Pushpak Shiva-Purana Buch 11Zurück WeiterNews

Kapitel 12 - Der Weg des Entsagenden

Kartikeya (wörtlich Subrahmanyu, su + Brahman - das Gute, das zu Brahman, dem Einen führt, oder auch den Brahmanen lieb bzw. gut zu den Brahmanen) sprach:
Sehr gut, du glücklicher Vamadeva, sehr gut! Du bist ein großer Verehrer Shivas, oh Weiser, und ein Meister im Wissen über Shiva. Dir ist nichts verborgen in der Welt, und doch werde ich zu dir sprechen, denn es ist dein Wunsch, die Welt zu segnen. Alle Individuen werden vom Schein des Herrn getäuscht und auch von mancher heiligen Schrift. Dabei haben sie den großen Herrn, die Bedeutung von OM, formhaftes und formloses Brahman und den großen Schöpfer der Dreiheit noch nicht erkannt. Ich erhebe meine rechte Hand und schwöre, dir hiermit die Wahrheit zu sagen.

Die heiligen Texte, Puranas, Veden und ihre Zweige erklären, daß Shiva Sinn und Inhalt des OM ist. Vor ihm weichen Wörter und Gedanken zurück, ohne ihn erreichen zu können. Er kennt eine Glückseligkeit, die vor nichts und niemandem Furcht hat. Von ihm wurde das gesamte Universum geboren beginnend mit Brahma, Vishnu und Indra, den Sinnesorganen und Elementen. Er hat keine Ursache, nirgendwo und zu keiner Zeit. Ihn erleuchten weder Sonne, Mond oder Blitz. Denn sein Glanz erhellt das ganze Universum in alle Richtungen. Er besitzt einen Wohlstand, der Sarveshvara genannt wird - Herr über alles. Wer sich Erlösung wünscht, der meditiert über ihn als das Würdigste. Er ist die Ursache alles Guten, inmitten des Firmaments und allgegenwärtig. Seine Seele ist Licht, er selbst reiner Glanz, Weisheit und Bewußtsein. Seine strahlende Kraft ist Shakti, nur durch Erfahrung erkennbar und sowohl formlos als formhaft, unbefleckt und glücksverheißend.

Es gibt drei Arten von Formen: grob, subtil und ursächlich, worüber der Erlösung suchende Yogi in rechter Folge meditieren sollte. Dieses reine, unbefleckte Wesen, der urerste ewige Herr, auch die Höchste Seele genannt, hat Erkenntnis und Ritual zur Essenz. Sein Bild ist das des freundlichen Sadashiva, des Herrn der Götter mit den fünf Mantras als Körper und den fünf Elementen als körperliche Gestalt. Er ist so klar wie ein Kristall, voll samtenen Glanzes und entzückend. Er hat fünf Gesichter, zehn Arme und 15 Augen. Ishana ist seine Krone, Purusha sein Antlitz, Aghora sein Herz, Vamadeva sein Geschlecht und Sadya seine Füße. Er ist sowohl Materie als auch nicht. Und die sechs Shaktis, Allwissenheit etc., sind seine sechs Glieder. Er ist erfüllt von der Kraft der Welt, die im Lotus seines Herzens pocht, und seine linke Seite ziert Manonmani (Durga), seine Shakti.

Ich werde dir den OM-beseelten Herrn in seinem Aufbau und seiner Art erklären und mich dabei auf die sechs Einheiten wie Mantras etc. berufen. Zuerst sollte man die Entstehung der Gebote erklären. Höre also zuerst über die vier Kasten, die in der Welt wohlbekannt sind, oh Weiser. Die Veden verpflichten die ersten drei Kasten zu Ritualen, nur die Shudras werden von den Riten ausgeschlossen, denn ihre einzige und große Pflicht ist das Dienen. Nur die heiligen Riten aus den Schriften (Srutis und Smritis) sollen ausgeführt werden je nach Lebensphase. Und so mancher Heiliger hat die Sayujya Art der Erlösung erlangt (eine der vier Arten der Vereinigung mit Gott), weil er den rechten Riten in der jeweiligen Lebensphase und entsprechend seiner Kaste gefolgt ist. Die Schriften sagen, daß die Enthaltsamkeit den Weisen Frieden bringt, den Göttern Opfer und den Ahnen Nachkommen. Wer sich von diesen drei Schulden befreit hat, also Gelübde, Opfer und Nachkommen, und in die Vanaprastha Lebensphase (Waldeinsiedler) eintritt, der soll Vergnügen und Schmerz, Kälte und Hitze und all die anderen Gegensätze ruhig ertragen und seine Sinne und die Nahrung zügeln. Er soll enthaltsam sein und anderen Arten von Yoga folgen, damit sein Geist stabil wird. So wird er frei und unterliegt nicht mehr den Zwängen des Handelns. Hat er alles Anhaften abgelegt, soll er sich der Weisheit widmen, denn nur Erkenntnis verleiht die Frucht von Erlösung und Einheit mit Shiva. Das befreit von aller Ablenkung und ist vorzüglich für alle, die ihre Gedanken zügeln können.

