Pushpak Bhagavata Purana Buch 8Zurück WeiterNews

8.20. Der Zwerg Vamana überschreitet alle Welten

Der ehrenwerte Suka sprach:
Als König Vali von seinem Familienpriester auf diese Weise beraten wurde, verstummte er für eine Weile und sprach dann nach reiflicher Überlegung zu seinem Lehrer:
Was du freundlicherweise zu mir gesprochen hast, ist wahr. Es ist das Dharma eines Hausvaters, in seinem Handeln die drei großen Lebensziele von Tugend, Reichtum und Liebe für seinen Lebensunterhalt nicht zu gefährden. Doch wie könnte ich, ein Erbe von Prahlada, aus Besitzgier wie ein gewöhnlicher Betrüger sich weigern, einem Brahmanen das zu geben, was ich versprochen habe? Es gibt keine größere Untugend als die Lüge. Wie auch Mutter Erde gesagt hat: „Ich kann alles ertragen, aber keine Lügner und Betrüger.“ Ich fürchte weder die Leiden der Hölle, noch Armut, einen Ozean an Sorgen, den Verlust meiner Herrschaft noch den Tod. Aber ich fürchte mich sehr, einen Brahmanen zu betrügen. Was nützen die vergänglichen Reichtümer, wenn man aus dieser Welt gehen muß? Sind sie nicht dafür gemacht, dem Weisen (auf dem Weg zur Befreiung als Opfer) zu dienen? Für das Wohl aller Wesen haben Heilige wie Dadhichi oder Sivi schwierigste Entsagung geübt und sogar ihr Leben geopfert. Was steht also dieser Gabe des Landes entgegen? Die Zeit raubt doch sowieso alle Besitztümer, auch von Dämonenkönigen, die diese Welt genossen und dann doch bereit waren, ihr Leben zu opfern. Nur der verdienstvolle Ruhm, den sie in dieser Welt erreicht haben, folgt ihnen ewig nach. Oh weiser Brahmane, leicht sind Menschen zu finden, die keine Angst vor dem Kampf haben und bereit sind, ihr Leben auf dem Schlachtfeld aufzugeben. Aber nur wenige können in einem heiligen Opfer alles hingeben, was sie besitzen. Es ist doch gerade die Herrlichkeit der Hochbeseelten, durch ihre Barmherzigkeit ruhmreich arm zu werden, indem sie die Bedürfnisse der Armen befriedigen, ganz zu schweigen von erleuchteten Heiligen, wie du es bist. Ich werde daher diesem Brahmanen-Sohn geben, was er wünscht. Jeder von euch, der sich des vedischen Opfergedankens bewußt ist, sollte den größten Respekt vor dem Empfänger aller Opfer haben, in welcher Gestalt er auch immer erscheint. Ob Vishnu nun gekommen ist, um mich zu segnen oder mich untergehen zu lassen, ich werde ihm alles Land geben, das er wünscht. Oh Weiser, ich werde mich nicht einmal rächen, wenn er sich als bescheidener Brahmanen-Junge ausgibt, mich wie einen Feind täuscht und trotz meiner Unschuld bindet. Wenn diese Person hier wirklich derjenige ist, der in den heiligen Schriften verherrlicht wird, dann wird er seine Pflicht nicht verraten. Entweder wird er das ganze Land erobern, in dem er mich besiegt, oder mich anerkennen, wenn ich ihn besiegt habe.

So sprach König Vali mit erhabenem und göttlich inspiriertem Geist, der der Wahrheit geneigt war, zu seinem geistigen Lehrer. Doch dieser verfluchte ihn als respektlosen Schüler mit folgenden den Worten:
Weil du so stolz auf deine Weisheit bist und störrisch meinen Rat mißachtest, verhältst du dich wie ein dummer Mensch und wirst bald deine ganze königliche Herrlichkeit verlieren!

Trotz dieses Fluchs von seinem Lehrer spendete Vali, der als Hochbeseelter seine Wahrhaftigkeit nicht aufgab, mit dem Segen des Wassers (und dem heiligen OM) das Land, das er dem göttlichen Zwerg versprochen hatte. Und auch Vindhyavali, die Ehefrau von Vali, kam sogleich mit dem Geschenk einer Perlenkette und einem goldenen Wassertopf, um die Füße des Herrn zu waschen. Und der Opferherr Vali wusch (noch einmal) die wunderschönen Füße und berührte voller Freude das Wasser mit seinem Kopf, das die ganze Welt reinigen konnte. Im gleichen Moment regnete es himmlische Blüten von den Göttern, Gandharvas, Vidyadharas, Siddhas und Charanas, denn sie alle freuten sich über die Wahrhaftigkeit dieses Dämonenkönigs. Die himmlischen Pauken, Hörner und Trompeten erklangen zu Tausenden und überall hörte man den Jubelruf: „Dieser Hochbeseelte hat eine wirklich schwierige Tat vollbracht, denn er opferte die drei Welten seinem Gegner (Vishnu und den Göttern).“

