Der ehrenwerte Suka sprach:
Oh König, die Zeit, die mit der kleinsten Einheit (des Paramanu) beginnt und in den beiden Hälften (oder Parardhas des Lebens von Brahma) kulminiert, wurde bereits (in Kapitel 3.11) zusammen mit der Dauer der Yugas beschrieben. Höre jetzt von der Auflösung eines Kalpas (Schöpfungstages): Tausend Zyklen von vier Yugas werden ein Kalpa genannt, ein Tag von Brahma, an dem es vierzehn Zeitalter der Manus (Manwantaras) gibt, und an ihrem Ende kommt eine Periode der Auflösung von derselben Dauer, die als Nacht von Brahma beschrieben wird. Während dieser Zeit sind die drei Welten der Vernichtung ausgesetzt. Dies wird die gelegentliche (bzw. zyklische) Auflösung genannt (Naimittika Pralaya), wenn sich der Schöpfer des Universums auf sein Ruhebett der Urschlange Ananta legt, die das Universum zusammen mit Brahma trägt. Nach der Vollendung von zwei Parardhas (den zwei Hälften des gesamten Lebens) des ganzheitlichen Lebewesens von Brahma, werden dann alle sieben natürlichen Prinzipien aufgelöst (die fünf Elemente, das Ichbewußtsein Ahankara und die universale Intelligenz Mahat). Dies nennt man die natürliche Auflösung (Prakriti Pralaya), wenn das ganze Welten-Ei des Universums die Zeit seines Endes erreicht und sich auflöst.
Oh König, hundert Jahre werden die Wolken keinen Regen auf die Erde geben. Die Wesen, die von der Zeit verwirrt sind, werden sich in ihrer Hungersnot gegenseitig verzehren und Schritt für Schritt auf ihre Vernichtung treffen. Die Sonne mit ihren schrecklichen Strahlen wird den ganzen Saft der Erde, des Ozeans und der lebenden Körper trinken und nicht das geringste davon zurückgeben. Daraufhin wird aus dem Rachen von Sankarshana (der Urschlange) das Feuer der Zerstörung hervorgehen, das durch die Kraft des Windes alle Bereiche der Existenz auf der Erde verbrennen wird. Das Welten-Ei, das auf allen Seiten in den Flammen des Feuers von unten und oben durch die Sonne brennt, wird wie eine Kugel aus Kuhmist erglühen. Als nächstes wird für mehr als hundert Jahre der schreckliche Wind der endgültigen Zerstörung (Samvartaka) wehen und den Himmel mit Staub grau werden lassen. Vielfarbige Wolkenhaufen werden dann hundert Jahre lang mit gewaltigen Donnerschlägen regnen. Damit wird sich die Hülle des Universums füllen und einen einzigen (kosmischen) Wasserkörper bilden. (siehe auch Vishnu Purana ab 6.3 oder Vayu-Purana ab 2.38)
Schließlich wird das Wasser der Sintflut die Qualität des Geruchs in sich zurückziehen, und mit dem Geruch löst sich das Element der Erde im Wasser auf. Dann zieht das Feuer den Geschmack des Wassers in sich zurück, und mit dem Geschmack löst sich das Wasserelement auf. Als nächstes zieht der Wind die Sichtbarkeit des Feuers in sich zurück, und mit der Sichtbarkeit löst sich das Feuerelement im Wind auf. Dann zieht der Raum das Gefühl des Windes in sich zurück, und mit dem Gefühl löst sich der Wind im Raum auf. In gleicher Weise zieht das Ichbewußtsein den Klang in sich zurück, und so löst sich das Raumelement im Ichbewußtsein auf. Damit werden alle fünf Sinne mit den dazugehörigen Göttern (von Kuvera, Varuna, Agni, Vayu und Indra) vom natürlichen Prinzip des Ichbewußtseins ergriffen und in sich zurückgezogen. Als nächstes ergreift die universale Intelligenz (Mahat) das Ichbewußtsein mit all seinen natürlichen Eigenschaften, so daß sich die natürlichen Grundqualitäten von Güte, Leidenschaft und Trägheit in der universalen ganzheitlichen Intelligenz auflösen (und ausgleichen). Oh König, diese drei Grundqualitäten der Natur gehen dann unter dem Druck der Zeit wieder in das Ungestaltete ein (in das Meer der Ursachen), das dann keiner Transformation durch die Zeit und den natürlichen Qualitäten mehr unterliegt. Weil es ohne Anfang und Ende ungestaltet ist, ist es die unveränderliche ewige Ursache. Darin findet man weder Sprache noch Gedanken oder die natürlichen Qualitäten von Güte, Leidenschaft und Trägheit. Weder die subtilen Elemente, den Lebensatem, die Intelligenz, die Sinne und so weiter sind dort zu finden, noch die Götter oder die Anordnung der verschiedenen Welten (Lokas) des Schöpfungstages. Es gibt weder Wachen, Schlafen oder Tiefschlaf, weder Erde, Wasser, Feuer, Wind, Raum oder eine Sonne. Das, was wie eine Leere erscheint oder wie jemand, der fest schläft, ist das, was sich jeder logischen Erklärung entzieht, aber als Ursache für alles dient (als Pradhana, Meer der Ursachen). So erklären es die Weisen. Das ist die natürliche Auflösung (Prakritika Pralaya), in der alle Energien und Prinzipien der Natur des Höchsten Geistes (Purusha) durch die Zeit vollständig aufgelöst werden und kraftlos miteinander verschmelzen.
