Pushpak Shiva-Purana Buch 4Zurück WeiterNews

Kapitel 2 - Auftritt des Liebesgottes

Narada sprach:
Oh Brahma, großer Herr, obwohl ich ununterbrochen den Geschichten über Shiva lausche, die du mit dem Lotusgesucht mir erzählst, bin ich dennoch niemals gesättigt. Erzähl mir doch die ganze Sache in voller Länge. Ich möchte hören, wie Sati verherrlicht wird. Wie wurde sie von Dakshas Gattin geboren? Wie kam es, daß Shiva einer Vermählung mir ihr zustimmte? Wie warf sie ihren Körper aus Zorn über ihren Vater Daksha ab? Wie gelangte sie in den Himmel und wurde als Tochter des Himalaya wiedergeboren? Welche außerordentliche Buße übte sie? Wie feierte man ihre Hochzeit? Und wie kam es, daß sie Shivas Körper zur Hälfte teilte? Oh bitte erkläre mir all dies mit allen Einzelheiten, oh du Kluger. Niemand anders als du kannst meine Neugier stillen und meine Zweifel lösen.

Brahma gab zur Antwort:
Nun Weiser, höre also über die glücksverheißende Herrlichkeit von Sati und Shiva in Gänze, denn das ist äußerst heilig, heilend und das größte Geheimnis von allen. Und wisse, oh Weiser, Shiva selbst erzählte es einst dem Vishnu, diesem Größten aller Verehrer, um anderen zu helfen, wenn sie ihn darum bitten. Und als ich Vishnu danach fragte, da erzählte er mir alles voller Liebe. Und ich erzähle nun dir diese uralte Geschichte, weil sie die Erfüllung aller Wünsche gewähren kann, denn sie verherrlicht Sati und Shiva.

Wenn Shiva als Ursprung von allem von Shakti (der Weiblichkeit) getrennt ist, dann ist er reines Bewußtsein, ohne Eigenschaften, ohne Gegensätze, ohne Form und jenseits von Existenz und Nichtexistenz. Als sich der unveränderliche Große der Großen mit Shakti vereinte, wurde er mit Eigenschaften erfüllt, nahm verschiedene Gestalten an und göttliche Züge. Ja, Brahmane, als er mit Uma vereint war, wurde Vishnu aus seiner linken Seite, ich aus seiner rechten Seite und Rudra aus seinem Herzen geboren. Ich wurde zum Schöpfer, Vishnu zum Erhalter und Rudra die Ursache von Auflösung. So manifestierte sie der ewig freundliche Shiva in drei Formen. Nur nachdem ich, der Große Vater aller Welten, Ihn verehrte, konnte ich die Götter, Dämonen, Menschen und alle Wesen erschaffen.

Doch als ich die Wächter, Stammväter und Götter geschaffen hatte, betrachtete ich mich als erhabener als andere und war euphorisch. Und nachdem Marichi, Atri, Pulaha, Pulastya, Angiras, Kratu, Vasishta, Narada, Daksha und Bhrigu als meine geistigen Söhne in herrschaftlicher Gestalt entstanden waren, da kam auch eine schöne Maid aus meinem Geist in die Welt mit den schönsten Zügen. Man gab ihr später verschiedene Namen: Sandhya, Divakshanta, Sayam Sanndhya oder auch Jayantika. Sie war so reizend mit ihren schwungvollen Augenbrauen, daß sie sogar das Herz eines Weisen bezaubern konnte. Weder in der Welt der Menschen noch bei den Göttern oder in der Unterwelt gab es eine schönere Frau der vollkommenen Harmonie aller Eigenschaften. Und auch in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft findest du keine Ebenbürtige. Als ich ihrer gewahr wurde, erhob ich mich unwillkürlich. Verschiedenste Gedanken bestürmten mich. Und Daksha mit den Stammvätern, meinen Söhnen, ja allen anderen erging es ebenso.

Als ich, Brahma, solchermaßen fühlte und dachte, erschien noch ein wunderschönes Wesen aus meiner geistigen Schöpfung. Er strahlte golden, hatte eine breite, behaarte und wohlgeformte Brust, eine feine Nase, und Schenkel, Arme und Waden waren rund und stark. Die Haare schwangen in dunkelblauen Locken, die geschwungenen Augenbrauen waren dicht, und sein Gesicht glänzte wie der Vollmond. Er war so hochgewachsen wie der himmlische Elefant Airavat. Sein blaues Gewand hob sich wunderbar von seinen rötlichen Fingern, Händen, Augen und Füßen ab. Seine Hüfte war schlank, die Zähne wie Perlen, und sein blumiger Duft hatte dieselbe Wirkung wie der Geruch eines brünstigen Elefanten. Die Augen waren wie vollerblühte Lotusknospen geformt, sein Nacken hatte die Form einer Muschel, und er trug das Zeichen des Fisches. Seine ganze Gestalt war schlank, und sein Reittier war ein Makara. Er trug einen Bogen und fünf Blumen anstelle von Pfeilen. Wenn er seine zärtlichen Blicke schweifen ließ, war das äußerst anziehend. Oh Narada, sein Atem war ein duftender Hauch, und er war durch und durch sinnliche Liebe.

Als meine Söhne, Daksha und die anderen dieses Wesen erblickten, staunten sie sehr und die Neugier übermannte sie. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, und sie wurden sofort verwirrt. Ein sinnliches Sehnen hatte sie völlig übermannt, und die Standhaftigkeit ihres Geistes war dahin.

Als das Wesen mich, den Schöpfer und Herrn der Welten, sah, verbeugte es sich demütig und tief und sprach:
Oh Brahma, was ist meine Aufgabe? Bitte weise mir eine ehrenwerte Pflicht zu, die zu mir paßt, oh Herr der drei Welten. Du bist der Schöpfer und somit der Herr. Bitte sage es mir, wo ist mein ehrenwerter Platz? Und wer wird meine Gattin sein?

Für eine Weile konnte ich Kama, diesem Gott der Liebe, mit der edlen Seele nicht antworten, denn auch ich war völlig überrascht. Doch dann beruhigte ich meinen Geist und legte mein Staunen ab. Bereits ein Opfer von Kama sprach ich zu ihm:
Mit dieser Gestalt und deinen fünf Blumenpfeilen kannst du Männer und Frauen der Liebe übergeben und so das ewige Werk der Schöpfung fortführen. Kein lebendes Wesen in den drei Welten, auch kein Gott wird dir je widerstehen können. Auch ich, Brahma, nebst Vishnu und Shiva werden unter deiner Kontrolle sein, ganz zu schweigen von gewöhnlichen Menschen. Unsichtbar trittst du in die Herzen der Lebewesen ein, erregst lustvolle und angenehme Gefühle und treibst die Schöpfung voran, dieses ewigwährende Werk. Der Geist eines jeden wird deinen fünf Blumenpfeilen ein leichtes Ziel sein, und du bist die Quelle ihrer sinnlichen Euphorie. Ja, dies ist die Aufgabe, die ich dir übergebe. Treibe die Schöpfung voran. Meine Söhne werden dir Namen und Titel verleihen.

Nach diesen Worten und einem bedeutungsvollen Blick auf meine Söhne nahm ich sogleich wieder meinen Lotussitz ein.


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