Pushpak Bhagavata Purana Buch 8Zurück WeiterNews

8.12. Shiva wünscht die weibliche Verkörperung von Vishnu zu sehen

Der ehrenwerte Suka, der Sohn von Vyasa, sprach:
Als Shiva hörte, wie Vishnu die Gestalt einer wunderschönen Frau angenommen hatte, um die Dämonen zu verzaubern, und die Götter mit dem Nektar der Unsterblichkeit beglückt hatte, stieg er auf seinen Stier und begab sich zusammen mit seiner Göttin (Uma) im Kreise seiner Geisterschar zum Wohnsitz des Madhu-Vernichters (Vishnu). Der Höchste Herr begrüßte ihn herzlich mit allem Respekt, und nachdem Shiva und Uma bequem Platz genommen hatten, brachte auch Shiva seine Ehrerbietung dar.

Und Shiva sprach:
Oh Gott der Götter, oh alldurchdringender Herr und Lehrer des Universums, der das ganze Universum selbst ist, denn alle Formen der Existenz werden durch die Höchste Seele mit deiner Illusion- und Schöpferkraft verkörpert, und so bist du der Höchste Herr. Von allem, was im Anfang, Mitte und Ende der Schöpfung existiert und von allem „Ich“ und „Du“ bist du der Höchste Herr, das wahre und unerschöpfliche Brahman, der Höchste Geist frei von allen Gegensätzen. Die Weisen, die alle eigennützigen Ziele in dieser und der jenseitigen Welt aufgegeben haben und das höchste Wohl aller Wesen wünschen, verehren deine Lotusfüße. Du bist die Vollkommenheit des ewigen Lebens unabhängig von allen natürlichen Eigenschaften, frei von Leid und voll von Glückseligkeit, das unvergänglich Eine in Allem. Du bist der unveränderliche Grund von Schöpfung, Erhaltung und Auflösung des Universums, das Selbst und der Meister aller Selbstbeherrschung, die unabhängige Höchste Seele, von der alles abhängig ist. Du bist der Eine, der alles Vergängliche und Ewige verkörpert. Du bist frei von allen Unterschieden, weil du dich in der Welt in deinem Wesen nicht unterscheidest, wie sich das Gold in verschiedenen Gußformen nicht unterscheidet. Nur aus Unwissenheit haben die Menschen unterschiedliche Vorstellungen von dir und sehen Unterschiede, die durch die natürlichen Grundeigenschaften entstehen, während du selbst von allen Eigenschaften unabhängig bist. Einige betrachten dich als höchstes Brahman, andere als Dharma, als Höchster Geist jenseits von Ursache und Wirkung, als Höchste Seele und Shakti mit den neun Naturkräften oder auch als unabhängigen und unvergänglichen Höchsten Herrn. Weder ich noch Brahma oder seine geistigen Söhne mit Marichi an der Spitze kennen dich, der dieses Universum erschaffen hat, denn wir selbst sind erst aus deiner Güte entstanden. Was soll man da über die Dämonen und anderen sterblichen Wesen sagen, die von Leidenschaft und Trägheit geprägt mit einem Geist leben, der dazu noch beständig von deiner Illusions- und Schöpferkraft (Maya) verwirrt wird?! Wie der Raum uns ebenso durchdringt wie den Himmel, so durchdringst auch du alles und bist gleichzeitig frei davon. Als Alldurchdringender bezeugst du alles über die Schöpfung, Erhaltung und Auflösung der ganzen Welt, über die Wünsche und Gedanken der Lebewesen und über alles, was sich bewegt und nicht bewegt. Ich habe in den verschiedenen Zeitaltern verschiedenste Verkörperungen für verschiedenste Zwecke von dir gesehen. Nun bitte ich dich, auch deine Verkörperung als Frau sehen zu dürfen, mit der du die Dämonen fesseln konntest, um die Götter mit dem Nektar der Unsterblichkeit zu beglücken. Dafür sind wir hier erschienen.

So wurde Vishnu vom Träger des Dreizacks gebeten und gab lächelnd folgende Antwort von tiefster Bedeutung. Der Höchste Herr sprach:
Oh Shiva, im Interesse der Götter hielt ich es für notwendig, die Dämonen zu verwirren, die den Krug mit dem Nektar gierig ergriffen hatten. Dazu nahm ich diese Form einer wunderschönen Frau an. Oh du Bester der Götter, ich werde deinen Wunsch erfüllen und dir diese anbetungswürdige Gestalt zeigen, die von leidenschaftlich getriebenen Männern so sehr verehrt wird.

So sprach Vishnu und verschwand vor den Augen aller Anwesenden. Da ließen Shiva und Uma ihre Blicke umherschweifen und erblickten an einem schönen Ort im Walde eine entzückende Frau, die ein glänzendes Kleid mit einem goldverzierten Gürtel trug und zwischen den Bäumen voll rötlichen Blättern und allerlei Blüten mit einem Ball spielte. Sie ließ den Ball unter ihren Händen springen, und bei jedem Schritt mit ihren korallenroten Füßen hüpften auch ihre Brüste und die Blumengirlande um ihren zarten Hals. Ihre Augen folgten emsig dem Ball, der sich unruhig in alle Richtungen bewegte. Ihre Ohrringe glitzerten in der Sonne, und ihr glänzend dunkles Haar fiel in schönen Locken über die Wangen eines strahlenden Gesichts. Während sie den Ball mit der rechten Hand schlug, lösten sich ihre Haare, und mit der linken Hand versuchte sie charmant, das sich lockernde Kleid festzuhalten. So zeigte sich die Illusions- und Schöpferkraft des Höchsten Herrn, die alle Wesen im Universum faszinieren kann.

