Pushpak Shiva-Purana Buch 2Zurück WeiterNews

Kapitel 18 - Die Natur von Bindung und Befreiung und Lobpreis des Linga

Die Weisen baten:
Oh Bester unter den Wissenden, bitte erzähl uns von der Natur von Bindung und Befreiung.

Suta sprach:
Ich werde euch Bindung und Befreiung erklären und die Mittel zur Befreiung. Bitte hört aufmerksam zu.

Eine lebende Seele (Jiva) wird als gebunden bezeichnet, wenn sie sich in der Schlinge der acht ursprünglichen Essenzen verliert, wie z.B. der Natur. Ist sie der Schlinge entkommen, wird sie befreit genannt. Ja, die vollkommene Kontrolle und Zügelung der Natur und all ihrer möglichen Verästelungen ist Befreiung. Die acht, welche binden sind: Praktiri (Natur), Buddhi (kosmischer Intellekt), Ahamkara (kosmisches Ego) und die fünf Tanmatras (kosmischen Prinzipien, subtile Elemente wie Raum etc.). Der Körper entwickelt sich aus diesen acht. Er handelt, schafft neue Körper, und so geht es mit Geburt und (karmischen) Handlungen fort und fort.

Der Körper kann auf dreifache Weise gesehen werden: grob, subtil und ursächlich. Der grobe Körper ist für die Handlungen verantwortlich, und der subtile erfährt die Sinnenfreuden. Der ursächliche Körper macht gute und schlechte Erfahrungen als Resultate seiner Handlungen durch. So erfährt die persönliche Seele Glück als Ergebnis von Tugend und Elend als Ergebnis von Sünde. Mit ihren drei Körpern ist die Seele mit dem Seil der Handlungen gebunden und dreht sich wieder und wieder um wie ein Rad. Damit das Rad aufhört, sich zu drehen, muß der Schöpfer des Rades verehrt werden. Die Natur ist das große Rad, und Shiva, der Schöpfer des Rades, ist jenseits der Natur. So wie ein Junge einen Schluck Wasser trinkt oder ausspuckt, wie es ihm beliebt, so bewahrt Shiva die Natur und alles andere, wie es ihm beliebt. Weil dieser große Herr alles unter seiner Kontrolle hat, wird er Shiva genannt (Vashikrta = unter Kontrolle gebracht). Shiva allein ist allwissend, vollkommen und frei von Begehren. Diese Macht Shivas können allein die Veden ahnen, denn sie ist allumfassend, gesättigt, ohne Anfang, unabhängig, niemals unwahr und von ursprünglicher Kraft. Nur durch Shivas Gnade sind alle ihm untertan. So sollte jeder Shiva ehren, denn nur so kann er dessen Gunst erkennen.

Und wenn jemand fragen sollte: „Wie kann es selbstlose Verehrung eines vollkommenen Wesens denn geben?“, dann ist die Antwort: „Jede Handlung, die Shiva gewidmet ist, bereitet ihm Freude.“ Immer an Shiva denkend verehrt der kluge Mensch entweder das Shiva Linga, sein Bild oder seine Anhänger in Gedanken, Worten und Taten. Das entzückt den großen Shiva, und er segnet den Verehrenden. Nach und nach kommt nun auch das Karma unter Kontrolle durch Shivas Gnade. Wenn dann alles, vom Karma bis zur Natur, unter Kontrolle ist, dann wird die Seele befreit genannt und strahlt als eine Person, die das Selbst realisiert hat.

