Kapitel 23 - Shivas Inkarnation als Bulle

Nandi fuhr fort:
Der Bulle trat brüllend in die Erde ein, und die Städte und ihre Einwohner erbebten. In der Unterwelt griff er die überstolzen, starken und verblendeten Söhne Vishnus an, die umsonst mutig und ebenso laut brüllend ihre Bögen schwangen. Er trat sie mit seinen Hufen und spießte sie mit seinen Hörnern, und leblos sanken sie zu Boden. Der schnelle Tod seiner Söhne ließ Vishnu sich erheben, und zornig griff er mit himmlischen Waffen Shiva in Gestalt des Bullen an. Doch dieser stand unbewegt wie ein Berg und verschluckte alle Geschosse. Dann brüllte er zornig, denn Vishnu erkannte ihn nicht, ließ die Welten erzittern, sprang hoch in die Luft und traf Vishnu mit einem Huf. Auch mit den Hörnern attackierte er ihn schmerzhaft, und Vishnu konnte den heftigen Angriff nicht kontern. Erschöpft und verletzt verließen ihn Kampfeslust und Stolz, und erst jetzt erkannte er die Gottheit im Tier.

Da beugte er das Haupt und faltete die Hände und bat:
Oh Herr der Götter, du Meer des Mitgefühls, Lord Shiva, mein Geist war von deinem Spiel völlig verwirrt, daher kämpfte ich gegen dich. Oh Herr, vergib mir diese Anmaßung und zeige mir wieder deine Gnade.

Auf diese mitleiderregenden Worte antwortete Shiva freundlich:
Ach Vishnu, du Kluger, wie konnte das passieren, daß du mich nicht erkannt hast? Dein Verstand war völlig dahin, als du mit mir gekämpft hast. Warum siehst du nicht, daß all deine Anstrengungen von mir abhängen? Du solltest dich auch nicht so in Begierde versinken lassen, sondern besser zügeln. Denn sonst gerät dein Verstand unter die Herrschaft der Lust. Also halte dich von Leidenschaften fern und erinnere dich an deine Pflicht, das Universum aufrechtzuerhalten.

Vishnu schämte sich nach dieser Ermahnung und sprach ehrfürchtig zu Shiva:
Hier ist mein Diskus. Ich werde ihn wieder aufnehmen und in meine Region heimkehren, um deinem Gebot zu folgen.

Und immer noch in Gestalt des Bullen gab Shiva zurück:
Ja, kehre diesem Ort schnell den Rücken und zögere nicht. Doch laß den Diskus hier in dieser Welt. Ich gebe dir einen neuen, der sogar schrecklicher ist als die Sonne zur Auflösung der Welten und wirksamer als mein Wort.

Dann erschuf Shiva einen Diskus, der leuchtete wie das Feuer, welches die Welten vernichtet, um die Üblen zu bestrafen. Er übergab diese wie zehntausend heiße Sonnen strahlende Waffe Vishnu, der großen Seele, dem Beschützer der Götter und großen Weisen.

Doch kaum hielt Vishnu diesen neuen, viel prächtigeren Diskus in den Händen, sprach er zu den Göttern:
Hört meine Worte, ihr Götter, und handelt schnell. Es wird zu eurem Vorteil sein. Es warten viele, junge und schöne Frauen in den niederen Bereichen. Wenn ihr wollt, geht und vergnügt euch mit ihnen.

Nun erhob sich das Begehren auch in den Göttern, und sie waren geneigt, Vishnus Vorschlag zu folgen. Doch Shiva verfluchte sie ärgerlich:
Außer den in Stille versunkenen Weisen und den Dämonen, die aus mir geboren wurden, wird jeder sofort sterben, der in diesen Bereich eintritt.

Diese schrecklichen Worte zügelten die Götter und zum Wohle der Menschen kehrten sie in ihre angestammten Bereiche zurück. Lord Shiva zog sich zum Kailash zurück, Vishnu begab sich in seine Sphäre, und die Welt war wieder in Harmonie. So vertrieb Shivas Inkarnation als Bulle die Verblendung Vishnus und machte die Welt erneut glücklich.

Diese Erzählung ist heilig, vertreibt drohende Feinde, sichert den Himmel, Ruhm und ein langes Leben. Außerdem gewährt sie guten Menschen weltliche Freuden und die Erlösung. Darum höre, lies oder erzähle sie mit Achtung, Hingabe und Reinheit, damit du hernach Befreiung erfährst.