Pushpak Bhagavata Purana Buch 4Zurück WeiterNews

4.8. Die Geschichte von Dhruva

Maitreya sprach:
Oh Vidura, die Heiligen (die vier Kumaras) mit Sanaka an der Spitze und die anderen Söhne von Brahma wie Narada, Ribhu, Hamsa, Aruni und Yati entsagten dem Hausleben und übten Keuschheit. Ganz anders Adharma (die Untugend). Seine Ehefrau wurde Mrisha (die Lüge), und sie gebar ihm die beiden Kinder Dambha (Betrug) und Maya (Täuschung), die vom kinderlosen Nirriti (dem Dämonenherrscher der südwestlichen Himmelsrichtung) adoptiert wurden. Ihre Nachkommen waren Lobha (Habgier) und Nikrita (Bosheit). Ihnen folgten Krodha (Zorn) und Himsa (Gewalt), und von ihnen wurden Kali (der Dunkle) mit seiner Schwester Durukti (Verleumdung) geboren. Oh Bester der Wahrhaften, die Kinder von Kali und Duruki waren Bhaya (Angst) und Mrityu (Tod), von denen wiederum Yatana (schreckliches Leiden) und Niraya (Hölle) abstammen. Oh Sündloser, damit habe ich dir kurzgefaßt die Nachkommenschaft von Adharma (der Untugend) erklärt. Wer dies dreimal hört, wird von Sünde gereinigt und mit Tugend gesegnet.

Oh Bester der Kurus, ich werde nun die Nachkommen des Swayambhuva-Manu beschreiben, der vom Selbstgeborenen abstammte, ein Teil von Vishnu war und sich der Tugend zuneigte. Der Manu zeugte mit seiner Ehefrau Satarupa die beiden Söhne Priyavrata und Uttanapada. Und weil auch sie Teile von Vasudeva waren, versuchten sie, die Welt zu beschützen. Uttanapada hatte zwei Ehefrauen namens Suniti und Suruchi. Suruchi (die „Erfreuende“) war seine Lieblingsfrau und gebar ihm den Sohn Uttama. Die weniger geliebte Suniti (die „Tugendhafte“) brachte den Sohn Dhruva zur Welt. Als dieser eines Tages seinen Bruder Uttama auf dem Schoß seines Vaters auf dem königlichen Thron erblickte, wollte auch Dhruva dorthin, aber der König half ihm nicht. Und die Königin Suruchi, die sehr stolz war, sprach voller Neid auf das Kind ihrer Nebenfrau, so daß es alle hören konnten:
Liebes Kind, du hast es nicht verdient, auf dem Thron des Königs zu sitzen. Auch wenn du ein Königssohn bist, so wurdest du doch nicht von mir geboren. Ach Kind, du verstehst es wohl noch nicht, daß du von einer Nebenfrau geboren wurdest und das, was du wünschst, nicht erreichen kannst. Wenn du auf dem Thron des Königs sitzen willst, dann solltest du Askese üben und den Höchsten Geist gewinnen, denn nur durch seine Güte kannst du in meinem Mutterleib geboren werden.

