Pushpak Bhagavata Purana Buch 11Zurück WeiterNews

11.28. Über das Jnana-Yoga der Gotterkenntnis

Der Höchste Herr sprach:
Wenn man erkennt, daß diese Welt als eine Verbindung aus Natur und Geist (Prakriti und Purusha) auf ein und derselben Wahrheit beruht, sollte man es unterlassen, das Wesen und das Handeln eines anderen im Besonderen zu loben oder zu kritisieren. Denn wer das Wesen und Handeln eines anderen lobt oder kritisiert, weicht schnell vom wahren Ziel (der Selbstverwirklichung) ab, weil er damit an der Falschheit (der Welt der Gegensätze) festhält. Wer nur weltliche Gegensätze sieht, gleicht einem Wesen, dessen Bewußtsein zwischen der Illusion des Träumens und dem todesähnlichen Zustand des Tiefschlafes begrenzt ist. Was ist denn gut oder schlecht an diesen unwahren und illusorischen weltlichen Gegensätzen, die vom Verstand betrachtet und in Worte gefaßt zu einem falschen Bild der Realität führen? Auch wenn Schatten, Echos und Trugbilder nur Erscheinungen sind, können sie eine Wahrnehmung erzeugen. Ebenso entstehen aus dem Körper und dem, was dazugehört, weltliche Wahrnehmungen, die bis zum Tod große Angst erzeugen können. Der Höchste Herr und die Höchste Seele allein manifestiert dieses Universum und sich selbst, schützt alles Existierende und sich selbst und zieht sowohl die Schöpfung als auch sich selbst zurück. Außerhalb dieser Höchsten Seele kann daher kein getrenntes Lebewesen gefunden werden, ebenso wie keine andere Grundlage für das gefunden werden kann, was innerhalb dieser Höchsten Seele wahrgenommen wird, als den dreifachen Glanz der Grundqualitäten, die du als dreifache Manifestation erkennen solltest, welche durch die Illusions- und Schöpferkraft der Maya erzeugt wird. Wer damit vollkommen vertraut und darin erfahren ist und sich dessen, was ich hier beschrieben habe, zutiefst bewußt wird, der tadelt oder lobt nicht mehr und wandert frei wie die Sonne über die Erde. Denn wenn man durch direkte Wahrnehmung, logische Schlußfolgerung, Bestätigung durch die heiligen Texte und eigene Selbstverwirklichung erkennt, daß alles Illusorische einen Anfang und ein Ende hat, kann man sich in dieser Welt frei von Anhaftung bewegen.

Da frage der ehrenwerte Uddhava:
Oh Höchster Herr, wenn diese weltliche Existenz nicht die Erfahrung der Höchsten Seele als Seher (bzw. reines Bewußtsein) ist, aber auch nicht die Erfahrung eines materiellen Körpers, der das Gesehene darstellt, wessen Erfahrung könnte es dann sein? Die unerschöpfliche Seele ist ja frei von den Grundqualitäten, rein, selbstleuchtend und unverhüllt wie ein Feuer, während der materielle Körper wie Feuerholz erscheint, das kein Bewußtsein hat. Zu welchem der beiden gehört die Erfahrung eines körperlichen Lebens in dieser Welt?

