Pushpak Shiva-Purana Buch 2Zurück WeiterNews

Kapitel 17 - Die Verherrlichung der Silbe OM und des fünfsilbigen Mantras

Die Weisen baten:
Oh Herr, sprich zu uns über die Größe der Silbe OM (Pranava) und des Sadalinga, dem ewigen Linga, du wahrhaft Weiser. Und erkläre uns auch die Verehrung der Shiva Anhänger in der rechten Reihenfolge.

Suta antwortete:
Oh ihr Weisen, da habt ihr eine sehr gute Frage gestellt. Doch nur Shiva und niemand sonst kann sie gebührend beantworten. Und so werde ich euch zwar etwas dazu sagen, doch nur durch die Gnade Shivas ist das überhaupt möglich. Möge Er uns mehr und mehr beschützen.

Die Silbe OM steht für ein treffliches Boot, mit dem man den Ozean der weltliche Existenz überqueren kann (Pra = von Prakriti, der Natur, dem Weltlichen; Navam = ein gutes Boot). Sie kann auch bedeuten: „es gibt keine Welt für dich“ oder „was zur Erlösung führt“ oder „was zu neuem Wissen führt“. Nachdem sie alle (karmischen) Handlungen vernichtet hat, kann die Wiederholung des Mantra einem Menschen eine neue, frische Erkenntnis über die reine Seele verschaffen. Die Silbe OM hat einen zweifachen Charakter: subtil und offensichtlich. Das Subtile bildet eine einzige Silbe, die aus fünf Silben besteht, welche nicht klar getrennt werden können. Und das Offensichtliche, Grobe besteht aus fünf Silben, wo die einzelnen Silben fest geschrieben sind. Die befreite lebende Seele erkennt das Subtile. Nur bis zur Vernichtung des Körpers ist es nötig, über die Bedeutung des Mantra nachzudenken. Wenn der Körper stirbt, geht er unzweifelhaft in Shiva ein. Und wer das Mantra viele, viele Male aufsagt, erlangt sicher die yogische Vereinigung mit Shiva. Die subtile Silbe OM kann wiederum zweifach sein: kurz und lang.

Die lange Version lebt nur im Herzen der Yogis, trennbar in die Laute A, U, M und Punkt und Nada. Darin sind alle möglichen Klänge enthalten. Shiva, Shakti und ihre Einheit wird durch die Silbe M dargestellt, die in sich die drei Zustände Sattwa, Rajas und Tamas (Güte, Leidenschaft und Trägheit) birgt. Dies wird die kurze, subtile Version genannt. Wer sich die Vernichtung all seiner Sünden wünscht, sollte dieses kurze, subtile OM rezitieren.

Die fünf Elemente Raum, Wind, Feuer, Wasser und Erde sind eng mit ihren Eigenschaften von Klang, Fühlbarkeit, Sichtbarkeit, Geschmack und Geruch verbunden, und sie folgen dem Pfad des Handelns und des Anhaftens an weltliche Ziele. So sagen es die großen Weisen. Daher sollten Menschen, die in weltliches Handeln verstrickt sind, über das kleine OM meditieren, während diejenigen, die sich die Loslösung von der Welt wünschen, über das große OM nachsinnen sollten. Das OM steht am Anfang aller mystischen Klänge, Mantras, Veden und Gebete am Morgen und am Abend. Wer es neunzig Millionenmal aufsagt, wird rein. Wer mit jeweils neunzig Millionen weitermacht, gewinnt zuerst die Erde, dann die anderen Elemente und schließlich besiegt er auch den Egoismus. Nun, ihr Brahmanen, wer das OM täglich eintausendmal rezitiert, der erlangt Reinheit, Erkenntnis seiner Selbst, eine befreite Seele und kristallklaren Yoga. Ein großer Yogi, der das OM singt, beständig über Shiva in Gestalt des OM meditiert und in mystischer Trance lebt, der wird zweifellos zu Shiva selbst. Er bewahrt in seinem Geist die rituellen Gesten, ruft die großen Weisen und Götter herbei, spricht die heiligen Verse und ist sich der Harmonie aller Beteiligten bewußt.

