Pushpak Bhagavata Purana Buch 11Zurück WeiterNews

11.14. Die Wege der Meditation über Vishnu

Da fragte Uddhava:
Oh Krishna, die Kenner der vollkommenen Wahrheit sprechen von vielen Wegen für die geistige Entwicklung. Sind diese Wege alle vorzüglich, oder ist einer von ihnen der Wichtigste? Du hast ja klar gesagt, oh Meister, daß das Bhakti-Yoga der liebenden Hingabe, durch den der Geist frei von Begierde auf Dich gerichtet wird, jede körperliche Anhaftung beseitigt.

Und der Höchste Herr antwortete:
Diese Weisheit der Veden, die den Dharma betrifft, der auf Mich gegründet ist, ging zur Zeit der universellen Auflösung (Pralaya) verloren, wurde aber zu Beginn (des neuen Schöpfungszyklus) von Mir an Brahma zurückgegeben. Brahma vermittelte sie seinem ältesten Sohn Manu, und Manu lehrte sie den sieben großen Weisen mit Bhrigu an der Spitze. Von diesen Stammvätern kamen all die Nachkommen, wie die Götter, Dämonen, Guhyakas, Menschen, Siddhas und Gandharvas, Vidyadharas und Charanas, Kimdevas, Kinnaras, Nagas, Rakshasas, Kimpurushas und viele andere, welche durch die drei natürlichen Grundeigenschaften von Güte, Leidenschaft und Trägheit (den Gunas von Sattwa, Rajas und Tamas) geboren wurden. Und von all diesen Lebewesen, die aufgrund ihrer Neigungen in viele Arten und ebenso viele Führer unterteilt sind, floß die Vielfalt der Rituale und Mantras (bzw. Gebete). Aufgrund dieser großen Vielfalt der Natur gibt es auch unterschiedlichste Lebensphilosophien unter den Menschen. Einige dieser Philosophien folgen der vedischen Tradition von Schüler zu Schüler, während andere diesen Weg verlassen haben. Die Menschen, deren Intelligenz von Meiner Illusions- und Schöpferkraft verwirrt ist, äußern sich auf unzählige Weisen darüber, was entsprechend ihren Ansichten und ihrem Karma das Beste wäre. Einige loben das fromme Handeln, Wahrhaftigkeit, Selbstbeherrschung und Friedfertigkeit, während andere mehr von weltlichem Ruhm, Sinnesbefriedigung, Eigennutz und politischer Macht sprechen. Manche verteidigen auch Opfer, Askese, Wohltätigkeit und Gelübde, sowie die Ordnung von Geboten und Verboten. Doch durch die Unvermeidlichkeit von Anfang und Ende aller weltlichen Früchte, die mit dem eigenen Karma erlangt wurden, wird immer wieder Leiden entstehen. Denn durch Unwissenheit ist man zu so einem leidvollen Dasein voller Sorge und Klage verdammt. Wer aber sein Bewußtsein allein auf Mich gerichtet und in jeder Hinsicht alle körperlichen Begierden aufgegeben hat, der kennt die vollkommene Glückseligkeit meines geistigen Selbst. Wie könnten jene, die an weltlichen Angelegenheiten hängen, jemals ein solches Glück erlangen? Wer keine Wünsche hegt, Zufriedenheit hat und seine Sinne beherrscht, wessen Bewußtsein unabhängig von den Umständen ausgeglichen ist, und wessen Geist vollkommen in Mir ruht, wird mit Glückseligkeit erfüllt, wohin er auch geht. Wer in Mir verankert ist, will Mich und sonst nichts. Er begehrt weder die Schöpferkraft von Brahma noch die natürliche Macht von Indra. Er will weder ein Reich auf Erden noch eine souveräne Macht in den niederen Welten. Er will weder die übernatürlichen Yoga-Mächte (der Siddhis) noch die eigene Befreiung.