Reines Wissen (bzw. Bewußtsein) ist die Grundlage, das sich in Form der natürlichen Prinzipien von Intelligenz, Gedanken und fünf Sinnen mit ihren Objekten manifestiert. Was auch immer mit Anfang und Ende wahrgenommen wird, ist damit substanzlos, denn es existiert niemals getrennt von seiner Ursache. Wie die Lampe, das wahrnehmende Auge und die wahrgenommene Form nicht getrennt vom Licht existieren, in gleicher Weise existieren Intelligenz, Sinne und Sinneswahrnehmungen nicht getrennt von der höchsten Wahrheit. Die drei weltlichen Bewußtseinszustände des traumhaften Wachens, traumhaften Schlafens und traumlosen Schlafens, die zur Intelligenz gehören, werden daher eine Täuschung (Maya) der Sinne genannt. Dieses, oh König, ist die von der Seele erfahrene Welt der Gegensätze. So wie Wolken am Himmel erscheinen und wieder vergehen, und somit da sind und nicht da sind, so erscheint und vergeht dieses ganze Universum mit seinen verschiedenen Teilen und ist innerhalb der vollkommenen Wahrheit da und nicht da. Die ursächlichen Bestandteile für die wahrnehmbaren Dinge in diesem Universum werden gern als eine Realität wahrgenommen, wie die Fäden eines Kleiderstoffes. Doch was auch immer man als Ursache und Wirkung in dieser Welt erfahren kann, ist eine Form der Illusions- und Schöpferkraft (Maya), denn alles, was einen Anfang und ein Ende hat, ist wegen der gegenseitigen Abhängigkeit (von Ursache und Wirkung) unbeständig und substanzlos. Weil uns damit die unbeständige Natur von allem, sogar eines einzelnen Atoms, offensichtlich ist, kann sie in keiner Weise ohne die innere Höchste Seele erklärt werden. Denn wenn das so wäre (wenn es eine solche innere Seele nicht gäbe), müßte für jedes Bewußtsein alles gleich erscheinen, wie es ist. Doch nur in der reinen Wahrheit gibt es diese Unterschiede (der bewußten Wahrnehmung) nicht. Die Unterschiede erscheinen durch das gedankliche Bewußtsein einer unwissenden Person, als gäbe es unterschiedliche Himmel, Himmelslichter oder Lebenskräfte. So wie das eine Gold für die Menschen je nach Gebrauch in vielen Formen erscheint, so wird auch der Höchste Herr, der für die Sinne unbegreiflich ist, von den Menschen mit unterschiedlichen Begriffen beschrieben, weltlichen und vedischen. Eine von der Sonne hervorgerufene Wolke wird von der Sonne sichtbar gemacht, erzeugt aber eine Verdunklung für die Augen, die dann die Sonne nicht mehr sehen können. In ähnlicher Weise verdunkelt das Ichbewußtsein, das aus der Wahrheit des Brahmans entsteht und durch das Brahman sichtbar wird (wenn die Wahrheit zu einer Eigenschaft verdichtet wird), für die individuelle Seele die Sicht auf die Höchste Seele. Doch wenn die von der Sonne erzeugte Wolke aufgelöst wird, dann sieht das Auge wieder die Sonne. In gleicher Weise erwacht die Erinnerung (an die Wahrheit), wenn das Ichbewußtsein, das die Höchste Seele bedeckt, durch Selbsterkenntnis aufgelöst wird. Oh guter König, wenn man so mit diesem Schwert der Erkenntnis das Ichbewußtsein zerschlägt, das aus der Illusion stammt und die Seele bindet, und man eine beständige Erkenntnis der ewigen Höchsten Seele entwickelt hat, dann spricht man von der vollkommenen Auflösung.
Oh Bezwinger der Feinde, einige Meister, die den subtilen und alles durchdringenden Geist erkennen, sagen sogar, daß die Erschaffung und Auflösung aller Lebewesen, beginnend mit Brahma, ein ewiger Prozeß ist. Denn die Bedingungen aller Wesen unterliegen beständig der Umwandlung und bilden die Ursachen ihrer Entstehung und Auflösung in einem kontinuierlichen Fluß der mächtigen Kraft der Zeit. Diese von der anfangs- und endlosen Zeit und dem Herrn geschaffenen Ursachen sieht man nicht, wie man auch die Gesetze für die Bewegung der Himmelskörper nicht sieht. Das ist die Funktion der Zeit bezüglich der kontinuierlichen, zyklischen, natürlichen und vollkommenen Auflösung.
Oh Bester der Kurus, damit habe ich dir dieses Spiel von Narayana als Schöpfer des Universums und Quell aller Existenzen kurzgefaßt erklärt. Nicht einmal der Selbstgeborene (Brahma) wäre in der Lage, dieses Spiel vollständig zu erklären. Für eine Person, die vom Feuer der verschiedenen Leiden des Lebens gequält wird und den Wunsch hat, diesen so schwer zu überwindenden Ozean der weltlichen Existenzen zu überqueren, gibt es kein besseres Boot, als den Geschmack für die Geschichten vom weltlichen Spiel des Höchsten Herrn und Höchsten Geist zu entwickeln. Oh Bester der Kurus, vor langer Zeit lehrte der unfehlbare Herr Nara-Narayana dieses essentielle Werk der klassischen Geschichten dem himmlischen Weisen Narada, der es an den dunkelhäutigen inselgeborenen Vyasa (Krishna Dwaipayana) weitergab. Und der freute sich, mir dieses Bhagavatam beizubringen, das den vier Veden ebenbürtig ist. Und der Suta, der hier bei uns sitzt, wird es seinerseits weitergeben, wenn er während einer langen Opferzeremonie im Wald von Naimisha von den Weisen unter der Führung von Saunaka befragt wird.