Und der Heilige Maitreya fuhr fort:
Diese harten Worte seiner Stiefmutter trafen Dhruva wie Messerstiche. Er zischte ärgerlich wie eine Schlange, die mit einem Stock geschlagen wurde, und als sein Vater schweigend zuschaute, fing er zu weinen an und rannte zu seiner Mutter. Nachdem Suniti von den anderen gehört hatte, was geschehen war, wurde sie sehr traurig und hob den keuchenden Sohn, dessen Lippen zitterten, auf ihren Schoß. Sie verlor ihre Selbstbeherrschung und weinte in einem Feuer des Leidens, das durch die Worte der anderen Ehefrau wie Stroh aufloderte. Die Tränen liefen über ihr Lotusgesicht, sie sah das grenzenlose Unglück, und so sprach die Mutter:
Mein lieber Sohn, nimm es dir nicht so zu Herzen, wenn andere dir Leid antun. Wer anderen Leid zufügt, wird eigenes Leid ernten müssen. Was Suruchi zu dir gesagt hat, ist wirklich wahr. Es war dein Unglück, daß du in meinem Mutterleib geboren und von meiner Milch genährt wurdest, einer Ehefrau, dessen sich der König jetzt schämt. Deine Stiefmutter hat recht: Wenn du wie Uttama auf dem Thron sitzen willst, dann überwinde allen Neid und verehre die Lotusfüße des Höchsten Herrn. Sogar der Selbstgeborene (dein Urgroßvater Brahma) ist zum Großen Vater aller Geschöpfe geworden, weil er die Lotusfüße von Ihm verehrt hatte, der sich zum Schutz der Welt als natürliche Qualität der Güte verkörpert. Ihn verehren alle selbstbeherrschten Yogis. Auch dein berühmter Großvater, der Swayambhuva Manu, hat Ihn mit umfassenden Opfern, unerschütterlicher Hingabe und großer Wohltätigkeit verehrt und damit das schwer Erreichbare erreicht: das irdische und himmlische Glück sowie die Befreiung davon. Mein Kind, verehre ihn als einziges Ziel mit reinem Herzen und konzentriere dich auf den Höchsten Geist. Nimm Zuflucht bei Ihm, der seine Verehrer liebt, und dessen Fußspuren jene folgen, die nach Befreiung suchen. Oh du Juwel deines Stammes, ich würde niemand anderen aufsuchen, um meine Sorgen zu vernichten, als den Lotusäugigen, den sogar Shri, die vielverehrte Göttin des Glücks, mit der Lotusblüte in der Hand verehrt.

Nachdem Dhruva diese bedeutungsvollen Worte seiner Mutter gehört hatte, verließ er das Haus seines Vaters, um Askese zu üben. Als Narada von dieser Absicht erfuhr, erschien er sogleich, berührte mit seiner Hand, die jede Sünde auflöst, den Kopf von Dhruva und sprach:
Oh, welche Kshatriya-Kraft! Selbst als Kind kann er die Verletzung seiner Ehre nicht ertragen und nimmt sich die harten Worte seiner Stiefmutter so sehr zu Herzen. Du bist ein Kind, das sich noch am Spiel erfreuen sollte. Warum wirst du von solchen Worten überwältigt, die deine Ehre angreifen? Auch wenn du es anders siehst, es ist doch immer nur Illusion, die durch das angesammelte Karma zu Unzufriedenheit und dem Gefühl von Trennung in der Welt führt. Sei doch zufrieden, mein Lieber! Was auch immer das Schicksal bestimmt hat, das gilt einem vernunftbegabten Menschen als Weg zum Höchsten. Das Yoga, das dir deine Mutter empfohlen hat, um sich zur göttlichen Gnade zu erheben, ist meiner Meinung nach zu schwer für dich. Selbst Weise, die auf dem Weg zur Befreiung viele Geburten durchlebt haben, können oft nicht erkennen, wonach sie mit strengem Yoga und tiefgründiger Meditation eigentlich suchen. Deshalb gib deinen unsinnigen Entschluß auf und warte, bis dich das Alter dafür reif gemacht hat. Eine verkörperte Seele sollte mit dem Glück und Leid zufrieden sein, das ihr vom Schicksal bestimmt wird, und so kann sie die Dunkelheit (Tamas) der Illusion überwinden. Mit Höhergestellten sollte man friedlich sein, mit Niedriggestellten mitfühlend und mit Gleichrangingen freundschaftlich. Wer auf diese Weise zufrieden ist, wird keine Probleme bekommen.

Doch darauf antwortete Dhruva:
Oh Herr, die von dir beschriebene geistige Zufriedenheit, mit der man voller Mitgefühl auf Menschen schaut, die sich in Glück und Leid verloren haben, ist für Menschen wie uns schwer einzusehen. Ich wurde als Kshatriya geboren und bin deshalb nicht so tolerant. Die scharfen Worte meiner Stiefmutter haben mich durchbohrt, und ich kann ihr nicht vergeben, wie du es beschrieben hast. Oh Brahmane, bitte erkläre mir einen gangbaren Weg, um meinen Wunsch nach einem hohen Stand in den drei Welten zu erfüllen. Ich bin entschlossen, einen höheren Stand zu erreichen als mein Vater, mein Großvater und alle meine Vorfahren. Bitte hilf mir, denn du wanderst als Sohn von Brahma vom Klang deiner Vina begleitet durch die Welt, um wie eine Sonne den Menschen zu helfen.

