhle ist meine Wohnung dicht bei einem Wasserfall. Dahin mußt du zu mir kommen!“ Nachdem er so gesprochen ging er weg. Und die Schlange sprach: „Wenn du in eine Lebensgefahr gerätst, dann erinnere dich meiner!“ Nachdem sie so gesprochen ging sie, woher sie gekommen war.

Darauf schrie der Mann in der Grube wiederholt: „Oh! Oh Brahmane! Hilf auch mir heraus!“ Schließlich wurde der Brahmane doch von Mitleid bewegt, bedachte „Das ist ein Mensch wie ich!“ und zog ihn heraus. Und der Mann sprach: „Ich bin ein Goldschmied. Wenn du, oh Brahmane! etwas Gold bearbeiten lassen willst, dann bring es nur zu mir!“ Nachdem er so gesprochen hatte, ging er, woher er gekommen war.

Der Brahmane aber irrte umher, ohne das Geringste zu finden. Indem er sich von Hunger gequält wieder nach Hause wenden wollte, erinnerte er sich der Rede des Affen. Er ging zu ihm, sah ihn, erhielt von ihm Früchte so süß wie Ambrosia und wurde damit gespeist. Der Affe sprach alsdann wieder: „Wenn dir mit Früchten gedient ist, so komm nur immer zu mir!“ Der Zweifachgeborene sagte: „Du hast alles getan! Zeige mir aber nun den Tiger!“ Er führte ihn hin und zeigte ihm den Tiger. Der Tiger, sobald er ihn erkannt hatte, schenkte ihm, um ihm seine Wohltat zu vergelten, ein goldenes Halsband samt übrigem Schmuck und sprach: „Irgendein Königssohn, welcher durch sein Pferd fortgerissen wurde und ganz allein war, fiel in meine Klauen und ward von mir umgebracht. Von ihm rührt dies alles her und wurde von mir für dich bestimmt und deinetwegen aufgehoben. Dieses nimm und gehe wohin du beabsichtigst!“ Der Brahmane nahm es, erinnerte sich des Goldschmieds, und indem er dachte „Aus Erkenntlichkeit gegen mich wird er den Verkauf besorgen.“ ging er zu ihm.

Der Goldschmied erwies ihm mit großer Aufmerksamkeit die Pflichten eines Gastempfängers: Die Ehrengabe zum Fußwaschen, Einladung zum Niedersitzen, Begrüßung, Speisung und so weiter. Dann sprach er: „Möge der Herr befehlen, was ich tun soll!“ Der Zweifachgeborene sagte: „Ich habe Gold mitgebracht, das sollst du verkaufen!“ Der Goldarbeiter sprach: „Zeige mir das Gold!“ Jener zeigte es. Als es der Goldarbeiter gesehen, dachte er: Von mir selbst ist dieses für den Sohn des Königs gearbeitet.“ Nachdem er so im Herzen erwogen, sprach er: „Der Herr möge hierbleiben, während ich es irgend jemandem zeige. Nachdem er so gesprochen, ging er an den Hof des Königs und zeigte es dem König. Und der König, nachdem er es gesehen, sagte: „ Woher hast du dieses bekommen?“ Er antwortete: „In meinem Hause befindet sich ein Brahmane, der hat es gebracht.“ Darauf dachte der König: „Sicherlich hat eben dieser Bösewicht meinen Sohn getötet, das soll er mir büßen!“ Darauf erhielten die Wachtmänner den Befehl: „Man binde diesen Auswurf von einem Brahmanen und spieße ihn auf, sobald der Tag anbricht!“ Als der Brahmane von ihnen gebunden ward, erinnerte er sich der Schlange. In demselben Augenblicke, wo er ihrer gedachte, stand sie vor ihm und sprach: „Was soll ich dir für einen Gegendienst leisten?“ Der Zweifachgeborene sagte: „Befreie mich aus dieser Gefangenschaft!“ Sie antwortete: „Ich werde des Königs Lieblingsgemahlin beißen. Alsdann soll sie weder durch die Beschwörung des allergrößten Zaubersprechers, noch durch die Bestreichung mit giftvertreibenden Arzneimitteln anderer Ärzte das Gift los werden. Es soll nur verschwinden, sobald du sie nur mit der Hand berührst. Dann wirst du freigelassen.“

