Pushpak Shiva-Purana Buch 8Zurück WeiterNews

Kapitel 13 - Vishvanaras Buße

Nandi erzählte weiter:
Nun Sohn des Brahma, höre in Liebe, wie der mondbekränzte Herr sogar seine Geburt im Hause von Vishvanara nahm. Sein Name war Grihapati, und mit strahlender Gestalt wurde er zum Herrn über das Reich Agnis. Einst lebte am schönen Ufer des Flusses Narmadi in der Stadt Dharmapura der Weise Vishvanara. Er verehrte Shiva, gehörte zur Sandilya Linie (Quelle Wikipedia: Shandilya (8. Jh.), dessen Bhaktisutra eine der grundlegenden Schriften ist, beschreibt dort Bhakti als das eigene Herz, das einen intensiven Wunsch nach Gott hat.), und während seiner Zeit des Zölibats, folgte er den Brahmayajna Riten (Brahma-Yajna, eine der fünf großen Opferzeremonien, ein Opfer an die Brahmanen oder Weisen). Er war rein, voll brahmanischer Strahlkraft und hatte Selbstkontrolle. Er verstand die Bedeutung des heiligen Herrn und folgte dem Betragen der Tugendhaften. Die Weisheit Shivas war ihm ebenso geläufig wie die weltlichen Gebräuche. Als es Zeit war zu heiraten, überdachte er gründlich die Qualitäten einer guten Ehefrau und vermählte sich mit der Tochter von Kala, die seiner wahrlich würdig war. Er unterhielt das heilige Feuer, führte jeden Tag die fünf Opfer eines Hausvaters durch und übte die täglichen sechs heiligen Riten eines Brahmanen. Den Göttern, Ahnen und Gästen zu dienen, war ihm eine Freude, und so ging es eine lange Zeit.

Einmal sprach seine Gattin Sucismati zu ihrem frommen Mann:
Oh Herr, dank deiner Gnade erfreue ich mich in deiner Gesellschaft an allem, was eine Frau nur erhoffen kann. Doch es gibt schon lange eine Sehnsucht in meinem Herzen, oh Herr, die einem Hausvater frommt. Bitte gewähre mir den Wunsch.

Vishvanara antwortete:
Oh sanfte Dame mit den schönen Hüften, du hast immer für mein Wohlergehen gesorgt, also gibt es nichts, was ich dir nicht gewähren könnte. Bitte nur darum, oh du Glückliche, ich werde deinen Wunsch sogleich erfüllen. Durch die Gnade Shivas ist mir nichts unmöglich, gute Frau, denn er ist die Quelle von allem.

Die Frau, welche ihren Ehemann wie einen Gott betrachtete, faltete voller Freude die Hände und bat hingebungsvoll:
Oh Herr, wenn ich einen Segen verdiene, dann gib mir einen Sohn, der Lord Shiva gleicht. Keinen anderen Segen würde ich je erbitten.

Nandi fuhr fort:

Nachdem er die Worte seiner Frau gehört hatte, versenkte sich Vishvanara für eine Weile in tiefe Trance und dachte in seinem Herzen:
Was ist das? Die Dame wünscht sich etwas Unerreichbares. Es ist eigentlich jenseits aller zu wünschenden Dinge. Doch es sei. Nur Er handelt und bewirkt alles. Es war Shiva selbst, der sich aus ihrem Mund und ihrer Rede hörbar gemacht hat. Ja, das ist das einzig Mögliche. Denn wer sonst könnte Solches wagen?