Wer die Praxis der Gesten beim Mantra Singen beherrscht, wird zum wahren Sänger der heiligen Hymnen. Er gewinnt allen Verdienst wie den Segen der zehn Mütter und des sechsteiligen Pfades.

Das grobe und verkörperte OM (in Form von Mantras) sollten alle Menschen pflegen, unabhängig davon, ob sie sich dem weltlichen Handeln widmen oder zurückziehen.

Die Shiva Yogis kann man in drei Arten einteilen, nämlich ob sie den Riten, der Enthaltsamkeit oder dem Mantrasingen hingegeben sind. Man nennt denjenigen, der sich in heiligen Riten und dem Schenken von Geld übt, der all seine Glieder in der Verehrung nutzt und Worte wie „Ehrerbietung“ (Namah) murmelt, den Kriya Yogi (Yogi der Tat). Wer davon abhält, andere zu verletzen, seine Sinnesorgane zügelt, nur wenig Nahrung zu sich nimmt und Verehrung übt, den nennt man Tapa Yogi (Yogi der Buße). Und der Japa Yogi ist still, murmelt im Inneren unablässig Mantras (Japa), ist frei von jeglicher Begierde und unterhält auch alle Arten des Dienstes, die schon erwähnt wurden.

Ein reiner Mensch gelangt Schritt für Schritt zur Erlösung und beginnt dabei mit den sechzehn Arten des Dienstes an Shiva Yogis. Dies reinigt ihn, und er erreicht dieselbe Ebene wie die von ihm Verehrten.

Doch nun, ihr Brahmanen, werde ich euch Japa Yoga erklären, bitte hört mir zu. Das Rezitieren von Mantras sollte jeder machen, auch wenn er den enthaltsamen Weg geht, denn Mantras reinigen. Das schon erwähnte, verkörperte OM ist das fünfsilbige Mantra: Namah Shivaya. Das Wort Shiva wird dabei gebeugt, denn das verlangt das Wort Namah. Ehre dem Shiva. Diese fünf Silben (im Sanskrit) lassen auf die fünf Prinzipien schließen. Wenn man mit OM beginnt, und mit Namah Shivaya fortfährt, kann man alles erreichen.

Oh Brahmanen, ein hingebungsvoller Verehrer sollte den Instruktionen seines Lehrers folgen, sich gereinigt an einem passenden Ort niederlassen und mit dem Singen beginnen. Die Praxis sollte zu Chaturdashi in der hellen Hälfte beginnen und an Chaturdashi in der dunklen Hälfte enden (vom Tag vor Vollmond bis zum Tag vor Neumond). Die Monate Magha und Bhadrapada sind für alle Ziele die besten. Während der Zeit, in der man das Mantra singt, sollte man nur eine, bescheidene Mahlzeit am Tag einnehmen. Man sollte von sinnlosem Geschwätz absehen und alle Sinneseindrücke drosseln. Immerzu sollte man seinen Eltern dienen, dem König oder dem jeweiligen Meister. Wiederholt man das Mantra eintausendmal, ist man von alle Schulden befreit.

