Pushpak Shiva-Purana Buch 8Zurück WeiterNews

Kapitel 26 - Die Inkarnation Shivas als Händler

Nandi erzählte:
Lieber Weiser, höre mich an, denn ich möchte dir von der Inkarnation als Händler (Vaishyanatha) erzählen, dieser großen Seele, welche die höchste Glückseligkeit bereithält. Es lebte einmal eine Prostituierte in Nandigrama mit Namen Mahananda (u.a. Glückseligkeit, Befreiung). Sie war sehr schön und eine Verehrerin Shivas. Auch war sie wohlhabend, reich und strahlend, trug alle Arten von herrlichsten Juwelen und liebte die sinnliche und ausschweifende Liebe. Außerdem war sie eine Meisterin in allen Arten von Musik, so daß Könige und Königinnen von ihren Liedern ganz entzückt waren. Sie war beliebt und ehrte freudig und regelmäßig Shiva und Parvati. Sie wiederholte die Namen Shivas, trug auch Rudrakshas und heilige Asche, und nach der Verehrung tanzte und sang sie mit großer Hingabe und Entzücken von der Herrlichkeit Shivas. Sie hielt sich einen Affen und einen Hahn, die sie ebenfalls mit Rudrakshas schmückte. Der Affe trug Ohrringe wie ein Junge, und dem Hahn wickelte sie die Rudrakshas um den Schopf. Sie lehrte beide Tiere das Tanzen, wenn sie in die Hände klatschte. Und wenn die Tiere sich vor ihr solcherart gebärdeten, dann lachte sie in Liebe zu Shiva und amüsierte sich mitsamt ihren Gästen und den Dienern. So lebte die Dirne in verschwenderischem Luxus und trieb ihre fröhlichen Possen ebenso, wie sie Shiva in Freuden verehrte. Eine lange Zeit verging für sie so in Glück und Frohsinn, als Shiva eines Tages die Gestalt eines Händlers annahm und ihr Haus besuchte, um sie zu prüfen. Er trug verfilzte Haare, das Aschezeichen Tripundra auf der Stirn und auch Rudrakshas, murmelte die Namen Shivas und gab sich ganz als Verehrer desselben. Und er trug ein kostbares Geschmeide aus Juwelen um sein Handgelenk. Mit großer Freude empfing die Prostituierte den Gast, ließ ihn sich setzen und staunte sehr, als sie das prunkvolle Juwelenarmband entdeckte.

Überrascht sagte sie:
Dein Armband mit den großen Edelsteinen hat mich ganz verzaubert. Es wäre würdig, von einer himmlischen Dame getragen zu werden.

Es war offensichtlich, daß sie das Geschmeide mit den neun Juwelen heiß begehrte. Da sprach der Händler lächelnd:
Wenn du es wünschst, kannst du es gerne haben. Doch welchen Preis bist du bereit, dafür zu zahlen?

Die Dirne gab zur Antwort:
Nun, wir Huren lieben und tändeln hier und da und sind keine keuschen Damen. Ganz unzweifelhaft folgen wir in unserer Familie der Prostitution. Wenn ich das Geschmeide von dir bekomme, werde ich deine Gattin sein für drei Tage und Nächte.

Der Händler sagte daraufhin:
Oh liebste Dirne, wenn deine Worte wahrhaft gemeint sind, dann sei es, wie du sagst. Ich werde dir das Juwelenarmband geben. Sei meine Gattin für drei Tage und Nächte. Die Zeugen für diesen Handel sollen Sonne und Mond sein. Wiederhole dreimal das Wort „Wahr“ und berühre mein Herz, oh Liebste.

Was sie tat. Der Händler übergab ihr daraufhin das Armband und noch ein diamantenes Linga und sprach:
Oh Geliebte, dieses Linga ist mir sehr lieb. Du sollst es eifrig bewahren und sorgsam verbergen.

Sie stimmte zu, nahm das Linga und stellte es in die Mitte ihrer Tanzfläche. Dann betraten sie die inneren Gemächer. Des Nachts liebten sich die beiden und schliefen dann auf einem kostbaren Lager ein. Um Mitternacht entstand nach dem Willen des göttlichen Händlers ein Feuer inmitten der Tanzfläche. Ein heftiger Wind fachte es schnell an, so daß sogleich die ganze Fläche in Flammen eingehüllt war. Mahananda erwachte und ließ schnell die Tiere frei, die dann verwirrt und panisch umherrannten und noch mehr feurige Funken verbreiteten. Nach einer Weile erkannten die Dirne und der Händler, daß der Sockel ganz verbrannt und das Diamantlinga zerschmettert war, und fühlten großen Schmerz. Der Händler wußte wohl um den Charakter der Frau, und als ob seine Seele mit verbrannt wäre, wünschte er in großer Verzweiflung sein Leben zu beenden.

