Pushpak Shiva-Purana Buch 12Zurück WeiterNews

Kapitel 24 - Shiva auf dem Berg Mandara

Die Weisen fragten:
Wohin gingen Shiva und Parvati mit ihrem Geisterscharen? Wo verweilten sie, und was taten sie?

Vayu antwortete:
Nun, der Berg Mandara hatte lange Askese geübt, um Shiva und seine Shakti tragen zu dürfen. Dieser Wunsch ging nun in Erfüllung. Nach langer Zeit fühlte er die Berührung ihrer Lotusfüße, denn die beiden gingen zum Mandara, um dort in einer der schönen Höhlen einen angenehmen Ort der Einkehr zu finden. Die Schönheit des Berges kann nicht annähernd in Worte gefaßt werden. Was man sagen kann ist, der Ort war würdig, die Heimstatt von Gott und Göttin zu sein. Hier wollte Shiva seiner Göttin Gutes tun, und die Hänge und Täler des Gebirges erstrahlten durch die Anwesenheit des göttlichen Paares dermaßen, daß der Rest des Universums trübe erschien. Der Berg bot den Eltern des Universums viel Licht und klares Wasser aus kühlen Strömen zum Trinken und Baden. Die klaren Wasser waren vor allem sein Verdienst, für den Mandara sich den ehrenvollen Namen „König der Berge“ verdiente. Des Nachts, wenn der Mond am Rande des Berges sein sanftes Licht über die Landschaft ergießt, dann scheint sich ein königlicher Schirm über den Berg zu spannen. Und wenn die Göttinnen mit wehenden Kleidern über ihn wandern, dann ähneln sie den Fächern, mit denen ein König geschmückt ist. Und am Morgen, wenn die Sonne sich erhebt, dann erstrahlt der Berg von tausenden Juwelen, als ob sich die Schönheit seines Körpers gern in einem Spiegel zeigt. Seine Bäume erweisen dem König der Berge ihren ehrenden Segen wie heilige Asketen, wobei die Schlingpflanzen deren verfilzten Locken gleichen. Das Lob singen die lautstarken Vögel in den weit auslandenden Zweigen, die ausgebreiteten Armen gleichen und Blüten und zarte Sprossen regnen lassen. Manche seiner Gipfel zeigen nach oben, als ob sie sich vom Grund erheben wollten, andere nach unten in die niederen Regionen, und wieder andere zur Seite, so daß er nach allen Seiten durch den Himmel zu eilen scheint. Seine weiten Höhlen gleichen weit geöffneten Mündern, und immer scheint er durch das Universum zu tanzen. Seine Schönheit vergeht nicht, denn er streckt sich, als ob er das Universum verschlucken, den Ozean austrinken, die innere Dunkelheit ausspeien und den Himmel mit Wolken bedecken möchte. Überall glänzt und funkelt es. Doch die hohen Bäume spenden guten Schatten, wenn man verweilen möchte. Und auch eine Brise weht angenehm kühl, denn sie berührt die vielen Gewässer und erfreut Shiva und Parvati, während sie freudig über den Berg wandern. Hier blieben die beiden in der Einsiedelei des Raibhya und vergnügten sich.

Nach einer Weile wurden die Dämonen Sumbha und Nisumbha geboren. Die Brüder hatten lange Buße geübt und Brahma um den Segen gebeten, daß sie von keinem Mann im Universum getötet werden können. Sie baten Brahma:
Unser Tod möge nur durch eine Dame in der Schlacht geschehen, in die wir uns beide leidenschaftlich verlieben. Sie sollte eine Jungfrau sein, die aus einem Teil von Shiva geboren wurde, und nicht aus einem Mutterleib. Sie sollte sich niemals mit einem Mann sexuell vereint haben und in der Schlacht unbesiegbar sein.

Brahma hatte zugestimmt, und seitdem verwüsteten die Dämonen alle Welten. Sie besiegten Indra und andere Götter im Kampf und schafften das Vedenstudium und die Opfer an die Götter ab. Da bat Brahma den Herrn der Götter:
Oh Shiva, es ziemt sich für dich, den Göttern die Göttin zu übergeben, die Sumbha und Nisumbha tötet. Sie soll die Shakti sein, die aus deiner Farbe entsteht. Sie muß eine Jungfrau ohne Fehler sein. Möge sie listig gereizt werden durch einen Tadel, damit das Werk vollbracht werden kann.

