Pushpak Shiva-Purana Buch 10Zurück WeiterNews

Kapitel 26 - Wie ein Yogi Kala begegnet

Die Göttin sprach:
Mein Herr, du hast das vollkommene Wissen über die Zeit dargelegt, doch sprich nun auch darüber, wie ein Yogi mit Kala, der Zeit und dem Tod umgeht. Kala folgt dem Pfad aller Kreaturen. So erkläre mir bitte, zum Wohle der Welten und Yogis, wie man sich nicht verwirren läßt, wenn einem Kala begegnet.

Und Shiva sprach:
Nun Göttin, höre. Ich werde dir deine Frage kurz beantworten. Der Körper ist eine Mischung der fünf Elemente, Wind, Feuer, Erde, Wasser und Raum. Der Raum durchdringt alles, und die anderen Elemente werden aus ihm geboren und vermischen sich mit ihm. Wenn der Raum sich auflöst, gehen auch die anderen Elemente in ihren Ursprung zurück. Also erkenne, die Verbindung der fünf Elemente ist niemals stabil und ewig. Die Weisen erkennen es durch die Macht von Enthaltsamkeit und Mantras.

Da sprach die Göttin:
Kala, diese schreckliche Form und einziger Herr der Götter, wurde von dir zu Asche verbrannt. Und als man dich lobte und du wieder befriedet warst, hast du ihn erneut zum Leben erweckt. Du hast zu Kala gesagt: „Mögest du als unsichtbare Kraft die ganze Welt mit ihren Wesen bewegen.“ Du hast den Mächtigen damals erblickt, und es war dein Segen, der ihn wieder belebte. Doch kann er wirklich getötet werden? Bitte erklär mir das. Du bist der beste Yogi, der selbstgezügelte Herr, der Gestalt annahm, um anderen zu helfen.

Shiva gab zur Antwort:
Kala kann nicht von Göttern, Dämonen, Himmlischen oder Menschen getötet werden. Doch jene verkörperten Wesen, welche in Meditation vertiefte Yogis sind, können ihn leicht töten.

Da lächelte die goldene Göttin und sprach zum Lehrer der drei Welten:
Bitte sag mir die Wahrheit. Wie kann Kala getötet werden? Durch wen?

Und Shiva erwiderte sogleich:
Oh mondgesichtige Dame, sündenlose Yogis können die Schlange Kala vollständig von sich schleudern. Höre aufmerksam zu. Der Körper besteht aus den fünf Elementen, aus denen er entsteht und in die er sich wieder auflöst. Also verfügt er immer auch über die Eigenschaften des Körperlichen. Aus dem Raum entsteht der Wind, aus dem Wind das Feuer, aus dem Feuer das Wasser und aus dem wiederum entsteht die Erde. Jedes der Elemente verbindet sich mit dem anderen. Die Erde hat alle fünf Eigenschaften, das Feuer vier, das Wasser drei, der Wind zwei und der Raum nur eine. Und die fünf Eigenschaften sind: Klang, Gefühl, Sichtbarkeit, Geschmack und Geruch. Wenn ein Element von seinen jeweiligen Eigenschaften abgelöst wird, dann verschwindet es. Und indem es die Eigenschaften annimmt, entsteht es als Element. Oh Göttin, das ist das grundlegende Wissen über die Elemente. Und wenn ein Yogi die Zeit und den Tod besiegen will, dann sollte er sich tiefgründig mit den Eigenschaften der Elemente beschäftigen.

Da fragte die Göttin:
Oh Herr aller Yogis, wie sollte ein Yogi das machen? Mit Meditation oder Mantras? Bitte erklär mir das auch noch.

Shiva sprach:
So höre, liebe Göttin, ich werde es dir zum Nutzen der Yogis erzählen. Doch dieses Wissen dient nicht jedem zu jeder Zeit, daher sollte es mit Vorsicht an die mit Vertrauen, an die Klugen und Hingebungsvollen und an die Tugendhaften und Frommen weitergegeben werden. Nun, schöne Dame, der Kenner des Yoga sollte folgendermaßen praktizieren: Es sitze auf einem guten Sitz im Dunkeln und ohne Lampe und atme, wenn andere Menschen schlafen. Verschließt er die Ohren mit den Zeigefingern, hört er nach einer Weile ein Geräusch wie von loderndem Feuer. Diese Yoga-Übung beherrscht alle Arten von Krankheiten, Fieber oder Verwirrung. Wer diesen Klang über zwei Ghatikas (2x24min) stetig beobachten kann, kann die Anhaftung an Tod und Begierde besiegen und sich ungehindert bewegen. Er wird allwissend und allsehend und erlangt alle außergewöhnlichen Fähigkeiten (die Siddhis).

