Pushpak Bhagavata Purana Buch 4Zurück WeiterNews

4.28. Puranjanas Tod und Wiedergeburt als Frau

Narada sprach:
Oh König Prachinavarhis, die Soldaten (bzw. Leiden) von Bhaya (der Angst) folgten dem Schicksal (des angesammelten Karmas) und durchstreiften zusammen mit Prajvara (dem Fieber) und Kalakanya (der Vergänglichkeit als Tochter der Zeit) diese Erde. Und eines Tages überwältigten sie auch die Stadt von Puranjana, die mit sinnlichen Freuden angefüllt und von der fünfköpfigen Schlange (des Lebensatems) beschützt worden war. Die Tochter von Kala führte diesen Angriff an, und wer von ihr überwältigt wurde, wurde sogleich schwach und kraftlos. Damit drangen die Yavanas (die Krankheiten) von allen Seiten durch die Tore ein und verursachten schwere Leiden in der Stadt (des Körpers). Und so saß Puranjana (die verkörperte Seele) als eifriger Hausbesitzer, der übermäßig an Familie und Reichtum anhaftete, in einer Stadt, die von allen Arten der Not geplagt wurde. Von der Tochter der Zeit umarmt verlor er seine Herrlichkeit, und die Yavanas und Gandharvas raubten ihm jegliches Wohlergehen, weil er von sinnlichen Freuden abhängig war. Er sah, wie seine Stadt überwältigt war, die Diener, Minister, Söhne und Enkel untreu wurden und sogar seine Ehefrau (das Ichbewußtsein) keinen Trost mehr gewährte. Als Puranjana auf diese Weise von unüberwindlichen Feinden überwältigt war, wurde er von größter Angst ergriffen, und weil ihn Kalakanya (die Vergänglichkeit) umarmte, konnte er nichts dagegen tun. Durch seine sinnliche Liebe zu seiner Ehefrau und den Kindern hatte er den wahren Sinn des Lebens verloren, und durch Kalakanya war alles, was der arme Mann in seinem Leben erreicht hatte, von der Vernichtung bedroht. Und um seinen älteren Bruder Bhaya (Angst) zu gefallen, setzte (das Fieber von) Prajvara, der mit seinen Soldaten durch die Tore eingedrungen war, die ganze Stadt in Brand. Und als die Stad mit allen Bewohnern und Dienern in Flammen stand, mußte Puranjana als König zusammen mit seiner Königin überaus leiden.

Mit dem Angriff der Yavanas auf die Körperstadt und durch die Eroberung durch Kalakanya und Prajvara wurde der Wächter der Stadt (die Schlange bzw. der Lebensatem) schwer verletzt. Er konnte die Stadt nicht mehr beschützen und hatte große Schwierigkeiten, dort herauszukommen, als müßte er einen hohlen Baum verlassen, der in Flammen aufgegangen war. Und angesichts der schwindenden Lebenskraft, die von den feindlichen Yavanas und Gandharvas geraubt wurde, begann Puranjana immer mehr zu klagen: „Was wird nun aus meinen Söhnen, Töchtern, Enkeln und Dienern? Was wird aus meinem Königreich, dem Palast, dem Reichtum und all meinen Gütern?“ Als er sich von der Stadt trennen mußte, richtete der König seinen Geist auf „Ich“ und „Mein“, hing mit schmerzlichsten Gedanken an seiner Ehefrau (dem Ichbewußtsein) und jammerte voller Mitleid:
Wenn ich diese Welt verlasse, dann muß meine Frau ohne Ehemann allein leben und wird mit all den Kindern in größten Kummer fallen. Sie hatte nie gegessen, bevor ich aß, und nie gebadet, bevor ich badete. Sie war stets traurig, wenn ich traurig war, und ängstlich, wenn ich ängstlich war. Sie gab mir immer guten Rat, und wenn ich nicht da war, war sie zutiefst bekümmert. Wie könnte sie die Haushaltspflichten als Mutter so vieler Kinder ohne mich erfüllen? Wie sollen meine Söhne und Töchter leben, wenn sie keinen Beschützer mehr haben? Sie werden wie Passagiere eines löchrigen Bootes im Ozean versinken.

