Pushpak Shiva-Purana Buch 9Zurück WeiterNews

Kapitel 25 - Gautama und die Kuh

Suta fuhr fort:
Es begab sich einmal, daß Gautama seine Schüler zur Quelle sandte, um Wasser zu holen. Als die Knaben dort ankamen mit den Töpfen in ihren Händen, hatte sich schon viel Frauenvolk mit derselben Absicht versammelt. Und die Frauen wiesen die Schüler zurück mit schroffen Worten:
Wir sind die Frauen der Weisen und schöpfen daher zuerst vom Wasser. Geht beiseite und wartet, bis wir fertig sind.

Da kehrten die Jungen um und erzählten Ahalya, der Gattin von Gautama, davon. Diese ging sogleich mit den Schülern zur Quelle, bat die Frauen um Einsicht, schöpfte selbst das Wasser und gab es ihrem Mann, damit jener seine Riten ausführen konnte. Doch die Frauen der Brahmanen ärgerten sich über Ahalya und kehrten mit zornigen und üblen Gedanken in ihre Hütten zurück. Dort beschwerten sie sich bei ihren Ehemännern, und diese ließen sich vom Zorn anstecken und wüteten im Innern gegen Gautama, von ihrem Schicksal getrieben. Sie ehrten Ganesha mit vielen Opfergaben, weil sie Gautama Hindernisse in den Weg legen wollten.

Erfreut über die Ehren erschien Ganesha vor den übelwollenden Brahmanen und sprach:
Ich bin mit eurem Opfer zufrieden, was wünscht ihr euch? Was soll ich für euch tun?

Die Brahmanen baten:
Wenn wir einen Segen erhalten können, dann soll Gautama aus seiner Einsiedelei vertrieben werden, nachdem wir ihn getadelt haben. Bitte tu das für uns.

Mit einem sanften Lächeln erwiderte der Gott mit dem Elefantenkopf:
Hört mich an, ihr Weisen. Das ist nicht angemessen. Wer ohne Kränkung zornig wird, wird schweren Verlust erdulden müssen. Auch ist es nicht verdienstvoll, dem Übel zu wollen, der euch zuvor half. Wird der üble Plan ausgeführt, wird der baldige Ruin sicher folgen. Gute Wirkungen erzielt man nur mit Zügelung. Und ihr begehrt nach Kummer, und nicht nach heilsamen Wirkungen.

Doch er sprach zu tauben Ohren, denn die Brahmanen gaben zur Antwort:
Oh Herr, du mußt es tun. Nichts anderes verlangen wir.

Wieder sprach Ganesha:
Brahma hat es deutlich gesagt: Ein hinterhältiger Mensch gewinnt sich niemals eine heilige Natur, so wie ein Heiliger niemals Niederes annimmt. Als euch Durst und Dürre plagten, da half euch Gautama aus der Not. Und jetzt wollt ihr ihm Übel mitspielen. Das ist nicht recht. Denkt gründlich darüber nach. Ihr habt euch von euren Frauen beeinflussen lassen und nehmt meinen Rat nicht an, der zweifellos zum Wohl von Gautama ist, dem großen Heiligen, der euch so viel Glück brachte. Hinterlist ist nicht angebracht! Wählt einen anderen Segen.

Nach wie vor achteten die Brahmanen nicht den göttlichen Rat und bestanden auf ihrem Wunsch. So sprach Ganesha gleichmütig zu den Unbelehrbaren, denn auch er ist seinen Verehrern untertan:
Was bestimmt ist, wird geschehen. Ich werde tun, was ihr wollt.

Und verschwand. Gautama ahnte nichts von den gemeinen Absichten der anderen, und folgte mit seiner Gattin frohen Geistes der täglichen Routine. Nun hört, was aufgrund des Wunsches als nächstes geschah. Gautama hatte auf seinem Feld viel Hirse und anderes Getreide angebaut. Ganesha nahm die Gestalt einer dürren und schwachen Kuh an, stolperte und wankte über das Feld und fraß das Getreide auf. Gautama kam dazu, sah die Kuh und wollte sie sanft davon abhalten, die ganze Ernte aufzufressen. Er wedelte mit einem Büschel Gras, doch als ein Grashalm die Kuh berührte, fiel sie tot zu Boden. Die Brahmanen hatten sich mit ihren Frauen in der Nähe aufgehalten und fingen sogleich an zu schreien:
Oh weh, was hat Gautama da getan?

Verwirrt rief Gautama seine Gattin Ahalya und fragte sie traurig:
Oh sanfte Dame, was ist hier geschehen? Wie konnte das passieren? Ist Lord Shiva wütend? Was sollen wir nun tun? Mich befleckt die Sünde des Mordes. Wohin sollen wir gehen?

Die Brahmanen, ihre Frauen und Schüler waren auch herangekommen und beschimpften sowohl Gautama als auch Ahalya:
Schande über euch! Dein Antlitz, Gautama, wollen wir hier nicht mehr sehen. Geht fort. Wer den Mörder einer Kuh ansieht, muß mit allen Kleidern ein reinigendes Bad nehmen. Wenn ihr hier bleibt, werden die Götter und Ahnen unsere Opfergaben nicht mehr annehmen. So geht schnell weg, ihr Sünder und Mörder, und zögert nicht. Denn solange ihr Verfluchten hier seid, werden keine Riten ausgeführt, denn ihr seid dazu nicht mehr berechtigt.

Nicht nur mit Worten quälten sie die beiden, sie bewarfen sie sogar mit Steinen. Geschunden versprach Gautama der wütenden Menge:
Wir werden gehen und woanders leben.

So wanderte er ungefähr eine Meile fort (ein Krosha, ca. ¼Joyana, auf Rufweite) und schlug da sein Lager auf. Er litt einen halben Monat unter dem bedauernswerten Vorfall sehr und bat dann die Bewohner der Einsiedelei:
Ihr müßt mir Gnade erweisen. Bitte sagt mir, wie die Sünde gesühnt werden kann. Ich werde tun, was ihr wünscht.

Erst schwiegen die Brahmanen und blieben abwehrend. Doch Gautama stand demütig abseits, und so berieten sie sich untereinander. Als Gautama wiederholt mit demütigen Verbeugungen um Abhilfe bat, da sprachen sie zur edlen Seele:
Ohne Sühne kann es keine Reinigung geben. Daher sollst du Buße üben. Geh dreimal um die Erde herum, komm dann zurück und folge für einen Monat dem heiligen Vrata-Ritus. Oder, wenn du 101-mal um den Brahmagiri Berg gewandert bist, kannst du wieder Reinheit erlangen. Oder du bringst Wasser von der Ganga und führst das zeremonielle Bad durch. Besänftige Lord Shiva, indem du eine Million Lingas baust. Umrunde diesen Berg zuerst elfmal, und nimm dann das Bad in der Ganga, um dich zu reinigen. Führe dann mit hundert Töpfen Wasser die Waschung des Lingas durch, dann wird der Sühneritus komplett sein.

Gautama stimmte zu:
Oh ihr besten Weisen, auf euer Geheiß werde ich das irdene Linga von Shiva ehren und den Berg umrunden.

Und so geschah es. Gautama und die fromme Ahalya ehrten das Linga, umrundeten den Berg, und ihre Schüler halfen ihnen dabei.


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