Pushpak Bhagavata Purana Buch 8Zurück WeiterNews

8.19. Die Bitte des Zwerges

Der ehrenwerte Suka sprach:
Oh König, als der Höchste Herr diese freundlichen und treuherzigen Worte, die dem Dharma entsprachen, von König Vali gehört hatte, lobte er ihn und sprach:
Oh Herrscher der Menschen, du sprichst wahre Worte, die deiner Familie würdig sind, dem Dharma folgen und deine Ehre vermehren. Das bestätigt die Weisheit der Bhrigu-Brahmanen und den Segen deines Großvaters Prahlada. Keiner in deinem Stamm war so armselig, sein Versprechen an die Brahmanen zu brechen und keine Wohltätigkeit zu üben. Wegen des tadellosen Ruhms von Prahlada, der wie ein klarer Mond am Himmel erschien, kann man in deiner Familie keinen König finden, der an heiligen Orten oder auf dem Schlachtfeld irgendeinen Bittenden abweisen würde. In deinem Stamm wurde Hiranyaksha geboren, der mit seiner Keule allein über die Erde wanderte, um alle Himmelsrichtungen zu erobern, und keinen ebenbürtigen Helden finden konnte. Nachdem Vishnu als Eber mit seinen Hauern die Erde aus dem Wasser hervorgehoben und nur mit großer Kraft Hiranyaksha besiegen konnte, würdigte er dessen Heldenkraft über alles. Doch als Hiranyakashipu vom Tod seines Bruders Hiranyaksha hörte, begab er sich wütend zur Wohnstätte des Herrn, seinen Bruder zu rächen. Und als ihn Vishnu, der Meister der Yogis und Kenner der Zeit, mit dem Dreizack in der Hand wie den Tod persönlich auf sich zukommen sah, überlegte er: „Wohin ich auch gehe, er wird mich wie der Tod verfolgen. Ich werde daher in sein Herz eintreten, denn er sucht mich nur außerhalb von sich.“ Oh König der Dämonen, mit diesem Entschluß trat er unsichtbar durch den Atem über ein Nasenloch in den Körper des Feindes ein, der ihn so vehement verfolgte. Als nun Hiranyakashipu den Wohnsitz von Vishnu durchsuchte, fand er niemand. Und wütend, weil er ihn trotz seiner Macht weder auf der Erde noch im Wasser, im Himmel oder der Unterwelt finden konnte, sprach er entschlossen: „Ich habe das ganze Universum nach dem Mörder meines Bruders durchsucht. Er kann nur noch ins Reich des Todes geflohen sein, um nie wieder zurückzukehren. Damit ist er für mich gestorben.“ Wahrlich, kein gewöhnlicher weltlicher Mann, der seinen Zorn aus Unwissenheit und Egoismus nährt, könnte eine solche Feindschaft mit dem Tod enden lassen. Auch dein Vater (Virochana) war dem Dharma geneigt und opferte in seiner Hingabe zu den Brahmanen sogar sein Leben für die Götter, die sich als Brahmanen verkleidet hatten, obwohl er ihre Verkleidung durchschaute. Und auch du selbst hast als Hausvater das Dharma nach den Geboten der Brahmanen, deiner heldenhaften Vorväter und der Hochbeseelten befolgt. So bitte ich dich nur um ein Stück Land. Oh König der Dämonen, der in seiner Wohltätigkeit so großzügig ist, bitte gibt mir nur so viel davon, wie ich mit drei meiner Schritte ermessen kann. Es gibt nichts anderes, was ich von dir erbitte, oh herrlicher König und Meister der Welten. Mögen die gelehrten Brahmanen keine Not leiden und durch Almosen erhalten, was sie benötigen.

Und König Vali antwortete:
Oh Sohn eines Brahmanen, deine Worte mögen den altgewordenen Weisen gefallen, aber als heranwachsender Junge vergißt du mit dieser Bescheidenheit deine persönlichen Interessen. Wer mich als Herr der Welt mit freundlichen Worten erfreut hat, kann nicht sehr klug sein, wenn er sich nur drei Schritte Land wünscht, obwohl ich doch ganze Kontinente verschenken kann. Niemand, der mich einmal um etwas gebeten hat, sollte wieder betteln müssen. Deshalb empfange von mir, so viel du willst, oh kleiner Brahmanen-Junge. Ich werde alle deine Wünsche erfüllen.