Bekommt man den Körper, der das Resultat von Handlungen ist, durch die Gunst Shivas unter Kontrolle, wird man zum Bewohner von Shivas prachtvollem Reich. Das nennt man die Salokya Art der Befreiung. Kommen die subtilen Elemente unter Kontrolle, gewinnt man die Nähe Shivas. Ebenbürtigkeit mit Shiva wird durch Taten und Waffen erlangt, und das nennt man Sarupya. Erlangt man große Gunst, kommt der kosmische Intellekt unter Kontrolle, welcher nur ein Effekt der Natur ist. Die Kontrolle des kosmischen Intellekts wird Sarshti genannt - eine Form der Befreiung, in der man denselben Status und dieselbe Macht wie Shiva hat. Und wenn Shivas Gunst noch weiter reicht, dann kommt auch die Natur unter Kontrolle. Nun erlangt man die mentale Kraft Shivas ganz ohne Schwierigkeiten, ebenso seine Allwissenheit und Glückseligkeit. Die Seele wird strahlend, und gelehrte Menschen nennen dies Sayujya, die vollkommene Identität. In dieser Reihenfolge vollzieht sich die Erlösung, wenn man das Shiva Linga aufrichtig verehrt.

Darum verehrt Shiva mit heiligen Riten, Buße, Enthaltsamkeit und Mantras, damit Shivas Gnade ihre Früchte trägt. Dann wachsen die Meditation und das Wissen über Shiva. Immerzu kann man dann über Ihn meditieren und die Zeit bis zum Schlafen oder Sterben in Shiva versunken verbringen. Singt die Mantras, die mit Seinem Namen beginnen und bringt ihm Blumen dar. Das gereicht zu Wohlstand.

Die Weisen baten:
Oh du Vorzüglicher der heiligen Riten, bitte erkläre uns die Regeln für die Verehrung von Shivas Linga oder seiner anderen Gestalten.

Und Suta stimmte zu:
Ja, ihr Brahmanen, ich erzähle euch das Prozedere der Verehrung des Linga. Bitte, hört mir aufmerksam zu.

Das erste Linga überhaupt ist das Mantra „OM“, welches alle Sehnsüchte erfüllt. Es wird auch das Subtile (Sukshma) genannt und gilt als formlos. Das grobe, verkörperte Mantra „Namah Shivaya“ besteht aus fünf Silben. Die Verehrung der beiden ist reine Buße. Beide können Erlösung gewähren. Doch es gibt viele Lingas vom Höchsten Wesen. Nur Shiva allein kann sie im einzelnen erklären. Mir sind nur die bekannt, die aus dem Irdischen entstehen können, und die kann ich euch erklären.

Von diesen gibt es fünf Arten: Svayambhu, Bindu, Pratisthita, Cara und Guru Linga (siehe auch Kapitel 16 gegen Ende).

Wenn Shiva in Gestalt des Nada mit der Enthaltsamkeit von Göttern und Weisen zufrieden ist, dann wird er zum Samenkorn im Boden, durchbricht kraftvoll die Oberfläche und - wie ein sprossender Keim - manifestiert er sich im Äußeren und macht sich bemerkbar. Da dieses Symbol sich von selbst erhebt, wird es Svayambhu genannt (selbstexistent).

Durch Verehrung vermehrt sich die Erkenntnis im Anhänger wie von selbst. Auf einer goldenen oder silbernen Platte, auf dem Boden oder dem Altar malt er das Bild des Linga, und mit der reinen Silbe OM ruft er Ihn herbei und nimmt die rechten Rituale zur Hilfe (Pratistha und Avahana).

Die Linga Formen von Bindu und Nada, also die festen und beweglichen, sind wohl begrifflich, gehören aber zweifellos auch zu Shiva. Wo immer man aufrecht davon überzeugt ist, daß Shiva anwesend ist, da gewährt der Herr dem Wahrhaften Segen. Der Anhänger mag Shiva in einem Baum oder Felsen anrufen oder in einem künstlerisch gezeichneten Bilde und die sechzehn Arten des Dienstes ausführen - doch immer wird er die hohe Macht des höchsten Herrn erfahren und durch seine Praxis Erkenntnis erlangen.