Für diesen Weg werde ich noch verschiedene Möglichkeiten darlegen, um die Welt zu segnen und dir Gutes zu tun, denn mein Kluger, meine Zuneigung zu dir leitet mich. Hör mir aufmerksam zu.

Der Asket möge vor seinen Lehrer treten, als den Klügsten unter den Klugen, der die Gebote der heiligen Riten verstanden und die Veden gemeistert hat. Er ehre den Lehrer ordnungsgemäß mit Gruß und Verbeugung, denn der Lehrer ist Shiva und Shiva der Lehrer. Dann erkläre er ihm seinen Entschluß. Mit der Erlaubnis des Lehrers halte er für 12 Tage eine Diät aus Milch und führe Riten aus. Am vierten oder zehnten Tag der hellen Monatshälfte nehme er am Morgen sein Bad, folge mit frommer Absicht der Routine, lade seinen Lehrer ein und führe das Nandi Sraddha aus.

Die Vishvedevas sind Satyavasus. Im Sraddha der Götter sind Brahma, Vishnu und Shiva eingebunden. Im Sraddha der Weisen sind die von himmlischen Damen Geborenen und Männern Gezeugten eingebunden. Im Sraddha der Ahnen sind Vasu, Rudra und Aditya eingebunden. Im Sraddha für Menschen sind die vier Weisen, Sanaka u.a., und im Sraddha der Bhutas die fünf großen Elemente eingebunden. Es gibt vier Arten von Bhutas, und die Gruppe der Sinnesorgane wird von den Augen etc. gebildet. Im Sraddha der Ahnen (Pitris) werden Vater, Großvater und Urgroßvater genannt, im Sraddha der Mütter (Matrisraddha) entsprechend Mutter, Großmutter und Urgroßmutter. Im Sraddha von Atman werden folgende genannt: man selbst, Vater, Großvater und Urgroßvater und alle Gattinnen. Im Sraddha des Vaters der Mutter werden drei Vorfahren des Großvaters mütterlicherseits genannt. In jedem Sraddha sollten zwei Brahmanen eingeladen und ihre Füße gewaschen werden.

Dann sollte der Asket geflissentlich Wasser nippen (Acamana) und wie folgt beten:
Möge der Staub von den Füßen der Brahmanen mich heiligen, denn sie sind die Wurzel von Wohlstand. Sie vernichten alle Gegensätze und bilden die Brücke über den riesigen Ozean der weltlichen Existenz. Wie die Sonne vertreiben sie die tiefe Dunkelheit des Leidens. Wie himmlische, wunscherfüllende Kühe geben sie immer das Gewünschte. Sie sind das verkörperte, reinigende Wasser an jedem Pilgerort.

Nach diesem Gebet verneige er sich und werfe sich auf den Boden nieder. Dann wende er sich gen Osten und erinnere sich an die Lotusfüße Shivas. Mit dem Pavitra in der Hand und der heiligen Schnur über der Schulter vollführe er dreimal achtsam und rein seine Atemübung. Dann sage er die Stunde an und fahre fort:
Zusätzlich zu meiner Entsagung muß ich acht Sraddhas ausführen, zuerst das Sraddha der Vishvedevas und zuletzt das von Matamaha. Mit deiner Erlaubnis werde ich die Riten nach den Regeln ausführen.

Nachdem er diesen Entschluß kundgetan hat, werfe er das Darbha Gras gen Norden. Dann berühre er Wasser, erhebe sich und beginne mit der formellen Einladung der Brahmanen. Mit dem Pavitra in seiner Hand berühre er die Hände der Brahmanen und erkläre:
Zum Wohle der Vishvedevas lade ich euch beide ein. Seid mir gnädig gestimmt.

Das ist die rechte Prozedur. Danach zeichne er zehn Mandalas und beginne damit im Norden. Dann ehre er sie mit ganzen Körnern. Dann spreche er die Namen der Vishvedevas, bitte die Brahmanen herzu und sage: „Hier ist Wasser zum Waschen der Füße.“ Mit diesen Worten opfere er Wasser mit dem Darbha Gras, Blumen und Körner zum Schluß. Dann wasche er den Brahmanen die Füße mit dem Gesicht nach Norden, biete ihnen Wasser zum Nippen an und bitte sie, sich zu setzen. Dann sage er, dies sei der Sitz für die Vishvedeva Brahmanen, und biete ihnen einiges Kusha Gras an. Er selbst soll stehen bleiben, das Gras halten und sagen:
In diesem Nandimukha Sraddha zu Ehren der Vishvedevas bitte ich euch, achtsam teilzunehmen. Bitte nehmt meine Einladung an.

Und die Brahmanen sollen antworten:
Wir akzeptieren.

Dann sage der Asket:
Bitte segnet mich. Möge der Ritus vollendet sein. Erfüllt mir meinen Wunsch.

Dann gebe er gekochten Reis und andere Nahrung in saubere Bananenblätter gehüllt, die mit Kusha Gras bedeckt werden. Sie werden mit Wasser besprengt, mit beiden Händen hochgehoben und dem Feuer geopfert mit dem Wort „Svaha“, den Namen der Götter und dem Mantra „Die Erde ist dein Kessel…“. Nach der Verehrung sage der Asket: „Nicht für mich.“ (Na Mama). Das ist das Prozedere überall.