Dann beruhigte der Großmütige seine Gattin und ging nach Varanasi, wo Shiva beständig wohnt, um Askese und Buße zu üben. Als er in Varanasi ankam und die heilige Wasserstelle Manikarna erblickte, war er sogleich von den Sorgen der letzten hundert Geburten befreit. Er verbeugte sich vor allen Lingas, reinigte sich in allen heiligen Gewässern, ehrte alle Götter und Göttinnen und vor allem den König über die Zeit, Bhairava, welcher die Sünden verschlingt. Auch die Geisterscharen ehrte er, sowie die vielen Aspekte der Sonne, und opferte unermüdlich Reisbällchen in den heiligen Zentren der Stadt. Mit vielen Riten ehrte er die Brahmanen und Weisen, und konzentrierte sich hingebungsvoll auf die Lingas von Shiva. Dabei dachte er immer wieder: „Welches ist das Linga, welches besonders schnelle Resultate bringt? Welche Buße kann das Sehnen nach diesem besonderen Sohne stillen?“ Dann verehrte er den Viresha Aspekt Shivas, welcher den Segen eines Sohnes verleiht. Denn ungezählte Scharen von vollendeten Meistern hatten schon Viresha verehrt und ihre Wünsche erfüllt bekommen, so daß dieses Linga als besonders segensreich gilt. Wer das Viresha für ein Jahr mit Hingabe und Demut ehrt, der bekommt ein langes Leben, Söhne und viele Wünsche erfüllt. Und so beschloß der kluge Brahmane: „Auch ich werde dreimal am Tag das Viresha Linga verehren und bald schon den Sohn bekommen, den meine Frau sich wünscht.“ Zufrieden badete er in der Quelle Chandrakupa und nahm das Gelübde für diesen heiligen Ritus auf sich.

Im ersten Monat aß er nur eine Mahlzeit am Tag, und im nächsten Monat beschränkte er sich auf das Nachtmahl. Dann nahm er für einen Monat nur die Nahrung zu sich, die er ohne zu betteln erlangte, und im folgenden Monat aß er gar nichts. Dann trank er einen Monat nur Milch, einen weiteren Monat aß er nur Früchte und Gemüse, dann lebte er einen Monat lang von einer Handvoll Sesamsamen am Tag, um im nächsten Monat nur zu trinken. Weiterhin ernährte er sich einen Monat lang von den fünf Produkten der Kuh, um als nächstes das Chandrayana Fasten zu befolgen. Im folgenden Monat trank er nur das Wasser von den Spitzen der Kushagrashalme, und den nächsten Monat lebte er von Luft allein. So verging ein Jahr der harten Askese, während er dreimal am Tag das Viresha Linga verehrte. Im dreizehnten Monat seiner Buße nahm er eines Tages sein Bad in der Ganga sehr früh am Morgen, und als er anschließend zum Viresha ging, erblickte er ein Kind von etwa acht Jahren mitten im Linga, welches über und über mit Asche beschmiert war. Seine Augen waren so lang wie seine Ohren, die Lippen rot, die Haare verfilzt und von einem wunderbaren Braun. Das Kind war bis auf ein paar kindliche Kleider nackt, schien sehr klug zu sein und lächelte wunderbar. Es rezitierte Hymnen aus den Veden und lachte freudig und laut. Als Vishvanara den Jungen sah, kribbelte ihm der ganze Körper, und er fühlte eine tiefe Wonne.