Das Mantra Namah Shivaya sollte fünfhunderttausendmal rezitiert werden. Dabei erinnere man sich an die verschiedenen Aspekte von Lord Shiva, der im Lotussitz verweilt. Er gewährt alle Glückseligkeit, und trägt die Mondsichel als Krone. Der Ganga gewährte er Zuflucht in seinen verfilzten Locken, und Shakti sitzt auf seinem linken Oberschenkel. Mit ihr und all seiner riesigen Geisterschar überstrahlt er alles. Auf seiner Stirn leuchtet der Mond. Er zeigt die Gesten des Segnens und der Furchtlosigkeit. Er ist die Quelle allen Segens. Er ist Sadashiva, der ewig Freundliche. Zuerst sollte er im Geiste verehrt werden, oder im Herzen oder der Brust wohnend. Wenn man Namah Shivaya singt, sollte man gen Osten sitzen. Man strebe nach reinen Taten und sitze an einem sauberen und schönen Ort. Man zügele die Sinne und Gedanken, und auf diese Weise wiederhole man das fünfsilbige Mantra zwölftausendmal. Um die Verehrung durchführen zu können, lade man fünf aufrichtige Shiva Anhänger mit ihren Gattinnen ein. Einer davon sollte ein vorzüglicher Lehrer sein, dem man die Tatpurusha Gestalt Shivas zuweist (östlich, Guru, Windelement). Der nächste repräsentiere dann Ishana (innerlich, Universum, Raum), der dritte den Aghora Aspekt Shivas (südlich, Rudra, Feuer), der vierte den Vamadeva (nördlich, Vishnu, Wasser) und der fünfte den Sadyojata Aspekt (westlich, Brahma, Erde). Wenn alle nötigen Dinge für die Verehrung bereit sind, führe man die Verehrung gut durch und anschließend gleich die Opferzeremonie. Alle Riten sollten den Regeln in den Schriften und den Möglichkeiten der Anhänger entsprechen. Die geklärte Butter stamme von der Milch einer dunklen Kuh. Der Opfernde biete entweder zehn, hundert oder tausend Opfergaben an oder bitte die geladenen Shiva Anhänger, das Opfer durchzuführen. In diesem Falle sollte die Anzahl der Opfergaben einhundert und acht betragen. Am Ende der Opferzeremonie beschenke man die geladenen Gäste mit Geld. Dem Lehrer biete man noch extra zwei Kühe an (oder eine Kuh und einen Bullen). Man ehre die fünf Anhänger auf rechte Weise und bade in dem Wasser, in welchem die Füße der Gäste gewaschen worden waren. Das gewährt denselben Verdienst wie ein Bad in sechsunddreißigtausend Millionen heiligen Gewässern. Dann reiche er sorgfältig gekochten Reis mit zehn Beilagen, und achte die Gattin des Lehrers wie die große Göttin. Auch die anderen Ehefrauen der Gäste behandle man mit großer Ehrerbietung. Ihnen biete man die geliebten Rudraksha-Perlen Shivas und Kleider an und bewirte sie mit Milchpudding, Hülsenfrüchten, Fladen und süßen Kuchen. Das ganze Japa, also Mantrasingen beende man dann mit den rechten Gebeten an den Herrn der Götter. Und die Wirkung der Mantras geht in den Gastgeber ein (Purascarana ist die Zeremonie: Japa + Opfer). Schafft er noch fünfhunderttausend Wiederholungen des Mantra, sind alle seine Sünden ausgelöscht.

Mit jedem Satz von 500 000 Mantragesängen wird der Hausvater mit den Reichtümern und dem Wohlstand der verschiedenen Lokas gesegnet, beginnend mit Atala und endend mit Satyaloka (auch Brahmaloka, Reich Brahmas).

(01 : Satya-loka
02 : Tapa-loka
03 : Jana-loka
04 : Mahar-loka
05 : Svar-loka
06 : Bhuvar-loka
07 : Bhu-loka ... bis hier die höheren Welten/Bereiche - vyahrtis
08 : Atala-loka ... ab hier die niederen Welten/Bereiche - patalas
09 : Vitala-loka
10 : Sutala-loka
11 : Talatala-loka
12 : Mahatala-loka
13 : Rasatala-loka
14 : Patala-loka)

Stirbt ein Hausvater, bevor er die Reihe vollenden kann, erfreut er sich einige Zeit in den himmlischen Welten, wird dann auf Erden wiedergeboren und sollte mit dem Singen der Mantras fortfahren. Dann führt ihn sein Verdienst in die Nähe Brahmas. Weitere fünfhunderttausend Mantras lassen ihn in das Brahman eingehen. Und wenn zehn Millionen Mantras gesungen wurden, wird er identisch mit dem Brahman. Hier verweilt er friedlich und wunschlos in den Taten Brahmas bis zur endgültigen Auflösung. Im nächsten Kalpa (Schöpfungstag) wird er als Sohn von Brahma wiedergeboren. Buße wird ihn erstrahlen lassen, so daß er letztendlich erlöst wird.