Narada war sehr erfreut über die Antwort von Dhruva und sprach voller Mitgefühl, um dem Jungen guten Rat zu geben:
Der von deiner Mutter erklärte Pfad der vollkommenen Hingabe zum Höchsten Herrn Vasudeva ist die höchste Vollkommenheit im Leben. Wer Dharma, Artha, Kama und Moksha (Tugend, Verdienst, Liebe und Befreiung) als höchstes Ziel der Seele sucht, sollte die Lotusfüße des Herrn verehren. Gehe dafür mit meinem Segen zum Madhuvana-Wald am Ufer der Yamuna, wo der Herr immer gegenwärtig ist, um dich zu reinigen. Dreimal täglich solltest du im heiligen Fluß baden und danach auf einem Sitz meditieren, den du dir bereitet hast. Durch die drei Arten der Atemzügelung (Pranayama) kannst du schrittweise die Unreinheiten des Geistes überwinden und mit dem Lebensatem die Sinne und Gedanken beherrschen, um mit ungestörtem Geist über den Höchsten Lehrer zu meditieren. Er ist immer bereit, seine Gnade zu erweisen, und erscheint als herrlicher Gott mit freundlichem Lächeln, edler Nase, schönen Augen, wohlgeformter Stirn, jugendlichen Gliedern und Lippen und Augen so rötlich wie eine aufgehende Sonne. Er ist der Beschützer seiner hingebungsvollen Verehrer, die Kraft der Menschen und ein Ozean an Barmherzigkeit. Er hat einen dunklen Körper, das Srivatsa-Zeichen auf der Brust, alle Merkmale der Männlichkeit, die Blumengirlande um den Hals und Muschel, Diskus, Keule und Lotusblüte in seinen vier Händen. Er trägt gelbe Kleider, Krone, Ohrringe, Halskette, Armreifen, Kaustubha-Juwel und kleine goldene Glöckchen um Taille und Knöchel. Er erfreut Auge und Geist und strahlt souveräne Ruhe, Frieden und Gelassenheit aus. Er sitze in der Mitte des Lotus deines Herzens und erfüllt die Gedanken derer, die seine Lotusfüße mit den juwelengleich strahlenden Fußnägeln verehren. Auf diese Weise solltest du jeden Tag das Lächeln des Herrn betrachten, der seine Verehrer liebt, und mit konzentriertem Geist über den größten aller Segensspender meditieren. Wenn du diese Art der Meditation über die glücksverheißende Form des Herrn übst, wird sich dein Geist bald erheben, Zufriedenheit finden und beständig werden.

Höre von mir das geheime Mantra. Wer es sieben Tage meditiert, kann erkennen, was sich im Himmel bewegt. Es lautet: „OM Namo Bhagavate Vasudevaya (Verehrung dem Höchsten Herrn Vasudeva).“ Mit diesem Mantra sollte ein Weiser, der die rechte Zeit und den rechten Ort kennt, den Höchsten Herrn gemäß den vedischen Geboten verehren. Verehre ihn mit reinem Wasser, Girlanden aus Waldblüten, Wurzeln, Früchten, Kräutern, Kusha-Gras, Bast-Kleidung und Tulsi-Blättern, die ihm lieb sind. Zu Beginn kannst du ein Götterbild aus den Elementen Erde und Wasser formen und als ein Asket verehren, der sich friedlich selbst beherrscht, schweigt und nur wenig von dem ißt, was der Wald ihm bietet. Meditiere auf diese Weise über das unvorstellbare Wirken des Höchsten Herrn, der sich durch seine Illusionskraft nach Belieben verkörpert. Diene dem Höchsten Herrn, meditiere über das genannte Mantra mit ganzem Herzen und verehre den, der sich in diesem Mantra verkörpert. Wenn der Höchste Herr, der seinen Verehrern immer hilft, auf diese Weise mit Hingabe durch Körper, Worte und Gedanken aufrichtig und ernsthaft verehrt wird, gewährt er den vorzüglichen Segen, der alle Wünsche erfüllen kann. Befreie dich von jeder sinnlichen Anhaftung und vereine dich beständig voll liebender Hingabe (durch Bhakti-Yoga) mit ihm, um das Höchste zu erreichen.