So rief der Herr die Göttin beiseite und nannte sie Kali (schwarz), während er innerlich lächelte. Die Göttin wurde ärgerlich auf seine Anspielung auf ihre Hautfarbe. Harsch entgegnete sie ihrem Ehemann:
Wenn mein Herr keine Freude an meiner Hautfarbe findet, wie kann es sein, daß er mich dann hier so lange geduldet hat? Wenn du mich nicht magst, warum vergnügst du dich dann mit mir? Für dich, den Herrn des Universums, ist nichts unerreichbar. Mein Herr liebt die Seele, denn Glück kommt nicht aus sexueller Begierde. Deswegen wurde der Liebesgott Kama ja auch zu Asche verbrannt. Das Leben einer Dame von vollkommener Gestalt und allen guten Qualitäten wäre vergebens, wenn ihr Gatte sich nicht an ihr erfreuen kann. Denn die Ehefrau wurde einzig erschaffen, um ihren Mann zu erfreuen. Und welchen Sinn hätte eine Ehefrau, die dem nicht entspricht? Daher werde ich entweder diese Hautfarbe ablegen, die du eben so heimlich getadelt hast, oder meinen Körper.

Dann stand sie auf und bat ihren Ehemann mit erstickter Stimme darum, Buße ausüben zu dürfen. Shiva fürchtete eine Minderung der Liebe, fiel zu ihren Füßen nieder und bat:
Oh Geliebte, warum zürnst du mit mir und erkennst nicht, daß ich nur Spaß gemacht habe? Wo könnte ich Freude finden, wenn nicht in dir? Du bist die Mutter des Universums, ich sein Vater und Herr - wie könnte ich an dir keinen Gefallen finden? Kann unsere gegenseitige Liebe vom leidenschaftlichen Kama stammen? (Wohl kaum,) denn das Universum existierte schon vor Kamas Geburt. Ich habe ihn geschaffen, damit die Menschen Vergnügen an der sexuellen Fortpflanzung haben. Warum erwähnst du seinen Untergang so spöttisch? Der Geistgeborene hielt mich für einen gewöhnlichen Gott und wollte mich erregen, daher ging er in Flammen auf. All unser Wirken in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft ist zum Wohle des Universums. Nur deswegen habe ich diese kleine Bemerkung gemacht. Ihr Sinn wird dir bald enthüllt werden.

Wieder wurde die Göttin an seine Bemerkung erinnert, und sie sprach:
Deinen kühlen Spaß habe ich vernommen, doch wozu jetzt diese Schmeichelei? Wenn ein Ehemann mit seiner Gattin aus edlem Hause unzufrieden ist, dann sollte sie ihr Leben ändern, sonst wird sie von guten Menschen verachtet. Und deine Mißgunst muß sehr groß sein, sonst hättest du mich nicht Kali gerufen. Ich bin nicht hellhäutig, und das Dunkle wird von guten Menschen gehaßt. Ich kann nicht hierbleiben, bevor ich diesen Makel durch Askese ausgeräumt habe.

Shiva fragte:
Wenn dich das so leiden läßt, wozu dann die Askese? Du kannst jede Farbe annehmen, die du möchtest oder die ich bestimme.

Doch die Göttin gab zurück:
Ich wünsche keine neue Erscheinung durch meinen oder deinen Willen. Ich werde Brahma durch Askese besänftigen und zu Gauri, der Schönen, werden.

Noch einmal fragte Shiva:
Oh Göttin, Brahma bekam seinen Status durch meine Gnade. Warum willst du ihn in deiner Buße anrufen?

Und die Göttin sprach:
Es ist wahr, daß Brahma und die anderen Götter ihren Status nur durch dich gewannen. Doch schon einmal bat ich Brahma auf dein Geheiß um einen Segen, wurde als Sati, die Tochter Dakshas, geboren und gewann dich, den Herrn des Universums, zum Ehemann. Also werde ich ihn wieder bitten, Askese üben und hellhäutig werden. Was ist daran falsch?

Und diesmal wandte Shiva nichts ein, denn er wollte Gutes für die Götter wirken.


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