Pushpak Bhagavata Purana Buch 6Zurück WeiterNews

6.5. Der Heilige Narada wird von Daksha verflucht

Der ehrenwerte Suka sprach:
Von Vishnus Illusions- und Schöpferkraft (Maya) angetrieben zeugte Daksha mit seiner Frau Asikni zehntausend mächtige Söhne, die Haryasvas genannt wurden. Oh König, diese Söhne glichen ihm an Wesen und Dharma und gingen in westliche Richtung, um das Gebot ihres Vaters zur Vermehrung der Lebewesen zu erfüllen. Dort kamen sie zu dem Ort, wo der Sindhu in den Ozean fließt und sich ein heiliger See befindet, der den Namen Narayana-Saras trägt und von den Heiligen und Siddhas gern besucht wird. Hier folgten sie dem Weg der schwanengleichen Hochbeseelten, übten strenge Buße und reinigten mit dem heiligen Wasser ihren Geist von allen unreinen Gedanken. Doch als sie bereit waren, sich geschlechtlich zu vermehren, wie es ihr Vater geboten hatte, wurden sie vom göttlichen Heiligen Narada besucht.

Und Narada sprach zu ihnen:
Oh Haryasvas, ihr seid Fürsten, die auf der Erde herrschen sollen, aber es fehlt euch leider an Erfahrung. Wie wollt ihr, ohne die Vergänglichkeit durchschaut und die Vollkommenheit in der Welt erkannt zu haben, Nachkommen zeugen, die der Wahrheit dienen können? Ihr werdet leben wie ein Mann in einem Königreich, das einem Loch in der Erde gleicht, aus dem es kein Entrinnen gibt. An seiner Seite lebt eine sinnliche Ehefrau, die ihren Körper dem Sinnesgenuß anbietet. Sein Haus wurde am unbeständigen Ufer eines Flusses gebaut, der stetig Substanz auflöst und anlagert, und besteht aus 25 Materialien. Ein Schwan (die Vernunft) erzählt schöne Geschichten, und es dreht sich ein messerscharfes Rad (der Vergänglichkeit). Wie könnt ihr den Geboten eures sonst so erfahrenen Vaters folgen, wenn ihr das Wesen dieser Schöpfung noch nicht durchschaut habt?

Nachdem die Haryasvas diese rätselhaften Worte vom Heiligen gehört hatten, dachten sie mit ihrer ganzen Intelligenz darüber nach, so daß ihre Weisheit erwachte. Sie erkannten die Erde als das Feld der karmischen Taten und die ewige Ursache für die Entstehung der individuellen Seele und deren Knechtschaft. So fragten sie sich: Welchen Sinn hat vergängliche Arbeit, wenn man das höchste Ziel nicht sieht? Welche Bedeutung haben die vergänglichen Früchte karmischer Taten, wenn man den Höchsten Herrn nicht kennt, der ungeboren und unabhängig auf sich selbst gestützt ein reines Bewußtsein jenseits der materiellen Welt ist? Welchen Sinn haben die karmischen Taten in einer vergänglichen Welt, wenn man die Unterwelten und Oberwelten nicht kennengelernt hat? Was nützt es mit Leidenschaft und Klugheit für Ergebnisse zu arbeiten, wenn das große Ziel der Arbeit unbekannt ist? Man gleicht doch nur einer Frau, die ihren Körper für den Sinnesgenuß verkauft. Wozu die Taten in einer vergänglichen Welt, wenn man der materiellen Anhaftung verfällt, seine unabhängige Freiheit verliert und die unwissenden Gedanken wie untreue Frauen sind? Was nützt es, für einen vergänglichen Vorteil zu arbeiten, wenn man das Wesen der Welt nicht kennt, in der die körperliche Illusion zur Schöpfung und Auflösung führt, wie der Hausbau eines törichten Mannes am unbeständigen Ufer eines Flusses? Wenn man in dieser Existenz die 25 natürlichen Prinzipien der Körperlichkeit (wie Ichbewußtsein, Elemente usw.) nicht durchschaut und die Wirklichkeit des Höchsten Herrn nicht kennt, in der sich die individuelle Seele (mit dem Ichbewußtsein) spiegelt, wozu sollte man sich um die Illusion eines materiellen Gewinns bemühen? Was nützt es, nach den Früchten dieser Welt zu greifen, solange man nicht weiß, warum sich das messerscharfe Rad der Zeit dreht und die ganze Welt nach ihren Regeln und Maßen beherrscht? Wie kann man sich in die natürlichen Qualitäten der Natur verstricken und tätig sein wollen, wenn man die Gebote des Großen Vaters nicht versteht, um aus diesem Kreislauf der weltlichen Verstrickung wieder zu entkommen?

