Pushpak Shiva-Purana Buch 13Zurück WeiterNews

Kapitel 7 - Über das Prinzip Shiva

Upamanyu sprach weiter:
Shivas Shakti ist die natürliche Kraft im Universum, die eins ist, aber in vielen Formen erscheint. Es gibt endlos viele Shaktis, die sich aus Illusion und Schöpfung erheben, wie z.B. das Wollen, das Wissen und die Tat, gerade wie Funken aus dem Feuer sprühen. Durch diese Shakti werden die Purushas geboren (bzw. verkörpert) - Sadashiva, Ishvara, Vidyeshvara, Avidyeshvara, viele andere und die Prakriti, größer als das Größte. Es gibt keinen Zweifel daran, daß die natürlichen Prinzipien von Mahat bis Vishesha, die Götter wie Brahma und alles, was es gibt, als Wirkung aus der Shakti kommen. Sie durchdringt alles und ist subtil und nimmt die Formen von Glückseligkeit und Erleuchtung an. Der mondgezierte Herr wird auch Shaktiman genannt.

Es ist Shiva, der erkannt werden muß. Shakti ist Intelligenz, die Veden, Standhaftigkeit, Eifer, Wissen, Wollen und Handlung (also alles, was man benötigt, um Shiva zu erkennen).

Ajna (Gebot, unbegrenzte Macht) ist das große Brahman. Die beiden Vidyas (Erkenntnisse) sind Para und Apara (das Höchste und das Niederste), Suddhavidya und Suddhakala (reines Wissen und reine Macht), denn alles wird von Shakti erschaffen. Maya (Illusion und Schöpfung) ist Prakriti (Natur), Jiva (individuelles Leben) ist Vikriti (Umwandlung). Und was auch immer Sat oder Asat ist (was existiert und nicht existiert), ist von Shakti durchdrungen. Die Göttin verzaubert und verwirrt das Universum ohne Mühe durch Illusion, und das Leben entläßt sie wie im Spiel. Sie teilt sich in 27 Formen (der natürlichen Prinzipien), und mit ihnen durchdringt der Herr das ganze Universum. Und er befreit auch wieder von der Illusion.

Einst diskutierten einige nach Erlösung suchenden Brahmanen über das Brahman. Nagende Zweifel ließen sie lange nachsinnen:
Was ist die ultimative Ursache? Wodurch leben wir? Woraus wurden wir geboren? Was ist unser Ziel? Wer herrscht über uns? Warum hängen wir beständig an Glück und anderen Dingen? Wer hat diesen unverletzlichen Plan für das Universum ersonnen? Uns erscheinen Natur, Zeit, Schicksal oder Zufall nicht als Ursache dafür geeignet. Es kann auch nicht der Purusha, irgendein lebendes Wesen oder ein großer Yogi sein. Die Zeit hat kein Empfinden. Die Seele fühlt zwar, doch erfährt sie Glück und Leid und ist als ultimativer Herrscher damit nicht geeignet. Wer meditiert kann nach all diesen Gedanken die Shakti des Herrn erkennen, welche zwar die Bande zerreißen kann, doch von den natürlichen Eigenschaften verdeckt ist. Wenn alles Bindende abgelöst ist, dann kann man durch die Shakti mit göttlicher Sicht den Herrn erkennen, Shaktiman, diese Ursache aller Ursachen. Durch die Shakti regiert er alle Ursachen, auch über die Zeit, und ist dabei unfaßbar. Doch durch seine Gnade, den großen Yoga und den Pfad der Hingabe kann man das höchste, göttliche Ziel erreichen. Die Veden sagen, daß nur diejenigen beständigen Frieden im Herzen haben, die Shiva mit seiner Shakti erkennen. Niemals ist Shaktiman von der glücksbringenden Shakti getrennt, denn beide sind identisch.

In der Abfolge von Erkenntnis und Handlung gibt es keine Vorherbestimmung, denn es gibt die göttliche Gnade, die Erlösung für jeden erreichbar macht. Ob man ein Gott oder Dämon ist, ein Vogel oder Wurm - es ist immer seine Gnade, die Erlösung gewährt. Es gibt keinen Zweifel daran, daß ein Kind im Mutterleib, ein Neugeborenes, Junge oder Mädchen, alt oder jung, ein Sterbender, eine Seele in Himmel oder Hölle, gefallen oder fromm, ein Weiser oder Narr sofort durch himmlische Gunst erlöst sein kann. Der gnadenreiche Herr reinigt alle Arten von Beschmutzung, auch wenn seine Verehrer vielleicht nicht reif dafür erscheinen, sobald er mit ihrer Hingabe zufrieden ist. Damit hängen Hingabe und Gnade eng zusammen, was einen weisen Menschen jedoch nicht verwirrt. Solche Hingabe mit Gnade, die sowohl weltliche Freuden als auch die Erlösung gewährt, kann nicht in einer Geburt erlangt werden. Maheshvara freut sich über Menschen, die nicht an weltlichen Vergnügungen hängen und im Verlauf von mehreren Leben den Geboten der Veden folgen und außergewöhnliche Fähigkeiten erlangen. Ist der Herr erfreut, dann entsteht im Geist der Menschen ein Fünkchen wahrhafter Hingabe mit dem Bewußtsein: „Mein Herr existiert.“ Dann beginnt man, sich mit Enthaltsamkeit und heiligen Riten zu befassen, und wenn diese oft ausgeübt werden, wächst die Hingabe. Mit der Hingabe wird auch die Gnade größer, und irgendwann erlangt man die Befreiung. Eine befreite Seele erfreut sich größter Glückseligkeit. Mit göttlicher Gnade ist es möglich, daß sogar einem Menschen mit wenig Hingabe die qualvollen Schmerzen der Geburt schon nach drei Leben erspart bleiben.

Der Dienst am Göttlichen wird Hingabe genannt, und er geschieht auf dreifache Weisen: in Gedanken, Worten und Taten. Die Meditation über Shivas Formen ist der mentale Dienst. Die Wiederholung der Gebete und Namen des Herrn ist verbaler Dienst, und die Ausübung der Riten ist die verehrende Handlung. Diese drei Dienste werden der heilige Shiva-Ritus genannt. Man kann sie in fünf Arten einteilen, wie Shiva selbst es einst erklärte. Kurz gesagt sind das Enthaltsamkeit, heilige Riten, Wiederholung von Mantras, Meditation und Studium. Zur Enthaltsamkeit gehört z.B. Askese und Buße (Chandrayana). Der heilige Ritus ist die Verehrung des Linga. Japa ist das Singen der Namen Shivas. Meditation ist die innere Andacht über Shiva. Und das Studium der Schriften über Shiva führt zur Erkenntnis. Die Erzählungen (Shiva-Agamas) wurden Parvati einst von Shiva selbst offenbart und zwar aus Mitgefühl für alle Menschen, die bei ihm Zuflucht suchen. Das ist das einzige Mittel für wahren Wohlstand. Ein kluger Mensch sollte daher nicht allzusehr an sinnlichen Dingen hängen und lieber seine Hingabe an Shiva, diese erste Ursache, pflegen.


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