Dann bete er:
Ich grüße Lord Shiva, der von Amba begleitet wird. Wer sich an ihre Füße erinnert und ihre Namen singt, dem vervollkommnen sie ihre mangelhaften Riten.

Dann sage er:
Ich habe das Nandimukha Sraddha ausgeführt, bestätigt mir das.

Dann besänftige er die Brahmanen, lasse etwas Wasser aus seiner Hand tropfen, verbeuge sich vor ihnen, erhebe sich und spreche:
Möge das Essen wie der Nektar (der Unsterblichkeit) sein.

Und mit zusammengelegten Händen bete er freudig, rezitiere die Sri Rudra, Chamaka und Purusha Hymnen, meditiere über Sadashiva und spreche die Namen der fünf Brahmans. Am Ende der Mahlzeit rezitiere er die Hymne Rudras, bitte die Brahmanen um Vergebung und opfere Wasser. Dann wasche er seine Füße, nippe am Wasser und trete vor die Pindas (Reisbällchen oder Kuchen für die Ahnen). Mit dem Gesicht nach Osten sitze er schweigend und führe dreimal seine Atemübung aus. Dann entschließe er sich:
Ich werde zusätzlich zum Nandimukha Sraddha noch die Pindas rituell opfern.

Als nächstes ziehe er Linien von Süden nach Norden und lege zwölf Kusha-Halme mit den Spitzen gen Osten über die Linien. Das sind die fünf Orte für die Götter, Daksha und andere. An diesen Stellen opfere der Asket schweigend die ganzen Getreidekörner und Wasser. Rundherum besprenge er den Boden mit Wasser und spreche dabei „Atra Pitarah“, opfere auch Körner und Wasser, sage die Namen der Götter auf und opfere drei Pindas in jedem der fünf Plätze. Dabei sollten die Pindas extra und dann noch Körner gegeben werden, wie es im Grihya Sutra steht. Dann meditiere der Asket über Sadashiva im Lotus des Herzens und rezitiere den Vers. Mit dem Gedanken an seine Lotusfüße gebe er den Brahmanen ihren Lohn, soweit es ihm möglich ist. Dann bitte er um Vergebung und verabschiede sie. Die Pindas gebe er den Kühen oder werfe sie in fließendes Wasser. Und nachdem er Punyahavachana ausgeführt hat (einen schönen, glücklichen Tag wünschen), esse er mit seiner Familie.

Am nächsten Tag stehe er früh auf, führe seine morgendliche Routine durch, faste, rasiere sich die Haare außer in den Achselhöhlen und an den privaten Körperteilen. Wenn Bart und Haupthaar ab sind, schneide er noch seine Nägel. Dann bade er und ziehe saubere und trockene Kleidung an. So sei er an Körper und Geist rein. Still nippe er zweimal etwas Wasser, streiche auf rechte Weise die heilige Asche auf seinen Körper und wünsche einen glücklichen Tag. Alle Dinge sollen mit heiligem Wasser besprengt werden, außer die Sachen für das Homa und die Gabe für den Lehrer, denn die sind immer rein. Dann beschenke er die Brahmanen und Shiva in Gestalt des Lehrers mit Kleidung und Geld. Dabei soll er sich vor ihnen verneigen. Dann nehme er das Lendentuch, die Schnur, den Stab und alles Nötige für das Homa Opfer wie die Opferzweige etc. Alsdann wandere er zum Ufer des Meeres, zu einem heiligen Berg, Shiva Tempel, Kuhstall, Wald oder Flußufer, setze sich an einen guten Platz und nippe Wasser, so daß sein Geist rein werde wie ein Blumenstrauß. Er rezitiere vedische Mantras wie Om oder „Namo Brahmane“, sage das Mantra „Agnimile purohitam“, führe den großen Ritus aus und spreche „Agnirvai“, „Ishe tvorje Tva“, „Agna ayahi vitaye“, „Sanno devirabistaye“ und noch die Keimsilben Ma, Ya, Ra, Sa, Ta, Ja, Bha, Na, La und Ga.

So lebe er für fünf Jahre. Das ist die Tradition. Auch studiere er die Grammatik, lese Mimamsa und Vedanta (die vedischen Schriften). Er singe die Namen der Götter von Brahma, Indra, Sonne, Mond, Prajapati, Jnana-Atman (erkennender Geist) und Param-Atman (Höchste Seele) mit OM beginnend. Er nehme zermahlene Körner zu sich, esse sie mit OM, nippe zweimal Wasser, wasche seine Hände und wiederhole hernach die Mantras. Er nenne die Namen des Atman, Antar-Atman, Jnana-Atman, beginne jeweils mit OM und ende mit Namah. Danach rezitiere er das Mantra von Prajapati. Doch hier ende er mit Swaha. Danach esse er mit OM Milch, Quark und geklärte Butter jeweils dreimal und nippe zweimal Wasser. Mit ruhigem Geist sitze er still mit dem Gesicht nach Osten und führe gemäß der Regeln dreimal die Atemübung aus.


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