Wird das Bildnis mit reinem Geist auf einem Altar von Göttern oder himmlischen Weisen aufgestellt, dann dient es der Erkenntnis der Seele und wird Paurusha genannt (dem Höchsten Geist, Purusha, zugehörig). Es gehört somit in die Kategorie der geschaffenen Lingas. Wer es aufrecht verehrt, wird alle menschlichen Reichtümer erwerben (Paurusha Aishvaryas).

Ein großer Brahmane oder reicher König sollte ein Linga aufstellen lassen, welches von Künstlern geschaffen wurde. Solch ein Linga wird dann Pratisthita und Prakrita genannt. Es gewährt dem Verehrenden die Freuden der Natur (Prakrita Aishvaryas). Ist das Linga starr und andauernd, wird es Paurusha genannt, und wenn es weich und vorübergehend ist, dann Prakrita.

Zum Paurusha Linga zählen Berge, Bäume, Sali Reis und Weizen. Zum Prakrita Linga gehören die Erdoberfläche, Büsche und Sastika Reis. Das Paurusha kann zu übermenschlichen Kräften wir den acht Siddhis führen. Während das Prakrita gute Ehefrauen und Reichtümer gewährt, wie sie der Anhänger wünscht.

Doch nun werde ich euch von den Cara Lingas, den beweglichen Lingas erzählen, von denen das Rasa Linga an erster Stelle steht (Rasa oder auch Parad = Quecksilber). Das Rasa Linga gewährt einem Brahmanen alle Wünsche, während das glücksverheißende Bana Linga einem Kshatriya große Königreiche verschafft (natürlich vorkommender Bana Stein aus dem Narmada Fluß). Ein goldenes Linga segnet einen Vaisya mit großen Reichtümern und das steinerne Sila Linga einen Shudra mit hervorragender Reinheit. Ein kristallenes zusammen mit einen Bana Linga gewähren allen Menschen ihre Wünsche. Falls man kein eigenes Linga besitzt, ist es völlig richtig, das Linga eines anderen für die Verehrung zu nutzen. Ein Linga aus Erde sollte vor allem von Ehefrauen benutzt werden, deren Gatten am Leben ist. Für Witwen, die sich sowohl in weltlichen als auch heiligen Riten nützlich machen, ist ein kristallklares Linga gut. Und wenn sich die Witwen, gleich welchen Alters, den Riten ganz und gar verschrieben haben, dann sollten sie ein Rasa Linga benutzen. Wenn Frauen ein reines Kristall-Linga verehren, dann werden sie mit allen weltlichen Freuden gesegnet. Und auch wer den Sockel verehrt, bekommt alle Wünsche in dieser Welt erfüllt.

Für die Rituale sollte ein Kessel benutzt werden, und nach dem rituellen Bad sollte das Nahrungsopfer aus gekochtem Sali Reis oder eben dem Essen bestehen, welches in der Gemeinschaft üblich ist. Nach dem Ritual sollte man das Linga in einer Schatulle an einem gehüteten Ort im Hause aufbewahren. Wer den Ritualen nicht so zugeneigt ist, sollte das subtile Linga verehren. Wo Blumen geopfert werden gibt es heilige Asche und Essen. Und nach der Verehrung sollte dieser Mensch das Linga für immer in seinem Gedächtnis bewahren.

Die Asche kann von dreierlei Art sein: von einem gewöhnlichen Feuer, einem vedischen oder dem Shiva Feuer. Die Asche von einem normalen Feuer kann zum Reinigen von Artikeln aus Holz oder Metall oder sogar für Sesamsamen, Kleider oder abgestandenes Essen genommen werden. Auch Opfergaben, die von z.B. Hunden verunreinigt wurden, können mit Asche und gegebenenfalls auch Wasser gereinigt werden. Die Asche aus vedischen Feuern sollte am Ende der Verehrung auf die Stirn gestrichen werden. Da die Asche mit Mantras gereinigt wurde, nimmt der Ritus die Gestalt der Asche an. Und so ist das aufrechte Tragen der Asche dem Verinnerlichen des Ritus in der eigenen Seele ebenbürtig.

