Pushpak Bhagavata Purana Buch 11Zurück WeiterNews

11.13. Die Belehrung des weißen Schwans

Der Höchste Herr sprach:
Güte, Leidenschaft und Unwissenheit (die drei Gunas von Sattwa, Rajas und Tamas) sind natürliche Eigenschaften der Vernunft (Buddhi bzw. universalen Intelligenz) und nicht der Höchsten Seele (Atman). Mit Güte kann man den anderen beiden entgegenwirken, während aber auch die Güte der Reinheit von ihnen zerstört werden kann. Die Güte fördert und stärkt das Dharma der Tugend und Gerechtigkeit, das durch liebende Hingabe (Bhakti) zu Mir gekennzeichnet ist. Alles, was zur natürlichen Eigenschaft der Güte gehört, wird zum Dharma führen, wenn man ernsthaft die innere (geistige) Stärke entwickelt. Wenn die Güte zunimmt und dominiert, vernichtet das Dharma die Leidenschaft und Unwissenheit. Und wenn diese überwunden sind, wird auch das Adharma der Untugend und Ungerechtigkeit, das die Wurzel der beiden ist, schnell überwunden. Weisheit, Wasser (bzw. Leben), Gesellschaft, Ort, Zeit, Karma, Geburt, Meditation, Mantras und Reinigungsriten sind die zehn Faktoren, welche die natürlichen Eigenschaften bestimmen. Was von diesen Dingen zur natürlichen Eigenschaft der Güte gehört, wird von den klassischen Weisen geschätzt, was zur Unwissenheit gehört, kritisieren sie, und was zur Leidenschaft gehört, sehen sie gemischt. Solange es keine Selbstverwirklichung gibt, die (den Einfluß der natürlichen Eigenschaften) neutralisiert, sollte man das entwickeln, was zur Güte führt, damit das Dharma der Tugend und Gerechtigkeit entsteht, das die spirituelle Einsicht fördert. So wie ein Feuer, das in einem Bambuswald durch Reibung der Stämme erzeugt wurde, sich nach dem Verbrennen wieder beruhigt, so wird auch das Feuer von Körper und Geist nachlassen, das durch die gegensätzlichen Wirkungen der natürlichen Eigenschaften erzeugt wurde.

Da fragte Uddhava:
Oh Krishna, die Sterblichen wissen im Allgemeinen, daß Sinnesbefriedigung eine Quelle von Problemen ist, aber sie erfreuen sich trotzdem daran. Wie kann es sein, daß sie sich freiwillig wie Hunde, Esel und Ziegen benehmen?

Und der Höchste Herr antwortete:
Das liegt daran, daß ein Unwissender eine verblendete Vernunft durch sein Ichbewußtsein hat. Wenn er dem Dharma keine Aufmerksamkeit schenkt, entsteht eine schreckliche Leidenschaft in seinem Herzen, die seinen denkenden Geist in die Irre führt. An diese Leidenschaft gebunden stellt sich der so überzeugte Geist alle möglichen Dinge vor. Er richtet sich auf die natürlichen Eigenschaften und wird dadurch von Begierden geplagt, die sein Leben immer unerträglicher machen. Wenn die Sinne und Gedanken nicht unter Kontrolle sind, begeht man, verwirrt von der Kraft der Leidenschaft und unter dem Einfluß der Wünsche, fruchtbringende Handlungen (Karma), selbst wenn man sich des daraus resultierenden Unglücks bewußt ist. Der gezügelte Weise bleibt dagegen frei von Anhaftung, auch wenn seine Vernunft von Leidenschaft und Unwissenheit angegriffen wurde, weil er achtsam bleibt und seine Gedanken sorgfältig zügelt. Deshalb sollte man den Atemprozeß (mit Pranayama) und den Körper (mit Asanas) beherrschen und achtsam Schritt für Schritt, ohne nachzulassen, das Denken zügeln, indem man sich regelmäßig auf Mich konzentriert. Dieses Yoga-System, wie es von meinen Schülern unter der Leitung von Sanaka (einer der Kumaras) gelehrt wird, wendet den denkenden Geist von allen Dingen ab und findet die direkte Vertiefung in Mir, so wie es sein sollte.

