Pushpak Shiva-Purana Buch 9Zurück WeiterNews

Kapitel 32 - Die Geschichte von Sudeha und Sudharma

Suta erzählte weiter:
Nun ihr vorzüglichen Weisen, das nächste Lichtlinga, von dem ich euch erzählen möchte, ist das wunderbare und große Ghushmesha. Es gibt da diesen Berg im Süden, der heißt Deva und ist strahlend und malerisch. Dort lebte ein Brahmane namens Sudharma, der das Brahman erkannt hatte und aus der Familie des Bharadvaja stammte, die ganz in der Nähe wohnte. Seine geliebte Gattin hieß Sudeha, die den Riten Shivas folgte, sehr geschickt den Haushalt führte und ihrem Gatten hingebungsvoll diente. Sudharma ehrte die Götter und Gäste, folgte demütig dem vedischen Pfad und hegte sehr achtsam das heilige Feuer. Er strahlte wie die Sonne, sprach die Sandhya Gebete dreimal täglich, belehrte seine Schüler und war ein Meister in den heiligen Schriften als auch den Veden. Auch war er wohlhabend und vornehm, ein großzügiger Wohltäter, ein Verehrer von Shiva und den Seinen gegenüber loyal. Lange Zeit lebte er so ein frommes und heiliges Leben, doch ein Kind war ihm nicht vergönnt. Seine Gattin empfing nicht, und ihre fruchtbaren Tage gingen ungenutzt dahin. Er selbst verzweifelte nicht darüber. Er wußte, daß nur die Seele die Seele erhöhen und heiligen kann, und daß nun einmal verschiedene Dinge in der Welt geschehen. Nicht ein Gedanke quälte ihn in dieser Sache, doch seine Gemahlin litt sehr darunter, keinen Sohn zu haben. Jeden Tag bat sie ihren Gatten darum, sich um einen Sohn zu bemühen.

Doch dieser wies gewöhnlich ihr Begehren zurück mit Worten wie diesen:
Oh sanfte Dame, es gibt keinen Sohn, keine Mutter, keinen Vater oder Geliebten. Diese sind nur selbstherrlich in die Welt verstrickt, glaube mir das. Und erkenne es auch mit scharfem Verstand. Darum sei nicht traurig, liebe Dame, und meide die Qualen der Welt. Auch solltest du mich mit deinen heilsamen Riten nicht jeden Tag so bedrängen.

Dies beruhigte sie für eine Weile, und er wandte sich wieder der Verehrung des Göttlichen zu. Er war völlig im Frieden und fühlte weder Freude oder Elend, welche üblicherweise unterschiedliche Interessen mit sich bringen. Einmal ging seine Frau Sudeha zu den Nachbarn, doch anstelle von freundlichem Gespräch kam es zum Streit. Die Nachbarin fuhr sie heftig an, wie es bei launischen Frauen vorkommt, und Sudeha schmerzten die groben Worte sehr.

Die Nachbarin schimpfte:
Oh du kinderlose Frau, warum bist du so arrogant? Ich habe zumindest einen Sohn, der meinen Reichtum erbt. Doch wem könntest du etwas vermachen? Da wird eher der König eure Habe einsammeln. Schande über dich, du unfruchtbare Frau, Schande über deinen Reichtum, deine Ehre und dein Ansehen.

Niedergeschlagen kehrte Sudeha heim und erzählte alles ihrem Ehemann. Der Kluge war nicht bekümmert und sprach:
Laß sie reden, was sie will, meine Liebe. Was das Schicksal beschlossen hat, wird geschehen.

So tröstete er sie wieder und wieder, doch ihr Schmerz ließ nicht nach. Betrübt bat sie erneut:
Du bist mein Gemahl, und du solltest Nachkommen haben. Ob bester Mann, ich werde sonst meinen Körper aufgeben.

Da dachte Sudharma an Shiva, bot dem heiligen Feuer zwei Blumen an und dachte bei sich, daß die rechte Blume einen Sohn gewähren würde. Mit dieser Bedingung zeigte er die Blumen seiner Frau und sprach:
Wähle die Blume, die für einen Sohn steht.

Sie konzentrierte sich und bat Shiva im Innern:
Laß mich einen Sohn haben. Möge ich die richtige Blume wählen.

Sie verbeugte sich vor Shiva und dem heiligen Feuer und zeigte auf die linke Blume. Seufzend sprach da ihr Mann:
Oh meine Liebe, wie kann etwas geschehen, was der Herr nicht bestimmt hat. Laß endlich deine vergeblichen Hoffnungen fahren. Diene dem Herrn.

Nach diesen Worten widmete er sich wieder seinem frommen Leben mit Meditation und heiligen Riten. Doch seine Frau konnte nicht von ihren Bitten ablassen. Mit gefalteten Händen und gebeugtem Haupt sprach sie voller Liebe zu ihrem Mann:
Und wenn ich keinen Sohn zur Welt bringen kann, dann nimm dir mit meiner Zustimmung eine andere Frau, damit sie dir Kinder schenken kann.

Die Antwort ihres weisen Mannes war:
Unsere Ungewißheit ist nun vergangen, oh Geliebte, häufe keine Hindernisse auf unseren spirituellen Pfad.

Doch sie hörte nicht, brachte ihre jüngere Schwester ins Haus und sprach zu ihrem Ehemann:
Nimm sie.

Sudharma antwortete:
Heute sagst du, daß sie meine geliebte Gattin sein muß. Doch wenn sie einen Sohn zur Welt bringt, wirst du eifersüchtig auf sie sein.

Auf diese Warnung hin faltete sie ihre Hände und versprach:
Liebster Gemahl, ich werde nicht auf meine eigene Schwester eifersüchtig sein. Bitte heirate sie und zeuge mit ihr einen Sohn. Ich flehe dich an.

So folgte Sudharman der Bitte und nahm die Schwester mit den rechten Riten zur Frau. Doch nach der Heirat sprach er zu Sudeha:
Meine fromme Geliebte, sie ist deine jüngere Schwester. Du mußt sie erziehen.

Danach versenkte er sich in Meditation und heilsame Riten, während Sudeha wie eine Magd ihrer Schwester diente und ganz ohne Konkurrenzdenken für sie sorgte. Im Einvernehmen mit ihrer älteren Schwester machte Ghushma jeden Tag 101 irdene Lingas, verehrte sie, dienten ihnen und versenkte sie im benachbarten Teich. Unermüdlich folgte sie so den wunscherfüllenden Riten für Shiva, bis sie 100.000 Lingas erbaut und wieder vernichtet und damit die Verehrung vollendet hatte. Dank der Gnade Shivas wurde ihr ein Sohn geboren. Es war ein schönes, glückliches und mit allen guten Eigenschaften gesegnetes Kind. So tugendhaft, wie sein Vater lebte, erfreute er sich nun auch an seiner Familie. Doch Sudeha wurde trotzdem eifersüchtig. Ihr eben noch ausgeglichenes und ruhiges Herz loderte plötzlich wie Feuer. So hört nun auch, ihr großen Weisen, welch gräßliche Wendung die Geschichte bald nahm.


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