Werden die Zweige von einem Bilva Baum (Bengalische Quitte) verbrannt, während man das Aghora Mantra murmelt, dann wird das Feuer Shiva Agni genannt. Die daraus entstehende Asche heißt Shiva Gnija. Hier sollte man zuerst den Dung einer Kuh verbrennen, möglichst von einer Kapila Kuh, und dann die Zweige von den Bäumen Sami (eine Mimose), Asvattha (Feige), Palasha (Malabar Lackbaum), Vata (Feige), Aragvadha (Röhren Kassie) oder Bilva. Mann kann die Zweige auch in einem Dharba Gras Feuer verbrennen und dabei das Shiva Mantra rezitieren. Nach dem Durchsieben der Asche soll sie in einem neuen Topf aufbewahrt werden. Wer diese Asche benutzt, vermehrt seinen Glanz, wie es Shiva einst tat. Und schon das Wort für Asche, Bhashma, heißt ja: was geehrt wird.

Bedenkt folgendes, ein König nimmt die Essenz der Reichtümer seines Landes in Form von Steuern. Die Menschen verbrennen die Pflanzen und nutzen so deren Essenz. Das Gastfeuer verbrennt alle Arten von Nahrung und nährt auf diese Weise den Körper. Und genauso verbrennt Lord Shiva, der Schöpfer und Herrscher von allem, scheinbar dieses Universum und nimmt die Essenz daraus. Dann zeichnet er mit der Asche, also mit der Essenz seinen Körper. Die Essenz Akasha (Raumelement) bildet sein Haar, die Essenz des Windes sein Gesicht, die Essenz des Feuers sein Herz, die Prinzipien des Wassers seine Hüften und die der Erde seine Knie. Die drei parallelen Asche-Linien auf der Stirn (Tripundraka) sind die Essenz der Dreiheit Brahma, Vishnu und Rudra. Und ebenso bewahrt Maheshvara die Essenz von allem als Punkt auf der Stirn (Tilaka). Das Wort Bhashma bedeutet auch: was die Essenz des gesamten Universums kontrolliert. Und das Wort Shiva deutet auf den hin, der alles kontrolliert und den niemand kontrollieren kann, gerade so wie das Wort Simha ein Tier anzeigt, welches andere angreift aber von keinem anderen Tier angegriffen wird. Doch es gibt noch eine andere Interpretation des Wortes Shiva. „S“ bedeutet ewige Glückseligkeit, „i“ steht für die ursprüngliche männliche Energie und „va“ für die ursprüngliche weibliche Energie (Purusha und Shakti). Der harmonische Zusammenklang all dieser Buchstaben und Silben ist Shiva. So sollte auch der Anhänger danach streben, seine Seele zu einem harmonischen Ganzen zu machen und Shiva zu ehren.

Bevor man die Zeremonie der Verehrung beginnt, sollte man die trockene Asche erst auf den Körper und dann als Tripundraka auftragen. Das dient der Selbstreinigung. Während der Verehrung mischt man Wasser dazu. Man sollte immer, egal ob Tag oder Nacht, Mann oder Frau, die Asche mit Wasser mischen und während der Verehrung das Tripundraka tragen. Das bringt dem Träger großen Verdienst. Wer das Shiva Mantra beim Auftragen des Tripundraka rezitiert, gehört zu den besten und wird zum Shivasrami, einem einzig Shiva Hingegebenen. Wer Shiva und seinen heiligen Riten ergeben ist, der zieht keine Unreinheit durch Geburt und Tod an. Ein typisches Zeichen eines Shiva Anhängers ist auch der weiße, runde Fleck auf der Stirn, den ihm der Lehrer oder er sich selbst gegeben hat. Das Wort Guru, Lehrer, bezeichnet eine Person, welche Unheilsames abwehrt. (Nagar: „Gu“ steht für Gunas oder Verdienste, „ru“ steht für pflanzen. Wer also die Tugenden in einen Anhänger pflanzt, der wird Guru genannt.) Ein Lehrer beseitigt alle üblen Effekte, welche aus der Eigenschaft des Raja kommen. Damit ist er selbst der höchste Shiva und jenseits der drei Gunas. In Gestalt eines Lehrers beseitigt er die üblen Wirkungen der drei Gunas und hilft dem vertrauensvollen Schüler, Shiva zu erkennen. Der kluge Schüler sollte wissen, daß der Körper des Guru als Gurulinga bezeichnet wird. Die Verehrung des Gurulinga bringt denselben Verdienst, als wenn man dem Guru dient.

