Pushpak Bhagavata Purana Buch 4Zurück WeiterNews

4.9. Dhruva kehrt aus dem Wald zurück

Maitreya sprach:
Die Worte des Herrn zerstreuten die Ängste der Götter. Sie verneigten sich vor ihm und kehrten in ihre himmlischen Reiche zurück. Und der Herr mit den hundert Gesichtern setzte sich auf den Rücken von Garuda und flog zum Madhuvana-Wald, um seinen Diener zu besuchen. Dhruva, der in Meditation vertieft war, erkannte ihn so strahlend wie einen Blitz, der sich im Lotus seines Herzens verkörperte. Dann verschwand er dort plötzlich, und als Dhruva sich umschaute, sah er die gleiche Gestalt direkt vor sich stehen. Bei diesem Anblick warf er sich voller Erstaunen zu Boden, um seine Verehrung darzubringen. Dann schaute der Junge den Herrn an und hatte das Gefühl, ihn mit den Augen zu trinken, mit dem Mund zu küssen und mit den Armen zu umarmen. Und als er sah, daß der Junge ihn verehren wollte, aber nicht wußte wie, berührte der Herr, der das Gebet in jedem Herzen ist und jeden Wunsch kennt, gnädig seine Stirn mit dem Muschelhorn und übertrug ihm die Veden. So erkannte er das übernatürliche Wesen der Höchsten Seele und was der Herr zu ihm sprach. Voll liebender Hingabe brachte er seine Gebete dar und verstand, daß er als Dhruva („Unbeweglicher“ bzw. Polarstern) unvergänglichen Ruhm erreichen wird.

Darauf antwortete Dhruva:
Verehrung dir als Höchsten Herrn und Höchsten Geist, der im Inneren mit seiner natürlichen Kraft mein Bewußtsein, die Worte, den Atem und die Sinne wie auch Arme, Beine, Hände, Haut und alle anderen Organe zum Leben erweckt. Du bist der Eine, der Höchste Herr, der durch seine Illusions- und Schöpferkraft (Maya) diese ganze äußere Welt beginnend mit der universalen Intelligenz (Mahat) erschafft. Als Höchster Geist bist du in der Vielfalt aller Eigenschaften enthalten, wie das Feuer im Feuerholz. Wie ein Mensch aus dem Schlaf erwacht, kann der Verehrer, der sich dir vollkommen hingegeben hat, mit deiner Sicht das ganze Universum durchschauen. Oh Herr, wie könnte jemand, der dein Wirken als Freund aller Wesen kennt, deine Lotusfüße vergessen, die der Schutz für alle sind, die nach Befreiung suchen? Zweifellos bist Du, der sogar die Befreiung von Geburt und Tod gewähren kann, wie ein wunscherfüllender Baum für jene, die unter dem Einfluß deiner Illusions- und Schöpferkraft stehen. Wer dich verehrt kann alles erreichen, sogar die Befriedigung der körperlichen Sinne und die Erlösung aus der Hölle.