Da fragte Uddhava:
Oh Kesava, wann und in welcher Form hast du Sanaka und die anderen Schüler in diesem Yoga unterwiesen? Das würde ich gern wissen.

Und der Höchste Herr antwortete:
Sanaka und alle Söhne, die aus dem Geist von Brahma geboren wurden, der aus dem goldenen Welten-Ei stammt (Hiranyagarbha), erkundigten sich bei ihrem Vater nach dem überaus subtilen höchsten Ziel des Yogas-Weges. Sanaka und die anderen sprachen zu ihm:
Der denkende Geist ist auf die natürlichen Eigenschaften (der Gunas) gerichtet, und die Eigenschaften drängen sich dem Denken auf. Oh Meister, was ist für jemanden, der sich nach Befreiung sehnt und diesen weltlichen Ozean überqueren möchte, der richtige Weg, um sich von diesen gegensätzlichen Wirkungen zu erlösen?

So wurde der große selbstgeborene Schöpfergott aller Wesen befragt, dachte ernsthaft darüber nach, aber konnte keine Worte finden, um diese wesentliche Wahrheit zu beschreiben, denn sein Geist war wegen seiner schöpferischen Tätigkeit verwirrt. Mit dem Wunsch, eine Antwort zu finden, erinnerte er sich an mich als Gottheit, und zu dieser Zeit wurde ich in meiner Verkörperung als Schwan (Hamsa) sichtbar. Als sie mich sahen, näherten sie sich mit Brahma an der Spitze, brachten ihre Ehrerbietung zu meinen Lotusfüßen dar und fragten: „Wer bist Du?“ Und so von den Weisen befragt, die an der höchsten Wahrheit interessiert waren, sprach ich dann zu ihnen. Oh Uddhava, höre nun, was ich damals zu ihnen sagte:
Oh ihr Brahmanen, wenn ihr mit dieser Frage ausdrücken wollt, daß es in Bezug auf die eine wahre Essenz keinen Unterschied gibt zwischen unseren Seelen, wie könnt ihr mir dann eine solche Frage stellen, oder wie könnte ich euch als Sprecher antworten? Auch wenn ihr euch auf die fünf Elemente beziehen würdet, aus denen unsere Körper gleichermaßen bestehen, wäre eure Frage, wer ich bin, tatsächlich nur eine sinnlose Wortgeste. Denn was durch den gedanklichen Verstand, die Sprache, das Sehen und die anderen Sinne erfaßt wird, das alles bin Ich. Es gibt wirklich nichts, was außerhalb von mir existiert. Das müßt ihr klar erkennen. Das Bewußtsein ist auf die natürlichen Eigenschaften (der Gunas) gerichtet, und die natürlichen Eigenschaften drängen sich dem Bewußtsein auf. Aber für das Lebewesen, dessen Seele ich bin, sind sowohl das Bewußtsein als auch die natürlichen Eigenschaften äußere Erscheinungen. Wenn das Bewußtsein auf die natürlichen Eigenschaften gerichtet ist, und die Eigenschaften, die sich selbst aufdrängen, indem sie die Sinne stimulieren, das Bewußtsein ständig arbeiten lassen, dann muß derjenige, der die Einheit mit mir erkennen will, beides aufgeben.

Die drei Bewußtseinsebenen des traumlosen Tiefschlafs, des traumhaften Schlafens und des traumhaften Wachens sind die Transformationen der universalen Intelligenz (Buddhi bzw. ganzheitlichen Vernunft) aufgrund der natürlichen Eigenschaften. Darüber hinaus kann das Lebewesen aber auch das traumlose Wachsein (des reinen Bewußtseins als vierten Zustand) erreichen. Die körperliche Existenz stellt die Fessel dar, welche die Seele mit den natürlichen Eigenschaften bindet und beschäftigt. Aber wer sich mit Mir im vierten Bewußtseinszustand vereint, kann sogleich das Bewußtsein der natürlichen Eigenschaften aufgeben. Das Gegenteil davon ist die Bindung der Seele als Ergebnis der Identifikation mit dem Körper durch das Ichbewußtsein (Ahankara). So wird ein Allwissender, der sich aus der körperlichen Existenz (im Samsara) gelöst hat, im vierten Bewußtseinszustand von jeder Angst befreit. Doch solange ein Mensch von vielen verschiedenen Zielen überzeugt ist und nicht durch Meditation davon abläßt, wird er mit offenen Augen schlafen, genauso unbewußt wie jemand, der etwas im Traum sieht. Denn alle Existenzzustände, die von der Höchsten Seele getrennt sind, sind wegen dieser geschaffenen Trennung illusorisch und für den von Motiven und Zielen erfüllten Seher ebenso trügerisch wie die Erlebnisse in einem Traum. Im gewöhnlichen Wachzustand genießt er vorrübergehend die Qualitäten der äußeren Materie. In seinen Träumen macht er mit all seinen Sinnen eine ähnliche Erfahrung im Reich der Gedanken. Und im Tiefschlaf zieht er sich ganz zurück. Aber im traumlosen Wachsein wird er als ganzheitlich bewußter Zeuge aller drei anderen Bewußtseinszustände zum Herrn und Meister über seine Sinne und Gedanken.