Das Wort „Dienen“ heißt, daß man dem Großen mit Körper, Geist und Rede gehorsam folgt. Ein Schüler mit reiner Seele sollte immer die Befehle seines Gurus befolgen und dessen Besitz verteidigen, auch wenn er dabei sein Leben riskiert oder die Aufgabe nicht in seiner Macht zu liegen scheint. Und das Wort „Schüler“ (Shishya) bedeutet dabei, einer, der es Wert ist, Befehle zu empfangen. Der Schüler sollte allen Besitz, auch seinen Körper, dem Lehrer widmen. Die Nahrung gebührt immer zuerst dem Lehrer, und nur mit seiner Erlaubnis speist auch der Schüler. Ein Schüler, der wahrhaft und aufrichtig dient, ist dem Lehrer wie ein Sohn. Wie ein Vater seinen Samen in den Leib der Gattin versenkt, so läßt der Lehrer seine lebensspendenden Worte in die Ohren des Schülers tröpfeln. Und auch der Sohn soll den Lehrer wie einen Vater ehren. Der körperliche Vater spendet seinen Samen und wirft seinen Sohn in den Ozean der weltlichen Existenz. Doch der geistige Vater spendet Wissen und hilft dem Sohn, diesen Ozean zu überqueren. Ein Schüler sollte sich dessen bewußt sein und den Lehrer aufrichtig ehren.

Es gibt viele Arten, den Lehrer zu ehren. Man kann ihm Geld geben oder tatkräftig dienen. Doch wenn dabei noch zusätzlich Geld verdient wird, gehört dies dem Schüler. Da jedes Glied des Lehrers vom Haupt bis zur Zehe dem Linga ebenbürtig ist, ist es verdienstvoll, ihm die Füße zu massieren, sie mit Sandalen zu zieren, ihn zu baden, mit Essen zu versorgen und ihm alle nützlichen und angenehmen Riten angedeihen zu lassen. Ja, die Verehrung des Lehrers ist die Verehrung Shivas, der Höchsten Seele. Was übrig bleibt, nachdem der Lehrer gegessen hat, ist für den Schüler. Solche Speise reinigt ihn, ebenso, wenn Shiva Wasser und Nahrung angeboten und von ihm übrig gelassen wird. Nimmt man irgendetwas ohne die Erlaubnis des Lehrers, ist das Diebstahl.

Den Lehrer sollte man akzeptieren wie eine Person, die viel spezielles Wissen hat. Denn das Ziel ist die Befreiung von Verblendung, und dazu braucht es einen Spezialisten. Um eine Aufgabe auszuführen oder einen Ritus zu vollenden, müssen immer Hindernisse bereinigt werden. Ein Ritus ohne Störungen kann fruchtbar sein, und auch die zusätzlichen Riten helfen. Darum sollte ein kluger Mensch vor jedem Ritus Ganesha, den Vernichter von Hindernissen, ehren. Doch um alle Arten von Hindernissen zu vermeiden, sollten alle Götter der Reihe nach um Hilfe gebeten werden.