Oh Herr, die Glückseligkeit der verkörperten Wesen während der Meditation über deine Lotusfüße oder beim Hören der Geschichten von deinen Verehrern übersteigt sogar den Schöpfergott selbst, ganz zu schweigen von all den hohen Zuständen in der Welt, die doch dem Schwert der Zeit unterliegen. Möge mich der Wunsch, den Nektar deiner Geschichten zu trinken, immer mit deinen hingebungsvollen Verehrern verbinden. Oh Grenzenloser, mit ihnen und einem reinen Herzen kann man leicht den schrecklichen und gefahrvollen Ozean der weltlichen Existenzen überqueren. Oh Herr, sie hängen nicht mehr am materiellen Körper, der bezüglich Familie, Kinder, Freunden, Haus und Reichtum so sehr geliebt wird. Sie haben die Einheit mit dir, dem Gott mit dem Lotusnabel, erreicht und tragen in ihrem Herzen stets den himmlischen Duft deiner Lotusfüße. Oh Höchster Herr, ich weiß, daß sich alle Pflanzen, Tiere, Menschen, Götter und Dämonen ausgehend von deiner universalen Intelligenz (Mahat) verkörpern und sich in deiner kosmischen Verkörperung von Sein und Nichtsein (Sat und Asat) bewegen. Doch deine übernatürliche Form kenne ich nicht, oh Ungeborener, denn hier enden meine Vorstellungen. Am Ende eines Schöpfungstages (Kalpa) ziehst du das ganze Weltall in deinen Bauch zurück und legst dich im Yoga vertieft auf das Schlangenbett von Ananta nieder. Und am Ende der Nacht erwacht der Schöpfergott Brahma in dem goldenen Welten-Lotus, der aus deinem ozeangleichen Nabel sprießt. Ich verehre dich als Höchsten Herrn. Du bist die ewige, befreite, reine und allwissende Höchste Seele (Atman), der unwandelbare und ursprüngliche Höchste Geist (Purusha), der Höchste Herr und Meister von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die alldurchdringende Vernunft, der unvergängliche Zeuge und der Bewahrer und Genießer der weltlichen Vielfalt, in der sich überall die gegensätzlichen Energien von Wissen und Unwissen verkörpern. Du bist das ewige Brahman, die Ursache der Schöpfung und der grenzenlose, ursprüngliche und glückselige Eine. Ich verehre dich, oh Herr. Deine Lotusfüße sind der höchste Segen, und als Höchster Geist bist du das Lebensziel aller Wesen. Oh Gnadenreicher, der das Wohl der Geschöpfe sucht, beschütze alle, die wie ich von den Gefahren der Welt bedrängt werden, wie eine Kuh ihr Kalb beschützt.

Und Maitreya fuhr fort:
Nachdem Dhruva mit hohem Geist den Höchsten Herrn verehrt hatte, sprach er, der seine Verehrer liebt und segnet, voller Zufriedenheit:
Oh Königssohn, ich kenne den Wunsch in deinem Herzen. Oh Gelübdetreuer, möge dir Gutes geschehen! Ich gewähre dir einen hohen Stand, der nur schwer zu erreichen ist. Niemals zuvor hat es jemand geschafft, diesen ewig strahlenden Ort der Beständigkeit zu erreichen, um den sich alle anderen Planeten und Sterne drehen wie ein Ochse um den Mittelpfosten (einer Getreide- oder Ölmühle) läuft. Es ist der Polarstern, um den sich alle Heiligen wie Dharma, Agni, Kasyapa und Sukra, die über den ganzen Schöpfungstag leben, zusammen mit den Sternen drehen. Wenn dein Vater, der gegenwärtig die Erde beherrscht, als frommer Waldeinsiedler in den Wald geht, dann sollst du über 36.000 Jahre regieren und keine Vergänglichkeit kennen. Dein Bruder Uttama wird auf einer Jagd getötet werden, und seine Mutter wird ihn verzweifelt im Wald suchen und in einem Waldbrand umkommen. Nachdem du große Opfer für mich als Herrn aller Opfer dargebracht und viel Wohltätigkeit geübt hast, wirst du am Ende deines Lebens, nachdem du alle weltlichen Freuden genossen hast, deinen Geist ganz in mich vertiefen können. So kommst du in mein Reich, das von allen Geschöpfen verehrt wird und jenseits der Region der Heiligen liegt, von wo du niemals wieder zurückkehren mußt.

Nachdem der Junge diese Verheißung des göttlichen Schutzes vernommen hatte, verehrte und pries er den Höchsten Herrn, der vor den Augen von Dhruva auf dem Rücken von Garuda wieder in sein himmlisches Reich zurückkehrte. Doch Dhruva, der das Gewünschte durch aufrichtige und hingebungsvolle Verehrung von Vishnu erreicht hatte, begab sich in den Plast seines Vaters zurück, ohne die große Zufriedenheit erreicht zu haben.