Die vierzehn Welten von Patala bis Satya bilden sich aus den fünf Elementen und werden Brahmas Welten genannt. Jenseits von Satya gibt es vierzehn Vishnu Welten, welche mit Kshama (u.a. Geduld) enden. Hier in Kshama sitzt der handelnde Vishnu in Gesellschaft mit der tatenreichen Lakshmi in seiner vorzüglichen Stadt Vaikuntha, und beide beschützen die großen, glückseligen Wesen dort. Jenseits davon gibt es noch achtundzwanzig weitere Welten, welche mit Suciloka (u.a. rein) enden. Rudra, der Vernichter aller lebenden Geschöpfe, lebt in der reinen Welt des Kailash. Jenseits davon gibt es noch fünfundsechzig Welten, welche mit Ahimsa (u.a. gewaltlos) enden. Der Herr der Taten, welcher alles weiß und beschützt, lebt in der Ahimsa Welt in der Stadt Jnanakailasha (jnana = höheres Wissen). An ihrem Ende ist das Rad der Zeit, und nach dem Horizont der Zeit folgt ein Raum, der Kalatita genannt wird. Dort vereint Kala, der Gott von Tod und Zeit, mit Unterstützung von Shiva und im Namen von Vishnu (Chakreshvara, der Herr des Diskus) einen jeden mit der Zeit. In dieser Handlung wohnt er Dharma inne in Gestalt eines Büffels, dessen vier Beine Unwahrheit, Unsauberkeit, Gewalt und Unbarmherzigkeit sind. Doch er kann jede Gestalt annehmen, die er wünscht. Als großer Büffel zeigt er Mißtrauen, kommt in übler Gesellschaft einher und äußert Laute, die in den Veden nicht vorkommen. Er ist fest mit der Wut im Bunde und ganz und gar schwarz. In dieser Gestalt wird er Maheshvara, großer Herr genannt. Und ebenso kann diese Gestalt schnell verschwinden. Darunter liegt Karmabhoga, die Freude, welche aus Taten kommt. Darüber liegt Jnanabhoga, Freude, welche aus Erkenntnis kommt. Darunter liegt Karmamaya und darüber Jnanamaya. „Ma“ heißt Lakshmi, also die Freude, die aus Taten und Wissen stammt. Und das Greifen danach und Anhaften, das ist Maya, die Illusion.

Jenseits davon liegt Nityabhoga, immerwährende Freude, darunter Nashvarabhoga, vergängliche Freude. Darunter liegt Vergänglichkeit und darüber Freiheit. Nur bis zu dieser Schranke wirken die Bande der Schlinge (von Zeit und Tod), darüber hinaus gibt es keine Bindungen. Wer ausschließlich aus Leidenschaft handelt, wird unterhalb dieser Schranke herumgetrieben. Doch die Freude, mit der Riten und Opfer ohne jegliche Begierde ausgeführt werden, die wird jenseits davon eingestuft. Wer hingebungsvoll den Leib verehrt, bleibt darunter. Wer das Shiva Linga verehrt und dabei von Leidenschaft unberührt ist, der kommt jenseits. Auch wer die Götter mit Absicht verehrt, der bleibt darunter. Nur wer Shiva allein hingegeben ist, kann jenseits davon gelangen. Unterhalb leben Scharen von Wesen, und es gibt eine große Festungsmauer. Wer an die weltliche Existenz gebunden ist, bleibt hier. Und wer sich davon befreien konnte, lebt jenseits der Mauer. Wer das Materielle verehrt, bleibt zuvor hängen. Wer die Entität des Purusha, des Höchsten Geistes, ehrt, gelangt jenseits. Shakti Linga ist unterhalb, Shiva Linga jenseits. Das manifeste Linga ist unterhalb, das unmanifeste jenseits. Das erdachte Linga ist unterhalb, das ungedachte jenseits. Das externe Linga ist unterhalb, das interne jenseits. Die einhundertundzwölf Welten der Shakti sind unterhalb. Die Form von Bindu ist unterhalb, die Erscheinung von Nada jenseits. Das Reich von Karma (persönliches Handeln) ist unterhalb, das von Jnana (befreiende Erkenntnis) jenseits. Folgsamkeit, welche unterhalb dieser Schranke liegt, kann Hochmut und Egoismus hervorrufen. Das Wort „Jan“ heißt Vergänglichkeit, das Wort „Na“ verneint etwas. Also ist „Jnana“ das, was Vergänglichkeit abwehrt. Wer die Elemente verehrt, der bleibt unterhalb hängen. Wer Spirituelles verehrt, gelangt jenseits davon. Wer also das Heilige verehrt lebt jenseits dieser Schranken im hohen Reich des Atmalinga, erreicht das Ziel der Veden und durchschaut die acht Arten der natürlichen Bindung, den Egoismus und die weltlichen Prinzipen.

