Pushpak Shiva-Purana Buch 11Zurück WeiterNews

Kapitel 17 - Die ungeteilte Natur von Shiva

Vamadeva sprach:
Du hast vorher gesagt, daß der Purusha unterhalb von Niyati (Schicksal, Notwendigkeit, Bestimmung) und oberhalb der Natur (Prakriti) steht. Wie kann es sein, daß du nun sagst, daß der Purusha (Höchste Geist) durch die Illusions- und Schöpferkraft (Maya) in seiner Form verdichtet bzw. verfestigt wird und unter ihr steht. Oh Herr, bitte kläre mir diesen Zweifel.

Kartikeya antwortete:
Das ist die Shiva Philosophie vom Nicht-Dualismus. Niemals toleriert sie Trennung oder Dualität, denn Trennung ist vergänglich und Einheit unvergänglich. Der allwissende und allmächtige Shiva, dieser Herr ohne Eigenschaften, die Quelle der drei Götter und das Brahman wird als Sein-Bewußtsein-Glückseligkeit umschrieben (Sat-Chit-Ananda). Dieser Herr erscheint aus eigenem Willen und durch seine eigene Illusions- und Schöpferkraft als verdichteter bzw. verfestigter Geist (Purusha). Er wird als derjenige erkannt, der sich in den fünf natürlichen Prinzipien bzw. Elementen zeigt, und so erfreut sich der Purusha, der in der Prakriti weilt, an den Eigenschaften (Gunas: Leidenschaft, Güte und Trägheit), welche die Prakriti erzeugt. Diese doppelte Erscheinung ist nicht unvereinbar. Er ist die Einheit von Wissen usw. in sowohl verdichteter als auch wesentlicher Form.

Das Wesen der Prakriti ist Buddhi, Manas und Ahankara (Entscheidungskraft bzw. Vernunft, Unterscheidungskraft bzw. Verstand, Ichbewußtsein bzw. Ego), die durch die Gunas bestimmt werden. Die Gunas werden aus der Prakriti geboren, durch die Gunas erscheint die universale Intelligenz, und diese ist die Ursache für die Entscheidungskraft bzw. Vernunft. Aus Buddhi (Vernunft) wird das Prinzip des Verstandes bzw. Denkens geboren und daraus das Ichbewußtsein und daraus wiederum die fünf Sinne mit den Elementen (und dem zugehörigen Wissen). Das Denken hat zwei Aspekte: Gedanken und Zweifel. Die Sinnesorgane sind Ohren, Haut, Augen, Zunge und Nase, und die von ihnen wahrgenommenen Qualitäten sind Klang, Gefühl, Form, Geschmack und Geruch. Die subtilen Elemente (Tanmatras) kommen aus Vaikarika Ahankara (Ahankara ist dreifach - vaikarika, taijasa und bhutadi gemäß den drei Gunas von Sattwa/Güte, Rajas/Leidenschaft und Tamas/Trägheit), die von den Weisen die subtilen Prinzipien der Natur genannt werden.

Höre nun auch die Handlungsorgane und ihre Funktionen. Es sind, oh Weiser, die Organe zum Reden, Hände, Füße, After und Geschlechtsorgane, womit sie sprechen, handeln, sich bewegen, entleeren und vermehren. Die subtilen Elemente in Gestalt von Klang usw., die sich nach und nach aus dem Ichbewußtsein entwickelten, sind die Ursache der (grobstofflichen) Elemente, also Raum, Wind, Feuer, Wasser und Erde. Das sind die fünf Elemente, oh Weiser. Ihre Funktion ist es, Raum geben, bewegen, kochen, beleben und tragen.

Vamadeva sprach:
Oh Skanda, göttlicher Kartikeya, du hast zuvor gesagt, daß die Elemente aus den Kalas etc. entstehen. Wie kann es sein, daß du es nun anders erklärst? Ich verstehe das nicht. Du hast gesagt: Das „A“ steht für Atmatattva, „U“ für Vidya und „Ma“ für Shivatattva. Das habe ich so verstanden. Bindu und Nada sind die Essenz aller Tattvas (Prinzipien). Und die Götter dazu sind Brahma, Vishnu, Rudra, Maheshvara und Sadashiva. Sie sind die Abbilder von Shiva selbst, wie es in den Veden steht. So hast du es gesagt, doch nun meinst du, daß sie aus den subtilen Elementen geboren werden. Oh, sei mir gnädig, du Göttlicher, und kläre mir diesen großen Zweifel.