Es gibt drei Arten von Hindernissen. Das erste ist Adhyatmika, die Krankheit des Körpers, sei es Fieber, Tremor oder anderes. Das zweite ist Adhibhautika, ein unheilvolles Omen wie z.B. der Besuch von Gespenstern, der Befall mit Eidechsen und Insekten, das Erscheinen einer Schildkröte im Haus, die Heimsuchung mit Schlangen, das Blühen der Bäume zur Unzeit, eine Geburt zu unheilsamer Stunde und weitere Dinge, welche zukünftiges Elend anzeigen. Das dritte Hindernis ist Adhidhaivika, ein Schicksalsschlag der übermenschlichen Art, wie Blitzschlag, oder Pocken, Cholera, Pest, Typhus und andere vernichtende Seuchen, böse Alpträume oder unheilvolle Planeten, welche den Geburtsstern angreifen. Um all diese Übel abzuwehren, sollte man ein besänftigendes Ritual ausführen, und auch bei Unglücksfällen, wie dem Berühren einer Leiche, eines Chandala (Kastenlosen) oder gefallenen Menschen oder dem Verlassen des Hauses ohne Bad.

Für die Zeremonie eines Opfers wähle man den Einflußbereich eines Tempels, einen Kuhstall, das eigene Heiligtum oder den eigenen Hof. Man errichte eine schön geschmückte Plattform, mindestens zwei Ellen hoch. In einem großen Kreis streue man einen Scheffel Reis aus, und zeichne Lotusdiagramme in der Mitte und am Rand des Kreises. In die Mitte kommt ein großer Topf, um den eine Schnur gewickelt ist, und rundherum noch weitere acht Töpfe in den acht Himmelsrichtungen. Sie alle sollten mit dem Harz des Balsambaumes ausgeräuchert sein (Guggul, auch indische Myrrhe). In die acht Töpfe gehören Bündel von Mangoblättern auf Darbha Gras. Dann füllt man Wasser auf, welches mit Mantras gereinigt wurde, und gibt noch die fünf Artikel hinzu: Aloeholz, Nelke, Kürbis, Muskat und Kampfer. In alle neun Töpfe gehören kostbare Edelsteine. Der achtsame Schüler bittet seinen Guru, als leitender Priester zu fungieren. Und dieser sollte von seiner Ehefrau begleitet werden und in den Riten wohlbewandert sein. Dann lege man goldene Statuen von den Wächtern der Himmelsrichtungen und von Vishnu in die jeweiligen Töpfe. Man rufe Vishnu an und ehre ihn am mittelsten Gefäß. Dann ehre man die Wächter der Himmelsrichtungen indem man ihren Namen im dritten Fall benutze und am Ende „namaya“ rufe. Diese Anrufungen nehme der leitende Priester vor, und mit den anderen Priestern wiederhole er die Mantras einhundertmal. Dann soll das Homa im Westen des Gefäßes ausgeführt werden. Je nach Zeit, Ort und Möglichkeiten opfere man dem Feuer einhundertacht oder viele, viele Male mehr. Das Ganze führe man an einem Tag, an neun oder vierzehn Tagen durch. Man nehme einen Opferzweig des Samibaumes, wenn der Ritus für die Besänftigung von Übeln gedacht ist, oder vom Palasa Baum zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Immer sollte man gekochten Reis und geklärte Butter opfern und beim Opfern die Namen der Götter oder ihre Mantras rezitieren. Alle Artikel, die man zu Anfang des Ritus eingeführt hat, sollten bis zum Ende benutzt werden. Zum Schluß rezitiere man glücksverheißende Mantras (punyahavacana) und tröpfle heiliges Wasser über die ganze Familie.