Oh König, so wurden die Haryasvas von Narada überzeugt, umrundeten ihn voller Verehrung und gingen den Weg, der keine Rückkehr kennt. Und der Heilige wanderte weiter durch die Welten und bewahrte mit geistigen Klängen den Herrn der Sinne im Geist, so daß er innerlich ungeteilt war und sein Bewußtsein auf die Lotusfüße richtete (zum Dienst am Höchsten Herrn). Als der Stammvater Daksha von Narada über das Verschwinden seiner Söhne erfuhr, die in ihrem Wesen höchst vorzüglich waren, begann er leidvoll zu klagen, und der Gedanke, seine herrlichen Söhne verloren zu haben, tat ihm sehr weh. Doch der Schöpfergott Brahma beruhigte ihn, und so zeugte er mit Panchajani (Asikni) weitere tausend Söhne, die man Shavalashvas nannte. Auch ihnen gebot der Vater, die Welt mit Lebewesen zu bevölkern, und auch sie gingen zur Reinigung zum See Narayana-Saras, wo sich ihre älteren Brüder zur Vollkommenheit erhoben hatten. Dort badeten sie regelmäßig, sangen Hymnen und murmelten Mantras, um das Höchste zu erreichen. Dazu übten sie strenge Entsagung, um sich von allen Unreinheiten im Herzen zu befreien. Monatelang tranken sie nur Wasser, ernährten sich von Luft und beteten mit folgendem Mantra zum Meister aller Mantras:

Verehrung dem Höchsten Herrn Narayana, der Höchsten Seele, der ewig in reiner Güte wohnt, dem schwanengleichen Geist, über den wir meditieren (om namo narayanaya purushaya mahatmane vishuddha-sattva-dhishnyaya maha-hamsaya dhimahi).

Oh König, als sie dann daran dachten, die Erde zu bevölkern, wurden sie wie ihre Brüder vom heiligen Narada mit bedeutungsvollen Worten angesprochen, und zum Schluß sagte er:
Oh ihr Söhne von Daksha, habt ihr mir achtsam zugehört? Dann folgt dem Weg eurer Brüder, mit denen ihr so tief verbunden seid! Ein Bruder, der dem Weg des Älteren treu ist, weil er den Dharma kennt, ist ein frommer Bruder, über den sich die Maruts freuen (die Sturmgötter, die als Brüder stets zusammenhalten).

So sprach Narada und verschwand in seiner vorzüglichen Erscheinung. Und so geschah es, daß die Shavalashvas ihren älteren Brüdern folgten. Sie richteten ihren Geist tief ins Innere und gingen den transzendentalen Weg zum Höchsten. Sie verschwanden wie die Dunkelheit der Nacht im Licht der Sonne und sind bis heute nicht zurückgekehrt. Während dieser Zeit bemerkte der Stammvater Daksha viele seltsame Omen, und als er hörte, daß seine Söhne wie zuvor wegen Narada verschwunden waren, wurde er von der Trauer um seine Kinder überwältigt, verlor seine Selbstbeherrschung, wurde wütend auf Narada und sprach zu ihm voller Zorn mit bebenden Lippen:
Oh Narada, du falscher Prediger in Verkleidung eines Heiligen! Was für eine Schande hast du über uns gebracht! Unschuldige Jungs, denen es an weltlicher Erfahrung mangelte, hast du auf den Weg der Bettelmönche geführt. Sie waren noch nicht frei von den drei Schulden (gegenüber den Göttern, Lehrern und Ahnen), und du hast unter Mißachtung dieser Pflichten ihren Weg des Glücks auf der Erde und im Jenseits ruiniert. Oh Sünder, ohne jegliches Mitgefühl hast du den Geist dieser Jünglinge verführt. Schande über dich als Diener des Höchsten Herrn! Du solltest doch wissen, daß die guten Diener des Herrn stets bemüht sind, die gefallenen Seelen zu segnen. Doch du hast das Band der Freundschaft zerbrochen und Zwietracht unter die Menschen gesät, die in Harmonie lebten. Mit deiner Lehre predigst du eine falsche Entsagung, die das Mitgefühl verletzt und die Menschen trennt. Das kann keine wahrhafte Entsagung sein! Wer die sinnlichen Freuden nicht kennenlernt, kann ihre leidvollen Folgen nicht erkennen. Nur so kann man auf tiefgründe Weise den sinnlichen Freuden entsagen, und nicht durch Meinungen, die man von anderen darüber hört. Wer mit Frau und Kindern ehrlich lebt, akzeptiert die weltlichen Mühen entsprechend der vedischen Gebote. Das große Unrecht, das du uns angetan hast, habe ich einmal vergeben. Doch nun hast du zum zweiten Mal die Linie unserer Nachkommen zerbrochen. Deshalb sollst du, oh Narr, in dieser Welt ruhelos umherwandern müssen und nirgends mehr einen festen Wohnsitz (in der Häuslichkeit) finden!

Narada hörte diese Worte, tolerierte sie, wie es für einen vollendeten Heiligen angemessen ist, und sprach selbstbeherrscht: „So sei es!“


Zurück Inhaltsverzeichnis Weiter