Wer Tugend und Wahrhaftigkeit sowie der Verehrung von Shiva hingegeben ist, der überwindet das Rad der Zeit, welches auf Adharma (der Illusion und Sünde) gründet, dem dämonischen Büffel des Bösen. Über ihm und am Anfang vom Reich Shivas steht der Büffel der Tugend in Gestalt der Enthaltsamkeit. Diesen Dharma-Büffel tragen die Beine der Wahrhaftigkeit, seine Hörner sind Vergebung, die Zügelung sind seine Ohren, das Vertrauen sind seine Augen, und Weisheit wohnt in seinem Geist und Verstand. Dabei umhüllt er sich mit den Klängen der vedischen Gesänge. Die Büffel der heiligen Riten sind im Höchsten gegründet, und Maheshvara thront über ihnen. Das muß man verstehen. Die Lebensspanne von Brahma, Vishnu und Maheshvara ist wie ein Tag (Mahakalpa), und jenseits davon gibt es weder Tag noch Nacht, keine Geburt und keinen Tod.

Die Welten Brahmas sind viele an der Zahl und enden mit Karanasatya (karana = Ursache, satya = Reinheit, Wahrhaftigkeit). Sie bildeten sich aus den subtilen Elementen, wobei die groben Elemente ihnen ihre wirkliche Form geben. Die von Vishnu verursachten Welten sind vierzehn an der Zahl, die von Rudra achtundzwanzig, und die jenseitigen Welten von Ishana fünfundsechzig. Die Welten des Brahmacharya, also der Zügelung und Enthaltsamkeit, werden von Shiva hoch gelobt und sind jenseits der verursachten Welten.

Die bereits erwähnte Stadt Jnanakailasha hat fünf Hüllen. In ihr befindet sich das urerste Shiva Linga gemeinsam mit der Urenergie Shivas. Sie hat fünf Bereiche und fünf Brahmakalas (kala = Zeit, Epoche). Hier ist die Heimstatt Shivas, Shivalaya, das Höchste Selbst. Hier allein ist Parameshvara, der Höchste Geist, mit seiner Parashakti. Er übt die fünf Arten der Schöpfung aus, bewirkt Vergänglichkeit und Segen. Sein Körper ist Existenz, Weisheit und Glückseligkeit. Er ist immer in Meditation und spendet fortwährend Segen. Er erscheint wie in Trance und ruht strahlend in sich selbst.

Eine Sicht auf ihn ist allmählich möglich durch heilige Riten und Meditation. Wer die ehrenden, täglichen Riten nicht versäumt, richtet seinen Geist auf die Heiligkeit Shivas aus. Und übt er Hingabe und Demut, mag er eines Tages Shiva schauen und befreit sein. Befreiung bedeutet dabei, die Natur des Höchsten Selbst zu erkennen. Dies ist ein gleichmütiges Ruhen in der eigenen Seele. Doch die Basis hierfür sind heilige Riten, Enthaltsamkeit, Rezitieren von Mantras, Erkenntnis, Meditation und Tugend. Die Sicht auf Shiva erleichtert enorm. Denn Shiva, der Mitfühlende, verscheucht die Unwissenheit wie die Sonne sowohl Dunkelheit als auch Unreinheit mit ihren Strahlen vertreibt. Und wenn die Unwissenheit aufgegeben ist, dann beginnt das Wissen um Shiva zu wirken. Dann hören die Kämpfe auf, und große Entspannung und Zufriedenheit stellen sich ein.

Noch einmal, zehn Millionen Mantras bringen einem die Region Brahmas. Weitere zehn Millionen ermöglichen die Region Vishnus. Noch zehn Millionen führen einen zu Rudra und die nächsten zehn Millionen zu Ishvara. Doch wer nur ein einziges Mantra mit voller Konzentration aufsagt, kommt schon zum Rad der Zeit, Kalachakra, dem ersten der Bereiche von Shiva. Das Kalachakra besteht aus fünf Rädern, eines über dem anderen. Einsicht und Verwirrung (drsti, moha), bilden das Brahmachakra; Freude und Täuschung (bhoga, moha) das Vishnuchakra; Zorn und Illusion (kopa, moha) das Rudrachakra, Umdrehung (brahmana) ist das Ishvarachakra, und Wissen und Wahn (jnana, moha) sind das Shivachakra. So werden den Schülern die fünf Chakras erklärt.