Und der Höchste Herr antwortete:
Solange die Seele von Körper, Sinnen und Lebenswind angezogen wird, wird die körperliche Existenz weiter gedeihen, auch wenn die Unwissenden den wahren Nutzen nicht ernten. Obwohl es nicht in Wahrheit existiert, hört der Lauf der weltlichen Existenz nicht auf. Wie in einem Traum bewahrt man die Betrachtung der Sinnesobjekte und der damit verbundenen Vergänglichkeit. Aber was einem Träumenden im Schlaf viele unerwünschte Erlebnisse beschert, kann den Erwachten nicht mehr verwirren. Glück und Leid, Angst, Haß, Begierde, Verwirrung, Verlangen und dergleichen, wird durch das Ichbewußtsein erkannt, das geboren wird und stirbt, und nicht durch die Höchste Seele (im reinen Bewußtsein). So nimmt die individuelle Seele durch die ichhafte Einschränkung des Bewußtseins auf Körper, Sinne, Lebensatem und Gedanken abhängig von den natürlichen Grundeigenschaften und dem angesammelten Karma ihre Form innerhalb der Höchsten Seele an. An diesem Band der Natur geführt und ganz unterschiedlich bezeichnet (als Hund, Affe, Mensch usw.), bewegt sie sich dann von der Zeit beherrscht im weltlichen Daseinskreislauf umher. Obwohl dieses Ichbewußtsein keine wahre Grundlage hat, wird es in vielen Formen des Geistes wahrgenommen, wie als Sprache, Lebensatem und körperliche Fähigkeiten. Doch der Weise kann mit dem Schwert der transzendentalen Erkenntnis, das durch Verehrung geschärft wurde, diese illusorische Identifikation durchschneiden und in der Welt frei von jeglicher Anhaftung leben. Diese transzendentale Erkenntnis (Jnana) ist die Einsicht durch Schriften, Entsagung, Erfahrung, Geschichten und vernünftige Schlußfolgerungen. Und zwar die Einsicht in das, was am Anfang da ist, was dazwischen besteht und was am Ende bleibt, nämlich die erste Ursache jenseits der Zeit. Denn in ähnlicher Weise, wie das Gold vor, während und nach der Verarbeitung besteht, so bestehe Ich in verschiedenen Verkleidungen in dieser Schöpfung.

Oh Bester, dieser Geist des verdichteten Wissens in seinen drei Zuständen (des traumhaften Wachens, traumhaften Schlafens und traumlosen Schlafens) wird mittels der drei natürlichen Grundeigenschaften durch Ursache, Wirkung und Handelnden aus dem vierten Zustand manifestiert (dem traumlosen Wachen bzw. reinem Bewußtsein), der die einzige Wahrheit von Allem ist. Was also zuvor nicht war und danach nicht mehr ist, hat auch dazwischen keine Wahrheit, sondern ist nur eine Bezeichnung oder Bedeutung. Denn was durch etwas anderes entsteht, ist aus meiner Sicht grundsätzlich auch nur dieses andere. Wenn also diese Schöpfung, die durch Verwandlung mit der natürlichen Qualität der Leidenschaft erscheint, nicht wahrhaft existiert, so leuchtet sie doch wie eine Bezeichnung oder Andeutung für die vollkommene Wahrheit, die in ihrem eigenen Licht besteht, nämlich für das Brahman (der unpersönlichen Gottheit bzw. Ganzheitlichkeit) der Vielfalt der Sinne, ihrer Objekte, der Seele und der Transformationen (der fünf Elemente). Wenn man durch diese transzendentale Erkenntnis Klarheit über das Brahman (der Ganzheitlichkeit) erlangt hat, kann man mit Weisheit die ichhafte Identifikation mit allen Zweifeln bezüglich der Seele auflösen und zufrieden in reiner Glückseligkeit verweilen.

Denn der materielle Körper ist nicht das wahre Selbst, noch sind es die Sinne und deren Götter oder der Lebensatem oder Raum, Wind, Wasser, Feuer, Erde, weltliches Denken, Intelligenz, Geist, Ichbewußtsein, Sinnesobjekte oder eine Mischung davon. Wer mein Reich wahrhaft erkannt hat, welches Ziel hat dann noch die meditative Kontrolle der Sinne, die sich durch die natürlichen Grundqualitäten manifestieren? Oder was spricht gegen ihr Wirken? Welchen Unterschied würde es für die Sonne selbst machen, ob sich die Wolken zusammenziehen oder auflösen? Wie der Himmel selbst nicht durch die kommenden und gehenden Eigenschaften von Wind, Feuer, Wasser und Erde oder auch der Jahreszeiten beeinflußt wird, so bleibt auch das unvergängliche Höchste frei vom Einfluß durch die natürlichen Grundqualitäten von Sattwa, Rajas und Tamas, welche die Ursache des Ich-Konzepts zur körperlichen Existenz bilden. Doch bis man durch unerschütterliches Bhakti-Yoga alle Unreinheiten der Leidenschaft aus seinem Geist verbannt hat, muß man die Anhaftung an die natürlichen Qualitäten vermeiden, die durch die Illusions- und Schöpferkraft erzeugt wurden. Wie eine Krankheit, die unvollkommen behandelt wurde, immer wiederkehrt und Probleme bereitet, so wird auch ein Geist, der nicht von seiner karmischen Verunreinigung geheilt ist, einen unvollkommenen Yogi quälen, der immer noch in den vielfältigen Arten der Anhaftung steckt. Doch selbst unvollkommene Yogis, die noch von Hindernissen in Form anderer Menschen abgelenkt werden, die ihnen die dreißig Götter senden, werden durch ihre Beharrlichkeit auch im nächsten Leben dem Yoga-Weg folgen, um niemals mehr in fruchtbringende Taten verstrickt zu werden. Dagegen werden gewöhnliche Lebewesen, die von ihrem Karma der Taten gebunden sind, immer weiter hier und dorthin getrieben und folgen den weltlichen Wegen bis zu ihrem Tod.