Nachdem sie dies Versprechen gegeben hatte, wurde die Königin von der Schlange gebissen. Da erhob sich ein Klagegeschrei am Hofe des Königs, und die ganze Stadt geriet in Schrecken. Darauf wurden die Schlangengiftärzte, Beschwörer, Zauberer und Heilkünstler zusammengerufen, welche in anderen Ländern wohnten. Von allen zusammen wurden nach dem Maß ihrer Kräfte Heilmittel versucht, aber keine einzige Behandlung befreite sie vom Gift. Als darauf der Zweifachgeborene den Trommelschlag des herumwandernden (Trommlers) hörte, so sagte er: „Ich will sie vom Gift befreien.“ Infolge dieser Rede wurde der Brahmane aus dem Gefängnis erlöst, zu dem König geführt und diesem angemeldet. Darauf sagte der König: „Befreie sie vom Gift!“ Er aber ging zu der Königin und befreite sie durch bloße Berührung mit der Hand vom Gift. Als der König sie nun wieder lebendig sah, erwies er ihm Ehre und Achtung und fragte ihn mit großer Ehrfurcht: „Auf welche Weise hast du das Gold erhalten?“ Der Zweifachgeborene erzählte alles von Anfang an, was ihm begegnet war, der Wahrheit gemäß. Als der König den Sachverhalt erkannt hatte, ließ er den Goldschmied ins Gefängnis werfen, und jenem schenkte er tausend Dörfer und stellte ihn als seinen Minister an. Dieser holte nun seine Familie und lebte vergnügt in der Gemeinschaft mit seinen Freunden, indem er sich an den Werken des Genusses (Verdienst und Gerechtigkeit) erfreute, sich ein an frommen Werken reiches Nachleben durch vielfache Opferdarbringungen erwarb und durch die Sorge für das ganze Königreich die Oberherrschaft mit genoß.

Daher sage ich: Weil ich nicht tat, was mir Tiger, Schlange und auch Affe rieten, darum wurde ich vom Bösewicht in dieses Unglück geschleudert.“

Doch Pingalaka sagte: „Wen du vorher als Rechtschaffenen in dem Rate bezeichnet hast, den sollst du nimmer anklagen, wenn du dein Wort in Ehren hältst. Deswegen möge der Herr unseren guten Rat auf keine Weise vernachlässigen. Außerdem habe ich dem Stier auf dein Wort hin vollständige Sicherheit gewährt. Wie kann ich ihn nun selbst umbringen? Dann ist Sanjivaka in jeder Weise mein Freund. Ich habe gar keinen Zorn gegen ihn. Man sagt auch: Der Dämon, der durch mich mächtig wurde, darf nicht durch mich zugrunde gehen: Sogar den selbstgepflegten Giftbaum selber auszurotten, ziemt sich nicht. Und so: Entweder schenke Unwürdigen von Anfang an keine Liebe, oder wenn du sie schenkst, so laß sie sich von Tag zu Tag vermehren! Erst zu erheben, und dann niederzuwerfen, das bereitet nur Schande. Denn daß falle, was auf dem Boden steht, wird nicht einmal gefürchtet. Und so: Wer gütig gegen Wohltäter, was ist an dessen Güte groß? Wer gütig gegen Schuldvolle, der wird von Guten gut genannt. Deshalb darf ich nichts Feindliches gegen ihn begehen, selbst wenn er Verrat im Sinne hätte.“

Damanaka sagte: „Das ist nicht die Pflicht eines Königs, daß er selbst dem Verräter verzeihe. Man sagt auch: Wer einen Diener nicht umbringt, der gleich reich und gleich mächtig wurde, der unsere Schwächen kennt, beharrlich ist und halb herrscht, der kommt selber um. Außerdem hast du infolge deiner Freundschaft mit ihm sämtliche Königspflichten vernachlässigt. Infolge dieser Vernachlässigung deiner Königspflichten ist dir auch dein gesamtes Gefolge entfremdet worden. Denn Sanjivaka ist ein Grasfresser, du aber und deine Untertanen sind Fleischfresser. Wenn du aber hierbei beharrst, so scheint sogar deine innere Natur gegen Verletzung von lebendigen Wesen eingenommen. Aber wie können nun jene Fleisch fressen, wenn du dich nicht mehr darum bemühst? So werden bald alle fleischfressenden Diener dich, der du dessen ermangelst, verlassen und in einen andern Wald gehen. Damit mußt du durch diesen Gradfresser auf deinen Umgang treffen, denn du wirst niemals wieder Erfolg auf der Jagd haben. Man sagt auch: Wie die Diener, die man braucht, und wie die sind, die einer liebt, so grade wird der Herr werden, das ist unzweifelhaft gewiß. Und so: Auf heißem Eisen ist vom Tropfen keine Spur mehr zu sehen. Aber wenn derselbe auf dem Lotusblatt ruht, strahlt er in Perlgestalt; wird zur Perle selbst, wenn er in glücklicher Stunde in des Meeres Auster fällt. So folgt gewöhnlich aus der Umgebung hoher, mittlerer und niederer Stand. Und so: Durch die Verbindung mit Schlechten verändern sich sogar die Guten: Als Duryodhanas Bundes-Bruder zog Bhishma zum Rinderraub aus (ab MHB 4.30). Daher vermeiden auch die Edlen jede Verbindung mit Gemeinen. Man erzählt auch: Wessen Charakter du nicht kennst, dem gib auch keine Zufluchtsstatt. Durch einer Wanze Schuld büßt die langsam Kriechende ihr Leben ein.“

Da fragte Pingalaka „Wie war das?“, und jener erzählte:


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