Darauf sprach der Höchste Herr:
Oh König, alle Sinnesobjekte, die man in den drei Welten sammeln könnte, können eine Person mit unbeherrschten Sinnen nicht befriedigen. Wer mit drei Schritten Land nicht zufrieden sein kann, wird auch mit einem ganzen Kontinent aus neun Ländern nicht zufrieden sein, weil er sich danach alle sieben Inselkontinente zum Besitz wünschen wird. Wir haben ja gehört, daß auch Könige wie Prithu oder Gaya, die zum Herrscher der sieben Kontinente wurden, das Ende ihre weltlichen Wünsche nicht erreichten. Man sollte also mit dem zufrieden sein, was einem mühelos gegeben wird. Für unzufriedene Menschen, die sich nicht selbst beherrschen können, kann es kein wahres Glück geben, auch wenn sie die drei Welten besitzen würden. Wer mit seinem Besitz und sinnlichen Freuden unzufrieden ist, wird kein Ende im Kreislauf der Existenzen erreichen. Wer sich jedoch mit dem zufrieden gibt, was das Schicksal gewährt, geht den Weg zur Befreiung. Mit dieser Zufriedenheit wachsen die geistigen Kräfte und die Herrlichkeit eines Brahmanen. Durch Unzufriedenheit vergehen sie wie ein Feuer, das mit Wasser gelöscht wird. Ich bitte dich daher als freigebiger Wohltäter nur um drei Schritte Land, denn mein Ziel ist es, nur das zu erwerben, was notwendig ist.

So wurde König Vali vom Höchsten Herrn angesprochen und antwortete lächelnd dem Zwerg Vamana: „So nimm nun so viel Land von mir, wie du willst.“ Und um sein Versprechen rituell zu segnen, ergriff er seinen Wassertopf. Doch Sukra, der Beste aller Kenner, ahnte den Plan von Vishnu und wandte sich sogleich an den Dämonenkönig, seinen Schüler, der das Land an Vishnu übergeben wollte.

Und Shri Sukra sprach:
Oh Sohn von Virochana, diese Person ist Vishnu, der Höchste Herr selbst. Er wurde von Kasyapa gezeugt und von Aditi in dieser Gestalt geboren, um den Interessen der Götter zu dienen. Ich fürchte, was du ihm versprochen hast, wird im Widerspruch zu deinen Absichten stehen. Du ahnst nicht, was für einen großen Schaden du damit den Dämonen zufügen wirst. Der sich hier als Menschenkind zeigt, ist der Höchste Herr selbst, der dir eine Lektion erteilen will. Er wird dir damit alle weltliche Herrlichkeit, Macht, Reichtum und Ansehen rauben und deinen Feinden übergeben. Mit diesen drei Schritten wird er alle Welten erobern, wenn er sich zu seiner universalen Form ausdehnt. Wie kannst du deine Herrschaft erhalten, wenn du wie ein Dummkopf alles an Vishnu verschenkt hast? Mit dem ersten Schritt wird er dein Erdenreich erobern, und mit dem zweiten Schritt den Himmel. Den dritten Schritt wird er soweit setzen, daß er keinen Ort mehr finden kann. Ich denke, dann mußt du für immer in der Hölle brennen, denn das geschieht mit Menschen, die ihr Versprechen nicht halten können. Ein weiser Mann scheut sich vor Wohltätigkeit, die den eigenen Lebensunterhalt gefährdet. Denn nur der, der sich selbst erhält, kann Opfer, Wohltätigkeit, Askese und wirksame Taten in dieser Welt vollbringen. Um in dieser und der jenseitigen Welt glücklich zu sein, sollt man sein Einkommen in fünf Teile teilen, nämlich jeweils ein Teil für die Religion, das Ansehen, das Eigentum, das Vergnügen und die Familie.

Oh Bester der Dämonen, höre, was diesbezüglich in vielen vedischen Versen gesagt wird: Alles, was mit der Silbe OM gegeben wird, wurde wahrhaftig gegeben, und alles andere gilt als unwahr. Diese vedische Wahrheit vergleicht man mit dem Pflücken von Blüten und Früchten von einem Baum: Wenn der Baum nicht lebt und seine Wurzel nicht wirkt, dann ist das Pflücken unmöglich. Denn wenn der Baum von der Wurzel abgetrennt wurde, trocknet er schnell aus. Ebenso schwindet das Leben eines körperlichen Menschen, wenn er von seiner Wurzel getrennt wird. Daran gibt es keinen Zweifel. Die Verwendung der Silbe OM bedeutet, daß man etwas Eigenes hingibt und davon frei wird. Das heißt, mit OM verliert man etwas. Wer also mit OM einem Bittenden etwas gibt, verschenkt sein eigenes Vermögen, und es kann passieren, daß nicht mehr genug für die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse übrigbleibt. Wähle daher für dich den richtigen Weg. Es ist zwar eine Form der Lüge, ohne OM etwas zu geben, aber nicht völlig falsch. Wenn du dagegen die Bitte des Brahmanen nach Lebensunterhalt ganz ablehnst, wirst du deinen guten Ruf verlieren und nur noch wie eine Leiche über die Erde wandern. Eine kluge Lüge ist besser als eine dumme Wahrheit. Und kluge Lügen sind immer erlaubt, um eine Frau zwecks Heirat zu bezaubern, einen Witz zu erzählen, seinen Lebensunterhalt zu erhalten, in Zeiten der Not, zum Schutz der Kühe und Brahmanen oder zur Abwehr von roher Gewalt.


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