Dieser Klang gleicht dem von regenschweren Gewitterwolken, und wenn ihn der Yogi hört, wird er sogleich von allen weltlichen Begrenzungen befreit und sehr feinsinnig. Das ist das Wissen über die Meditation des transzendentalen Klanges (Shabdabrahman, der Urklang des Brahman), oh Göttin. So, wie jemand die Schalen ablöst, der Getreidekörner möchte, so sollte man weltliche Bande ablösen. Wer den heiligen Klang des Shabdabrahman gemeistert hat und weiter handelt, der erscheint wie einer, der mit seiner Faust in den Himmel boxt und Hunger und Durst liebt. Wer das große Brahman erkannt hat, diese Ursache für Befreiung, dieser Segen an Glückseligkeit, das Ungetrennte, das Unvergängliche, der ist von allen Begrenzungen befreit und verlangt nach nichts weiter. Doch Sünder mit hinterhältigem Geist, welche die Schlinge von Kala gefangen und verblendet hat und die fest in weltliche Bande verstrickt sind, werden niemals Shabdabrahman erkennen können.

Solange man die höchste Heimstatt nicht erreicht hat, solange bleibt man in der Welt. Wer die große Wirklichkeit erkannt hat, wird von den Fesseln des körperlichen Lebens befreit. Deshalb sollte man immer Shabdabrahman praktizieren und dabei Schlaf und Hochmut besiegen, diese beiden Feinde und großen Hindernisse auf dem Weg. Und wenn der Yogi dabei hundert Jahre alt würde, er wäre doch gesund und stark, denn er verfügt über die Macht, den Verfall des Körpers aufzuhalten und den Tod zu besiegen. Solange er noch in dieser Welt weilt, sollte er Shabdabrahman üben. Die Ergebnisse kann man deutlich an alten Menschen sehen, und warum auch nicht in einem Jüngling? Oh geliebte Göttin, kluge Menschen meditieren eifrig und unablässig über Shiva. Das Shabdabrahman kann weder ausgesprochen noch berührt werden. Es ist weder die Silbe OM, noch ein Mantra, eine Zahl oder eine Silbe.

Doch wisse, es gibt neun Klänge (Sabdas), wie es die erklären können, welche die Kunst des Atems beherrschen. Ich werde sie dir nacheinander aufzählen je nach ihren Fähigkeiten (Siddhis). Da gibt es Ghosha, den Klang des weichen Konsonanten, Kamsya, den Klang einer Metallglocke, Sringa, den Klang des Horns, Ghanta, die Glocke, Vina, die Laute, Vamsaja, die Flöte, Dundhubi, die Trommel, Shankha, das Muschelhorn, und Meghagarjita, der Donner. All diese Klänge hinter sich lassend, sollte man Tumkara (?) üben. Der Yogi, der dies meditiert, wird weder von Tugend noch von Sünde beherrscht.

Oh Göttin, wer diesen Yoga praktiziert, hört Dinge, die andere nicht hören. Und wer stirbt, während er praktiziert, der verweilt in dieser Haltung für viele Tage und Nächte. In sieben Tagen erhebt sich von ihm der Klang des Sieges über den Tod, der ebenfalls neunfach ist. Höre, oh Göttin. Der erste Klang ist Ghosha. Er reinigt die Seele, vertreibt Krankheit, ist vorzüglich, anziehend und zügelnd. Der zweite Klang ist Kamsya, der die Bewegung der lebenden Wesen stoppt. Er kann unzweifelhaft die Wirkung von Gift, bösen Geistern und unheilvollen Planeten aufheben. Der dritte Klang ist Sringa, den man in der schwarzen Magie benutzt, um Feinde zu töten oder zu vertreiben. Der vierte Klang ist Ghantanada, der sogar die Götter anzieht, nicht zu reden von Menschen auf Erden. Die Jungfrauen der Yakshas und Gandharvas kommen zu ihm und verleihen ihm jede Fähigkeit, die er sich wünscht, oder die sie ihm geben möchten. Der fünfte Klang ist Vina, den die Yogis immer hören. Aus ihm erhebt sich die Weitsicht eines Yogis. Wer über den Vamsa Klang, den sechsten, meditiert, der versteht alle Prinzipien der Welt. Und wer den siebten Klang, Dundhubi, beherrscht, den verschonen Alter und Tod. Oh Göttin, der achte Klang des Muschelhorns läßt ihn jede Gestalt annehmen, die er sich wünscht. Und mit dem neunten Klang Mhega wehrt er alle Hindernisse ab.

Nun, schöne Dame, ist etwas unmöglich für den, der mit einfältiger Hingabe die Tumkara Form des Brahman meditiert? Er wird allwissend und sehend. Er bewegt sich in jeder Form und wird von keiner Ablenkung beirrt. Es gibt keinen Zweifel, daß er Shiva selbst ist. Oh Göttin, ich habe dir nun alles über die neun Aspekte von Shabdabrahman erzählt. Was möchtest du noch hören?


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