Nach diesen Worten des Weisen sprach Kartikeya:
Du Kluger, höre mir mit Achtung und Aufmerksamkeit zu. Aus dem Text „Tasmad Vai Etasmad“ geht klar hervor, daß die fünf Bhutas (Elemente, aber auch Geschöpfe oder Geisterwesen) aus den Kalas stammen. Sie existieren als grobstofflicher Kosmos. Und das erklärt den Körper des Herrn der Bhutas (die Bhutas dienen als göttliche Wesen dem Shiva und stehen für seinen grobstofflichen Körper). Und wie sie sich aus den natürlichen Prinzipien, den Tattvas, vom Shivatattva bis zum Prinzip der Erde entfalten und dabei aus den subtilen Elementen geboren werden, oh Weiser, werde ich nun nacheinander erklären.

Zwischen den subtilen Elementen und den Kalas gibt es eine Gleichheit, denn sie sind die Ursachen der Bhutas. Schiebe keinen Widerspruch dazwischen, oh du kluger Kenner des Brahman. Im Kosmos existiert sowohl das Grobe als auch das Subtile, wie die Planeten, Sonne, Mond und Sterne. Alles entsteht hier: die Götter, alle lebenden Wesen, die Himmelswächter, Ahnen, Dämonen, Menschen, Würmer und Schlangen, Vögel und andere Tiere, Bäume, Büsche, Kletterpflanzen und Kräuter, die acht Berge, die sieben Flüsse wie z.B. die Ganga, der reiche Ozean, ja einfach alles in dieser Welt. Das Universum ist sowohl männlich als auch weiblich, alles ist eine Gestalt von Shiva und Shakti, und ein jedes verdient von einem guten Menschen wie dir Achtung und Respekt, du Meister im Wissen über Shiva. Die Schriften sagen: „Alles ist Brahman, alles ist Rudra.“ Und daher ist Sadashiva die große Seele des Universums. Ja, aufgrund des Prinzips der 38 Kalas gibt es ein Konzept der Dualität. Doch wer seine Seele durch die Erkenntnis „Ich bin Sadashiva.“ gereinigt hat, wird zu Shiva als Lehrer. Ja, dann wird der Schüler zum Lehrer Shiva. Er erlangt die Form von Diagramm (Yantra), Mantra und der kosmischen Gottheit. Und wenn die Gunst des Lehrers die Bande des Schülers (an das Denken in dualen Mustern) zerschneidet und dieser der Verehrung von Shiva zutiefst geneigt ist, dann wird der Schüler zu einer hohen und befreiten Seele. Man sagt, daß alles Existierende ein Ausdruck von OM ist, sei es etwas Zusammengesetztes oder scheinbar Einzelnes, weil die Gunas dominieren. Aus Zuneigung zu dir habe ich dir das Prinzip des Nicht-Dualismus, der Einheit, erklärt. Auch erfreut dies Shiva, denn es kennt keine Verwirrung und ist die Essenz der Veden.

Wer sich aus Hochmut in Widerstreit mit der Einheit begibt, sei es Gott oder Mensch, Gandharva oder Siddha, dem trenne ich mit meinem Dreizack den Kopf ab, denn meine Waffe ist wie ein schwarzes Feuer für alles Feindliche. Du, lieber Weiser, bist ein vorzüglicher Kenner der untrennbaren Natur Shivas. Du bist ein guter Führer für treffliches Betragen und das Lehren und Lernen von Shivas Prinzipien. Sogar ein gottloses Gespenst verlor sofort alle Sünden, als es mit der Asche auf deinem Körper in Kontakt kam, und so erlangte es mit deiner Gnade ein hohes Ziel. Du bist ein Yogi Shivas, ein Gewinn für die drei Welten. Schon durch deinen gütigen Blick wird eine individuelle Seele zur Höchsten Seele. Um die Welten zu belehren schaut so eine edle Seele wie du mit Respekt auf mich als deinen Lehrer, denn die Heiligen wandern umher, um den Welten zu helfen. Das große Geheimnis ist in dir gegründet, du verweilst im OM mit Respekt, Vertrauen und Hingabe und vereinst es mit Parameshvara, dem Höchsten von allem, um den Menschen die Verbindung mit den helfenden Riten wie das Tragen von Rudrakshas und heiliger Asche zu erleichtern. Wahrlich, du bist Shiva. Du folgst den Shiva Riten und hast das Konzept des Nicht-Dualismus verwirklicht. Und indem du zu ihrem Wohl durch die Welten wanderst, wirst du ewigwährende Glückseligkeit erlangen.

Nachdem der Weise Vamadeva alles von Kartikeya vernommen hatte, wurde er sehr demütig. Er verbeugte sich viele Male, warf sich vor dem Gott nieder und benahm sich wie eine emsig um des Gottes Lotusfüße summende Biene.


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