Kummervoll sprach also Lord Shiva im Körper des Händlers zu Mahananda:
Oh meine Geliebte, wenn das Linga verbrannt und vernichtet ist, dann kann ich nicht länger leben. Glaube mir, ich sage die Wahrheit. Also laß deine Diener einen Scheiterhaufen für mich vorbreiten, du liebe Dame. Mit meinem Geist in Shiva versenkt werde ich ins Feuer gehen. Und selbst wenn Brahma, Vishnu oder Indra mich davon abhalten wollten, ich werde mich dem Feuer übergeben und mein Leben enden.

Als die Dirne seinen festen Entschluß erkannte, überwältigte sie der Kummer. Trotzdem gebot sie ihren Dienern, vor dem Haus den Scheiterhaufen zu errichten. Shiva umschritt das lodernde Feuer und um ihre Geisteshaltung wissend, trat er in die Flammen. Die junge Dirne weinte sehr, denn sie fühlte mit ihm. Dann erinnerte sie sich an den heiligen Eid, den sie geschworen hatte, schaute auf ihre Familie und Freunde und sprach kläglich:
Mit dem Juwelenarmband nahm ich auch das Gelübde, seine Ehefrau zu sein für drei Tage. Und dieser Händler starb wegen meiner Taten, daher sollte ich mit ihm ins Feuer gehen. Wahrhafte Lehrer haben gesagt, daß eine Gattin ihre Pflichten erfüllen sollte. Und wenn ich dem folge, wird meine Wahrhaftigkeit nicht leiden. In der Wahrheit verweilen ist eine große Tugend, und durch Tugend kann man ein großes Ziel erreichen, wie den Himmel oder die Befreiung. Alles gründet sich in Wahrheit.

Ihre Familie wollte sie abhalten, doch sie war fest entschlossen, lieber ihr Leben aufzugeben als ihre Wahrhaftigkeit. Sie verschenkte ihr Hab und Gut an die Brahmanen, meditierte über Shiva, umrundete dreimal das Feuer und stand bereit, sich ihm zu übergeben. Als sie gerade hineinspringen wollte - ihren Geist fest auf Shivas Füße gerichtet - da erschien Shiva vor ihr und hielt sie ab. Als sie die Seele des Universums direkt vor sich sah, mit drei Augen, die Mondsichel in seinem Haar und so strahlend wie eine Million Sonnen, da war sie gelähmt und erschrocken.

Der Herr ergriff die Hand der bebenden und weinenden Frau und sprach sanft zu ihr:
Um deine Wahrhaftigkeit und Entschlossenheit und deinen Mut zu prüfen, kam ich als Händler zu dir. Es war meine Magie, die das Feuer entfachte und deine Tanzfläche und das Linga zerstörte. Doch nachdem ich ins Feuer gegangen war, hast du dich an dein Versprechen erinnert und wolltest mit mir gehen. Daher werde ich dir Freude schenken, wie sie selbst Göttern unbekannt ist. Oh schöne Dame mit den sinnlichen Hüften, was immer du dir wünschst, ich werde es gewähren, denn ich bin über deine Hingabe entzückt. Es gibt nichts, was ich dir nicht geben könnte.

Da antwortete ihm die Dirne Mahananda:
Ich spüre kein Verlangen mehr nach Freuden auf Erden, im Himmel oder den niederen Welten. Ich begehre nichts mehr, als die Berührung deiner Lotusfüße. Meine Familie, Diener und Freunde haben dir alles gewidmet und möchten dich auch sehen. Nimm sie und auch mich mit in dein Reich und laß diese gräßliche Angst vor der nächsten Wiedergeburt erlöschen. Verehrung sei dir.

Der große Herr ehrte ihre Worte und nahm alle mit in sein Reich. Ja, das war die Geschichte von Shiva als Händler, wie er Mahananda erfreute. Es ist eine große, wunderbare und heilige Geschichte, die alle Wünsche sogleich erfüllen kann. Wer die Geschichte mit Hingabe liest und in Reinheit erzählt, wird niemals von seinen Pflichten abweichen und hernach Befreiung erreichen.


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