Daraufhin begann sich die Zwerggestalt des grenzenlosen Herrn auf wundersame Weise über die gesamte Welt der drei natürlichen Grundeigenschaften auszudehnen und erstreckte sich in alle Richtungen über die Erde mit den Menschen, Tieren und Pflanzen, das Wasser der Meere und Ozeane mit den Wasserwesen und den Himmel mit allen Sternen, Planeten, Göttern und Heiligen. Vali konnte zusammen mit all den Priestern und Brahmanen in diesem kosmischen Körper des Allmächtigen, der sich als Urquell vor ihnen ausbreitete, die ganze dreifache Welt mit allen natürlichen Eigenschaften der Elemente und Lebewesen mit ihren Sinnes- und Handlungsorganen, Gedanken, Ichbewußtsein und universaler Intelligenz erkennen. Die Unterwelt sah er in den Fußsohlen dieser Verkörperung des Höchsten Geistes (Purusha), die Oberwelt der Erde auf seinen Füßen, die Berge reichten bis zu den Waden, der große Luftraum der Vögel reichte bis zu den Knien, das Reich der Maruts (Sturmgötter) sah er in den Schenkeln, die Dämmerung in seiner Kleidung, die Stammväter im Genital, die Dämonen am After, den ganzen Himmel im Nabel, die sieben Meere in seiner Taille, den Kreis der Sternzeichen in seinem Gürtel, das Dharma im Herzen, die Freundlichkeit und Wahrhaftigkeit in der Brust und den Mond in seinem Denken. An seiner Brust sah er die Göttin des Wohlstandes, die immer einen Lotus in ihren Händen hält, in seinem Nacken die vedischen Versmaße, in seinen Armen die Götter mit Indra an der Spitze, in seinen Ohren die Himmelsrichtungen, auf seinem Kopf die Sterne, in seinen Haaren die Wolken, in seinen Nasenlöchern den Wind, in seinen Augen die Sonne, in seinem Mund das Opferfeuer, in seiner Rede die heiligen Hymnen, in seiner Zunge den Gott des Wassers, in seinen Augenbrauen die Warnungen und Gebote, in seinen Augenlidern Tag und Nacht, in seiner Stirn den Zorn, in seinen Lippen die Begierde, in seiner Haut die Lust, in seinem Sperma das Wasser, an seinem Rücken die Untugend und Ungerechtigkeit (Adharma), in seinem Genius die Opferzeremonien, in seinem Schatten den Tod, in seinem Lächeln die Illusions- und Schöpferkraft (Maya), in seinen Körperhärchen die Kräuter und anderen Pflanzen, in seinen Adern die Flüsse, in seinen Nägeln die Steine, in seiner universalen Intelligenz sah er Brahma, die Götter und Heiligen und in seinen körperlichen Sinnen alle mehr oder weniger beweglichen Lebewesen.

Oh König, als die Dämonen mit Vali an der Spitze diese Ganzheit aller Welten und Wesen vor sich sahen, waren sie ganz verwirrt. Und der Anblick des Sudarsana-Diskus mit seinem unerträglichen Feuer, des Bogens Sarnga mit dem Donnerklang, des laut tönenden Muschelhorns Panchajanya, der mächtigen Keule Kaumodaki, des scharfen Schwertes Vidyadhara, des undurchdringlichen Schildes mit den hundert Monden und des unerschöpflichen Pfeilköchers von Vishnu trieb sie in tiefste Verzweiflung. Die führenden Dämonen mit Sunanda an der Spitze und örtliche Götter brachten ihm Gebete dar, der mit brillanter Krone, goldenen Armbändern, glitzernden Ohrringen, dem Srivatsa-Zeichen und Kaustubha-Juwel, gelben Kleidern, Gürtel und Blumengirlande vor ihnen erschien. Oh König, so verkörperte sich der Höchste Herr und überdeckte mit einem Schritt das ganze Erdenreich von Vali, so daß sein Körper in den Himmel ragte und seine Arme alle Himmelsrichtungen umfaßten. Mit dem zweiten Schritt durchmaß er alle himmlischen Orte, und für den dritten Schritt war kein Ort mehr zu finden, denn sein Fuß reichte weit über den Maharloka, Janaloka und Tapaloka hinaus.


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