Da fragte Vidura:
Mit der konsequenten Verehrung der Lotusfüße des Herrn hat er schon im Leben einen höchsten Stand erreicht. Wie kann es sein, daß er mit dieser Errungenschaft und Weisheit noch unzufrieden war?

Und Maitreya antwortete:
Er war von den harten Worten seiner Steifmutter tief im Herzen durchbohrt worden. Und sobald er sich daran erinnerte, fühlte er Trauer und konnte nicht vom Herrn der Erlösung befreit werden.

Und Dhruva sprach zu sich selbst:
Was die vier Kumaras durch vollkommene Keuschheit und Hingabe während ihres ganzen Lebens nicht erreichen konnten, habe ich in sechs Monaten erreicht. Doch als ich den Schutz seiner Lotusfüße gewann, fiel ich ab, weil ich an andere Dinge dachte. Schau nur, wie töricht und unglücklich ich in meiner körperlichen Zuneigung bin. Ich erreichte die Lotusfüße von dem, der von allen Bindungen erlösen kann, aber bat um Vergängliches. Meine Intelligenz wurde von den Göttern verunreinigt, die um ihre Herrschaft fürchteten. Aus diesem Grund habe ich dummerweise die wahrhaften Gebote von Narada nicht akzeptiert. Wie in einem Traum während des Schlafs fiel ich unter die Illusionskraft des Herrn und bemitleidete mich selbst. In weltlichen Gegensätzen gefangen betrachtete ich meinen Bruder als einen Feind, obwohl er nur ein vergängliches Geschöpf ist. Was ich mir erbeten habe, erscheint mir so nutzlos wie Medikamente für Tote. Nachdem ich durch Askese die Höchste Seele des Universums befriedigt hatte, die so schwer zu befriedigen ist, habe ich Unglücklicher den Herrn, der die Erlösung gewähren kann, um körperliche Befriedigung gebeten. Den, der bereit war, die vollkommene Befreiung zu gewähren, bat ich voller Torheit um weltlichen Gewinn. Das gleicht einem Armen, der einen mächtigen und wohltätigen König um ein paar geschälte Reiskörner bittet.

Und Maitreya fuhr fort:
Mein lieber Vidura, Verehrer wie du, die im Staub der Lotusfüße des Herrn der Befreiung dienen, handeln nicht aus Eigenenutz. Mit dem, was ihnen von selbst gegeben wird, betrachten sie sich als reich. So höre nun auch vom Fortgang der Geschichte: Als König Uttanapada erfuhr, daß sein Sohn zurückgekehrt war, als wäre er vom Tod auferstanden, konnte er es nicht glauben, warum ein Sünder wie er solches Glück erfahren kann. Von der Botschaft überwältigt glaubte er nun an die Worte von Narada und ehrte den Boten voller Dankbarkeit mit einer wertvollen Perlenkette. Eilig bestieg er seinen goldverzierten Streitwagen, der von besten Pferden gezogen wurde, und verließ die Stadt unter der Musik von Muschelhörnern, Pauken, Trompeten und Hymnen zusammen mit den Brahmanen, Altehrwürdigen, Generälen, Ministern und Freunden, um seinen Sohn wiederzusehen. Auch seine beiden Königinnen Suniti und Suruchi bestiegen mit Uttama eine goldene Sänfte und schlossen sich der Prozession an. Und als der König seinen Sohn in einem kleinen nahegelegenen Wald traf, stieg er schnell von seinem Wagen herab und näherte sich ihm voller Liebe. Er atmete schwer von Sorge bedrückt und umarmte ihn lange, dessen weltliche Fesseln durch die Berührung der Lotusfüße des Herrn gelöst wurden. Immer wieder roch er am Kopf seines Sohnes und badete ihn mit den heißen Tränen aus seinen Augen, der nun sah, daß sein großer Wunsch erfüllt wurde. Und nachdem er die Füße seines Vaters verehrt hatte und gesegnet worden war, verneigte sich der Hochbeseelte auch vor seinen beiden Müttern. Suruchi (seine Stiefmutter) hob den unschuldigen Jungen auf, der ihr zu Füßen gefallen war, umarmte ihn und sprach: „Mögest du lange leben!“ Denn wahrlich, wer durch liebevolle Hingabe den Höchsten Herrn befriedigt, dem erweisen alle Lebewesen ihren Respekt, wie das Wasser ganz von selbst nach unten fließt. Dann umarmten sich auch Uttama und Dhruva immer wieder, daß ihnen die Härchen zu Berge standen und Freudentränen flossen. Und als Suniti ihren Sohn umarmte, der ihr lieber als das Leben war, und seinen Körper berühren konnte, vergaß sie all ihren Kummer. Voller Glück wurde er von unaufhörlichen Tränen aus den Augen der Mutter gesegnet und von der Muttermilch benetzt, die durch Zuneigung aus ihren Brüsten zu fließen begann. Und die Leute um sie herum lobten die Königin und sprachen:
Das Glück deines Sohnes wird nun all deinen Kummer besiegen, nachdem der verloren Geglaubte nach langer Zeit zurückgekehrt ist, um diese Erde zu beschützen. Du hast sicherlich den Höchsten Herrn verehrt, der seine Verehrer von jeder Gefahr befreien kann, über den auch die Weisen meditieren, um den Tod zu überwinden, der sehr schwer zu überwinden ist.