Während er ohne Weisheit so sinnlos klagte, näherte sich der König der Yavanas, um ihn völlig gefangenzunehmen. Puranjana wurde von den Yavanas gebunden und wie ein Tier abgeführt, während seine Diener (die Sinne) zutiefst zerrüttet und unfähig waren, noch irgendetwas zu tun. Und sobald die Schlange (der Lebensatem) die Stadt aufgeben mußte, begann sie zu verfallen und sich wieder in die Elemente aufzulösen. Puranjana wurde so gewaltsam von den Yavanas davongetragen, daß er in seiner Unwissenheit unfähig war, sich an sein wahres Wesen zu erinnern, nämlich die Höchste Seele, die als Freund immer gegenwärtig ist. Die Tiere, die er unbarmherzig in seinen Opfern (bzw. während seiner Jagd) getötet hatte, erinnerten sich an seine Gewalt, ergriffen zornig eiserne Äxte und verfolgten ihn damit. Für hunderte Jahre war er im Jenseits in Dunkelheit versunken und mußte seine Sünde aus der Anhaftung an seine Frau (dem Ichbewußtsein mit den sinnlichen Freuden der Natur) bitter bezahlen.

Und weil er während des Sterbens so sehr auf eine Frau geprägt war, wurde er danach als schöne Tochter im Hause eines mächtigen Königs von Vidarbha wiedergeboren. Der weise König Malayadhvaja, der große Städte erobert und zu ihrer Gattenwahl alle anderen Fürsten im Kampf besiegt hatte, gewann sie als Ehefrau. Er zeugte mit ihr eine dunkeläugige Tochter und sieben mächtige Söhne (die sieben Arten der Gottesverehrung), die zu den sieben Königen der sieben Provinzen im Süden Indiens (Dravida) wurden. Ihre Stämme vermehrten sich mit Millionen und Abermillionen Nachkommen, welche die Erde über das ganze Manwantara (die Epoche eines Manus) regierten. Die erstgeborene dunkeläugige Tochter wurde die treue Ehefrau des Heiligen Agastya und gebar ihm einen Sohn namens Dridhachyuta (beständige Gelassenheit), der wiederum zum Vater des großen Heiligen Idhmavaha wurde (der „mit dem Brennholz in der Hand“ den Lehrer um Belehrung bittet).

Nachdem der fromme König Malayadhvaja die Erde unter seinen Söhnen aufgeteilt hatte, ging er nach Kulachala (dem „großen Berg“), um Krishna zu verehren. Und die bezaubernde Tochter von Vidarbha (die Wiedergeburt von Puranjana) gab ihr Hausleben, ihre Kinder und allen weltlichen Besitz auf und folgte ihrem weisen Herrn, wie der Mondschein den Mond begleitet. Dort reinigte sich der König innerlich und äußerlich mit dem heiligen Wasser der Flüsse Chandravasa, Tamraparni und Vathodaka, lebte asketisch, erst von Wurzeln, Körnern und Früchten, dann von Blüten, Blättern und Gräsern und schließlich nur von Wasser und zehrte seinen Körper ab. Mit einsichtiger Gelassenheit löste er die Gegensätze auf, wie Kälte und Hitze, Sonne und Regen, Hunger und Durst, Anziehendes und Abstoßendes oder auch Glück und Unglück. Mit Gelübden und Zügelung unterwarf er auf dem Yoga-Weg seine Sinne, seine Gedanken und das Ichbewußtsein und verbrannte durch Selbstbeherrschung und Selbsterkenntnis alles Unreine. Er saß viele hundert Götterjahre still, konzentrierte sich ganz auf Vasudeva, den Höchsten Herrn, und sah nichts anderes mehr. Er erkannte sich als Verkörperung der Höchsten Seele, und wie sich alle geistigen und natürlichen Formen wie ein Traum aus dem reinen Bewußtsein erhoben hatten. Er wußte nun, daß er vollkommen unabhängig von allen Gestaltungen war. Oh König, vom Höchsten Herrn erleuchtet, der wie ein geistiger Lehrer wirkt, erstrahlte die reine Erkenntnis in alle Richtungen. So erkannte er sich selbst in der Höchsten Seele und legte seine Körperlichkeit ab.

Die Tochter von Vidarbha diente ihrem Ehemann Malayadhvaja mit ganzer Liebe und Hingabe, erkannte in ihm die Gottheit, durchschaute die natürlichen Prinzipien und gab jeden Sinnesgenuß auf. Sie war in alte Lumpen gehüllt, trug verfilzte Haare, übte die Gelübde der Entsagung und erstrahlte neben ihrem Ehemann wie die Flamme eines rauchlosen Feuers. Während er beständig in Meditation saß, diente sie ihm immer weiter, bis sie keinerlei Lebenszeichen mehr an ihrem geliebten Ehemann erkennen konnte. Als sie die Wärme seiner Füße nicht mehr spürte, wurde sie traurig wie eine Hirschkuh, die ihren Partner verloren hatte. Sie beklagte den Verlust ihres Geliebten und das Elend ihres Schicksals, weinte mit gebrochenem Herzen im einsamen Wald, benetzte ihre Brüste mit Tränen und rief ängstlich: „Bitte steh auf, oh weiser König, beherrsche diese vom Ozean umgrenzte Erde und beschütze uns vor der Bedrohung durch Räuber und Ungerechtigkeit!“ Und schluchzend fiel die reine und treue Frau an diesem einsamen Ort mit tränenüberströmtem Gesicht zu Füßen ihres Mannes nieder. Dann schichte sie einen Scheiterhaufen aus Holz, legte den Körper ihres Mannes darauf, entzündete ihn und richtete klagend ihren Geist darauf, zusammen mit ihm in den Flammen zu sterben.