Mit zehn Millionen Mantras erlangt man die Region Karana Brahma, und mit weiteren zehn Millionen die dortige Glückseligkeit. So gelangt man nach und nach in die Reiche Vishnus und der anderen Götter, erfreut sich an deren Frieden und Seligkeit, und nach weiteren vielen, vielen Millionen Wiederholungen der Mantras kommt man in Shivas Reich außerhalb der fünften Hülle. Dort gibt es eine silberne Ebene und ein malerisches Flußbett, über welches der Stier der Enthaltsamkeit und Buße wacht. Hier in der fünften Hülle ist das vorzügliche Heim von Sadyojata, einem Aspekt Shivas. Hier lebt die Tugend der Meditation. Die vierte Heimstätte gehört zu Vamadeva, die dritte zu Aghora, die zweite zu Tatpurusha und die erste zu Ishana.

(Siehe auch: Brahmagiri, der Berg (giri) von Brahma, ein Berg in den westlichen Ghats mit mehreren Gipfeln. Der zufriedene Shiva sprach einst zu Brahma: „Ich werde durch deinen Namen erkannt werden.“ Die fünf Gipfel des Berges werden Sadyojata, Vamdeva, Aghora, Ishana and Tatpurusha genannt. Sie gelten als die fünf Münder Shivas und werden verehrt. (Quelle: en.wikipedia.org))

Die Stätte von Balinatha gibt den Nektar der Unsterblichkeit, das Amrit. Danach kommt die vierte Vorhalle mit dem Bild von Candrashekhara. Die dritte Vorhalle gehört Somaskanda, die zweite Nrtya, wie die Gläubigen sagen, und die erste, sehr glücksverheißende gehört zu Mulamaya, der urersten Illusion. Danach kommt das Heiligste der Heiligtümer mit dem Shiva Linga.

Niemand kann die blühende Energie Shivas erfassen, wenn er auf dem Rücken seines Stieres Nandi sitzt. Nandishvara, sein Diener, bleibt treu in der Nähe und singt „Namah Shivaya“. Dieses Wissen kam zu uns über die Lehrer. Ich habe es von Nadisha erhalten. Doch darüber hinaus muß es erhalten werden, auch wenn nur Shiva selbst es vollkommen erfaßt. Die volle Größe und Herrlichkeit von Shivas Reich kann nur durch seine Gnade gesehen werden und sonst gar nicht. Darum müssen die Brahmanen mit gezügelten Sinnen allmählich dahin geführt werden. Ich werde euch den Prozeß an einem anderen Beispiel erläutern. Hört mir aufmerksam zu.

Brahmanenfrauen sollten sich zuerst Instruktionen von ihrem Lehrer holen und dann das Mantra mit „Namah“ am Ende singen. Nach fünfhunderttausend Wiederholungen von „Shivaya Namah“ sichern sie sich ein langes Leben. So ist die Tradition. Nach weiteren fünfhunderttausend Mantras kann die weibliche Natur so weit überwunden werden, daß nach und nach die Befreiung angestrebt werden kann. Ein Kshatriya muß das Mantra fünfhunderttausendmal singen, damit sein Kriegertum überwunden wird. Nach weiteren fünfhunderttausend Mantras kann er zum Brahmanen werden. Geht er den Weg weiter, wird er sich allmählich der Befreiung nähern. Ein Vaisya überwindet seine Natur ebenfalls auf diese Weise bis er zum Kshatriya und dann Brahmanen wird. Ein Shudra benötigt zwei Millionen fünfhunderttausend Mantras, bis er zum Brahmanen und damit rein genug für die Erlösung wird. Wer auch immer hier lebt, ob er krank ist, Mann oder Frau, Brahmane oder nicht, immer sollte er „Namah Shivaya“ oder auch „Shivaya Namah“ singen, je nachdem, wie es ihm der Lehrer anweist. Ein Schüler sollte nach Beendigung jeder fünfhunderttausend Mantras das Mahabisheka und Naivedya (Anrufung und Opfer) ausführen, und dabei Shiva Anhänger ehren, denn dies stellt Shiva zufrieden und entzückt ihn sehr. Es gibt keinen Unterschied zwischen einem wahrhaften Shiva Verehrer und Shiva. Er ist Shiva selbst. Das Mantra zeigt auf die Natur Shivas hin. Wer das Mantra in seinem Körper eine Stätte gibt, der wird mit Shiva gleichgesetzt.