Als der Gott sah, wie anmutig sie mit dem Ball spielte und wie schüchtern sie lächelte, wurde auch er vom Anblick der hinreißenden Schönheit geblendet. Er konnte seine Augen nicht mehr von ihr abwenden und vergaß die neben ihm sitzende Uma und all sein Gefolge. Plötzlich sprang der Ball weit weg von ihrer Hand, und sie folgte ihm mit schnellem Schritt, so daß sich der Gürtel löste, ihr seidenes Kleid vor den Augen Shivas herabfiel, und er die Vollendung ihrer wohlgeformten Körperlichkeit sah, die seinem Blick so angenehm war. Als sich dann ihre Blicke trafen, fühlte Shiva ihre Liebe, und angezogen von ihrem Spiel und lächelndem Gesicht ging er ohne Verstand und Scham hinter ihr her, obwohl Uma alles mit ansah. Die völlig nackte Frau sah ihn kommen und lief mit zutiefst verlegenem Lächeln hin und her, um sich hinter den Bäumen zu verstecken. So wurde sogar Shiva von seinen Sinnen überwältigt und fiel der Lust zum Opfer, wie ein brünstiger Elefant, der eine Elefanten-Dame verfolgt. Er eilte hinter ihr her, ergriff sie am Zopf ihres Haares und zog sie gegen ihren Willen an seine Brust, um sie zu umarmen. Doch sie wand sich wie eine Schlange, und konnte sich aus seinem Griff befreien, oh König. Und nachdem sie dem Griff des Gottes entkommen war, rannte sie schnell davon, wobei ihre schwingenden Hüften die Illusionskraft des Höchsten Herrn eindrucksvoll offenbarten. Rudra eilte ihr wie ein Besessener hinterher und verfolgte Ihn, dessen Illusionskraft sich vor seinen Augen so wundervoll entfaltete. Er jagte die Schöne wie ein brünstiger Bulle eine Kuh und verlor bereits auf dem Weg sein Sperma, das er sonst niemals unnütz vergeudete. Jeder Ort, wo sein Sperma auf die Erde tropfte, wurde eine Mine für Silber und Gold. Überall an den Flüssen und Seen, in den Bergen, Wäldern und Gärten, wo die Weisen lebten, war Shiva zu sehen. Oh bester König, erst als er bemerkte, wie sein Sperma floß, erkannte er die Täuschung durch die Illusions- und Schöpferkraft des Höchsten Herrn und hörte auf, dieser Illusion nachzujagen. Doch weil er die Macht und Größe der Höchsten Seele des Universums kannte, fand er diese Geschehnisse nicht weiter überraschend. Und als Vishnu, der Madhu-Vernichter, sah, daß er davon weder verwirrt noch beschämt war, nahm er zufrieden wieder seine männliche Gestalt an.

Und der Höchste Herr sprach:
Oh Bester der Götter, ich wünsche dir alles Gute! Als ich als Frau erschien, warst du spontan von meiner Illusionskraft (Maya) verzaubert, und doch bleibst du beständig in der Höchsten Seele gegründet. Wer außer dir, könnte meiner Illusionskraft widerstehen, wenn er von den Sinnen gefangen wird? Wer seine Sinne nicht beherrschen kann, hat es extrem schwer, den überwältigenden Einfluß der körperlichen Welt zu besiegen. Nur wer mit der vergänglichen Zeit und allen natürlichen Prinzipien mit Mir in der Ewigkeit verschmilzt, kann die Verwirrung durch die Illusions- und Schöpferkraft (Maya) aller natürlichen Eigenschaften beenden.

Oh Nachkomme des Bharata, so wurde Shiva von Vishnu gelobt, der das Srivatsa-Zeichen (den Endlosknoten) auf seiner Brust trägt. Daraufhin umrundete er den Gott und verabschiedete sich, um mit seinem Gefolge in sein Reich zurückzukehren. Doch zuvor wandte sich Shiva noch voller Freude an seine Frau Uma, die (als Shakti) von den Weisen als wesentliche Verkörperung der Illusions- und Schöpferkraft des Höchsten Herrn betrachtet wird.

Und Shiva sprach:
Oh Liebste, hast du gesehen, wie ich selbst gegen meinen Willen von dieser Illusionskraft des ungeborenen Höchsten Geistes verwirrt wurde, obwohl ich als Gottheit jenseits der Zeitlichkeit stehe? Was soll man da von anderen Wesen sagen, die der körperlichen Anhaftung unterliegen? Als ich nach tausend Jahren meine Yoga-Askese beendete, hast du mich gefragt, über wen ich meditiert habe. Es ist Er, der überall anwesende Höchste Geist, der weder vom Schicksal noch von der Zeit abhängig ist.

Und Suka fuhr fort:
Oh bester König, damit habe ich dir die Fähigkeiten von Vishnu erklärt, dem Träger des Bogens Sarnga, der als Schildkröte den großen Berg Mandara auf seinem Rücken trug, um den Ozean zu quirlen. Wer diese Geschichte achtsam liest oder hört, wird alle seine Wünsche erfüllen können, denn die Erkenntnis der wesentlichen Fähigkeiten des Höchsten Herrn, der in den heiligen Schriften gelobt wird, befreit vom Leiden der körperlichen Existenz. Höchste Verehrung dem Höchsten Herrn, der die Wünsche seiner Verehrer erfüllt, dessen Füße die Weisen verehren, den die Gottlosen nicht anerkennen, der den Göttern erlaubt, vom Nektar der Unsterblichkeit zu trinken, der aus dem Ozean gewonnen wird, und der sich in weiblicher Gestalt zur Bindung der Götterfeinde verkörpert.


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