Da erschien ein alter und weiser Brahmane. Es war der Freund, der die weinende Königin (die Wiedergeburt von Puranjana, der verkörperten Seele) beruhigte und sprach:
Wer bist du, und woher stammst du? Wer ist der Mann, der dort liegt? Wen beklagst du? Erkennst du mich nicht als den Freund, den du schon immer befragt hast? Oh Freund, erinnerst du dich, wie du die Höchste Seele vergessen und mich als Freund aufgegeben hast, um über die Erde zu wandern und einen Wohnort zu suchen, der dir Sicherheit und sinnliche Freuden gewährt? Oh große Seele, wir sind Freunde, die wie zwei vertraute Schwäne tausend Jahre (bzw. Yugas während der universalen Auflösung) auf dem Manasa-See (dem Meer der Erinnerung bzw. Ursachen) lebten und dann getrennt wurden. Oh Freund, du hast mich verlassen, um über die Erde zu wandern, dich zu verkörpern und in jener Stadt zu leben, in der du deine Frau (dein Ichbewußtsein) gefunden und geliebt hast. Diese Stadt hatte fünf Gärten, neun Tore, einen Beschützer, drei Vorratskammern, sechs Hauptstraßen und fünf Marktplätze. Sie wurde aus den fünf Elementen gebaut und von jener Frau (dem Ichbewußtsein) geleitet. Mein Freund, die Gärten sind die fünf Arten der Sinnesobjekte, die Tore sind die neun Körperöffnungen, die drei Vorratskammern speichern Feuer (bzw. Energie), Wasser und Nahrung, die Hauptstraßen sind die fünf Sinne mit dem Denken, die Marktplätze sind die fünf Handlungsorgane (Mund, Hände, Beine, Zeugungs- und Ausscheidungsorgan), und die fünf Elemente sind Erde, Wasser, Feuer, Wind und Raum. Der Mann (der Höchste Geist) ist der ewige König der natürlichen Kräfte (Shaktis), doch wenn er in die Stadt einzieht (und von der Frau beherrscht wird), verliert er die Verbindung zu seiner Vernunft (der universalen Intelligenz). Von den weiblichen Reizen überwältigt, hast du ihre Gesellschaft genossen und die Erinnerung an deine unerschöpfliche Quelle (das Brahman) verloren. So hast du einen Zustand voller Sorgen und Entbehrungen erlangt. Doch in Wahrheit bist du weder die Tochter von Vidarbha noch ist dieser Held (auf dem Scheiterhaufen) dein wahrer Mann. Auch als König Puranjana (verkörperte Seele) warst du nie wahrhaft mit jener Frau verbunden, von der du dich im Körper mit den neun Toren gefangennehmen ließest. In Wirklichkeit hast du dich unter dem Einfluß der Illusions- und Schöpferkraft (Maya), die von mir geschaffen wird, entweder als Mann oder als Frau betrachtet und uns beide als Schwäne (reinen Geist) vergessen. Erkenne dein wahres Wesen! Es gibt keinen Unterschied zwischen uns. Du bist niemand anderes als ich. Erkenne, daß Ich und Du Eins ist. Die Weisen sehen hier nicht den kleinsten Unterschied. So eng wie ein Körper und sein Spiegelbild verbunden sind, so sind auch wir verbunden.

Und Narada fuhr fort:
So wurde der Schwan, der sich aus dem Manasa-See erhoben hatte (die individuelle bzw. verkörperte Seele mit dem Ichbewußtsein), von seinem Freund (von Gott bzw. der universalen Intelligenz) wachgerüttelt und erkannte sein wahres Wesen (die Höchste Seele bzw. reines Bewußtsein). Damit erinnerte er sich an seinen ersten Ursprung, den er durch die Trennung vergessen hatte. Oh Prachinavarhis, diese Lehre habe ich dir auf symbolische Weise erteilt, weil der Höchste Herr und Schöpfer des Universums nur jenseits der Begriffe zu erkennen ist.


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