Pushpak Shiva-Purana Buch 8Zurück WeiterNews

Kapitel 19 - Geschichten von Durvasa

Nandi sprach:
Höre nun auch, wie Shiva als Durvasa geboren wurde, damit die Tugend auf Erden erhalten bleibt. Atri, der Sohn Brahmas, war ein großer Weiser. Er war heilig, klug und kannte das Brahman und folgte ihm in allen Dingen. Mit seiner Gattin Anasuya begab er sich zum Berg Rikshakula, um auf Geheiß Brahmas Askese zu üben. Damit wollte er sich einen Sohn gewinnen. Am Ufer des schönen Flusses Nirvindhya zügelte er, der sich schon längst von quälenden Gefühlen befreit hatte, seinen Atem.

Ein Gedanke leitete ihn dabei:
Möge der einzige, große Herr, welchen Namen er auch immer tragen mag, der von allen Ablenkungen des Geistes frei ist, mir den Segen eines Sohnes gewähren.

Lange übte er so harte Buße, bis sogar schon eine heilige Flamme aus ihm loderte. Diese Flamme verbrannte beinahe die Welten, und auch die Götter wurden von ihr gepeinigt. So eilten sie mit Indra an der Spitze zu Brahma, grüßten und ehrten ihn und erzählten ihm von der quälenden Flamme. Brahma begab sich sogleich zu Vishnu, und mit den Göttern im Gefolge bat er ihn um Abhilfe. Und Vishnu nahm die ganze Gesellschaft mit zu Shivas Heim, um ihn zu fragen, was mit Atris brennender Askese zu unternehmen wäre. Also berieten sich die Götter, was zum Wohle der Welten am besten wäre, und begaben sich zu Atris Einsiedelei, um seinen Wunsch nach einem Sohn zu erfüllen.

Atri erkannte die Götter, verbeugte sich und pries die Ankömmlinge mit lieben Worten:
Oh Brahma, Vishnu und Shiva, euch gebührt die Verehrung der drei Welten, denn ihr seid die wahren Herrscher, Meister und Quellen für Schöpfung, Erhaltung und Vernichtung. Mit der Unterstützung meiner Frau meditierte ich und bat um die Hilfe eines Gottes, um einen Sohn zu erhalten. Wer immer erscheinen möge, so bat ich, sei er so ruhmreich wie der Herr. Also wie kommt es, daß nun drei Götter vor mir erscheinen, oh ihr Segensreichen? Erklärt mir dies bitte, und dann gewährt mir euren erflehten Segen.

Die drei Götter antworteten:
Nun großer Weiser, was geschieht ist in Übereinstimmung mit dem, was du verstehst. Wir sind die drei großen Götter und gewähren Segen, und so wirst du drei Söhne von uns bekommen. Sie werden den Ruhm ihrer Eltern in der Welt vermehren.

Nach diesen Worten kehrten die drei Götter freudig in ihre Reiche zurück, und auch der Weise ging nicht minder selig mit seiner Frau wieder nach Hause. Und während die große Freude bei Atri so hell strahlte wie das Brahman, nahmen die drei Götter ihre Inkarnationen auf Erden. Brahma erschien in einem Sohn von Atri und Anasuya als der sanfte Mond. Nur er konnte wieder aus dem Ozean auftauchen, in den ihn die Götter geschleudert hatten. Vishnu nahm seine Geburt als Dattatreya und beschritt den leuchtenden Pfad der Entsagung. Und Shiva nahm seine Geburt als der vorzügliche und strahlende Weise Durvasa, der mit standhafter Tugend und Mitgefühl viele Menschen auf ihre Frömmigkeit prüfte.

Zum Beispiel den König Ambarisha, diesen Abkömmling der Sonnendynastie. Höre die Geschichte seiner Prüfung. König Ambarisha herrschte über die weite Erde mit all ihren Kontinenten. Gezügelt und standhaft folgte er dem Ekadashi Ritus (an jedem elften Tag nach jeweils Neu- und Vollmond fasten, meist zur Verehrung von Vishnu). Und erst am nächsten Tag (an Dvadasi) brach er sein regelmäßiges Fasten. Durvasa wußte darum und kam eines Tages am zwölften Tag zum König, unmittelbar bevor der seine erste Mahlzeit einnehmen wollte. Der König empfing den Brahmanen mit seinen Schülern, lud ihn zum Essen ein, Durvasa nahm die Einladung an und ging, um seine rituellen Waschungen durchzuführen. Mit Absicht brauchte er dazu sehr, sehr lang, um den König zu prüfen. Der König nahm nur einen kleinen Schluck Wasser zu sich und wartete auf Durvasa, denn er wollte nicht die heiligen Regeln verletzen.

