Pushpak Bhagavata Purana Buch 11Zurück WeiterNews

11.21. Über die Unterscheidung von Gut und Schlecht

Der Höchste Herr sprach:
Oh Uddhava, wer meine Yoga-Pfade von Jnana, Karma und Bhakti aufgibt, wird sich in der Kultivierung seiner Begierden und unverläßlichen Sinne immer weiter durch den Kreislauf von Geburt und Tod bewegen. Wenn es gelingt, darin (auf dem heilsamen Weg) beständig zu bleiben, spricht man von Tugend, während das Gegenteil davon (die unheilsamen Wege) als Sünde betrachtet wird. Daraus kann man diese beiden Gegensätze schlußfolgern, wie auch das, was rein und unrein ist, heilsam und unheilsam, gut und schlecht. Diese Herangehensweise an diese Frage empfehle ich zum Wohle derer, die über das Dharma von Tugend und Gerechtigkeit entscheiden müssen. Erde, Wasser, Feuer, Wind und Raum sind die fünf Grundelemente, die von Brahma bis hinunter zu den unbelebten Geschöpfen die Körper aller Wesen bilden und in der Höchsten Seele vereint sind. Obwohl die Körper alle aus den gleichen Elementen bestehen und in diesem Sinne gleich sind, weisen die Veden ihnen unterschiedliche Namen und Formen bezügliche ihrer „Eigenschaften“ zu.

Was gut und schlecht (nach Tugend und Sünde) bezüglich Zeit, Ort, Dinge usw. ist, wurde von Mir festgelegt, um die Früchte der Taten zu bestimmen. Unter allen Orten sind jene Orte schlecht, wo es keinen Respekt vor der brahmanischen Kultur gibt und keine heiligen kultivierten Menschen, oder wo die Erde unfruchtbar ist. Als gut gilt die Zeit, die nach ihrer Konstellation (von Sonne, Mond usw.) oder nach ihren Umständen (Jahreszeit, Tag, Stunde usw.) geeignet ist, die vorgeschriebenen Aufgaben im Leben zu erfüllen. Und die Zeit, die für die Erfüllung dieser Aufgaben hinderlich oder ungeeignet ist, gilt als schlecht. Ob ein Ding gut oder schlecht ist, wird im Vergleich zu einem anderen Ding festgestellt, was man darüber bezüglich der jeweiligen Nützlichkeit aussagen kann. Ob also ein Ding für jemanden gut und schlecht ist, hängt von Fähigkeit, Intelligenz, Vermögen und Position dieser Person ab. Durch eine Kombination von Zeit, Wind, Feuer, Erde und Wasser oder durch jedes einzelne von ihnen getrennt können die verschiedenen Dinge wie Körner, Holz, Ton, Knochen, Metalle, Fäden, Häute oder Flüssigkeiten gereinigt werden. Wenn man von einem Ding, das mit Unreinem in Berührung kam, den schlechten Geruch oder Schmutz entfernt und so die ursprüngliche Natur wiederherstellt, spricht man von Reinigung. Entsprechend sollte ein Zweifachgeborener, der sich an Mich erinnert, durch Reinigen, Wohltätigkeit und Entsagung entsprechend seinem Alter und Vermögen die Riten und Gebote zur Reinigung seiner Seele durchführen. Die Reinigungskraft eines Mantras entsteht durch das dazugehörige Bewußtsein. Und die Reinigungskraft einer bestimmten Handlung entsteht durch die Hingabe an Mich. So gedeiht das Dharma durch diese sechs Faktoren (der Reinheit von Ort, Zeit, Dingen, Mantras, Handlung und Hingabe), während Nicht-Dharma durch das Gegenteil entsteht.

Manchmal stellt sich jedoch heraus, daß eine Tugend zum Laster wird oder ein Laster durch das Schicksal zur Tugend. Bei Beachtung der Gebote zur Zügelung steht man also vor der Tatsache, daß die Unterscheidung zwischen gut und schlecht oft unklar ist. Das gleiche Karma, das zum Beispiel jemanden zu Fall gebracht hat, kann einen weiteren Sturz verhindern. Und wenn man nicht weiter fällt, dann hat sich diese sündhafte Anhaftung in eine Tugend verwandelt. Doch prinzipiell gilt: Wovon man sich loslöst, davon wird man befreit, und das ist für die Menschen die Grundlage des Dharma-Lebens, um Leiden, Angst und Verblendung zu beseitigen. Wenn man sich einbildet, daß angenehme Dinge zur Stimulierung der Sinne gut sind, wird eine Person entsprechende Anhaftung entwickeln, aus dieser Anhaftung entsteht Begierde, und wegen dieser Begierde gibt es Streit unter den Menschen. Wegen der Streiterei gibt es Ärger, der schwer zu ertragen ist, und wegen des Ärgers gibt es Unwissenheit. Und so wird das weite (vernünftige bzw. ganzheitliche) Bewußtsein schnell verengt und von Dunkelheit eingeholt. Oh heilige Seele, ein derart beraubtes Lebewesen wird engstirnig und dumpf, so daß es von seinen Lebenszielen abweicht und bald mehr tot als lebendig ist, wie die dumpfe Materie. Denn wer an der sinnlichen Anhaftung festhält, lebt vergeblich, versagt darin, sich selbst und andere zu erkennen, so daß der Lebensatem nichts anderes ist, als das Pumpen von Luft.