Die Anhänger Shivas kennen alle Riten und damit auch die vedischen. Je öfter ein Lernender das Mantra Shivas wiederholt, desto größer ist die Anwesenheit Shivas in ihm. Und für die Frauen sollte das Symbol der Göttin das Ziel ihrer Konzentration sein. Die Anwesenheit der Göttin wird solange gespürt, so lange man das Mantra wiederholt. Wer auf solche kluge Art Shiva und seine Shakti ehrt, wird in Namen und Gestalt würdig. Und selbst wenn ein Anhänger schon mit Shiva vereint ist, sollte er weiterhin Shakti ehren, sowie das Bild und das Linga Shivas, nachdem er makellose Abbilder geschaffen hat. Er sollte das Linga als Shiva betrachten, sich selbst als die Göttin - oder das Shakti Linga als die Göttin und sich selbst als Shiva - oder das Shiva Linga in Form von Nada und Shakti in Form von Bindu... Er gebe dem ersten den Charakter des zweiten oder stelle sich beide als vereint vor. Welche Form der Verehrung er auch wählt, auf jeden Fall sollte er immer Shiva und seine Shakti ehren. Durch diese grundlegende Vorstellung wird er zu Shiva.

Auch sollte er die Anhänger Shivas ehren mit den sechzehn Arten des ehrenden Dienstes, wenn sie wahrhafte Verwirklichungen des Shiva Mantras und damit seiner selbst sind. Damit erfüllen sich seine Wünsche. Über wen Shiva sich freut, dem gewährt er alles Gute. Ohne Trug im Sinn was Geld, Körper, Mantra oder Anschauung anbelangt, sollte er mit seiner Gattin fünf, zehn oder hundert Paare von Shiva Anhängern bewirten und bedienen. Dann wird er die Gestalt von Shiva und Shakti annehmen und nicht wiedergeboren.

Gerade unter dem Nabel ist die Region Brahmas, bis zur Achsel die von Vishnu, und das Gesicht entspricht dem Linga bei einem Shiva Anhänger. Wenn jemand stirbt, sollte der Hausvater den Urvater Shiva, die Urmutter Shiva und die Anhänger von Shiva ehren. Dann geht der Verstorbene in das Reich der Ahnen ein und gelangt allmählich zur Befreiung, egal ob er nun nach der Tradition verbrannt wird oder nicht.

Eine Person mit Askese steht weit höher als zehn Personen mit Riten. Eine Person mit Mantras ist zehnmal besser als hundert Personen mit Askese. Und eine Person mit der Erkenntnis von Shiva steht weit über tausend Personen mit Mantras. Eine Person mit Meditation thront über hunderttausend Personen mit dem Wissen um Shiva. Eine Person mit der Kraft der Trance steht über vielen, vielen Millionen meditierenden Personen. Und weil dieser über allen steht, sollte er als erster verehrt werden. Selbst achtsame Menschen können nicht ganz und gar verstehen, was der Nutzen von Segen ist. Und ein gewöhnlicher Mensch kann die Größe eines Shiva Anhängers nicht begreifen. Doch denkt daran, daß die Verehrung von Shiva Anhängern mit der Verehrung von Shiva und Shakti ebenbürtig ist. Wer an dieser frommen Verehrung festhält, wird zu Shiva und gelangt zu Shiva.

Und wer dieses bedeutende Kapitel liest, welches mit den vedischen Traditionen übereinstimmt, der wird zu einem Brahmanen mit dem Wissen um Shiva und wird sich schon bald an der Gesellschaft Shivas erfreuen. Oh ihr Schüler des Herrn der Weisen, wer dieses vorzügliche Wissen empfangen hat, sollte es jedem Shiva Anhänger weitererzählen. Und durch die Gnade Shivas wird er gesegnet sein.


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