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2.22. Kansa sendet Akrura aus, um Krishna zu holen

Vaisampayana sprach:
Bald hörte auch Kansa, der König von Mathura, daß Krishna im Dorf der Hirten wie ein mächtiges Feuer aufloderte. Darüber war er sehr bestürzt, und sein Herz füllte sich mit Zweifel und Furcht. Er hörte, daß Putana geschlagen, zwei mächtige Bäume von einem kleinen Kind umgerissen, der Schlangenkönig Kalya vertrieben, Dhenuka und Pralamba getötet, der Berg Govardhana emporgehoben, Indras Angriff vereitelt, all die Kühe beschützt, Arishta getötet und alle Hirten erfreut wurden. Diese Ereignisse betrachtete Kansa als höchst schreckliche Omen für seinen drohenden Tod. An diesen unvorstellbaren Taten erkannte er seinen Feind, der heranwuchs und schon als Kind überaus mächtig war. Er fühlte deutlich, daß sein Leben höchst bedroht war. Das betäubte ihm Sinne und Denken, so daß er wie ein Toter erschien. Daraufhin rief er als gefürchteter König von Mathura noch während der Nacht, als alle schliefen, seinen Vater Ugrasena und andere Verwandte und Freunde zu sich. Er berief den gottgleichen Vasudeva, Kanka, Satyaki, Daruka, seine jüngeren Brüder, Bhoja, Vaitarana, den mächtigen Vikadru, den König Bhayesakha, den ruhmreichen Viprithu, Babhru Danapati (Akrura), Kritavarman, den energievollen und unerschütterlichen Bhurisravas und viele andere Nachkommen im Stamm des Yadu. Er begrüßte sie als König von Mathura in der rechten Reihenfolge und sprach zu ihnen:
Hört mich an, ihr Yadavas! Ihr alle seid dienstbereit, in den Veden gelehrt, in den Dingen des Lebens erfahren und verfolgt die drei großen Lebensziele von Tugend, Wohlstand und Vergnügen (Dharma, Artha und Kama). Ihr beachtet stets eure Pflichten, seid wie Götter auf Erden und unerschütterlich wie Berge auf den Wegen der Gerechtigkeit. Ihr seid frei von Hochmut und habt voller Hingabe in den Familien eurer Lehrer gedient. So seid ihr wohlerfahren in der Waffenkunst und fähig, einen König gut zu beraten. Darüber hinaus seid ihr leuchtende Vorbilder voller Ruhm in dieser Welt sowie vorzügliche Kenner der vedischen Wahrheiten, der wahren Bedeutung der vier Lebensweisen (als Schüler, Hausvater, Waldeinsiedler und Bettelmönch) und der vier Kasten (Brahmanen, Kshatriyas, Vaisyas und Shudras). Ihr seid hervorragende Lehrer in gutem Verhalten, Führer in der Gesetzgebung, Vernichter der Feinde und Zuflucht der Schutzsuchenden. Ihr seid aufrichtig, ehrlich und zuverlässig. Selbst der Himmel fühlt sich durch euch gesegnet, von der Erde ganz zu schweigen. Euer Verhalten gleicht den Rishis, eure Kraft den Maruts, euer Zorn den Rudras und eure Herrlichkeit dem Feuer. Wann auch immer der Yadu Stamm bedroht wird, ihr seid die ruhmreichen Helden, die ihn hochhalten, wie die Erde die Berge stützt. Ihr seid fähige Männer und habt stets meine Wünsche erfüllt. Doch warum ignoriert ihr die wachsende Bedrohung, die sich gegen mich erhebt? Im Dorf der Kuhhirten lebt ein Junge namens Krishna als Sohn des Hirten Nanda. Er ist wie eine Gewitterwolke gewachsen und bedroht uns an den Wurzeln. Wie konnte er so friedlich im Haus von Nanda groß werden? Bin ich ohne fähige Minister und gute Spione? Dieser Übelgesinnte ist groß geworden wie eine unbeachtete Krankheit oder wie die Regenwolken am Ende des Sommers. Warum kenne ich nicht die Kraft, die unglaublichen Taten und die Helfer dieses Jungen im Haus von Nanda? Ist er die Verkörperung eines Gottes oder eines anderen mächtigen Wesens? Warum weiß ich nichts davon? Warum überraschen mich seine übermenschlichen Taten, die selbst Himmlische kaum vollbringen können? Er hat als kleines Kind der furchterregenden Putana die