Und dann murmelte er folgende acht Verse, die seine große Freude über Shivas Erscheinen ausdrückten:
Oh es ist wahr, vom Brahman gibt es kein Zweites, wie es tatsächlich nie etwas völlig Gleiches gibt. Es gibt auch nur einen Rudra und keinen zweiten. Und daher suche ich bei dir Zuflucht, oh einziger großer Herr. Du allein, oh Shiva, bist Schöpfer und Vernichter von jedwedem Wesen oder Ding. Du kannst Formen annehmen und bist gleichzeitig ohne Form. So wie es nur eine innere Tugend gibt, kann sie sich äußerlich auf vielerlei Arten zeigen. Und daher suche ich nur bei dir Zuflucht. Wie die Schlange im Seil erscheint, das Silber in der Muschelschale oder das Wasser in der Fata Morgana - so ist es, wenn man meint, Ihn zu kennen. Doch wenn die ganze Welt verschwindet, bleibt die Essenz allein übrig. Ich suche beim großen Herrn Zuflucht. Und wie bist du die Essenz der Welt, oh Shiva? In der Kühle des Wassers, im Brennen der Sonne, in der Hitze des Feuers, der angenehmen Sanftheit des Mondes, im Duft der Blüten und im Ghee aus der Milch - so zeigst du dich als Essenz. Daher suche ich Zuflucht nur bei dir. Du vernimmst den Klang ohne Ohren. Du riechst den Duft ohne Nase. Du bist der Fußlose, der von weither kommt. Du bist der Sehende ohne Augen und der Schmeckende ohne Zunge. Wer kann dich wirklich erkennen? Ich suche Zuflucht bei dir. Oh Herr, selbst die Veden können dich nicht direkt erkennen, noch Vishnu oder Brahma, der doch alles erschaffen hat, nicht die großen Yogis, Indra oder die anderen Götter. Nur tiefe Hingabe kann das, und daher suche ich in dir Zuflucht. Du bist ungeboren und unsterblich, hast keine spirituelle Abstammungslinie, weder Gestalt noch Betragen oder ein Heimatland. Und doch bist du der Herr über die drei Welten und stillst unser Sehnen. Ich verehre dich. Alles kommt aus dir. Du bist alles in allem, oh Bezwinger des Liebesgottes Kama, du bist der Gatte der goldenen Parvati, du bist unverhüllt und im Frieden, du bist alt, ein Jüngling und ein Kind. Was immer es gibt, das bist du. Es gibt keine Quelle für deine Herkunft. Ich verbeuge mich vor dir.

Dann warf er sich auf den Boden und faltete seine Hände in Ehrfurcht. Der Junge zeigte nun seine Weisheit und sein Alter und sprach erfreut zum Brahmanen:
Oh Vishvanara, du trefflicher Weiser, oh Brahmane, deine Hingabe hat mich sehr erfreut. Bitte um den Segen deiner Wahl.

Da erhob sich Vishvanara zufrieden und froh und gab dem Jungen zur Antwort:
Oh Lord Shiva, du bist allwissend. Was könnte es geben, was dir nicht bekannt ist? Du bist der Herr und Segenspender und die unveränderliche Seele in allem. Warum drängst du mich in die Rolle des mitleiderregenden Flehens? Oh Herr, du weißt es, also tu, wie es dir beliebt.

Lächelnd sprach da der Herr in Gestalt des Knaben, denn die aufrechten Worte des reinen Vishvanara freuten ihn sehr:
Oh du Frommer, der Wunsch von dir und deiner Frau wird bald in Erfüllung gehen. Ich werde dein Sohn sein, oh Kluger. Ich werde als Grihapati bekannt sein, rein und von den Göttern geliebt. Und diese acht Verse, die du eben gesungen hast, um deinen Wunsch zu erfüllen, sollen Abhilasastaka heißen. Wer es für ein Jahr jeden Tag und mit Hingabe an Shiva dreimal aufsagt, wird alle seine Wünsche erfüllt bekommen, zum Beispiel Kinder, Enkel und Wohlstand. Dieses wünscherfüllende Gebet besänftigt alles und lindert das Mißgeschick. Es kann zum Himmel führen, zu Befreiung und Glückseligkeit. Daran gibt es keinen Zweifel. Es ist mit allen anderen Gebeten und Hymnen zu vergleichen, denn es kann jeden Wunsch erfüllen. Möge der Mann ohne Nachkommen für ein Jahr lang zeitig am Morgen aufstehen, sein Bad nehmen, ein Shiva Linga ehren und diese Hymne aufsagen. Dann wird selbst seine unfruchtbare Ehefrau schwanger und er sicher einen Sohn bekommen. Auch wenn die Frau das Gebet hingebungsvoll für ein Jahr aufsagt, wird sie Kinder haben. Doch achtet darauf, wen ihr dieses Gebet lehrt, und bewahrt es sorgfältig.

Dann verschwand der Junge, der Shiva war, und Vishvanara kehrte glücklich nach Hause zurück.


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