Je nachdem, wie viele Opfer man ausgeführt hat, so viele Brahmanen sollte man dann bewirten, wobei nur der Lehrer und der leitende Priester die Opfergaben essen sollten. Der ganze Ritus kommt mit der Verehrung der neun Planeten zum Ende, und den Priestern des Opfers gebührt ein kostbares Juwel nebst Geld als Dank. Auch kann man verdienstvollen Menschen schöne Gaben überreichen, wie z.B. Knaben mit der heiligen Schnur, Hausvätern, Weisen, Jungfrauen, Damen und Witwen. Alle Materialien, welche für den Ritus genommen wurden, überläßt man dem Priester.

Yama gebietet über alle Arten von Katastrophen, wie schwere Krankheiten usw.. Um ihn zu besänftigen, sollte man ihm ein Bild oder eine Statue Kalas widmen. Dabei sollte der Gott des Todes als Mann mit einer Schlinge und einem Stachel aus prachtvollem Gold dargestellt sein. Auch dieses Kleinod übergibt man dem Priester zusammen mit der Belohnung für das Opfer und Sesamsamen für ein langes Leben. Wünscht man sich, schwere Krankheiten zu überwinden, verschenkt man geklärte Butter oder Spiegel. Reiche sollten tausend Brahmanen speisen; Arme deutlich weniger, je nach ihren Möglichkeiten.

Um alle Arten von üblen Geistern zu beruhigen, verehrt man Shiva in Gestalt Bhairavas in einem großen Ritus. Den Abschluß bilden auch hier Anrufung und Opfer, und die Brahmanen sollen öffentlich bewirtet werden.

Führt man die Opfer auf diese Weise aus, kann man alle Übel und Makel lindern. Ein besänftigendes Opfer (Shanti Yajna) soll man jedes Jahr im Monat Phalguna durchführen. Will man böse Träume und schlechte Vorzeichen entschärfen, soll man sofort opfern oder zumindest innerhalb desselben Monats. Befleckt einen eine große Sünde, muß man Bhairava ehren. Zur Abschwächung von Seuchen oder schweren Krankheiten sollte man erst ein Gelübde aufnehmen und später opfern. Mittellose Menschen, die all dieser Hilfe bedürfen, sollten dem Gott eine Lampe opfern. Wer sogar dies nicht vermag, soll ein Bad nehmen und irgendetwas geben. Oder er erweist dem Sonnengott einhundert und acht mal seine Verehrung und spricht dabei sein Mantra. Ein Anhänger sollte mindestens eintausend Niederwerfungen ausführen, denn diese Art der Verehrung entzückt die Götter besonders.

Die Verehrung sollte mit folgenden Worten beginnen:
Oh Herr, Du bist groß und ich gering. Meine Gedanken sind Dir in Demut gewidmet. Etwas Nichtiges hat auf Dich keine Wirkung, doch ich bin nicht länger nichtig. Ich bin dein Diener. Welcher Rest an Selbstsucht auch noch in mir war, durch deinen Anblick wurde er vernichtet.

Es gibt noch ein Opfer der Seele, Namaskara, welches je nach Möglichkeit ausgeübt werden sollte. Dem Shiva opfert man Essen und Betelblätter. Der Anhänger soll einhundert und acht Umrundungen um Shiva praktizieren, und andere dazu anregen, es ihm gleich zu tun. Bei einer Umrundung von Shiva verschwinden sofort alle Sünden. Krankheit ist die Wurzel allen Elends, und Sünde ist die Ursache von Krankheit. Man sagt, daß man Sünden mit Tugend bereinigt. Und ein heiliger Ritus, den man in Verehrung für Shiva durchführt, kann daher alle Sünden auslöschen. Unter allen heiligen Riten für Shiva, sind die Umrundungen der beste Ritus. Die Silbe OM wird gesungen, und die Umrundung fordert den ganzen Körper.

