Pushpak Shiva-Purana Buch 10Zurück WeiterNews

Kapitel 20 - Über Entsagung und die Geburt als Mensch

Vyasa bat:
Oh allwissender Sanatkumar, du Guter, erkläre bitte, wie ein Mensch, der Shiva hingebungsvoll zugetan ist, in diese Welten gelangt und nicht mehr zurückkehrt.

Sanatkumar sprach:
Nun Vyasa, Sohn von Parasara, so vernimm mit Freude meine Worte über glückselige Erlösung, heilige Riten, fromme Verehrer und fruchtbare Askese. Wer heilsame Riten ausführt, fromme Enthaltsamkeit übt und immer Shiva ehrt, der sollte immer besonders geachtet werden. Wer niemals Buße übte, gelangt nicht in Shivas Reich, welches frei von Leiden ist. Nur Buße gewinnt Shivas Segen, oh großer Weiser. Götter und Geisterscharen erfreuen sich nur wegen ihrer Buße am Himmel, so auch die Weisen und Asketen. Erkenne, daß dies die Wahrheit ist.

Alles kann durch Buße erreicht werden, wie schwer oder unerreichbar es auch scheinen mag. Denn nichts kann Buße jemals übertreffen. Brahma bleibt standhaft durch Buße (bzw. Entsagung), und so auch Vishnu und Shiva. All ihre Vorteile haben die Götter und Göttinnen durch Buße gewonnen. Das besondere Ziel in dieser Welt kann für die Suchenden nur durch Buße erlangt werden. Oh Vyasa, Buße ist wahrlich das Mittel, um alles zu erreichen. Dabei gibt es drei Arten von Buße: gütig, leidenschaftlich und träge (entsprechend Sattwa, Rajas und Tamas).

Die gütige Buße führen die Götter und Asketen aus, die über die nötigen geistigen Fähigkeiten verfügen. Leidenschaftliche Buße üben Dämonen und Menschen. Grausame Geister und Menschen üben träge Buße. Und wie es die Weisen in wahrhaften Visionen erfahren haben, sind die Ergebnisse dann auch dreifach. Gütige Buße besteht aus dem Singen von Mantras, Meditation und hingebungsvoller Verehrung des Göttlichen. Damit erfüllen sich alle Wünsche hier und hernach. Die leidenschaftliche Buße allerdings wird mit einem speziellen Wunsch als Ziel ausgeführt. Doch wenn der Körper gemartert und geschwächt wird, um sich eine Leidenschaft zu erfüllen, dann ist es träge Buße.

Die gütige Buße ist die beste, denn sie erhält den Geist standhaft, weise und gerecht. Man kann vieles tun, wie z.B. zeremonielle Waschungen, Verehrung, Mantra singen, Opfer, gewissenhafte Reinlichkeit, Verzicht auf Gewalt, heilige Riten, Fasten, Schweigen, Zügelung der Sinne, Lernen, Wahrhaftigkeit, sich von Wut fernhalten, wohltätige Gaben, Vergebung, Mitgefühl üben, Brunnen graben, Heimstätten erbauen für Menschen, die besondere Riten ausführen, Pilgern, Gebete, Pilgerreisen, das Pflegen von heiligen Stätten und andere, achtsamen Menschen angenehme Taten. Oh Vyasa, dabei ist Tugend die Ursache für die Hingabe an Shiva. Man heilige den Tag und Sonnengang und übe gute Meditation. Das hält den Geist strahlend. Auch die Atemübungen sind von dreierlei Art, nämlich Einatmen, Ausatmen und Anhalten. Wer diese beherrscht und um Durchblutung und die Kontrolle der Sinnesorgane weiß, kann vollkommenes Wissen und außergewöhnliche Fähigkeiten erlangen. In Trance können verschiedene Zustände geschehen, wie z.B. der Zustand eines Holzstückes, der Zustand des Todes oder der Zustand von Harita. Sie alle vernichten Sünde, wenn man nicht stolz auf seine besonderen Fähigkeiten ist.

Für zum Beispiel einen König gibt es folgende Vergnügen: Frauen, Betten, Wein, Kleider und Düfte und das Kauen von Bethelblättern. Dazu spenden auch Gold, Kupfer, Häuser, Juwelen, Kühe, das Studium der Veden und Schriften, Ornamente, Singen und Tanzen, Muschelhörner, Musikinstrumente, herrschaftliche Elefanten, Schirme und Wedel große Freuden für den, der danach verlangt. Doch meist weiß der Mensch nicht, daß all diese nur wie Reflektionen in einem Spiegel sind und ohne Substanz. Wie ein Sesamkorn zerquetscht wird, wenn man Öl möchte, so wird man von der Begierde zu schönen Dingen zerquetscht. Die Begierde läßt einen nach Vergnügen hetzen, während Verwirrung die Peitsche schwingt. Es ist, als ob man ständig angetrieben wird: Los, schneller!

