Pushpak Bhagavata Purana Buch 2Zurück WeiterNews

2.9. Die Entsagung des Schöpfers

Shri Suka sprach:
Oh König, wie ein Mensch im Traum mit Objekten umgeht, so arbeitet auch der Höchste Geist (Purusha), der reines Bewußtsein ist, durch seine Illusionskraft mit den Objekten der Welt. Durch diese Illusionskraft erscheint er in der Vielfalt der Gestaltungen, und die Menschen hegen in ihrer Unwissenheit die Illusion von „Ich“ und „Mein“. Doch sobald sich der Geist in eigener Herrlichkeit über Zeit und Illusion erhebt, wird er von jeder Anhaftung und allen Gegensätzen wie „Ich“ und „Mein“ befreit.

Als Brahma den Höchsten Herrn mit beständiger Hingabe verehrte, offenbarte er ihm das höchste Ziel, sein wahres Wesen, die vollkommene Reinheit der Höchsten Seele. Nachdem Brahma im Welten-Lotus aus dem Nabel von Vishnu als Schöpfergott geboren wurde und Nachkommenschaft wünschte, begann er zunächst vergeblich über die Mittel zur Schöpfung nachzudenken. Während er so meditierte, hörte er aus dem Meer der Ursachen mehrmals ein Wort mit zwei Silben „ta“ und „pa“. Zusammengefügt entstand „Tapas“ („Entsagung“) als Inbegriff für den höchsten Reichtum. Als er das Wort hörte, schaute er ringsherum, aber konnte niemanden finden, der es gesprochen hatte. Daraufhin setzte er sich im Lotus nieder, erkannte die Lösung in der Entsagung und richtete seinen Geist darauf. Er zügelte Atem, Gedanken, Sinne und Taten und übte als Erster der Asketen über tausend himmlische Jahre beständige Entsagung, womit er die Welten erleuchtete.

Als der Höchste Herr mit seiner Entsagung zufrieden war, offenbarte er ihm die höchste Welt von Vishnu (namens Vaikuntha), welche die Selbstverwirklichten als eine Welt frei von Verwirrung, Angst und körperlichen Leiden preisen. Hier herrscht die natürliche Qualität der Güte vor und wird nicht von Leidenschaft und Trägheit überdeckt. Hier gibt es weder Tod noch Anhaftung, von weltlichen Sorgen ganz zu schweigen. Hier leben, von den Göttern und Dämonen gepriesen, die Verehrer des Höchsten Herrn. Sie gleichen Vishnu selbst, mit dunkler Haut, gelben Kleidern, Lotusaugen, schönen Körpern, freundlicher Ausstrahlung, vier Armen, goldenen Ornamenten, herrlichen Juwelen, Ohrringen, Kronen und Girlanden. Mit strahlenden geistgeschaffenen Wagen, in denen die Himmlischen zusammen mit ihren schönen Frauen fahren, gleicht diese Welt einem Himmel voller Wolken, in denen strahlende Blitze tanzen. Shri, die Göttin des Wohlstands, nimmt hier eine wunderbare Gestalt an, offenbart all ihren Reichtum, und wie die Bienen im Frühling besingt sie emsig die Herrlichkeit ihres Herrn und verehrt seine Lotusfüße. In dieser Welt erblickte Brahma den Herrn der Göttin des Wohlstands, den Beschützer all seiner Verehrer, den führenden Gott aller Opfer und alldurchdringenden Herrn des Universums im Kreise seiner Diener wie Sunanda, Nanda, Pabala und Arhana. Er sah den Herrn, wie er seine Verehrer segnete mit freundlichem Blick, strahlendem Lächeln, leuchtenden Augen, vier Armen, Krone, Ohrringen, gelben Kleidern und dem Srivatsa-Zeichen (den Endlosknoten als Symbol von Shri) auf seiner Brust. Er saß auf seinem vorzüglichen Sitz umgeben von den fünfundzwanzig Prinzipien der Natur (z.B. Prakriti & Purusha, universale Intelligenz, Ichbewußtsein, Denken, fünf Elemente, fünf Eigenschaften, fünf Sinnes- und fünf Handlungsorgane) sowie den übernatürlichen Fähigkeiten (den acht Siddhis). Er war der Herr und erfreute sich seiner eigenen Kraft und Glückseligkeit. Bei diesem Anblick wurde der Schöpfergott Brahma von großer Seligkeit erfüllt, seine Härchen sträubten sich, Freudentränen flossen, und er verneigte sich in vollkommener Liebe zu Seinen Lotusfüßen, die den Weg der großen Befreiung verkörpern. Der Herr war zufrieden, ergriff seine Hand und wandte sich mit liebevollen Worten an Brahma, der als Verehrer erschienen war und sich würdig zeigte, die ganze Schöpfung hervorzubringen.