Einst schuf Shiva Geburt und Tod, welche einen illusorischen Kreis bilden (Mahachakra), und die Plattform des Linga ist dafür ein Symbol. Man starte die Umrundung an der Plattform, gehe den halben Weg, kehre zum Anfangspunkt zurück, und gehe in die andere Richtung den halben Weg um die Plattform, um dann wieder zurückzukehren. Das schließt den Kreis und ist die übliche Prozedur. Diese Verehrung macht die Seele hingebungsvoll und verhindert neue Geburten.

Solange der Körper existiert, hängt die individuelle Seele von Handlungen ab, und so wird sie gebunden genannt. Doch wenn die drei Formen des Körpers unter Kontrolle sind, nennen die Schüler das „Erlösung“. Shiva, die Ursache aller Ursachen, schuf den großen, illusorischen Kreis. Nur er kann das gegensätzliche Paar von Geburt und Tod auflösen, welches sich aus seiner illusorischen Kraft erhob. Und da er das Paar schuf und vollkommen versteht, sollte es ihm mit Umrunden gewidmet werden. Ihn erfreut diese Hingabe, und er gewährt jeglichen Segen.

Es gibt keine Sünde in der Welt, welche nicht durch Umrundungen getilgt werden könnte. So löscht eure Sünden aus, oh ihr Anhänger, indem ihr IHN umrundet. Wer Shiva ehren möchte, sollte schweigen und eines der folgenden ausführen: einen heiligen Ritus, Enthaltsamkeit, Mantras und das Wissen um die Meditation bewahren. Dann wird er Wahrhaftigkeit und vieles mehr erlangen. Alle Arten von Reichtümern, ein himmlischer Körper, Weisheit, das Auslöschen von Unwissenheit und die Nähe zu Shiva können mit heiligen Riten erreicht werden. Im Ausführen des heiligen Ritus entfaltet sich sein Segen, die Dunkelheit verliert sich, zukünftige Geburten werden getilgt, und wenn sich wahre Erkenntnis einstellt, dann scheinen jegliche Übel nicht mehr zu existieren. Der wahrhafte Verehrer Shivas folgt den heiligen Riten und Taten je nach Zeit, Ort, körperlichem Zustand und den materiellen und geistigen Möglichkeiten. Es ist klug, seinen Wohnort in der Nähe eines Shiva heiligen Ortes zu wählen, sich von der Gewalt anderen Lebewesen gegenüber fernzuhalten, sich nicht übermäßiger Belastung auszusetzen und nur soviel Wohlstand auszugeben, den man auch mit legitimen Mitteln erlangen kann. Sogar Wasser, welches mit „Namah Shivaya“ geheiligt wurde, ist ebenso segensreich wie gekochter Reis. Oder die Almosen, die ein armer Shiva Anhänger erbettelt und erhält, führen zu vollkommenem Wissen. Die Wohltat Essen, die man einem Shiva Anhänger gewährt, erhöht die Hingabe an Shiva und wird von den Yogis als heilige Opfergabe für Shiva angesehen. Ein ernsthafter Shiva Anhänger sollte immer gewissenhaft sein, was seine Nahrung anbelangt, ganz gleich, wo er lebt und wie wohlhabend er ist. Immer soll er Schweigen bewahren und kein Geheimnis lüften. Anderen Anhängern soll er die Größe Shivas nahebringen, doch nur Shiva kann um das Geheimnis des Shiva Mantra wissen. Nehmt immer Zuflucht zum Linga, oh Brahmanen, denn dadurch werdet ihr zu Shiva. Wer das Linga ehrt, wird sicher nach und nach erlöst.

So habe ich euch vom Möglichen erzählt, was erreicht werden kann, und von den vorzüglichen Mitteln, es zu erreichen. Ich habe euch erzählt, was einst Vyasa sprach, und was ich gehört habe. Möge euch allen Gutes geschehen. Möge eure Hingabe an Shiva wahrhaft und beständig sein.

Und wer mit der Gnade Shivas dieses Kapitel liest oder ihm zuhört, liebe Schüler, dessen Erkenntnis von Shiva wird sich vermehren.


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