Pushpak Shiva-Purana Buch 9Zurück WeiterNews

Kapitel 33 - Das Ghushmesha Lichtlinga kommt in die Welt

Suta fuhr fort:
Immer, wenn Sudeha das Kind ansah, war sie traurig und wütend zugleich. Die Freude der jungen Mutter konnte sie nicht ertragen. Während die Familie alle Geburtsriten durchführte und sich am Knaben kaum sattsehen konnte, brannte ihr Herz vor Weh. Und als die Jahre vergingen, und der Sohn mit einer Brahmanentochter verheiratet war, wurde alles noch schlimmer, und sie klagte: „Weh, ich bin verdammt!“ Als die Schwiegertochter in ihrem Haus lebte, freuten sich Sudharma und Ghushma sehr, nur Sudeha war betrübt. Zwar behandelte Sudharma die junge Frau und Ghushma gleich freundlich, während er Sudeha mehr liebte. Und dennoch war Sudeha beinahe ohnmächtig vor Eifersucht. Es nützte nichts, daß Ghushma ihr versicherte: „Dies ist dein Sohn und deine Schwiegertochter.“ Denn Sohn und Schwiegertochter sahen Ghushma als ihre Mutter an. Und eines Tages gewann das Dunkle in ihrem Herzen die Oberhand, und sie überlegte, wie sie ihr Elend beseitigen konnte.

Sudeha dachte:
Ach, das Feuer in meinem Herzen kann nur durch Ghushmas Tränen gelöscht werden. Nur wenn sie Qualen erleidet, kann es mir besser gehen. Ich werde ihren Sohn töten, diesen Sohn, der immer freundlich zu ihr ist. Was geschehen soll, wird geschehen. Ich habe mich entschlossen.

Und Suta fuhr fort:
Ach, ihr Brahmanen, die Feindschaft unter mehreren Ehefrauen ist grausam und mörderisch. Die Niederträchtigen und Hinterhältigen überlegen nicht, was getan werden sollte und was nicht. Und eines Nachts, als alle friedlich schliefen, nahm Sudeha ein Messer, tötete Ghushmas Sohn, schnitt mit großer Kraft seine Glieder ab und trug die Teile zu dem See, in welchem früher Ghushma die irdenen Lingas versenkt hatte. Sie warf die Körperteile ins Wasser, kehrte ins Haus zurück und legte sich schlafen. Am nächsten Morgen standen Sudharma und Ghushma als erste auf. Er erledigte seine täglichen, heiligen Riten und sie die üblichen Arbeiten im Haushalt. Auch Sudeha stand auf und machte sich mit großer Freude an ihre Pflichten, denn das Feuer in ihrem Herzen war erloschen. Als die Schwiegertochter aufgestanden war, sah sie mit Schrecken das viele Blut im Bett ihres Gatten und noch einige Körperteile überall verstreut.

Panisch schrie und klagte sie:
Wo ist er? Überall ist Blut? Oh weh, ich bin verdammt! Oh fromme Mutter, wer hat so etwas Gräßliches getan?

Innerlich freute sich Sudeha, doch äußerlich zeigte sie große Trauer. Ghushma hörte die Klagen, doch sie beendete erst ihre tägliche Verehrung des Shiva Linga, ohne daß ihr Geist abgeschweift wäre. Auch Sudharma blieb ruhig, bis der heilige Ritus beendet war. Dann sahen sie das blutige Bett, doch Ghushma war nicht verzweifelt.

Sie sagte voller Vertrauen:
Wer diesen Jungen geschaffen hat, der wird ihn auch beschützen. Der Bezwinger von Kala, dieses eine, große Ziel der Guten, ist allen als Beschützer bekannt. Lord Shiva ist wie ein Gärtner, er vereint und trennt auch wieder. Was ist gewonnen, wenn man sich darüber sorgt?

Ihre Hingabe an Shiva machte sie innerlich so stark, daß sie die Wahrheit lebte und nur wenig trauerte. Mit kaum bewegtem Geist trug sie das irdene Linga zum See und murmelte Shivas Namen wie sonst auch. Als sie das Linga dem Wasser übergab, stand plötzlich ihr Sohn am Ufer des Sees.

Ihr Sohn sprach:
Ich muß meine Mutter sehen. Nachdem ich gestorben war, haben mich ihre Tugend und Shivas Gnade gerettet und wieder belebt.

Als Ghushma ihren Sohn frisch und lebendig vor sich sah, war sie genausowenig freudig erregt wie zuvor traurig. In diesem Augenblick erschien der strahlende Shiva vor ihr und sprach liebevoll:
Beste Dame, ich bin sehr zufrieden. Sage mir den Segen, den ich dir geben soll. Dieser Junge wurde von deiner üblen Schwester ermordet. Ich werde sie dafür mit meinem Dreizack töten.

Da verbeugte sich Ghushma vor Shiva und bat um folgenden Segen:
Bitte, oh Herr, beschütze meine Schwester Sudeha.

Da fragte Shiva:
Sie hat Übel getan. Warum willst du ihr helfen? Die Sünderin muß bestraft werden.

Ghushma antwortete:
Keine Sünde kann bestehenbleiben, wenn du geschaut wirst. In dem Moment, in dem sie dich sieht, wird ihre Sünde zu Asche verbrannt. Denn die Sünde verschwindet beim Anblick dessen, der denen hilft, die ihm schaden. Ich habe einst diese wunderbaren Worte gehört, oh Herr. Und daher, freundlicher und gnadenreicher Shiva, möge es so geschehen.

Erfreut sprach Shiva, dieser Ozean an Mitgefühl, zu ihr:
Oh Ghushma, erbitte noch einen Segen. Denn ich bin sehr zufrieden mit deiner Hingabe und deinem Wesen, das von Verwirrung frei ist.

Da bat die Dame:
Wenn ich noch einen Segen verdiene, dann bleib hier in meinem Namen, um die Welt zu beschützen.

Und Shiva gab zur Antwort:
Ich werde bleiben, den Namen Ghushmesha tragen und Gutes tun. Möge das Linga Ghushmesha glücksverheißend und berühmt sein. Möge dieser See immer ein Reservoir von Lingas sein und den Namen Shivalaya tragen. Schon sein Anblick wird Wünsche erfüllen können. Und in deiner Familie, oh du gute und edle Dame, werden für 101 Generationen hervorragende Söhne zur Welt kommen, wie dieser hier. Sie werden gute Ehefrauen haben, viel Wohlstand, ein langes Leben und viel Geschick in den Dingen der Welt. Sie werden gelehrt und großzügig sein. Und alle in deiner großen und strahlenden Familie werden weltliche Freuden und die Erlösung genießen.

Nach diesen Worten nahm Shiva die Gestalt des Lichtlingas Ghushmesha an. Sudharma und Sudeha kamen hinzu, und alle drei umrundeten Shiva 101 mal. Dann war die Unreinheit aus dem Geist verschwunden, und sie lebten freundlich miteinander. Sudeha war beschämt, doch sie führte viele Bußeriten aus und bat um Vergebung.

Ja, ihr Weisen, das war die Geschichte über das Linga Ghushmesha. Sein Anblick und seine Verehrung machen allseits glücklich. Das war das zwölfte Lichtlinga, welches weltlichen und himmlischen Segen enthält. Wer die Geschichten über die Lichtlingas aufmerksam hört oder sie weitererzählt, der wird von allen Sünden gereinigt, erfreut sich an der Welt und erreicht die Befreiung.


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