Pushpak Shiva-Purana Buch 13Zurück WeiterNews

Kapitel 34 - Verwirrung von Vishnu und Brahma

Upamanyu sprach:
Alle Verdienste, die man sich durch die genannten Nitya, Naimittika oder Kamya Riten (täglich, gelegentlich und nach Wunsch) gewinnt, können genauso und mit leichter Hand mit dem Aufstellen eines Linga oder Bildnis von Shiva erreicht werden. Die Welt hat die Gestalt eines Lingas. Alles gründet sich im Linga. Und daher, wenn das Linga eingerichtet ist, ist alles eingerichtet. Brahma, Vishnu und Rudra sichern sich ihren Glanz, indem sie im Linga Zuflucht suchen. Und was soll man mehr dazu sagen, als das Shiva selbst das Vishveshvara Linga aufstellte? Man sollte also immer ein Linga errichten oder ein Bild Shivas, wenn man sich hier und hernach Wohlergehen wünscht.

Da fragte Shri Krishna:
Was genau ist ein Linga? Wie wurde Lord Shiva zum Linga? Warum wird er darin geehrt?

Upamanyu gab zur Antwort:
Das Unmanifeste wird Linga genannt. Es ist sowohl die Quelle aller Eigenschaften als auch das, worin sich das Universum auflöst. Es hat weder Anfang noch Ende. Es ist die materielle Ursache des Universums. Es ist Maya (Illusions- und Schöpferkraft), Mulaprakriti (ungestaltete Urnataur), größer als das Firmament, und das Universum mit allen beweglichen und unbeweglichen Wesen wird daraus geboren. Es gibt drei Arten im Universum: rein, unrein und vermischt. Vom Linga werden alle Götter wie Shiva, Mahesha, Rudra, Vishnu und Brahma geboren. Auf Geheiß Shivas verschmelzen die Elemente darin. Shiva wird auch Lingin genannt, weil er das Linga beherrscht. Das Linga selbst kann nichts tun ohne Shiva. Auch, wenn das Universum aus dem Linga geboren wird und sich wieder darin auflöst, ist doch das Linga in Shiva. Das Linga ist der Körper von Shiva und Shakti, und sie herrschen über den Körper. Darum werden Shiva und Shakti für immer im Linga verehrt. Die Göttin ist der Sockel, und das Linga ist Shiva selbst. Wer das Linga ehrt, ehrt Gott und Göttin. Doch denke daran, daß die Vorstellung, daß das Linga der Körper der beiden ist, nicht die ultimative Wahrheit ist. Nur in gewissem Sinne haben sie einen Körper. Die Shakti gebiert die Wesen und Dinge des Universums auf Geheiß von Shiva, der großen Seele. Selbst in hunderten von Jahren kann man die Herrlichkeit des Lingas nicht beschreiben, welches einst Vishnu und Brahma verwirrte.

Als sich das Universum noch nicht geformt hatte, da lag Vishnu ungestört auf den Wassern (dem ewigen Meer der Ursachen). Brahma, der große Vater der Welten, erblickte ihn dort bequem schlummernd, und verwirrt fragte er ihn:
Sag mir, wer bist du?

Er gab dem lotusäugigen Vishnu einen Stoß, damit der erwacht. Vishnu erhob sich ärgerlich von seinem Lager, sah Brahma und sprach dennoch höflich:
Woher kommst du, lieber Sohn? Wozu die Aufregung? Sag es mir.

Brahma übermannte bei dieser Anrede seine leidenschaftliche Eigenschaft (Rajas), und er antwortete:
Warum sagst du „lieber Sohn“ zu mir? Das ist ja, als ob ein Lehrer seinen Schüler anspricht. Weißt du nicht, daß ich der Herr bin? Dieses Universum ist meine Schöpfung. Ich teile mich in Drei und schöpfe, erhalte und vernichte. Mich hat allerdings niemand erschaffen.

Vishnu gab zurück:
Ich bin der urerste Schöpfer, Erhalter und Vernichter dieses Universums. Du, mein Herr, wurdest von mir geschaffen, und es geschah auf meine Bitte hin, daß du dich in Drei teilst und wirkst. Zwar erschaffst, erhältst und vernichtest du nun, doch Vishnu, den unveränderlichen Herrn des Universums, hast du vergessen. Und nun beleidigst du mich sogar, deinen Vater. Doch es ist nicht deine Schuld. Meine Illusionskraft (Maya) hat dich verwirrt. Dank meiner Gnade wird diese Verwirrung nicht lange anhalten, denn höre die Wahrheit, oh Brahma. Ich bin der Herr aller Götter. Ich erschaffe, erhalte und vernichte, und es gibt niemanden, der mir gleicht.

Und so begann erst ein Wortgefecht zwischen diesen beiden und dann ein Kampf mit Fäusten und Waffen. Um ihre stolze Leidenschaft zu zügeln und sie zu erleuchten, erschien das wunderbare Linga des Herrn zwischen ihnen. Mit seinen tausenden Flammen war es unbegreiflich und unfaßbar. Plötzlich war es da, es wuchs und schwand nicht. Es hatte weder Anfang, Mitte noch Ende. Brahma und Vishnu waren völlig verzaubert. Sie kämpften nicht mehr und staunten:
Was ist das?

Doch mit Denken kamen sie nicht weiter, und so versuchten sie, Anfang und Ende dieser Erscheinung zu erkunden. Brahma nahm die Gestalt eines Schwans mit vielen Schwingen an und flog mit der Schnelligkeit des Geistes nach oben. Vishnu wurde zum Eber und eilte genauso schnell nach unten. Für tausend Jahre strebte er so, doch er konnte nicht mal einen flüchtigen Blick auf die Wurzel des Lingas werfen. Brahma wurde müde, ohne die Spitze zu sehen, und fiel wieder hinunter. Auch Vishnu mußte sich erfolglos erheben. Als sie sich wieder trafen, waren sie völlig ratlos und starrten einander nur beschämt an. Dann verbeugten sie sich mehrmals vor dem Linga und überlegten:
Was ist seine Natur?


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