So belehrte Narada den jungen Königssohn, und Dhruva umrundete den Weisen, verehrte ihn und ging zum Madhuvana-Wald, der von den Lotusfüßen des Herrn gezeichnet war. Und nachdem er den Wald der Buße erreicht hatte, hielt es der weise Narada für sinnvoll, König Uttanapada in seinem Palast zu besuchen. Er wurde dort mit allen Ehren empfangen, setzte sich bequem nieder und sprach:
Oh bester König, dein Gesicht ist sorgenvoll. Worüber grübelst du so sehr? Hast du Tugend, Verdienst oder Liebe verloren?

Darauf antwortete der König:
Oh Brahmane, wegen der Anhänglichkeit an meine Lieblingsfrau habe ich meinen guten Sohn, der erst fünf Jahre alt und ein gutherziger und treuer Junge war, mit seiner Mutter verstoßen. Ich mache mir nun große Sorgen, wie der zarte Junge mit dem Lotusgesicht im wilden Wald ohne Schutz leben soll, ob er hungert oder müde ist, oder sogar schon von den Wölfen gefressen wurde. Ach, schau nur wie grausam ich bin, weil ich von einer Frau beherrscht werde! Ich war so hartherzig und habe ihm jede Zuneigung verweigert, als er aus Liebe versuchte, auf meinen Schoß zu klettern.

Und Narada sprach:
Oh Herr der Menschen, sei nicht betrübt um deinen Sohn. Er wird vom Höchsten Herrn gut beschützt. Du kennst seine Kraft noch nicht und wirst sehen, wie sich sein Ruhm in der ganzen Welt ausbreiten wird.

Maitreya fuhr fort:
Obwohl der König die Worte von Narada gehört hatte, versank er in Sorgen über seinen Sohn und vernachlässigte die Regierung seines großen Königreiches. Währenddessen reinigte sich Dhruva im Fluß, fastete und verehrte mit großer Hingabe den Höchsten Geist, wie es Narada geraten hatte. Im ersten Monat verehrte er den Herrn damit, daß er nur am Morgen nach jeder dritten Nacht einige Früchte und Beeren aß. Im zweiten Monat setzte er die Verehrung des Allmächtigen fort, indem er nur jeden sechsten Tag trockenes Gras und Blätter aß. Im dritten Monat trank er nur jeden neunten Tag etwas Wasser und war ganz im Yoga voller Verehrung des Herrn der Weisheit vertieft. So fuhr er auch im vierten Monat fort, trank nur jeden zwölften Tag etwas Luft, zügelte den Atem und konzentrierte sich auf den Höchsten Herrn. Im fünften Monat stand der Königssohn unbeweglich wie eine Säule auf einem Bein und meditierte über den Schöpfer. Mit ganzer Konzentration richtete er das Denken auf die Form des Höchsten Herrn und beruhigte das Spiel der Sinne mit ihren Objekten im Herzen. Er konzentrierte sich auf den Urgrund der universalen Intelligenz (Mahat), erkannte das Meer der Ursachen (Pradhana) und den Höchsten Geist (Purusha) als Herrn und Schöpfer, und die drei Welten begannen zu schwanken. Während er auf einem Bein stand, konnte der Königssohn mit der großen Zehe die ganze Erde hin- und herschwanken lassen, wie ein Elefant auf einem Boot, der sein Gewicht verlagert. So meditierte Dhruva über die universale Ganzheit der Seele, schloß alle Körperöffnungen und zügelte den Lebensatem, so daß die ganze Welt zu atmen aufhörte. Als daraufhin das Leben zu erlöschen drohte, suchten die Schutzgötter der Welten beim Höchsten Herrn Zuflucht.

Und die Götter sprachen:
Wir verstehen es nicht, oh Höchster Herr. Der Atem der ganzen Welt mit allen Lebewesen stockt. Oh höchste Zuflucht und Helfer aller Bedürftigen, wir bitten dich, sei unser Beschützer und rette uns aus dieser Not.

Der Höchste Herr hörte ihre Bitte und antwortete:
Fürchtet euch nicht, diese Behinderung des Lebensatems geschieht durch den jungen Sohn von König Uttanapada, der sich in Meditation in mich vertieft hat und den Atem zügelt. Ich werde den zur Askese entschlossenen Jungen bitten, damit aufzuhören. So kehrt nun beruhigt in eure Reiche zurück.


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