Milch und das Leben aus ihren Brüsten gesaugt. Er besiegte in kürzester Zeit den Schlangenkönig Kalya, der in einem tiefen See der Yamuna lebte und nun vertrieben wurde. Dann erhob er sich erneut und warf (den dämonischen Esel) Dhenuka durch seine übermenschlichen Kräfte in die Wipfel der Palmen, so daß er sein Leben aushauchte. Den Pralamba, den nicht einmal die Götter im Kampf schlagen konnten, tötete dieser Mächtige wie einen schwachen Mann durch einen Faustschlag. Dieser Junge verhinderte das Festival zu Ehren von Indra und beschützte die Kühe und Hirten vor Indras Zorn, indem er den Berg Govardhana wie einen Regenschirm gegen die herabstürzenden Wasserfluten emporhielt. Er brach dem mächtigen Stier Arishta die Hörner und tötete ihn in der Nähe des Hirtendorfes. So trägt er die Gestalt eines Hirtenjungen nur zum Schein, um sein Unwesen zu treiben. Angesichts dieser Taten des Jungen habe ich keine Zweifel, daß er eine tödliche Bedrohung für mich und Keshi ist. Zweifellos war auch er es, der mir den Tod in früheren Geburten brachte. Nun scheint es, daß er erneut den Kampf sucht und als Tod vor mir steht. Warum kommt er jetzt als gemeiner, sterblicher Hirtenjunge? Warum spielt er in meinem Hirtendorf mit den Kräften eines Gottes? Ach! Sicherlich ist er ein Gott, der seine wahre Form in der Gestalt eines Hirtenjungen versteckt und sich hier vergnügt wie das Feuer auf dem Leichenverbrennungsplatz. Ich hörte, daß Vishnu einst für die Ziele der Götter die Gestalt eines Zwerges angenommen und mit drei Schritten die Herrschaft über die drei Welten von Vali zurückerobert hatte. Zu anderer Gelegenheit nahm der mächtige Vishnu die Gestalt eines Löwenmenschen an und tötete Hiranyakashipu, den Großvater der Daityas. Er nahm auch eine unvorstellbare Gestalt auf dem Berg Sweta (dem „weißen Berg“) an und zerstörte als Bhava (Shiva) die dreifache Stadt der Dämonen namens Tripura. Als Sohn von Vrihaspati (dem Lehrer der Götter) gewann er das wohlbehütete Geheimnis des Wiederbelebens (die Darduri Maya) von Sukra (dem Lehrer der Dämonen) und schwächte damit die Kraft der Dämonen. Als ewige Gottheit mit den tausenden Gesichtern nahm er die Gestalt eines Ebers an und hob mit seinen Hauern die versunkene Erde aus dem weiten Wasser. Als sich vor langer Zeit die Götter und Dämonen zum Hervorquirlen des Amrits vereint hatten, trug er in Gestalt einer Schildkröte den Berg Mandara (als Quirl) auf seinem Rücken. Und als das Amrit, der Nektar der Unsterblichkeit, hervorkam, nahm er die Gestalt einer schönen Frau an und verursachte einen verhängnisvollen Streit zwischen den Göttern und Dämonen. Er war es auch, der sich in vier Teilen verkörperte und als Rama seine Geburt im Haus von Dasaratha nahm, um Ravana zu töten. Auf diese Weise nahm Vishnu verschiedene Gestalten an und vollbrachte durch Täuschung sein Werk, um die Ziele der Götter zu verwirklichen. Zweifellos muß es Vishnu, Indra oder vielleicht der König der Maruts sein, der in dieser Gestalt erschienen ist, um mir den Tod zu bringen, wie es Narada vorausgesagt hat. In diesem Fall ist Vasudeva die Quelle unserer Bedrohung. Dessen bin ich mir sicher. Durch seinen Geist werden wir alle bedroht. Denn als ich Narada erneut im Khatwanga Wald traf, sprach dieser Brahmane zu mir:
Oh Kansa, was hast du nicht alles getan, um dieses Kind von Devaki zu verhindern!? Doch Vasudeva hat während der Nacht all deine Anstrengungen zunichte gemacht. Wisse, oh Kansa, die Tochter, die du des Nachts gegen einen Stein geschleudert hast, war in Wirklichkeit die Tochter von Yasoda, und der Sohn von Vasudeva ist Krishna. Um deinen Untergang zu bewirken, wurden die beiden Neugeborenen im Schutz der Dunkelheit von Vasudeva ausgetauscht, der im Gewand deines Freundes als dein Feind handelte. Die Tochter von Yasoda (war Yoga-Nidra, die Göttin der Illusion, und) wohnt in den vorzüglichen Vindhya Bergen, nachdem sie die beiden mächtigen Dämonen Sumbha und Nisumbha getötet hatte, die dort in den Bergen wanderten. Sie ist von den Göttern geweiht und die Scharen der wilden Geister dienen ihr. Sie wird von leidenschaftlichen Menschen hingebungsvoll verehrt und liebt die Tieropfer. Sie erscheint strahlend und wird von zwei Gefäßen mit Wein und Fleisch geschmückt sowie von bunten Pfauenfedern und anderen Ornamenten. Sie hat sich durch ihre eigene Kraft eine Wohnstätte im Wald der Vindhya Berge geschaffen, wo der stolze Ruf der Pfauen und Krähen erklingt, wo die Scharen der Vögel, Rehe und anderen Tiere unbeschwert leben, wo das Echo vom Gebrüll der Löwen, Tiger und Bären widerhallt, und wo mächtige Bäume wachsen, und alles von dichtem Wald bedeckt ist. Ihr Tempel ist mit goldenen Vasen, schönen Wedeln und glänzenden Spiegeln geschmückt, und tausende Trompeten erklingen. Dort wohnt die schöne Göttin, die Mutter der Furcht unter den Feinden, beständig in großer Freude und wird sogar von den Himmlischen verehrt.

Und weiter sprach Narada zu mir:
Oh Kansa, dieser Junge namens Krishna, der als Sohn des Hirten Nanda lebt, ist der Grund all dieser erstaunlichen Taten. Er ist der zweite Sohn von Vasudeva und wird auch unter dem Namen Vasudeva berühmt werden. Als dein Verwandter wird dir dieser Mächtige den Tod bringen.

Und Kansa fuhr fort:
So mögen wir nach dem äußeren Gesetz verwandt sein, doch im inneren Wesen sind wir schreckliche Feinde. Wie eine Krähe ihre Füße auf den Kopf eines Menschen setzt und ihm gierig nach Fleisch die Augen aushackt, so wuchs dieser Vasudeva mit seinen Söhnen und vielen Verwandten unter dem Mantel eines Freundes in meinem Haus auf, um mich nun an den Wurzeln zu zerstören. Für einen Mann, der ungeborenes Leben, eine Kuh oder Frau tötet, kann es vielleicht noch Sühne und Rettung geben, doch eine undankbare Person hat keine Zuflucht. Ein Undankbarer, der für selbstsüchtige Zwecke freundliche Worte zum langfristigen Schaden eines anderen benutzt, geht den Weg der Ausgestoßenen. Wer seinen Geist der Ungerechtigkeit zuneigt und Unschuldige verletzt, ist verdammt, den schrecklichen Weg in die Hölle zu nehmen. Warum sollte man einen solchen Menschen verehren? Verehrung verdienen nur jene, die den Verhaltensregeln und Tugenden folgen. Wenn Elefanten gegeneinander kämpfen, werden viele Bäume umgerissen, die nach dem Kampf ihre Nahrung werden. So treffen auch im Krieg unter Verwandten viele andere auf ihren Untergang. Oh Vasudeva, angesichts deiner Taten erkenne ich jetzt, daß ich dich unwissentlich zu meinem eigenen Untergang ernährt habe, wie den Tod selbst. Oh du Übeltäter, du bist innerlich voller Haß, feindlich gesinnt, sündhaft und von trügerischer Ergebenheit. Du bringst unseren ganzen Yadu Stamm in einen bedauernswerten Zustand. Oh Vasudeva, dein ganzes Alter ist nichts wert. Unwissentlich habe ich dich als einen Weisen respektiert. Doch selbst hundert Jahre und weißes Haar machen noch nicht weise. Nur ein gereifter und voll entwickelter Geist kann in dieser Welt als alt und weise gelten. Du bist voller Zorn, dein Geist ist unreif, und so gleicht dein Alter nur einer unfruchtbaren Wolke im Herbst. Oh übelgesinnter Vasudeva, du dachtest: „Wenn Kansa geschlagen ist, dann wird mein Sohn Mathura regieren.