Nachdem du die drei Bewußtseinszustände betrachtet hast, die aus den natürlichen Eigenschaften meiner Illusions- und Schöpferkraft (Maya) stammen, dann sei entschlossen über den Zweck (Mich im vierten Zustand zu erkennen) und schneide in deinem Herzen mit Hilfe des Schwertes der Erkenntnis, das durch Logik und Lehre bezüglich der Wahrheit geschärft wurde, die Ursache aller Zweifel ab (nämlich das Ichbewußtsein Ahankara). Betrachte diese wahnhaften Bewußtseinszustände wie traumhafte Illusionen, die heute auftauchen und morgen verschwunden sind, wie unruhige Feuerflammen. So erscheint die Höchste Seele trügerisch in vielen Arten der Illusion, wie ein dreifacher Traum durch die drei natürlichen Grundeigenschaften. Wenn du dein geistiges Auge von dieser Schöpfung abwendest und wunschlos still wirst, kannst du dein wahres Glück verwirklichen. Und wenn Gedanken über diese Erde kommen, erkennt man, daß sie unbedeutend sind. Alles, was man dann aufgibt, wird zwar noch bis an das Lebensende in Erinnerung bleiben, aber kann das Bewußtsein nicht weiter verwirren. Wie ein von Alkohol Berauschter gleichgültig jede Kleidung anzieht, so ist es auch dem Allwissenden gleichgültig, ob sein vergänglicher Körper sitzt oder steht, oder ob er durch das Schicksal diese irdische Welt verläßt oder einen neuen Körper bekommt, denn er hat seinen Ursprung erreicht. Der Körper wird, solange sein angesammeltes Karma aus dem fruchtbringenden Handeln andauert, mit dem Atmen fortfahren, wie es das Schicksal bestimmt. Aber nach dem Erwachen zum Ursprung (der Höchsten Seele) wird er im Yoga vertieft frei vom träumenden Ichbewußtsein kein Karma mehr ansammeln.

Oh ihr Weisen, erkennt, daß ich mit dieser Erklärung über die geheime Yoga-Wissenschaft zur Vereinigung des Bewußtseins als Opfer zu euch gekommen bin, mit dem Wunsch, Menschen wie euch das Dharma zu lehren. Oh ihr Besten der Zweifachgeborenen, Ich bin der höchste Weg des Sankhya und Yoga (von Theorie und Praxis), der Wahrheit und des Heiligen Gesetzes, sowie auch der vollkommene Pfad von Herrlichkeit, Ruhm und Selbstbeherrschung. All die vorzüglichen Attribute der Entsagung, Wunschlosigkeit, Liebe, Wahrheit, Allwissenheit, Einheit und Freiheit von natürlichen Eigenschaften gehören allein Mir, der ich ohne Eigenschaften und jenseits von Allem bin.

Und Krishna fuhr fort:
Oh Uddhava, damit habe ich damals die Zweifel der Weisen mit Sanaka an der Spitze aufgelöst. Sie verehrten mich mit transzendentaler Hingabe und besangen mit wunderschönen Hymnen meine Herrlichkeit. Vollkommen verehrt und verherrlicht von den Größten der Weisen, kehrte ich daraufhin vor den Augen von Brahma zu meiner Wohnstätte zurück.


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