Und der Höchste Herr sprach:
Oh Brahma, ich bin zufrieden mit dir, dem Besten der Asketen. Du bist die Verkörperung der Veden und bestrebt, durch Entsagung die Schöpfung zu gestalten. Sei gesegnet und sage mir, was du wünschst, denn ich bin der Gewährer aller Segen. Wer mich erkennt, dem gewähre ich jeden Segen. Du hast mein Wort gehört und hingebungsvolle Askese geübt. So konntest du meine Welt durch meine Gnade sehen. Oh Sündloser, als du dich fragtest, wie die Welt zu schöpfen ist, führte ich dich zur Entsagung. Denn Entsagung ist mein Wesen, und ich bin das Wesen der Entsagung. Mit Entsagung schöpfe ich das Universum, mit Entsagung erhalte ich es, und mit Entsagung zerstöre ich es. Meine ganze Kraft liegt in vollkommener Entsagung.

Darauf antwortete Brahma:
Oh Höchster Herr aller Geschöpfe, du lebst im Herzen aller Wesen, und durch grenzenlose Intelligenz kennst du bereits alle Wünsche. Dennoch bitte ich dich, oh Herr, mir die Sicht zu gewähren, dich in allen fein- und grobstofflichen Formen zu erkennen, der du im Grunde formlos bist. Durch deine Illusionskraft erschaffst, erhältst und zerstörst du das ganze Universum mit allen natürlichen Prinzipien. Durch deine Illusionskraft nimmst du die vielfältigen Gestalten an, erfreust dich am kosmischen Spiel und verbirgst dich wie eine Spinne in ihrem Netz. Oh Madhava, gewähre mir die Einsicht, daß ich dies alles erkennen kann. Möge ich jegliche Trägheit ablegen und unter deiner Führung die Schöpfung entfalten, ohne daran anzuhaften. Oh Herr, du hast mich als Freund gesegnet, um dir zu dienen und die Welt der Lebewesen zu erschaffen. Ich bitte dich um deinen Segen, damit mich niemals der Stolz über dieses Werk der Schöpfung ergreifen möge.

Und der Herr sprach:
Die umfassende und tiefgründige Erkenntnis meiner Selbst (bzw. Selbsterkenntnis) durch Hingabe ist ein wahrlich großes Geheimnis. Doch ich werde es dir auf dem Weg der direkten Erfahrung offenbaren. Möge durch meine Gnade die Erkenntnis in dir wachsen, damit du mein wahres Wesen und meine Verkörperung im Universum mit allen Formen, Eigenschaften und Taten selbst-verwirklichen kannst. Ich allein war vor der Schöpfung, nichts als Wahrheit und Illusion (Sat und Asat, auch Ursache und Wirkung) des Höchsten. Ich allein bin in der Schöpfung verkörpert, und Ich allein werde nach der universalen Auflösung sein. Jedes Objekt, das von mir getrennt als wertvoll (und greifbar) erscheint, ist Illusion, die sich durch meine Illusionskraft aus der Unwissenheit spiegelt. Wie die feinstofflichen Elemente innerhalb und außerhalb der grobstofflichen Geschöpfe existieren, so bin auch Ich innerhalb und außerhalb von allem. Wer das Höchste zu erkennen wünscht, sollte das als Seele erkennen, was in allen Wirkungen als Ursache wirkt und überall ewig besteht. Wenn du den Geist beständig auf dieses Höchste richtest, wirst du unter keinen Umständen (vom Stolz des Egos) verwirrt, weder während der Schöpfungstage (Kalpas) noch danach.

Shri Suka fuhr fort:
Nachdem Brahma, der Vater aller Geschöpfe, auf diese Weise vom Höchsten Herr belehrt wurde, verschwand er in dieser Form. Und nachdem der Herr aller Sinne in dieser Form verschwunden war, verneigte sich Brahma mit gefalteten Händen und begann wie zuvor, das Weltall zu erschaffen. Mit dem Wunsch zum Wohlergehen aller Wesen übte der Große Vater und Herr der Tugend die Gebote der Entsagung, um den Bedürfnissen aller Geschöpfe gerecht zu werden.

Oh König, der große Asket Narada, der die strahlende Gottheit stets verehrt, war der Beste seiner geistigen Söhne und diente ihm mit aufrichtiger Hingabe, Demut und gezügelten Sinnen. Er verehrte seinen Vater Brahma, um das Wesen von Vishnu und die Illusionskraft des Höchsten Herrn zu erkennen. Und als er sah, daß sein Vater und Schöpfer aller Wesen zufrieden war, fragte ihn der himmlische Heilige das gleiche, was du mich gefragt hast. Daraufhin erzählte Brahma seinem geistigen Sohn mit Freude das Bhagavatam-Purana mit den zehn Themen (die im nächsten Kapitel erklärt werden), das ihm der Höchste Herr offenbart hatte. Oh König, der himmlische Narada erzählte es dann dem höchst energievollen Vyasa, als er an den Ufern der Sarasvati Hingabe übte und über das höchste Brahman meditierte. Und nun werde ich dieses heilige Purana auch dir erzählen, um alle deine Fragen zu beantworten und deine Zweifel darüber zu lösen, wie dieses ganze Universum aus dem Höchsten Geist entsteht.


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