Die in den Schriften versprochenen karmischen Verdienste sind für die Menschen nicht das höchste Gut, sondern lediglich eine Motivation, um einen Geschmack für das wahrlich Gute zu entwickeln, ähnlich wie man ein Kind zu bitterer Medizin überredet. Denn von Geburt an entwickeln Sterbliche einen Geist der Anhaftung an ihre Familie, ihre lebenswichtigen Körperfunktionen und die Objekte ihrer Begierde, wodurch sie die Interessen ihrer Seele aus den Augen verlieren. Warum sonst sollten die Weisen jene ermutigen, die auf dem Pfad der Gefahr blind für ihr wahres Interesse an der Überwindung (karmischer Handlungen) in der Dunkelheit wandern, um sich immer weiter damit zu beschäftigen? Daher sprechen manche, die das große Ziel nicht kennen, mit verkehrter Vernunft und blumigen Worten über das Gewinnen weltlicher Vorteile (durch Opfer und geistige Übung), worüber jene schweigen, welche die Veden wahrhaft kennen. Denn wer von Begierde, Geiz und Wollust verwirrt die Opferriten darbringt, ergreift die Blüten als Frucht und erstickt am Rauch des Opferfeuers, ohne das wahre Selbst zu erkennen. Bewaffnet mit ihren Begriffen, erkennen sie Mich nicht, der in ihrem Herzen sitzt und aus dem dieses ganze Universum hervorgegangen ist, das Ich selbst bin. In ihrer Zügellosigkeit sind sie wie Menschen, die in den Nebel starren. Sie hören meine Stimme in ihrem Inneren nicht, sind in äußerer Sinnlichkeit versunken und haften der Gewalt an, die zwar unter gewissen Bedingungen auftreten kann, aber sicherlich niemals für ein Opfer förderlich ist. In Wirklichkeit genießen sie es sogar, gewalttätig gegen die Opfertiere zu sein, die zu ihrer Sinnesbefriedigung geschlachtet werden. Mit ihrer rituellen Verehrung der Götter, Ahnen und führenden Geister sind sie ein scheinheiliges Volk. In ihrem Herzen leben sie wie Geschäftsleute, die ihr Vermögen anlegen, um in einer Welt etwas zu erreichen, das so angenehm klingt, aber doch so vergänglich wie ein Traum ist. Gegründet in den natürlichen Qualitäten von Güte, Leidenschaft und Trägheit verehren sie die Götter und anderen Himmlischen mit Indra an der Spitze, die sich ebenfalls an diesen natürlichen Qualitäten erfreuen, aber mich verehren sie in Wahrheit nicht. Sie denken: „Wenn wir hier die Götter mit Opfergaben verehren, werden wir uns des Himmels erfreuen, und wenn das vorbei ist, in einer guten Familie mit Reichtum auf die Erde zurückkehren.“ Mit ihrem so verwirrten Verstand durch blumige Worte fühlen sie sich als stolze und gierige Menschen und werden nicht von Meinem Wesen angezogen.

Die dreigeteilten Veden handeln von der vollkommenen Höchsten Seele (Brahman-Atman), aber auch die geistigen Seher, die darüber symbolisch sprechen, sind mir lieb. Der transzendentale Klang (Shabda-Brahman), der sich auf verschiedenen Ebenen im Lebensatem (Prana), den Sinnen und den Gedanken manifestiert, ist am schwierigsten zu erkennen, denn er ist grenzenlos und so unergründlich tief wie der Ozean. Denn das grundlose unveränderlich Vollkommene mit endlosem Potential, das Ich verkörpere, wird innerhalb der Wesen in Form von Klangschwingungen repräsentiert, ähnlich wie ein Lotusstiel aus einzelnen Fasern besteht. So wie eine Spinne ihr Netz aus ihrem Inneren im Äußeren webt, so manifestiert der Lebensatem des Herrn aus dem Raum die Klangschwingungen durch den Geist in Form der verschiedenen Klänge. Voller Nektar der Unsterblichkeit, der ganzheitlich alle Formen umfaßt, die sich in tausend Richtungen verzweigen, hat sich der Meister mit Konsonanten, Vokalen, Zischlauten und Halbvokalen verziert aus der Ursilbe OM entfaltet. Durch die bewirkte Vielfalt von Ausdrücken und metrischen Anordnungen, die jeweils weitere Silben haben, erschafft Er selbst die riesige unbegrenzte Weite (der Manifestation des Klangs). Dazu gehören die Metren von Gayatri, Ushnik, Anushthup, Brihati, Pankti, Trishthup, Jagati, Atichanda, Atyashthi, Atijagati und Ativirath. Doch der Kern von allem, was diese Klänge beschreiben und welche Vorstellungen und Formen sie annehmen, ist in dieser Welt niemandem außer Mir bekannt. Denn ich bin es, der sich daran erfreut, ich bin das Objekt der Verehrung, ich bin die Vorstellung und die Formen, und ich bin der Eine, der unerklärbar ist. Der transzendentale Klang der Veden erklärt Mich als höchste Bedeutung und beschreibt ausführlich die weltliche Dualität meiner Illusions- und Schöpferkraft (Maya), die man durchschauen muß, um letztendlich glückselig zu werden.


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