Doch als Durvasa zurückkehrte, diese Inkarnation Shivas, wurde er zornig, weil der König schon sein Fasten gebrochen hatte und sprach laute Worte:
Oh niederträchtiger König, erst lädst du mich zum Essen ein, und dann trinkst du schon Wasser, ohne mich gespeist zu haben. Ich werde dir zeigen, was du dir damit eingehandelt hast, denn ich bin die Geißel aller Sünder.

Dann stand er mit vor Zorn geröteten Augen auf und drohte, den König zu verbrennen. Sofort erschien Sudarsana, der Diskus von Vishnu, um den König zu beschützen, ohne sich bewußt zu sein, daß Durvasa ein Teil Shivas war. Da sprach eine Stimme aus dem Himmel zu König Ambarisha:
Einst gab Shiva diesen Diskus an Vishnu, und nun wendet er sich gegen ihn. Besänftige ihn, oh König, und sieh in Durvasa nicht den gewöhnlichen Menschen, sondern Shiva selbst. Er kam, um deine Tugend zu prüfen. Such bei ihm Zuflucht, sonst gibt es ein riesiges Desaster.

Ambarisha folgte der himmlischen Stimme und bat:
Wenn ich ein wenig Verdienst aus Opfern und Wohltätigkeit ansammelte, meine spirituellen Pflichten rechtens ausführte und meine Familie Brahmanen als göttlich ansieht, so möge die Waffe Vishnus Frieden finden. Möge der Diskus sich beruhigen, wenn unser Herr, der seinen Verehrern immer zugetan ist, mit meiner Hingabe zufrieden ist.

Ambarisha hatte im Diskus Shiva gesehen, und der Diskus beruhigte sich. Wieder gefaßt verbeugte sich der König vor Durvasa, den er ebenfalls als Inkarnation Shivas erkannt hatte. Und Durvasa freute sich sehr. Er nahm seine Mahlzeit ein, gewährte dem König Segen und kehrte in sein Heim zurück.

Und nun erzähle ich dir noch eine Geschichte von Durvasa. Höre. Als Kala in Gestalt eines Weisen zu Rama kam, dem Sohn des Dasaratha, da schickte Durvasa dessen Bruder Lakshmana unerbittlich zu Rama hinein, um ihn zu prüfen. Rama hielt sich an das Wort, das er Kala gegeben hatte und verbannte seinen geliebten Bruder. Durvasa freute sich über Ramas Standhaftigkeit und Entschlossenheit sehr und segnete ihn. Nun, diese Geschichte ist weithin bekannt unter den Weisen, so daß ich sie dir nicht ausführlicher erzähle.

Auch Krishna wurde von Durvasa geprüft, wie ich dir gleich erzählen werde. Auf Bitten Brahmas nahm Vishnu seine Geburt auf Erden als Krishna, Sohn von Vasudeva, damit die Erde von ihrer unerträglichen Last befreit würde und die Guten Schutz fänden. Lord Krishna schlug die Sünder, Schurken und Spitzbuben, welche die Brahmanen quälten, und half den guten Menschen. Besondere Hingabe zeigte Krishna für die Brahmanen. Er speiste eine große Anzahl von ihnen jeden Tag und gab ihnen köstliches Essen. So kam Durvasa eines Tages auch zu ihm. Er spannte Krishna und seine Gattin Rukmini vor einen Wagen, setzte sich hinein, und Krishna zog den Wagen voller Freude. Da segnete ihn Durvasa solcherart, daß Krishnas Körper (beinahe) unverletzbar wurde.

Einmal nahm Durvasa ein Bad in der himmlischen Ganga, als seine Kleider davonschwammen und er nackt im Wasser stand. Er schämte sich sehr, doch Draupadi, die ebenfalls in der Nähe badete, riß sich ein Stück Stoff vom Leibe und ließ es zum Weisen treiben. So rettete sie ihn vor Schande, denn als der Strom den Stoff zu ihm getragen hatte, da konnte er damit seine Blöße bedecken. Durvasa war daraufhin mit Draupadi sehr zufrieden und gewährte ihr den Segen, immer genügend Kleidung zur Verfügung zu haben. Später war ihr dieser Segen sehr von Nutzen und machte sie und ihre Gatten sehr glücklich.

Der heilige Weise gebot auch Vishnu und tötete die beiden barbarischen Könige Hansa und Dimbika, die ihn angegriffen hatten. Mit seinem brahmanischem Glanz lebte und lehrte er den Pfad der Entsagung in der Welt in Übereinstimmung mit den heiligen Regeln. Durch Belehrungen und Erleuchtung konnte er viele Menschen erheben. Sein Wissen hat viele befreit. Sein Leben ist wunderbar und vielseitig, und wer davon hört, wird mit einem langen Leben, Wohlstand und Ruhm gesegnet. Wer die Geschichten von Durvasa mit Hingabe und Frohgemut hört, der wird in diesem Leben und hernach immer glücklich sein.


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