Nachdem die Versammelten Dhruva auf diese Weise gepriesen hatten, wurde er vom König zusammen mit seinem Bruder auf den Rücken einer Elefantenkuh gesetzt. Und so kehrten sie glücklich und verherrlicht in ihre Hauptstadt zurück. Am Eingang standen Bananen- und Betelnußbäume, die Blüten und Früchte trugen. Die Tore waren mit Mangoblättern, Blumengirlanden, Fahnen, Wassergefäßen und Lichtern geschmückt. Die Mauern, Häuser und Palastdächer erstrahlten von wunderschönen goldenen Ornamenten. Die Straßen, Kreuzungen und Plätze waren gründlich gesäubert, mit Sandelholzwasser besprenkelt und mit glücksverheißenden Gaben wie Reis, Gerste, Blüten und Früchten bestreut. Als die Frauen in den Häusern Dhruva sahen, empfingen sie ihn mit liebevollen Segensworten und Willkommensgaben von weißen Senfkörnern, Gerste, Wasser, Kusha-Gras, Blüten und Früchten. Und unter dem Gesang ihrer süßen Lieder, die auch seine Ohren erreichten, betrat er den Palast seines Vaters. In diesem schönen, mit Edelsteinen geschmückten Haus lebte er unter der Fürsorge seines Vaters wie ein Gott im Himmel. Der Palast war mit goldverzierten Sitzen und Möbeln ausgestattet sowie mit kostbaren Betten aus Elfenbein mit Kissen, so weiß und weich wie Milchschaum. Die Marmorwände waren mit Edelsteinen besetzt, und die leuchtenden Lampen wurden von wohlgeformten Statuen aus Edelstein gehalten. Auch die Gärten waren wunderschön mit himmlischen Bäumen, Singvögeln und dem Summen der berauschten Bienen in einem Blütenmeer. Treppen aus Smaragd führten zu Teichen mit Lilien und Lotusblumen, Schwänen und Enten sowie Gänsen und Kranichen, die sich dort erfreuten.

Als sich König Uttanapada der erstaunlichen Ausstrahlung seines Sohnes bewußt wurde und deren Wirkung bestaunte, freute er sich außerordentlich über dieses unvergleichliche Wunder. Als er nach einigen Jahren sah, daß Dhruva erwachsen geworden war und von seinen Untertanen geliebt wurde, krönte er ihn mit der Zustimmung seiner Minister zum König und Herrn der Erde. Und er selbst bemerkte wie ihn das Alter einholte, entsagte den weltlichen Freuden und ging in die Wälder, um zu meditieren und seine Seele zu erlösen.


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