Oh Uddhava, weder Brahma, der aus meinem Körper geboren wurde, noch Shankara (Shiva), Sankarshana (Balarama), die Göttin des Wohlstandes (Lakshmi) oder sogar mein eigenes Selbst ist mir so lieb wie du. Dem Weisen, der ohne persönliches Verlangen im Frieden verweilt, der niemandem feindlich gesinnt ist und der eine ausgeglichene Sicht hat, folge ich immer nach, damit es eine Reinigung durch den Staub meiner Lotusfüße gibt. Die großen Seelen, die nicht mehr nach Sinnesbefriedigung streben und einen Geist haben, der ständig an mich gebunden ist, die voller Zufriedenheit sind, zum Wohle aller Wesen leben und deren Bewußtsein nicht von Begierde beherrscht wird, erfahren meine Glückseligkeit, die nur durch vollkommene Freiheit erkannt wird. Wer diesen Weg der liebenden Hingabe zu mir geht, wird von den Sinnen und Gedanken nicht mehr überwältigt, auch wenn er noch angegriffen wird. Denn wie die lodernden Flammen eines Feuers das Holz zu Asche verbrennen, so verbrennt die liebende Hingabe an mich vollständig alle angesammelten Sünden, oh Uddhava. Yoga, Sankhya, Wohltätigkeit, Vedenstudium, Askese und Entsagung bringen niemals so viel Zufriedenheit in mir, wie die wahrhaft liebende Hingabe zu mir. Man gewinnt mich durch ernsthafte und reine Hingabe voller Vertrauen in die Höchste Seele als Objekt der Liebe für den Verehrer. Eine solche Bhakti-Hingabe, die allein auf mich gerichtet ist, wird sogar den unreinsten Menschen reinigen. Weder Dharma, Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit oder Weisheit werden durch Askese das Bewußtsein vollkommen reinigen, wenn diese liebende Bhakti-Hingabe zu Mir fehlt. Wie könnten ohne wahre Bhakti die Härchen vor Glückseligkeit zu Berge stehen, ohne liebevollen Dienst das Herz schmelzen und ohne reine Hingabe die Tränen fließen, die das eigene Herz reinigen? Das ganze Universum wird von demjenigen gereinigt, dessen Stimme erstickt, dessen Herz schmilzt, dessen Tränen in Reue und Freude immer wieder fließen, und der lacht, singt und tanzt in der Verbundenheit meiner Bhakti-Hingabe. Genauso wie Gold, das im Feuer geschmolzen wird, alle Unreinheiten aufgibt und in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrt, so wird auch die Verunreinigung durch Karma von der Seele entfernt, wenn man Mich ganzheitlich in liebevoller Bhakti-Hingabe verehrt. Wie ein Auge durch Medizin geheilt und gereinigt werden kann, so erkennt die Seele wieder die eine subtile Essenz, sobald sie durch das Hören und Erzählen meiner heiligen Geschichten gereinigt wird. Wie sich die Intelligenz einer Person, die über Sinnesobjekte meditiert, in der Sinneserfahrung verstrickt, so lösen sich auch die Gedanken in Mir auf, wenn man beständig an Mich denkt. Die eigenen körperlichen Vorstellungen sind daher wie die Einbildungen in einem Traum, doch wer sich in Mich vertieft, der verläßt diese. So wird der Geist gereinigt, wenn man vollständig in Meine Liebe versunken ist. Deshalb sollte man sich von körperlichen Begierden und allen dazugehörigen Bindungen fernhalten, und zufrieden in der Einsamkeit sitzen, um sich mit ganzer Achtsamkeit auf Mich zu konzentrieren. Denn keine andere Bindung bringt so viel Leid und Anhaftung als die körperliche und vor allem sexuelle Bindung, sowie die Verbindung mit denen, die ebenfalls daran anhaften.

Da fragte Uddhava:
Oh Lotusäugiger, auf welche Weise und in welcher Form sollte man über dich meditieren, wenn man Befreiung wünscht? Bitte sprich ausführlicher über diese Meditation.

Und der Höchste Herr sprach:
Man sollte aufrecht und bequem auf einem Sitz in Bodenhöhe sitzen, die Hände in den Schoß legen und den Blick auf die Nasenspitze richten. Dann sollte man den Weg seines Atems (Prana) reinigen, Schritt für Schritt das Einatmen, Halten und Ausatmen und umgekehrt üben, während man seine Sinne zügelt. Danach atmet man wie durch die Faser eines Lotusstiels ein, führt den Lebensatem vom Herzen nach oben und läßt den Klang OM (AUM) kontinuierlich wie eine läutende Glocke ganzheitlich vibrieren. So muß die Atemzügelung zusammen mit dem OM zehnmal geübt werden, und zwar zu Sonnenaufgang, Mittag und Sonnenuntergang. Nach einem Monat kann man dann den Lebensatem beherrschen und zügeln. Mit halb geschlossenen Augen sollte man sich wachsam und mit erhobenem Gesicht auf den aufsteigenden Lotus im Herzen konzentrieren. Innerhalb des Chakras seiner acht Blütenblätter sollte man nacheinander die Sonne, den Mond und das Feuer visualisieren. Und im Feuer sollte man Meine harmonische Form betrachten, die so heilsam für die Meditation ist, sanftmütig, fröhlich und mit vier schönen Armen. Der Hals und die Stirn sind von bezaubernder Schönheit, ebenso wie das reine Lächeln und die Ohren mit den leuchtenden Ohrringen. Man sollte über das goldene Kleid, die Körperfarbe wie dunkle Regenwolken, das Srivatsa-Zeichen auf der Brust, wo die Göttin wohnt, das Muschelhorn, den Diskus, die Keule und den Lotus, sowie über die Schönheit der Wildblütengirlande um meinem Hals meditieren. So sollte man auch über all die schönen und bezaubernden Teile meines Körpers meditieren, die Füße mit ihren glänzenden Glöckchen, das herrlich leuchtende Kaustubha-Juwel, die glänzende Krone und die Armbänder, den Gürtel und die Armreifen, das barmherzige Lächeln und den freundlichen Blick. So kann man den Geist von den Sinnen und ihren Objekten abwenden und mit der Intelligenz als Wagenlenker des Denkens die Seele achtsam und ernsthaft in die Richtung meiner Vollkommenheit führen. Das eigene Bewußtsein breitet sich über all dies aus und muß dann auf einen Punkt zurückgezogen werden, indem man sich auf das wunderbare Lächeln des Gesichts konzentriert und nicht länger auf andere Teile achtet. Mit dieser Konzentration sollte man sein Bewußtsein zurückziehen, bis man nur noch über den Raum meditiert. Dann gibt man auch diesen auf und kann als nächstes zu Mir aufsteigen und an nichts anderes mehr denken. Mit dem so vollständig vertieften Bewußtsein erkennt mich die individuelle Seele in sich selbst und alle Seelen in Mir, genauso wie die Sonnenstrahlen in der Sonne vereint sind. So wird der verblendete Zustand, sich selbst als Besitzer, Wissenden und Handelnden zu betrachten, bald vollständig seine Auflösung im Geist des Yogis finden, der diese beschriebene Meditation mit ganzer Konzentration praktiziert.


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