Davon ist der Weise befreit, der seine ewige Glückseligkeit erfahren durfte und jedes weltliche Verlangen aufgegeben hat, auch wenn er noch in dieser Welt lebt. Sein Bewußtsein ist auf das wahre Selbst gerichtet, ob er steht, sitzt, geht oder liegt, ob er sich ernährt oder entleert oder was auch immer sich sonst aus seiner konditionierten Natur manifestiert. Der Weise sieht nichts anderes (als das wahre Selbst) als wesentlich an. Wenn ihm die existierenden Sinnesobjekte begegnen, spricht er ihnen durch vernünftige Schlußfolgerung ihre eigenständige Existenz ab, so daß sie wie die Dinge in einem Traum sind, die verschwinden, wenn man aufwacht. Die Höchste Seele oder das wahre Selbst ist nicht etwas, das man annehmen oder ablegen kann, sondern die Unwissenheit, die du in vielen Formen unter dem Einfluß von Karma und der natürlichen Qualitäten als einen untrennbaren Teil persönlich angenommen hast, verschwindet am Ende wieder in Form von Wissen (im Pradhana, dem Meer der Ursachen). Wie die aufgehende Sonne für das menschliche Auge die Dunkelheit beendet, ohne irgendetwas zu erschaffen, so beendet auch eine weise und gründliche Suche nach meiner reinen Wahrheit die Dunkelheit der menschlichen Intelligenz. Diese selbstleuchtende, ungeborene und unermeßliche Größe der ganzheitlichen Erkenntnis, die sich Allem bewußt ist, ist das Eine ohne ein Zweites, darin die Worte aufhören, aber wodurch sich die Kraft der Sprache entwickelt und die Lebenswinde bewegen. Welche Vorstellung von Dualität man auch immer von der Seele haben mag, es ist nichts als eine Erfindung des Verstandes, und für solche Ideen gibt es keinen anderen Grund als das eigene (ichhafte) Selbst. Die von den sogenannten Gelehrten angebotenen Erklärungen zur Bedeutung dieser in Namen und Formen wahrnehmbaren Dualität, die unverkennbar aus den fünf Elementen besteht, sind damit ganz vergebens.

Der Körper eines Yogis, der im Yoga noch keine vollkommene Erfahrung hat, kann immer wieder verschiedene Störungen hervorbringen. Dazu wird folgendes Verhalten empfohlen: Einige Störungen können durch Körperhaltungen (Asanas) in Kombination mit Konzentrationsübungen (Dharana) überwunden werden. Andere können durch Buße (Tapas), Mantras oder Heilkräuter besiegt werden. Bestimmte ungünstige Dinge kann man auch Schritt für Schritt überwinden, indem man ständig an mich denkt, meine Namen und dergleichen rezitiert und in die Fußstapfen der Yoga-Meister tritt. Einige Yogis halten ihren Körper unter Kontrolle und machen ihn gesund, indem sie verschiedene Methoden sowie die übernatürlichen Fähigkeiten (Siddhis) anwenden. Es versteht sich aber von selbst, daß diese Gesundheit nicht als Ziel der Verehrung gilt, weil solche Bemühungen letztendlich nutzlos sind, denn bezüglich des Körpers bleibt man vergänglich wie die Frucht eines Baumes. Obwohl der materielle Körper durch regelmäßige Yoga-Übung gekräftigt werden kann, ist es nicht das Yoga-Ziel der Weisen, die mich verehren. Der Yogi, der frei von Begierden in Mir allein Zuflucht sucht und diesen Yoga übt, erfährt die innere Glückseligkeit und kennt keine Niederlage durch Störungen.


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