Pushpak Shiva-Purana Buch 5Zurück WeiterNews

Kapitel 12 - Gespräch zwischen Shiva und Himavat

Brahma fuhr fort:
Hocherfreut nahm dann der König der Berge frische Blumen und Früchte und ging erneut zu Shiva, wobei er seine Tochter mitnahm. Er trat vor den meditierenden Herrn der Welten, verbeugte sich und übergab ihm im Geiste seine wunderschöne Tochter. Er legte die Blumen und Früchte vor Shiva ab, rief seine Tochter an seine Seite und sprach zu Shiva:
Oh Herr, meine Tochter sehnt sich danach, dir zu dienen, oh mondbekränzter Gott. Ich habe sie hergebracht, weil ich dich glücklich machen möchte. Möge sie dir behilflich sein mit Unterstützung zweier Mägde, oh Wohltäter. Und wenn du mich segnen möchtest, dann erlaube es ihr.

Brahma sprach:
Da schaute Shiva das Mädchen in der ersten Blüte ihrer Jugend an. Ihr Antlitz war so glänzend wie der blaue Lotus, das Gesicht so schön wie der strahlende Mond. Ihr Kleid und ihre Gestalt waren reizvoll und anmutig. Der Nacken wölbte sich wie eine Muschel, ihre Augen waren groß und die Ohren lieblich. Ihre schöngeformten Arme waren rundlich und so schön wie Lotusstengel, und ihre zarten Brüste ganz zauberhaft. Die Taille war schlank, und die lockigen Haare glänzten vorzüglich. Selbst ihre Füße waren niedlich. Das Mädchen raubte sogar meditierenden Heiligen die Geisteskontrolle nach nur einem Blick. Sie war die schönste Perle unter allen Mädchen der Welt.

Als Shiva dieses Juwel erblickte, die mit ihrer Schönheit Begehren, Liebe und Vergnügen versprach, da schloß der große Yogi unverzüglich die Augen und gedachte seines wahren Wesens, der Essenz, die jenseits der drei Qualitäten liegt und unvergänglich ist. Da saß er nun unbeweglich, mit geschlossenen Augen, der Herr von allem, der Enthaltsamkeit ganz und gar hingebeben, der Mond strahlte als sein Ornament, und nur durch innerste, spirituelle Erkenntnis kann man ihn wahrhaft schauen. Himavat grüßte ihn noch einmal, und ein wenig verwirrt sprach er zu Shiva:
Oh großer Herr aller Götter, Shiva, du Gnadenreicher, bitte Herr, öffne deine Augen und schau mich an, denn ich suche Zuflucht bei dir. Oh Freude des Universums, du zerstreust jegliches Mißgeschick, und nicht einmal die Veden oder heiligen Traditionen erkennen dich gänzlich. Deine Größe ist jenseits von Worten oder Gedanken, oh Herr der Götter, unaussprechlich und unbegreiflich. Mit Scheu und Vorsicht verneinen die Veden nur das, was du nicht bist. Wie sonst könnte man dich erklären? Es ist die Hingabe, welche die Demütigen zu dir bringt. Und nur wer in dir Zuflucht sucht kann die wahre Erkenntnis über dich erlangen. Bitte erhöre mein Flehen mit deinem großen Herzen. Ich bin dein, lieber Herr, und möchte in Demut zu dir sprechen. Großer Shiva, nur durch deine Gnade fühle ich mich glücklich. Betrachte mich als dir völlig ergeben, und sei gütig mit mir. Verehrung sei dir. Oh Herr, möge ich jeden Tag zu dir zu Besuch kommen und meine Tochter mitbringen. Oh Herr, deine Antwort sei mir Gebot.

Da unterbrach Shiva seine Meditation, öffnete die Augen, überlegte ein wenig und sprach:
Oh Berg, komm du täglich mich besuchen, doch laß deine Tochter bei dir zu Hause. Sonst wirst du mich nicht sehen können.

Daraufhin beugte Himavat sein Haupt und erkundigte sich:
Bitte Herr, sei so freundlich und erkläre mir, warum mich das Mädchen nicht begleiten darf. Ist sie unwürdig, dir zu dienen? Was ist der Grund?

Und lächelnd antwortete Shiva und deutete mit seinen Worten das weltliche Verhalten verblendeter Asketen an:
Dieses hübsche Mädchen mit schlanker Taille, runden Hüften und verführerischen Gesichtszügen sollte nicht in meine Nähe gebracht werden. Ich werde sie wieder und wieder zurückweisen. Eine Frau ist wie eine Illusion und ein Hindernis für einen Asketen, wie es auch die Gelehrten sagen, welche die Veden gemeistert haben. Oh Berg, ich bin ein Asket, ein Yogi und niemals in Illusion befangen. Was soll ich mit einer Frau, die mir aufgedrängt wird? Als Freund der Asketen solltest du so nicht sprechen, außerdem hast auch du die Veden gemeistert und bist sehr weise. Du weißt, daß beim Zusammensein mit Frauen das Weltliche groß wird, die Nichtanhaftung verschwindet und tugendhafte Enthaltsamkeit vernichtet wird. Darum, oh Berg, sollten sich Asketen nicht mit Frauen abgeben. Die Begierde nach dem anderen Geschlecht ist die Wurzel aller weltlichen Anhänglichkeiten, und sie tötet sowohl Weisheit als auch Gelassenheit.

Solche direkten Worte sprach Shiva zum Herrn der Berge und schwieg. Himavat war nun recht nervös geworden, doch auch er schwieg vor dem Gott, der frei von Schwäche und Begehren war. Doch nachdem Parvati die Worte Shivas gehört und die Aufregung bei ihrem Vater wahrgenommen hatte, verbeugte sie sich vor dem asketischen Gott und begann, klare Worte zu sprechen.


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