Pushpak Shiva-Purana Buch 6Zurück WeiterNews

Kapitel 19 - Die Söhne sollen heiraten

Narada sprach:
Lieber Vater, diese vorzügliche Geschichte zeigt ganz wunderbar das göttliche Betragen Ganeshas, welches großer Heldenmut ziert. Und nun, oh Brahma, was geschah dann? Bitte erzähl weiter, denn die Herrlichkeit von Shiva und Parvati verleiht großes Entzücken.

Brahma sprach:
Mit Zuneigung hast du mich gefragt, du großer Weiser. So höre denn aufmerksam zu, was ich dir erzähle. Shiva und Parvati beobachteten das himmlische Wirken ihrer beiden Söhne, und ihre Liebe vermehrte sich immer mehr. Das Glück der Eltern kannte keine Grenzen, und auch die beiden Söhne vergnügten sich freudig und liebevoll. Außerdem dienten sie ihren Eltern mit Hingabe, so daß deren Zuneigung so hell strahlte wie der Vollmond. Eines Tages berieten sich die Eltern, denn sie meinten, daß ihre Söhne in das heiratsfähige Alter gekommen wären. Wie nun eine segenspendende Heirat arrangieren? Sie liebten beide Söhne sehr, sowohl den sechsköpfigen Kartikeya als auch Ganesha mit dem Elefantenkopf. In Erwägung dieser Frage fühlten die Eltern sowohl Glück als auch Sorge. Als die Söhne den Wunsch ihrer Eltern erfuhren, waren sie eifrig bemüht, ihn zu erfüllen.

Beide riefen:
Ich werde heiraten! Ich werde heiraten!

Und so wetteiferten sie miteinander und stritten sogar. Die Eltern waren überrascht und führten eine wunderbare Entscheidung herbei. Höre, oh Narada, was das himmlische Paar tat. Sie riefen ihre Söhne herbei und sprachen zu ihnen:
Liebe Söhne, wir haben eure Heirat beschlossen, um euer Glück zu mehren. Hört uns zu, denn wir sprechen die Wahrheit. Ihr seid beide gute Söhne, und wir lieben euch gleichermaßen. In unseren Augen gibt es keinen Unterschied zwischen euch. Doch es gibt eine Bedingung, die nützlich und sinnvoll ist. Es wird derjenige von euch zuerst heiraten, der als erster die gesamte Welt umrundet hat.

Kaum hatten sie geendet, da war Kartikeya schon stürmisch auf dem Weg. Der kluge Ganesha jedoch blieb stehen und überlegte:
Was soll getan werden? Ich kann den Ozean nicht durchqueren. Ich kann gerade mal soweit laufen, wie meine Stimme hallt. Doch nicht weiter. Also, was tun, um glücklich zu sein?

So überlegte er und tat folgendes. Er führte seine zeremonielle Waschung durch, ging zu Vater und Mutter und bat sie:
Ich habe hier zwei Sitze hergestellt, um euch verehren zu können. Bitte, nehmt Platz, liebe Eltern, erfüllt mir diesen Wunsch.

Die beiden erfüllten ihm die Bitte, er ehrte sie, umschritt sie siebenmal und verbeugte sich vor ihnen ebenfalls siebenmal. Dann faltete er seine Hände, pries seine Eltern liebevoll viele Male und sprach endlich:
Oh Mutter und Vater, hört meine ernstgemeinten Worte. Richtet unverzüglich meine Heirat aus.

Die beiden antworteten ihm:
Du mußt erst die Welt umrunden mit all ihren Bergen und Wäldern. Dein Bruder ist schon längst losgelaufen. Geh du auch los und komm als erster wieder.

Da gab der kluge Ganesha zur Antwort:
Oh Mutter und Vater, ihr beide seid klug und die verkörperte Tugend. So hört meine Worte. Ich habe die Welt bereits siebenmal umrundet. Warum sprecht ihr so?

Freundlich erkundigten sich da seine Eltern:
Wann hast du die weite Welt mit ihren sieben Kontinenten, den tiefen Meeren und dichten Wäldern umrundet, mein Sohn?

Die Antwort war:
Als ich euch eben ehrte, liebe Eltern. Mit euch habe ich die ganze Welt umschritten mit all ihren Bergen und Ozeanen. Denn das steht doch in den Veden und allen heiligen Schriften, nicht wahr? Wer seine Eltern ehrt und sie umrundet, wird den Verdienst ernten, die ganze Welt umrundet zu haben. Und wer seine Eltern daheim allein läßt, während er auf eine Pilgerreise geht, der erntet die Sünde ihres Mordes. Der heiligste Ort eines jeden Kindes sind die Lotusfüße seiner Eltern. Zu allen anderen heiligen Orten gelangt man nur durch langes Reisen. Die Eltern jedoch sind nahebei, einfach zu erreichen und das beste Mittel, um Verdienst anzusammeln. Ja, für ein Kind und eine Ehefrau ist der heiligste Ort daheim. Das wird in den Schriften oft gesagt. Werdet ihr das jetzt für falsch erklären? Dann müßte sich auch eure Gestalt als falsch erweisen, und die Veden werden vergehen. Davon bin ich überzeugt. So bereitet nun meine glücksverheißende Vermählung vor, damit die Veden und Gesetze nicht verfälscht werden. Wer die Wahl hat, sollte stets dem rechten Weg folgen, meine tugendhaften Eltern.

Dann schwieg der kluge Ganesha. Shiva und Parvati, diese beiden Herrscher über das Universum, schienen erst überrascht, dann lobten sie ihren Sohn und sprachen zu ihm:
Lieber Sohn, du bist die höchste Seele, und deine Gedanken sind rein. Was du gesagt hast, ist wahrhaftig. Für kluge Wesen verschwindet jedes Unheil rasch, so wie die Dunkelheit bei aufgehender Sonne schwindet. Wer wahrhaft klug ist, ist auch mächtig. Wie könnte ein Unwissender über Macht verfügen? Sogar der stolze Löwe wurde durch einen Trick des klugen Hasen im Wasser ertränkt. Was die Veden und Schriften über einen Sohn schreiben, hast du klugerweise ausgeführt, nämlich die Beachtung der Tugend. Was du getan hast, sollte jedes Kind tun. Dafür ehren wir dich, und das wird sich nicht ändern.

Nach diesen Worten beschlossen Shiva und Parvati, die Hochzeit für Ganesha vorzubereiten.

(Hase und Löwe eine Geschichte aus dem Panchatantra:
Der Löwe regierte grausem im Dschungel und tötet viel mehr Tiere, als er tatsächlich aß, bis die Tiere ihm verzweifelt anboten, ihm jeden Tag ein Opfer zu senden, wenn er nicht mehr jagen würde. Als der Hase ausgelost wurde, fiel ihm ein Trick ein. Er erzählte dem gereizten Löwen, daß er unterwegs einen anderen, mächtigen Löwen getroffen hätte, der sich zum König des Waldes ernannt hätte. Rasend vor Zorn befahl der Löwe dem Hasen, ihn zu diesem Aufschneider zu führen. Der Hase ging zu einem tiefen Wasserloch, der Löwe erblickte sein brüllendes Spiegelbild im Wasser, sprang hinein und ertrank.)


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