Ohne tieferes Verständnis schwingt der Mensch auf und ab in der Welt und zieht seine Kreise wie ein Wasserrad. Er wird in verschiedene Formen des Lebens geboren und leidet die ganze Zeit. Und nach vielen, vielen Lebensformen erlangt er letztendlich die seltene Geburt als Mensch. Hat er viel Verdienst angesammelt, wird er auch außer der Reihe als Mensch geboren. Denn je nach Taten oder Verdienst sind die Auswirkungen im Leben ganz verschieden. Wer als Mensch nicht nach Erlösung strebt, denn nur hier kann man sich den Himmel und die Erlösung erarbeiten, der wird die verpaßte Möglichkeit sicher sehr, sehr lang beweinen. Selbst Götter und Dämonen erachten die menschliche Geburt als selten und kostbar. Und daher sollte man als Mensch alles tun, um den Fall in die Hölle zu vermeiden. Ja, die Geburt als Mensch ist sinnlos vertan, wenn es darin kein Streben nach Himmel und Erlösung gibt. Man sollte dieses Leben mit Eifer erhalten und nutzen, denn die menschliche Geburt gilt als Wurzel für das Erreichen der vier Lebensziele (von Tugend, Liebe, Wohlstand und Erlösung). Und wenn man schon kaum Kraft hat, um Erlösung zu ringen, dann sollte man zumindest die Wurzel erhalten. Und welcher Mensch, der schon in der seltenen Geburt als Mensch und dann auch noch als Brahmane geboren wird, kann so dumm sein, diese Chance nicht zu nutzen und nach dem Wohl der Seele zu streben? Von allen Kontinenten ist dies hier der Kontinent der heiligen Riten, denn nur von hier aus kann man Himmel und Erlösung erlangen. Ja, wer sich hier im Bharata Varsha nicht für das Wohl des Geistes interessiert, der ist vollkommen verblendet. Das Land der heilsamen Riten ist auch das Land der Freude, denn die Früchte heilsamer Handlungen können im Himmel geerntet werden. Und solange der Körper gesund und dazu in der Lage ist, sollte man tugendhafte Taten vollbringen. Ein kranker Mensch kann sich meist nicht mehr dazu durchringen, auch wenn andere ihn dazu ermahnen. Wer im vergänglichen Körper nicht nach dem Unvergänglichen strebt, verliert das Unvergängliche und muß dazu die Vergänglichkeit seines Körpers ertragen. Jeden Tag und jede Nacht vergeht ein Stückchen Körper. Warum erkennt man das nicht? Ohne diese Erkenntnis kommt der Tod plötzlich und unerwartet. Doch dann kann man niemals Vertrauen haben. Es ist sicher, daß man letztendlich alles loslassen muß. Also warum nicht schon jetzt loslassen und seinen Reichtum in selbstlosen Gaben verschenken, damit der Weg zu Yama mit Nahrung gesichert und leicht ist? Alle anderen leiden auf diesem Weg sehr.

Ach Vyasa, wer voller Verdienst auf dem Weg zum Himmel ist, gewinnt mit jedem Schritt. Die Menschen sollten das erkennen, heilsame Riten ausführen und sündige Taten meiden. Es ist der Verdienst, der einem Göttlichkeit verleiht, und das Fehlen von Verdienst ist die Hölle.

Wer nun in Shiva Zuflucht sucht, dem Herrn der Götter, und wenn es nur ein wenig ist, der muß keine Furcht vor Yama oder der gräßlichen Hölle haben. Auch wenn es Shivas Gebot ist, je nach Schwere der Sünde oder Verblendung dort eine Weile zu büßen, geht man danach doch in Shivas Reich ein. Doch wer ganz und gar Zuflucht bei Shiva findet, der beschmutzt sich nicht mit Sünde, wie das Lotusblatt alles abperlen läßt. Wer die Namen von Shiva singt, braucht keine Angst vor Yama und Hölle zu haben. Die beiden Silben Shi und Va sind das Paket mit Nahrung auf dem Weg in die andere Welt. Sie sind das Mittel für die Erlösung von allen Sorgen und die Heimstatt allen Verdienstes. Der Name Shivas kann alles Leiden der weltlichen Existenz überwinden, und ich meine, wie kein anderes Mittel. Einst beging ein Pulkasa (ein Ausgestoßener) tausend Morde an Brahmanen, doch als er den heiligen Namen Shivas wahrhaft hörte, konnte er Erlösung finden. Darum sollte der kluge Mensch seine Hingabe an Shiva beständig mehren, denn dies verleiht weltliche Freuden und Erlösung.


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