“ Doch deine Hoffnung ist bereits durchkreuzt. Umsonst bist du alt geworden. Dein Entschluß wurde vereitelt. Wer könnte auf sein Leben hoffen, wenn er sich gegen mich stellt? Mit übelgesinntem Geist dachtest du, mich zu verletzen, der dir vertraut hat. Werde Zeuge, wie ich deine beiden Söhne bestrafe. Denn ich habe noch nie einen alten Mann, einen Brahmanen, eine Frau und vor allem keinen Verwandten getötet. Und ich werde es auch niemals tun. Du wurdest hier geboren und von meinem Vater gefördert. Darüber hinaus bist du der Ehemann meiner Cousine und der führende Lehrer der Yadus. Du bist in dieser Familie der großen Könige berühmt geworden, und wirst als Lehrer und Weiser von den tugendhaften Yadavas verehrt. Oh alter Mann, was sollen wir tun? Wegen des Verhaltens führender Yadavas wie dich, kommen alle Mitglieder der Yadu Stammes in Verruf. Oh Vasudeva, wenn ich wegen deines ungerechten Verhaltens sterbe oder besiegt werde, werden sich die Yadavas vor den Tugendhaften schämen müssen. Durch dein hinterhältiges Verhalten für meinen Untergang hast du dich als unglaubwürdig offenbart und die Yadavas lächerlich gemacht. Du hast zwischen mir und diesem Krishna eine Feindschaft geschaffen, die keinen Frieden im Yadu Stamm kennen wird, bis einer von uns beiden geschlagen ist.

So hört meinen Befehl: Laßt Akrura unverzüglich ins Hirtendorf reisen und die beiden Jungen zusammen mit Nanda und den anderen tributpflichtigen Hirten herbringen. Befiehl Nanda, mit den herbstlichen Steuern sowie alle anderen Hirten sogleich in Mathura zu erscheinen. Sage ihm, daß Kansa mit seinen Dienern und Priestern die beiden Söhne von Vasudeva, Krishna und Sankarshana, sehen möchte. Er hörte, daß beide einen gestählten Körper haben, daß sie kraftvoll, achtsam und geschickt im Kämpfen sind und für einen Wettkampf in der Arena wohlgeeignet. Auch wir haben zwei starke Ringer, die sich auf einen Kampf mit ihnen freuen. Auch sie sind wohltrainiert, feierten viele Siege und stehen zum Wettkampf bereit. Darüber hinaus sind diese beiden Jungen, die wie Unsterbliche durch die Wälder des Hirtendorfes wandern, die Söhne meiner Cousine, und schon deshalb will ich sie sehen. Sage den Bewohnern des Hirtendorfes, daß der König sich entschlossen hat, ein Bogen-Opfer zu feiern. Deshalb sollen sie ihr Lager im Wald neben der Stadt aufschlagen und alles Nötige wie Milch, Butter, Ghee und Quark mitbringen, um die eingeladenen Gäste gut zu versorgen. Oh Akrura, brech unverzüglich auf und bring sie beide auf meinem Befehl zu mir. Ich bin höchst gespannt, Krishna und Sankarshana zu sehen. Groß wird meine Freude sein, und wenn ich die beiden kraftvollen Jungen vor mir sehe, werde ich ihnen manchen Wunsch erfüllen. Wenn sie aber nicht zur rechten Zeit nach meinem Willen erscheinen, werde ich sie entsprechend bestrafen. Doch es ist besser, oh Akrura, zunächst freundlich mit den beiden Jungen zu sprechen. Bring sie mit süßen Versprechungen schnell hierher. Oh Gelübdetreuer, wenn du durch Vasudeva mir nicht entfremdet wurdest, dann vollbringe diese große Tat zu meiner Freude. Tue alles, damit sie unverzüglich hier erscheinen.

Obwohl Vasudeva, der den Vasus glich, auf diese Weise gerügt wurde, blieb er gelassen und geduldig wie die Erde und stand bewegungslos wie der tiefe Ozean. Von den scharfen Worten des kurzsichtigen Kansa wie mit spitzen Pfeilen durchbohrt, übte er Vergebung und antwortete nicht darauf. Und alle, die dieser Beleidigung zuhören mußten, neigten ihre Köpfe und flüsterten: „Oh Schande! Oh Schande!“ Doch der großzügige Akrura konnte durch seine himmlische Voraussicht alles erkennen und freute sich über diesen Auftrag wie ein Durstiger, der in der Ferne Wasser erblickt. Unverzüglich verließ er Mathura voller Freude, bald den lotusäugigen Krishna sehen zu dürfen.


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